P O L I T I K LEITARTIKEL
Die berufsständischen Versor- gungswerke der klassischen freien verkammerten Berufe sehen ihre Po- sition im gegliederten System der Al- terssicherung mit der zum 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Neuregelung des Befreiungsrechtes von der Versi- cherungspflicht in der Rentenversi- cherung für angestellt tätige An- gehörige der freien Berufe dauerhaft gesichert. Mittelbare Eingriffe in die berufsständische Versorgung seien nicht zu erwarten und auch verfas- sungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.
Die durch eigene Beiträge erworbe- nen und aufgebauten individuellen Versorgungsansprüche und Anwart- schaften gegenüber berufsständischen Versorgungswerken seien durch die Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichtes in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie versetzt wor- den, wonach auch das Renteneigen- tum unter den Eigentumsrechtsschutz gemäß Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz fällt. Dies erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft berufsstän- discher Versorgungseinrichtungen e.V. (ABV), Dr. med. Rolf Bialas, nie- dergelassener Internist aus Hamburg, anläßlich einer Pressekonferenz Ende Januar in Köln.
Die durch den Gesetzgeber voll- zogene Neuregelung knüpfe das Be- freiungsrecht nicht nur an die Pflicht- mitgliedschaft im berufsständischen Altersversorgungswerk, sondern auch an die Pflichtmitgliedschaft in ei- ner berufsständischen Kammer, trage also sowohl den Interessen der Werke als auch denen der gesetzlichen Ren- tenversicherung Rechnung. Die Ver- sorgungswerke könnten mit der
„Magna Charta“, der Befreiungsklau- sel nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, le- ben; sie sei eine notwendige „Frie- densgrenze“ zwischen dem System der gesetzlichen Rentenversicherung und der diesem System gleichgestell- ten Versorgungswerke der klassi- schen verkammerten freien Berufe.
Inzwischen sei der im Jahr 1994 poli-
tisch hochgespielte Streit um die Neu- gründungsabsichten der Bauinge- nieure in Bayern ausgestanden, die ursprünglich eine eigenständige be- rufsständische Versorgungseinrich- tung (mit Unterstützung der bayeri- schen Staatsregierung) – mit erwarte- ten rund 800 000 Mitgliedern – an- strebten. Bundesarbeitsminister Dr.
Norbert Blüm sah bei einer Ausdeh- nung der Versorgungswerke auf nicht umfassend pflichtverkammerte freie Berufe wie die der Ingenieure eine Existenzgefährdung der Zweige der gesetzlichen Rentenversicherung.
Auch der Verband Deutscher Ren-
tenversicherungsträger e.V. (VDR) befürchtete durch den bayerischen Vorstoß der Ingenieure einen für die Rentenversicherungsträger nicht hin- nehmbaren merklichen Aderlaß.
Durch die jetzt vollzogene Klar- legung durch den Gesetzgeber seien die Probleme aus der Welt, und es sei klargelegt, daß als konstitutives Ele- ment für die berufsständischen Ver- sorgungswerke der freien Berufe de- ren Mitglieder Pflichtmitglieder einer Kammer sein müssen. Zu den Prinzi- pien der Werke gehöre zudem das Prinzip der Einheitlichkeit des freien Berufes – unabhängig davon, ob der Beruf selbständig oder in angestellter Position ausgeübt wird. Auch der an- gestellte Arzt, Zahnarzt oder Apo- theker sei Angehöriger eines freien Berufes und damit Pflichtmitglied sei- ner berufsständischen Kammer, weil sie demselben öffentlichen Auftrag dienten, der zur Verkammerung des Berufsstandes insgesamt geführt ha- be, so Bialas. Auch unterliege er den- selben berufsrechtlichen Verpflich- tungen und gegebenenfalls Konse- quenzen wie der selbständig Tätige.
Die Arbeitsgemeinschaft der Versorgungswerke setzt sich erneut dafür ein, die gesetzliche Rentenver- sicherung von versicherungsfremden Leistungen („Fremdlasten“) zu entla- sten. Zur Zeit sei die Rentenversiche- rung mit rund 33 Milliarden DM jähr- lich an Fremdaufgaben belastet (bei Jahresausgaben von rund 300 Milliar- den DM). Das Problem der versiche- rungsfremden Leistungen werde langfristig zu einer Schicksalsfrage für das gegliederte System der Alterssi- cherung. Fremdlasten müßten sukzes- sive auf den Staatshaushalt zurück- verlagert werden. Für allgemeine La- sten müsse die Allgemeinheit einste- hen. Zudem seien die Maßnahmen für den einzelnen eher tragbar, weil die Bemessungsbasis für das Steuer- aufkommen breiter sei als für die Be- messung der Rentenversicherungs- beiträge. Dr. Harald Clade A-359 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 7, 16. Februar 1996 (15)
Versorgungswerke der freien Berufe
Position dauerhaft gesichert
Tabelle
Die 18 ärztlichen Versorgungswerke 1994
Anwartschaftsberechtigte
Mitglieder 277 724
davon beitragsleistende
Mitglieder 267 645
Beiträge in Milliarden DM 3,863 Monatlicher
Durchschnittsbeitrag 1 203,00 DM Vermögensanlagen
in Milliarden DM 43,937 Vermögenserträge
in Milliarden DM 3,163
Zahl der Rentenempfänger 56 082 Jahresbetrag der Renten
(einschließlich Kinderzuschuß)
in Milliarden DM 1,938
durchschnittl. mtl. Berufs- unfähigkeitsrente
(ohne Kinderzuschuß) 4 089,00 DM durchschnittl. mtl.
Kinderzuschuß 479,00 DM durchschnittl. mtl.
Witwen-/Witwerrente 1 881,00 DM durchschnittl. mtl.
Waisenrente 586,00 DM
durchschnittl. mtl.
Altersrente
(ohne Kinderzuschuß) 3 799,00 DM
Quelle: ABV, Köln, Februar 1996