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3 Rechtsstellung des Vorerben

3.4 Rechte des Vorerben

3.4.1 Rechte eines Fruchtnießers

3.4.2.1 Recht auf die Früchte

Das Recht des Vorerben ist insofern mit dem Recht eines Fruchtnießers gleich, als beide die Sache ohne Einschränkungen aber unter Schonung der Substanz voll nutzen dürfen. Der Ertrag, der vom Vorerben als wahrer Erbe des Verstorbenen durch ordentliche Wirtschaftsführung

168 RIS-Justiz RS0008205 [T2]; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 5.

169 RIS-Justiz RS0012549 [T4]; RIS-Justiz RS0008205 [T3]; Schwimann/Kodek, ABGB III4 § 613 ABGB Rz 1;

Nemeth in Schwimann/Kodek (Hrsg), Praxiskommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch IV5 (2018) § 613 ABGB Rz 1.

170 Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 6.

171 Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 6 mwN.

172 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 4.

30 erzielt wird, steht diesem auch zu.173 Der Vorerbe unterliegt also hinsichtlich der bis zum Eintritt des Nacherbfalls gezogenen Früchte nicht der Rückgabepflicht an den Nacherben.174 Kommt es infolge eines nicht ordnungsgemäßen Wirtschaftens – zum Beispiel durch Raubbau – zu einem außergewöhnlichen hohen Fruchtbezug, begründet dies eine Schadenersatzpflicht gem § 1295 ABGB, weil der Vorerbe gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung verstoßen hat.175

Darüber hinaus können sonstige andere außergewöhnliche Ereignisse eintreten, die zu einem übermäßigen Ertrag führen. Dies etwa dann, wenn durch Windbruch, Raupenfraß oder Schneefall das übermäßige Beziehen der Früchte notwendig wird. Gem § 511 ABGB hat der Vorerbe in diesem Fall das Recht auch den außergewöhnlich hohen Ertrag zu behalten. Das wird damit argumentiert, als der Vorerbe im Gegensatz dazu gegebenenfalls auch verpflichtet ist, außerordentliche Lasten zu tragen.176

Nach der Beendigung der Fruchtnießung noch stehende Früchte gebühren dem Eigentümer gem

§ 511 ABGB. Dieser hat dem Fruchtnießer den zu ihrer Erzielung notwendigen Aufwand zu ersetzen. Dabei wird der Fruchtnießer wie ein redlicher Besitzer behandelt und ihm steht iSd § 331 ABGB der Ersatz des Aufwandes bis zur Höhe des Wertes der Früchte zu. Betreffend die Zivilfrüchte ist eine Verteilung nach der Dauer des Fruchtgenusses vorzunehmen – der Fruchtnießer erhält beispielsweise den Mietzins für den Zeitraum zwischen dem letzten Zinstermin und dem Ende des Fruchtgenusses.

Diese Regelungen sind auch auf die Nacherbschaft anzuwenden. Gibt es bei Eintritt des Nacherbfalls noch stehende natürliche Früchte erhält diese, im Sinne des oben Gesagten, der Nacherbe, der dem Vorerben den getätigten Aufwand zu ersetzen hat. Zivilfrüchte, die bis zum Eintritt des Nacherbfalls entstehen, gebühren grundsätzlich dem Vorerben. Geht die Erzielung der Zivilfrüchte aber zu einem beträchtlichen Teil auf die Leistung eines Beteiligten zurück, ist die Aufteilung nach der Dauer der Nacherbschaft nicht sachgerecht. In so einem Fall sind die Zivilfrüchte, nach Kletečka177, im Verhältnis des geleisteten Beitrages zu verteilen.

173 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 284; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 53.

174 RIS-Justiz RS0015257; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 53.

175 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 284; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 55.

176 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 55.

177 OGH 10 Ob 85/11i EF-Z 2012/114 = iFamZ 2012/80; RIS-Justiz RS0015332; Ersatz- und Nacherbschaft 285 f.

31 3.4.2.2 Änderung der Bewirtschaftungsart

Dem Fruchtnießer ist, wie oben erwähnt, die Änderung der Bewirtschaftungsart untersagt.

Anderes gilt hingegen in Bezug auf den Vorerben. Aufgrund der oftmals sehr langen Dauer des Vorerbrechts bis zum Eintritt des Nacherbfalls wird es unter Umständen notwendig sein, eine Änderung in der Bewirtschaftungsart vorzunehmen. Deswegen wird dem Vorerbe eher die Möglichkeit zugestanden, die Bewirtschaftungsart zu ändern, als dem Fruchtnießer. War die Änderung zulässig, hat der Vorerbe auch ein Recht auf die erwirtschafteten Früchte und den dadurch erzielten Ertrag.178

Der Vorerbe hat das Recht auf den vollen Ertrag, beispielsweise auf das forstmäßig geschlagene Holz. Laut OGH179 steht es ihm jedoch nicht zu, eine Rodung zur Widmungsänderung vorzunehmen. Dies führt zu einer unerlaubten Änderung im Wesen der, der Nacherbschaft unterliegenden, Sache.

Nach der Ansicht des OGH180 ist es auch eine unzulässige Änderung der Bewirtschaftungsart, wenn eine Anliegerwohnung zu Lebzeiten des Verstorbenen ausschließlich als Dienstwohnung für Chauffeur, Gärtner und Haushälterin benutzt wurde und nunmehr unbefristet vermietet wird. Die Mietfreimachungskosten sind deshalb vom Vorerben auch bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen.

3.4.2.3 Gefundener Schatz

Eine abweichende Regelung vom Fruchtgenussrecht gibt es bei der Nacherbschaft auch hinsichtlich eines gefundenen Schatzes. Gem § 511 letzter S ABGB hat der Fruchtnießer keinen Anspruch auf einen, aufgrund der Fruchtnießung gefundenen, Schatz und hat diesen sofort an den Eigentümer herauszugeben.181 Dies deshalb, als der Umfang des Fruchtgenussrechtes auf einer Vereinbarung zwischen dem Fruchtgenussbesteller und dem Fruchtnießer basiert, diese aber das Finden eines Schatzes nicht mit vereinbart haben, weshalb sich das Fruchtgenussrecht auch nicht drauf bezieht.182

Bei der Nacherbschaft führt ein gefundener Schatz hingegen zu einer Vermehrung der Substanz der Verlassenschaft und fällt dementsprechend dem Vorerben in sein Eigentum. Kommt es zu einer Herausgabe der Verlassenschaft im Zuge des Nacherbfalls, ist die Verlassenschaft

178 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 285.

179 OGH 1 Ob 502/88 JBl 1989, 103 = SZ 61/9; RIS-Justiz RS0011863, zuletzt OGH 10 Ob 85/11i EF-Z 2012/114

= iFamZ 2012/80; RIS-Justiz RS0011917, zuletzt OGH 10 Ob 85/11i EF-Z 2012/114 = iFamZ 2012/80.

180 OGH 10 Ob 85/11i EF-Z 2012/114 = iFamZ 2012/80.

181 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 6.

182 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 285.

32 vermehrt um den Schatz an den Nacherben herauszugeben, da der Schatz das rechtliche Schicksal der Verlassenschaft teilt. Das gleiche gilt für den Ersatz für eine beschädigte, entzogene oder untergegangene, der Verlassenschaft ehemalig zugehörige, Sache. Beispiele dafür sind etwa der gemachte Gewinn durch ein zur Verlassenschaft gehörendes Los, der aufgrund einer Enteignung hinterlegte Entschädigungsbetrag oder der aus einem Versicherungsvertrag zustehende Schadenersatz.183

3.4.2.4 Ersatz gemachter Aufwendungen aufgrund der Verpflichtung zur Erhaltung

Der Fruchtnießer hat gem § 513 ABGB, einem guten Haushälter gemäß, die dienstbare Sache in dem Stande zu erhalten, in dem er sie übernommen hat. Er hat den erwirtschafteten Ertrag heranzuziehen, um notwendige Ausbesserungen, Ergänzungen oder Herstellungen vorzunehmen. Sind diese Kosten durch den Reinertrag nicht gedeckt, hat der Eigentümer die weiteren Kosten zu übernehmen. Alle Erhaltungsarbeiten, die über die notwendige Instandhaltung hinausgehen, sind weder vom Fruchtnießer noch vom Eigentümer verpflichtend vorzunehmen.184

Auch der Vorerbe unterliegt der Pflicht zur ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung. Betreffend die Regelungen zur Kostentragung ist bei der Nacherbschaft jedoch, laut Kletečka185, anders vorzugehen. Der Nacherbe ist nicht – wie im Gegensatz dazu der Eigentümer beim Fruchtgenuss – verpflichtet, die Kosten zur Instandhaltung zu tragen, wenn der vom Vorerben erwirtschaftete Ertrag nicht ausreicht. Dies deshalb als der Nacherbe sich – anders als der Fruchtgenussbesteller – vertraglich zu nichts verpflichtet hat und ihm, sofern er noch keine Erbantrittserklärung abgegeben hat, nach wie vor das Recht zusteht, die Erbschaft auszuschlagen. Im Hinblick auf die Nacherbschaft sind die §§ 513 ff ABGB deswegen so auszulegen, dass der Vorerbe das Recht hat, sich des Vermögens der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft zu bedienen und die Kosten aus diesem zu bestreiten, wann immer der Eigentümer nach den Regeln der §§ 513 ff ABGB zur Tragung der Kosten verpflichtet wäre.

Bei der Verteilung von Lasten gem § 512 ABGB sind die gleichen Regelungen, betreffend die Frage, wann der Vorerbe diese Lasten selbst zu tragen hat und wann er sich dazu der Verlassenschaft bedienen darf, anzuwenden.186

183 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 6.

184 OGH 10 Ob 85/11i EF-Z 2012/114 = iFamZ 2012/80.

185 Ersatz- und Nacherbschaft 286 f; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 31.

186 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 286 f mwN; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 32.

33 Anderer Meinung ist bezüglich des Anspruchs des Vorerben auf Ersatz der gemachten Aufwendungen Sailer187, der nach den Bestimmungen über den redlichen und unredlichen Besitz gem §§ 331, 332, 336 ABGB vorgeht.

3.4.3 Veräußerbarkeit der Vorerbenstellung

Die Rechtstellung des Vorerben ist, genauso wie jene des Nacherben188 und aller anderen Erben, veräußerbar.189 Dabei sind die Formvorschriften für den Erbschaftskauf gem §§ 1278 ff ABGB analog heranzuziehen. Von einem Erbschaftskauf ist die Rede, wenn das Erbrecht zwischen Erbfall und Einantwortung gegen Entgelt veräußert wird, dieser bedarf zu seiner Gültigkeit eines Notariatsaktes190 oder eines gerichtlichen Protokolls.191

Hat der Verstorbene letztwillig verfügt, dass eine Veräußerung des Vor- bzw Nacherbrechts verboten ist, führt ein Zuwiderhandeln – wenn das Verbot als Auflage oder auflösende Bedingung angeordnet worden ist – zu einem Verlust des Vor- bzw Nacherbrechts.192

Durch den Erbschaftskauf tritt der Erbschaftskäufer an die Stelle des Erben, wird jedoch nicht selbst zum Erben. Er übernimmt das Verlassenschaftsverfahren in dem Stadium, in dem es sich beim Erbschaftskauf befunden hat und kann in dem Verfahren gesetzte Akte des Verkäufers – beispielsweise dessen Erbantrittserklärung – nicht zurücknehmen. Hat der Verkäufer hingegen noch keine Erbantrittserklärung abgegeben, hat der Erbschaftskäufer die Abgabe dieser in seinem Namen und in Bezug auf den Erbschaftskauf nachzuholen. Die entgeltliche Veräußerung des Erbrechts findet meist vor der Einantwortung statt, sodass die Verlassenschaft bereits dem Erbschaftskäufer eingeantwortet wird und dieser infolgedessen Eigentum an den Gegenständen der Verlassenschaft erwirbt.193

Auch der veräußernde Vorerbe hat dem Grundsatz des § 442 ABGB, dass niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat, treu zu bleiben. Somit kann der Vorerbe dem Erwerber nur sein Erbrecht verkaufen, das Nacherbrecht bleibt vom Erbschaftskauf unberührt. Der Erbschaftskäufer hat die gleichen Beschränkungen iSd § 613 ABGB wie der Vorerbe gegen sich gelten zu lassen und ihm kommt nach der Einantwortung „nur“ auflösend bedingtes

187 Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 43.

188 Siehe dazu unter 4.3.2.

189 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 17.

190 Nemeth, Erbschaftskauf (Stand 10.3.2021, Lexis Briefings in lexis360.at).

191 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 12.104.

192 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 269; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 19 mwN.

193 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 12.103, 12.105.

34 Eigentum zu. Dies bedeutet folglich, dass er die Erbschaft bei Eintritt des Nacherbfalls an den Nacherben herauszugeben hat.194 Wurde letztwillig verfügt, dass der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintreten soll, bleibt dieser Zeitpunkt auch im Falle eines Erbschaftskaufs entscheidend – die Erbschaft ist in Folge nicht mit dem Tod des Erbschaftskäufers, sondern des Vorerben, herauszugeben.195

3.4.3.1 Verpfändung des Vorerbrechts

Der Vorerbe hat zwar, wie oben ausgeführt, die Möglichkeit das Vorerbrecht zu veräußern, jedoch steht es ihm nach hL nicht zu, die Verlassenschaft als Ganzes zu verpfänden. Dies wird unter anderem damit begründet, dass gem § 448 ABGB nur individuell bestimmbare Einzelsachen verpfändet werden dürfen, eine Gesamtsache – wie das Vorerbrecht, das sich auf die Verlassenschaft als Gesamtsache bezieht – hingegen nicht als Pfand dienen kann.196

3.4.4 Vererblichkeit der Vorerbenstellung

Wie bereits oben erwähnt gilt gem § 608 Abs 1 S 2 ABGB, dass der Nacherbe im Zweifel auch der Ersatzerbe ist. Ist der Vorerbe bereits vorverstorben, entspreche es, nach Apathy/Neumayr197 dem typischen Willen des Verstorbenen, dass der Nacherbe sofort erben soll.

Allerdings handelt es sich bei § 608 Abs 1 S 2 ABGB um eine Zweifelsregel. Meiner Meinung nach wird die Antwort auf die Frage, auf wen das Vorerbrecht im Falle des Versterbens des Vorerben vor Eintritt der Bedingung oder vor Erreichen des Zeitpunktes mit dem das Nacherbrecht aufschiebend befristet ist, übergeht, je nach Auslegung des letzten Willens des Verstorbenen unterschiedlich ausfallen. Ist beispielsweise der Eintritt des Nacherbfalls mit dem Erreichen der Volljährigkeit des Nacherben befristet und geht ganz klar hervor, dass der Verstorbene unter keinen Umständen wollte, dass der Nacherbe vor seiner Volljährigkeit die Nacherbschaftsmasse erhält, wird man sich die Frage stellen müssen, wer stattdessen bis zum Erreichen des vorgegebenen Alters die Vorerbenstellung innehat. Meines Erachtens ist den gesetzlichen Erben des Verstorbenen der Vorzug gegenüber den Erben des Vorerben zu geben,

194 Siehe zum Herausgabeanspruch des Nacherben unter 4.3.8.

195 Linder, §12 Der Erbschaftskauf, in Gruber/Kalss/Müller/Schauer (Hrsg), Erbrecht und Vermögensnachfolge2 (2018) Rz 4; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 17.

196 Koch in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6 (2020)§ 448 ABGB Rz 4;

Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 18;

197 KBB6 § 608 ABGB Rz 6.

35 da sich dies durchaus auch mit den Ausführungen zur konstruktiven Nacherbfolge198 vereinbaren lässt. Überdies spricht die Anordnung einer Nacherbschaft durch den Verstorbenen meiner Meinung nach dafür, dass der letztwillig Verfügende nicht die Absicht hatte, den Erben des Vorerben etwas zukommen zu lassen, allenfalls er sich nicht der Nacherbschaft bedienen hätte müssen, sondern wohl einer anderen Aufteilung der Verlassenschaft letztwillig den Vorzug gegeben hätte. Somit sollen bei einem Vorversterben des Vorerben, wenn festgestellt wird, dass es nicht im Sinne des Verstorbenen wäre, dem Nacherben bereits zu einem verfrühten Zeitpunkt die Nacherbschaftsmasse zukommen zu lassen, die gesetzlichen Erben des Verstorbenen in der Zwischenzeit das Vorerbrecht erhalten. Diese sollen die Nacherbschaftsmasse wie der eigentliche Vorerbe benutzen dürfen und in weiterer Folge bei Eintritt des Nacherbfalls an den Nacherben herausgeben.

Daher ist von einer „Vererblichkeit der Vorerbenstellung“ in dem Sinne, dass der Vorerbe im Falle seines Versterbens die Nacherbschaft vererben kann, nicht die Rede, da die Erben des Vorerben meines Erachtens nicht zum Zug kommen. Im Gegensatz dazu ist die „Vererblichkeit der Nacherbenstellung“ durchaus möglich, auf diese wird weiter unten noch eingegangen.

3.5 Pflichten des Vorerben und Schranken des Vorerbrechts 3.5.1 Sorgfaltspflicht, aber keine Bewirtschaftungspflicht

Da der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls bei Benützung der Nacherbschaftsmasse ein eigenes und nicht ein fremdes Recht ausübt kann ihm nicht vorgeschrieben werden, sein eigenes Recht überhaupt zu gebrauchen. Aufgrund dessen unterliegt der Vorerbe hinsichtlich der Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft keiner Bewirtschaftungspflicht.199 Aus der den Vorerben – sofern es nicht zu einem Erlöschen der Nacherbschaft gem § 615 ABGB kommt – stets treffenden Rückstellungspflicht kann jedoch eine Pflicht zur entsprechenden Sorgfalt gegenüber dem Nacherben abgeleitet werden, die den Vorerben trifft.

Der Vorerbe haftet grundsätzlich für jedes Verschulden, es sei denn, dass der Verstorbene eine Befreiung des Vorerben von der Haftung für auffallende Sorglosigkeit letztwillig verfügt hat.200

198 Siehe dazu unter 2.2.7.

199 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 57.

200 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 57 mwN.

36 3.5.2 Verfügungen des Vorerben

Mit dem ErbRÄG 2015 wurden in § 613 ABGB wichtige Grundfragen bezüglich der Rechtsstellung des Vorerben im Sinne der hM in den Abs 2-4 leg cit gesetzlich geregelt.201 Insbesondere jene betreffend die Verfügungsmöglichkeiten des Vorerben trotz der grundsätzlich bestehenden Verfügungsbeschränkung. An und für sich ist dem Vorerben das wirksame Verfügen über die Nacherbschaftsmasse ohne Zustimmung des Nacherben verwehrt.

Weitere Ausnahmen sind in § 613 Abs 2 ABGB gesetzlich normiert, auf die unten näher eingegangen wird.202

Durch die Eintragung des Substitutionsbandes im Grundbuch ist das beschränkte Eigentum des Vorerben und damit die Verfügungsbeschränkung, der er unterliegt bei Liegenschaften bereits erkennbar. Daher ist die Verbücherung eines allein vom Vorerben abgeschlossenen Bestandvertrages und die Einverleibung sowohl eines vertraglichen Pfandrechts als auch einer zwangsweisen Pfandrechtsbegründung ausgeschlossen, sofern der Nacherbe nicht zustimmt.203 Bei beweglichen Sachen kann der Vorerbe ohne Zustimmung des Nacherben einem Dritten kein derivatives Eigentum übertragen.204

Auf die gesetzlich normierten Ausnahmen iSd § 613 Abs 2 ABGB wird unter 3.5.2.6 eingegangen.

Der Vorerbe ist befugt, ein Vorkaufsrecht zu begründen und dieses auch zu verbüchern. Das Eigentumsrecht des Vorkaufsberechtigten ist nach Einlösen des Vorkaufsrechts jedoch nur dann einer Verbücherung zugänglich, wenn der Nacherbe zustimmt, sofern die Nacherbschaft im Rang vor dem Vorkaufsrecht steht.205

Befindet sich in der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft ein Unternehmen, so ist die Verfügungsbeschränkung des Vorerben nicht im Hinblick auf das gesamte Umlaufvermögen oder große Teile des Anlagevermögens zu verstehen.206 Um das wirtschaftliche Agieren nicht vollends zu hemmen sei § 613 Abs 2 ABGB, laut Schauer207 und

201 Barth/Pesendorfer, Erbrechtsreform 2015 (2015) § 613 ABGB.

202 RIS-Justiz RS0007732; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 8.

203 RIS-Justiz RS0012549; RIS-Justiz RS0114688; RIS-Justiz RS0002605; Kletečka /Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 8.

204 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 8.

205 OGH 10 Ob 25/15x Zak 2015/716 = NZ 2016/25.

206 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 11.

207 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 11 mwN.

37 Kletečka208 so zu verstehen, dass sich die Beschränkung der Rechte des Vorerben auf die Substanz des Unternehmens als Gesamtsache und nicht auf die Substanz der einzelnen Sache bezieht.

Der Vorerbe hat, wie bereits oben erwähnt, ein auflösend befristetes oder bedingtes Eigentumsrecht. Mit Eintritt des Nacherbfalls verliert er dieses kraft Gesetztes automatisch, weshalb auch Verfügungen über Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft, die der Vorerbe getroffen hat, mit Eintritt des Nacherbfalls unwirksam werden. Da niemand mehr Recht übertragen kann, als er selbst hat, kann der Vorerbe, ohne Zustimmung des Nacherben, auch nicht mehr als dieses auflösend befristete oder bedingte Eigentum einem Dritten verschaffen.209

3.5.2.1 Gültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts

Verfügungen, die von dem Erfordernis einer ordentlichen Bewirtschaftung nicht gedeckt sind, sind nichtig, das vorausgehende Verpflichtungsgeschäft behält hingegen ohne Beschränkung seine Gültigkeit. Der Vorerbe schuldet seinen Gläubigern die Erfüllung, anderenfalls er bei Nichterfüllung zur Haftung gezogen werden kann.210

Werden Rechtsgeschäfte über Liegenschaften oder Rechten daran vom Vorerben mit einem Dritten abgeschlossen ist Letzterer verpflichtet, vor Abschluss des Rechtsgeschäfts die öffentlichen Bücher einzusehen, um zu kontrollieren, ob allfällige Beschränkungen bestehen.

Sollen lediglich Schuldverhältnisse begründet oder Rechtsgeschäfte über Fahrnisse getätigt werden, obliegt dem Erwerber die vorherige Einsicht in das öffentliche Buch hingegen nicht.211 Die aus der Nichterfüllung resultierende Haftung kann der Vorerbe folglich nicht immer dadurch beseitigen, dass er sich darauf beruft, dass der Gläubiger keine Einsicht in die öffentlichen Bücher vorgenommen hat. Die §§ 443, 928 ABGB betreffend die Übernahme der, auf der unbeweglichen Sache haftenden Lasten durch den Erwerber kommen nicht zur Anwendung, da den Erwerber in diesem Fall keine dinglichen Lasten treffen sollen, auf die sich die Normen jedoch beziehen.212

208 Ersatz- und Nacherbschaft 229.

209 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 9.

210 RIS-Justiz RS0012578, zuletzt OGH 5 Ob 131/19d NZ 2020/136 (Bittner); Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 41.

211 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 33.

212 RIS-Justiz RS0012578, zuletzt OGH 5 Ob 131/19d NZ 2020/136 (Bittner); Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 41.

38 Das Verfügungsgeschäft ist sowohl gegenüber dem Nacherben als auch gegenüber jedem Dritten schwebend unwirksam, insoweit es dem Erbrecht des Nacherben schädlich sein würde.

Die Verfügung ist jedoch gültig, wenn der Nacherbfall nicht eintritt oder die Nacherben die Verfügung genehmigen. Dabei haben alle lebenden Nacherben dieser zuzustimmen.213

Verfügt der Vorerbe trotz der ihm auferlegten Beschränkungen über Gegenstände, die der Verlassenschaft angehören, schafft er für gewöhnlich Eigenverbindlichkeiten. Handelt es sich um Verfügungen, die gänzlich oder teilweise erst nach dem Nacherbfall ihre Wirkung entfalten ist, nach Sailer214, § 880a ABGB anzuwenden. Der Vorerbe verspricht – obwohl dies nicht in seiner Rechtsstellung als Vorerbe Deckung findet – dem Nacherben die Leistung eines Dritten und haftet diesem für die volle Genugtuung im Falle des Unterbleibens der Leistung des Dritten.

3.5.2.2 Miet- und Pachtverträge

Eine Ausnahme von dem oben Gesagten, dass der Vorerbe für die Nicht-Leistung eines Dritten gem § 880a ABGB einzustehen hat, bilden vom Vorerben abgeschlossene Bestandverträge über Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft, die über die Dauer des Vorerbrechts hinaus andauern. Diesbezüglich begründet der Vorerbe nicht bloß eine Eigenverbindlichkeit, sondern schafft eine, den Nacherben treffende, Verbindlichkeit.215

Eine Ausnahme von dem oben Gesagten, dass der Vorerbe für die Nicht-Leistung eines Dritten gem § 880a ABGB einzustehen hat, bilden vom Vorerben abgeschlossene Bestandverträge über Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft, die über die Dauer des Vorerbrechts hinaus andauern. Diesbezüglich begründet der Vorerbe nicht bloß eine Eigenverbindlichkeit, sondern schafft eine, den Nacherben treffende, Verbindlichkeit.215