• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Konservative und operative Behandlung der Geschwürskrankheit am Magen und am Zwölffingerdarm" (13.05.1983)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Konservative und operative Behandlung der Geschwürskrankheit am Magen und am Zwölffingerdarm" (13.05.1983)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

a

Einführung

Die Internationalen Fortbildungs- kongresse der Bundesärztekam- mer bringen mit einer Fülle von Hauptvorträgen, Seminaren, Po- diumsdiskussionen und Demon- strationen in gewöhnlich zwei Wo- chen einen umfassenden Quer- schnitt durch die wichtigsten Ge- biete der Medizin. Selbstverständ- lich kann es nicht Aufgabe des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES sein, diese Fülle mehr oder minder kursorisch wiederzugeben.

Wir haben uns deshalb entschlos- sen, im Rahmen des uns zur Verfü- gung stehenden Raumes unter der Rubrik „Kongreß-Bericht" ein Hauptthema von verschiedenen Seiten her zu beleuchten. Zu die- sem Zweck haben wir aus den Themen des diesjährigen Winter- kongresses in Davos, 7. bis 18.

März, die unverändert aktuellen

„Geschwürskrankheiten an Ma- gen und Zwölffingerdarm" ausge- wählt. In drei kurzen Zusammen- fassungen werden die Pathogene- se, die internistischen und die chirurgischen Aspekte dargestellt.

Rudolf Gross

1. Die pathologisch-

anatomischen Veränderungen bei der Geschwürskrankheit Jedes Geschwür in Magen und Duodenum beginnt mit einer oberflächlichen Erosion, zerstört

schrittweise die Schleimhaut, eventuell die Muskularis oder gar die gesamte Magenwand.

Charakteristisch ist das Erhalten- bleiben der oberflächlichen, fibri- nös-leukozytären Nekrose auch beim chronischen Geschwür.

Trotz weitgehender morphologi- scher Ähnlichkeit sind Magenge- schwüre und Duodenalgeschwüre als pathogenetisch verschiedene Krankheiten aufzufassen, die auch verschiedene patho-histologische

Vorstadien haben.

Voraussetzung eines Magenge- schwürs — von Sonderfällen wie beim Stumpfulkus oder beim Zol- linger-Ellison-Syndrom abgese- hen — ist eine chronische Gastritis mit „Wanderung" der Schleim- hautgrenzen in Richtung Kardia.

Während beim Gesunden die Grenze zwischen Antrum- und Py- Iorusschleimhaut recht exakt auf der Pylorusebene liegt, verschiebt sich die Grenze bei jeder chroni- schen Gastritis kardiawärts.

Auch die Grenze zwischen Kor- pus- und Antrumschleimhaut ver- schiebt sich in gleiche Richtung, und an der Übergangszone zwi- schen der durch die Entzündung bedingten Hypoplasie- oder gar Atrophiezone und der normalen Schleimhaut entsteht ein Locus minoris resistentiae gegen die ag- gressive Salzsäurewirkung. Analo- ge Vorstadien für das Ulcus duo-

\1 .401/1/1

deni sind nicht bekannt. Das prä- pylorische Ulkus ist in dieser Hin- sicht als Magenulkus zu werten.

Mit der chronischen Gastritis geht eine Reduktion der Schleimpro- duktion und der Epithelregenera- tion einher, womit die Mukosabar- riere reduziert wird. Meist finden sich Zeichen einer chronischen Hyperchlorhydrie. Als deren Ursa- che kann einmal eine autonom nervöse Fehlsteuerung bei fortge- setzter hypervagaler Stimulation vorliegen. Hierbei kommen auch psychosomatische Faktoren in Be- tracht. Diese Vagusstimulation steigert bevorzugt die sekretori- sche Leistung der G-Zellen mit Steigerung der Gastrinsekretion.

Interessant ist, daß bei den mei- sten Patienten mit chronischem Ulcus duodeni die G-Zellzahl im Magenantrum vermehrt ist, also eine Gastrinzellhyperplasie vor- liegt. Die Anregung der Salzsäure- produktion durch die Belegzellen und der Pepsinogenbildung durch die Hauptzellen wird aber erst dann aggressiv zytotoxisch, wenn die defensiven Faktoren reduziert sind, allem voran die Integrität der Schleimschranke.

Diese stört jede Beeinträchtigung der Blutzirkulation, und hier liegt auch der Angriffspunkt der Gluko- kortikosteroide und der Acetylsali- cylsäu re.

Diese können die Schleimqualität verändern bzw. die Sekretionsin-

Konservative und operative Behandlung der

Geschwürskrankheit am Magen und am Zwölffingerdarm

Bericht über das Hauptreferat II des

31. Internationalen Fortbildungskongresses der Bundesärztekammer und der

Österreichischen Ärztekammer 1983 in Davos

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 19 vom 13. Mai 1983 55

(2)

tensität vermindern. Die Entste- hung von Erosionen und Ulzera ist also eine Bilanzstörung zwischen Aggression und Mukosaschutz.

Paradigmatisch dafür ist etwa die extreme Hypergastrinämie beim Gastrinom mit Zollinger-Ellison- Syndrom. Die Gastrinome, die zu- meist im Pankreas oder im oberen Duodenum lokalisiert sind und bei Frauen etwa doppelt so häufig vorkommen wie bei Männern, füh- ren nahezu alle zu Geschwüren des oberen Gastrointestinaltrak- tes. Immer wenn multiple Ulzera vorliegen oder wenn Ulzera aty- pisch lokalisiert sind — etwa im Kardia und im distalen Duodenum

— sollte man an ein Zollinger-Elli- son-Syndrom denken, welches nach der Entwicklung der H 2-Re- zeptorantagonisten gut zu behan- deln ist.

Dabei kommt es am Rande der Ge- schwüre zu einer gesteigerten DNA-Synthese, was man bioptisch nach In-vitro-Inkubation mit H 3- Thymidin gut feststellen kann.

Am Rande von Geschwüren sind schon ohne Behandlung die ober- flächlichen und die basalen Epi- thelzellen regenerativ tätig, ein Vorgang, der unter Therapie mit H 2-Rezeptorantagonisten deutlich gesteigert ist. Dies gilt sowohl für das Magen- als auch für das Duo- denalkarzinom.

Epidemiologische Studien haben immer wieder bewiesen, daß die Ulkuskrankheit das männliche Ge- schlecht bevorzugt — abgesehen vom Zollinger-Ellison-Syndrom daß die Erkrankungshäufigkeit mit dem 30. Lebensjahr beginnt und beim Ulcus ventriculi das Maxi- mum der Altersverteilung an der Grenze vom 5. zum 6. Lebensjahr- zehnt liegt, beim Ulcus duodeni etwa 15 Jahre später.

Japaner haben etwa zehnmal so viel Magengeschwüre wie US- Amerikaner oder die Bewohner Is- raels. Sowohl in USA als auch in Großbritannien besteht eine um- gekehrte Proportionalität zwi-

schen dem Sozialstatus und der Geschwürsmortalität. Sehr wahr- scheinlich schützt eine eiweißrei- che Nahrung vor dem Magenge- schwür. Begünstigend ist dage- gen das Zigarettenrauchen; weni- ger gesichert ist die Korrelation zum Alkoholismus. Die Häufung des Geschwürsleidens bei der chronischen Alkoholkrankheit scheint über den Kausalfaktor Le- berzirrhose zu laufen: Etwa 12 Prozent aller Patienten mit Leber- zirrhose leiden an einem Duode- nalgeschwür oder — seltener — an einem Magengeschwür. Die porta- le Stauung ist die Ursache einer Reduktion des Mukosaschutzes Erbfaktoren sind trotzdem nicht ohne Belang: Die Ulkuskrankheit ist bei eineiigen Zwillingen bis 2,5mal häufiger als in Vergleichs- gruppen.

Verwandte von Magengeschwürs- kranken haben eine etwa dreifach höhere Prävalenz für Magenge- schwüre, nicht aber für Duodenal- geschwüre.

Verwandte von Duodenalge- schwürskranken haben eine etwa dreimal so hohe Prävalenz für Duodenalgeschwüre, nicht aber für Magengeschwüre. Diese epi- demiologischen Daten belegen die prinzipielle Unabhängigkeit beider Geschwürstypen.

Duodenalgeschwüre treten bei Pa- tienten mit der Blutgruppe 0 übri- gens statistisch später auf als bei Patienten mit den Blutgruppen A, B und AB.

Unterschiedliche Gastrinproduk- tions-Intensitäten scheinen dafür verantwortlich zu sein. Aber auch die Säuresekretion ist hier wich- tig: Teilt man Duodenalulkuspa- tienten nach der Intensität der Säuresekretion ein in Normose- kretoren und Hypersekretoren, so ist die Gastrinantwort nur bei den Normosekretoren erhöht.

Neuerdings treten auch immuno- logische Faktoren pathogenetisch in den Vordergrund: Bei einer spe- ziellen Nagerart, den Mastomys,

kann man nach Präsensibilisie- rung durch Ovalalbumin typische Magengeschwüre erzeugen, und in Umgebung menschlicher Ma- gen- und Duodenalgeschwüre sieht man nicht nur viele Mastzel- len, sondern auch IgE-produzie- rende Plasmazellen in großer Zahl.

Das Ulkuskarzinom, früher als re- lativ häufige Komplikation ange- geben, ist nach heutigem Kennt- nisstand eher eine Rarität und liegt weit unter 1 Prozent. Dies ha- ben ausführliche Untersuchungen der Japaner gelehrt: Die meisten, früher als Ulkuskarzinom betrach- teten Fälle, sind sekundär ulzerier- te Karzinome.

Aus der heutigen Erkenntnis, daß Magenfrühkarzinome — die ja auf die Schleimhaut beschränkt sind — als latente Karzinome über mehre- re Jahre bestehen können, ergibt sich die praktische Konsequenz:

Jedes gastroskopisch nicht scharf ausgestanzt erscheinende Magen- geschwür kann ein ulzerierendes

Frühkarzinom sein und gibt somit die absolute Indikation zur gastro- skopisch bioptischen Abklärung.

Dies gilt auch für präpylorische Geschwüre, nicht aber für Duode- nalgeschwüre — ein weiteres Indiz für die pathogenetische Differenz beider Geschwürstypen.

Professor Dr. med.

Ekkehard Grundmann Direktor des Pathologischen Instituts der Universität Domagkstraße 17 4400 Münster

II. Konservative Behandlung der Geschwürskrankheit

an Magen und Zwölffingerdarm Die Ulkuskrankheit hat in den ver- gangenen 20 Jahren offensichtlich einen Wandel durchgemacht, der nur bedingt Folge einer effektive- ren Therapie sein dürfte. Die Zahl der Ulkuskomplikationen wie Blu- tung und Perforation ist deutlich rückläufig, eine Reihe früher we-

(3)

nig wirksamer Therapieprinzipien erweist sich heute im kontrollier- ten Versuch als effizient, was eine beschleunigte Heilung anlangt, und die Therapie hat sich aus dem stationären Bereich fast vollstän- dig in den ambulanten verlagert.

Hinzu kommt, daß zumindest beim Ulcus duodeni ein Rückgang der Prävalenz zu beobachten ist.

Bei der Behandlung des Ulkuslei- dens kann der Arzt zunächst mit einer hohen Spontanheilungsrate rechnen, die allerdings geographi- schen Unterschieden zu unterlie- gen scheint. Auch die Führung des Patienten kann, wie unter- schiedliche Heilungsquoten unter einer Placebomedikation gezeigt haben, einen wesentlichen Einfluß auf die Syrnptomatik haben. Stren- ge Ulkusdiäten gelten als über- holt, der Patient darf essen, was ihm bekommt, lediglich Nikotin- abusus scheint mit der Ulkushei- lung, auch bei sonst hochwirksa- men Medikamenten, zu interfe- rieren.

Während sich früher die therapeu- tischen Bemühungen an der ra- schen Beschwerdefreiheit des Pa- tienten orientierten, gilt heute die Beschleunigung der Ulkushei- lung, möglicherweise auch unter dem Aspekt der Komplikationsver- hütung, als entscheidendes Thera- pieziel.

In den vergangenen Jahren ist mit Einführung der H 2-Blocker die Re- zidivprophylaxe als weiterer thera- peutischer Aspekt hinzugekom- men.

Für die Behandlung des Ulcus duodeni stehen heute über 50 Substanzen weltweit zur Verfü- gung, von denen im kontrollierten Versuch eine beschleunigte Ul- kusheilung nachgewiesen werden konnte.

Auch wenn damit dem praktizie- renden Arzt ein breites Spektrum an Medikamenten zur Verfügung steht, dominieren die H 2-Rezeptor- Antagonisten Cimetidin und Rani-

tidin, da sie offensichtlich von Pa- tienten, die bereits mehrere Thera- pieprinzipien durchexerziert ha- ben, bevorzugt werden. Die Ein- nahme von 2 Tabletten pro Tag kommt dem Patienten weitgehend entgegen, auch wenn letztlich der gleiche Effekt auch mit Antazida, Anticholinergika oder mukosapro- tektiven Substanzen wie Carbeno- xolon oder Sucralfat zu erzielen ist. Bei den Antazida zeigt sich im übrigen ein interessanter Trend, der den einleitend erwähnten Ty- penwandel der Ulkuskrankheit un- terstreicht.

Während dieses seit Generationen erfolgreich zur symptomatischen Therapie eingesetzte Wirkprinzip unter dieser Indikation zuneh- mend in Frage gestellt wird, konn- te zunächst von Dosen über 1000 mval Neutralisationskapazität/Tag, in jüngster Zeit jedoch auch von wesentlich niedrigeren Dosen (300 mval) ein positiver Effekt auf die Ulkusheilung nachgewiesen werden.

Von einem „banalen" Ulcus duo- deni kann heute erwartet werden, daß es unter einer 2- bis 4wöchi- gen Therapie mit H 2-Blockern ab- heilt. Im allgemeinen ist der Pa- tient innerhalb von wenigen Tagen beschwerdefrei, so daß sich rönt- genologische oder endoskopi- sche Kontrolluntersuchungen er- übrigen.

In Großbritannien erfreut sich die intermittierende Therapie großer Beliebtheit. Der Patient steuert da- bei die Behandlung seines Ulkus- schubs weitgehend selbst. Sowie er für ihn ulkustypische Sympto- me verspürt, beginnt er mit der Behandlung mit den noch vom letzten Geschwür übriggebliebe- nen Tabletten. Wir halten diese in- termittierende Behandlung für problematisch, da auf eine Dia- gnostik verzichtet wird und sicher auch unspezifische Symptome ei- ner nicht indifferenten Behand- lung unterzogen werden. Da wir selbst wiederholt die Assoziation eines Magenkarzinoms mit einem peptischen Ulkus gesehen haben,

könnte bei unkritischem Einsatz der effektiven H 2-Blocker nicht wiedergutzumachender Schaden angerichtet werden.

Eine Langzeittherapie mit einer Tablette Cimetidin oder Ranitidin abends zur Rezidivprophylaxe wird dann zu diskutieren sein, wenn der Patient zwei- oder drei- mal pro Jahr an einem Zwölffin- gerdarmgeschwür erkrankt und eine Operation ins Auge gefaßt werden muß. Dabei sollte die Ent- scheidung über eine Dauerbe- handlung, mit der in etwa 80 Pro- zent weitere Geschwüre verhin- dert werden können, in einem Ge- spräch zwischen Internisten und Chirurgen fallen.

Noch wissen wir nicht, wie lange eine solche Behandlung durchge- führt werden muß, da die Daten über die Dauer der Ulkuskrankheit wenig verläßlich sind.

Erste Therapiestudien mit einer Beobachtungszeit von 5 Jahren machen es jedoch wahrscheinlich, daß 60 Prozent aller geplanten chirurgischen Eingriffe vermieden werden können. Nach Absetzen der Medikation ist jedoch mit dem Auftreten eines Rezidivulkus in 60 bis 80 Prozent der Patienten zu rechnen.

Möglicherweise kann die Rezidiv- quote auch durch Sucralfat und durch eine ballaststoffreiche Kost gesenkt werden, doch sind hier die Akten noch nicht geschlossen.

Beim Ulcus ventriculi ist die Situa- tion nicht so eindeutig. Hier stellt eine subtile endoskopisch biopti- sche Diagnostik die Conditio sine qua non einer konservativen Be- handlung dar, wissen wir doch, daß etwa 5 Prozent aller primär als benigne eingestuften Ulzera in Wirklichkeit exulzerierte Karzino- me darstellen, die unter einer effi- zienten Therapie passager abhei- len können.

Heilt ein Magengeschwür unter ei- ner medikamentösen Behandlung mit Antazida, Pirenzepin, H2-Blok- 58 Heft 19 vom 13. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(4)

kern, Carbenoxolon oder Sucral- fat nicht innerhalb von 12 Wochen ab, sollte eine operative Sanierung des Geschwürsleidens angestrebt werden, auch wenn man im Ein- zelfall einmal anders verfahren muß. Bei der Wahl des Therapeuti- kums muß möglicherweise zwi- schen Geschwüren im präpylori- schen Antrum und solchen ober- halb des Magenwinkels differen- ziert werden, doch ist hier das letz- te Wort noch nicht gesprochen.

Eine Langzeittherapie unter dem Aspekt der Rezidivprophylaxe kann trotz einiger günstiger Be- richte über den Einsatz von H2-

Blockern noch nicht empfohlen werden, da zu wenig gesicherte Daten vorliegen.

Beim Ulcus jejuni pepticum gelten als Mittel der Wahl die H 2-Blocker, wobei hier eine Langzeittherapie sinnvoll erscheint. Auch beim Zol- linger-Ellison Syndrom kann heu- te eine medikamentöse Behand- lung mit H 2-Blockern in hoher Do- sierung versucht werden, eventu- ell in Kombination mit Pirenzepin.

Auf die Streßulkusprophylaxe soll hier nicht eingegangen werden.

Erste prospektiv angelegte Stu- dien, in denen der Langzeiteffekt einer H 2-Blocker-Dauermedikation mit einer proximal selektiven Va- gotomie beim Ukus duodemi ver- glichen wurde, zeigen, daß bei bei- den Verfahren mit Versagern in et- wa gleicher Häufigkeit zu rechnen ist. Überraschenderweise spre- chen Rezidivulzera nach Vagoto- mie recht gut auf eine Therapie mit H 2-Blockern an, so daß sich hier der Kreis wieder schließt.

Wirft der Internist wegen Thera- pieresistenz oder schwerem Lei- densdruck des Patienten das Handtuch und schickt den Ulkus- kranken zur Operation, so wird dieser in 80 bis 90 Prozent von seinem Leiden geheilt werden.

Kommt es jedoch zu weiteren Re- zidiven, so sprechen diese fast im- mer auf eine medikamentöse Be- handlung wieder gut an.

Die Ulkuskrankheit des individuel- len Patienten hat heute viel von früheren Schrecken verloren;

nach 10 bis 15 Jahren dürfte die Krankheit „ausbrennen". Internist und Chirurg haben heute ein wirk- sames therapeutisches Instrumen- tarium, um diese Zeit für den Pa- tienten erträglich zu machen und Komplikationen weitgehend zu verhindern.

Professor Dr. med.

Wolfgang Rösch Chefarzt der

Medizinischen Klinik am Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2-26 6000 Frankfurt/Main 90

III. Operative Behandlung der Geschwürskrankheit an Magen und Zwölffingerdarm Trotz ununterbrochener und- in- tensiver Forschung sind die pa- thogenetischen Mechanismen, die zur Bildung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren füh- ren, noch nicht genügend abge- klärt. Es ist daher auch nicht ver- wunderlich, daß auch die in einem schon fast regelmäßigen Turnus empfohlenen neuen konservati- ven Behandlungsprinzipien (z. Z.

Histamin-H,-Rezeptorenblocker) nicht mit der nötigen Sicherheit das Rezidiv des Geschwürleidens verhüten können. Nicht nur die Dauerbehandlung des zu Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren prädestinierten Menschen, son- dern die trotz Behandlung auftre- tenden Geschwüre sind ein volks- wirtschaftliches und menschli- ches Problem ersten Ranges. Da- bei ist nicht außer acht zu lassen, daß die auch unter der Dauerbe- handlung auftretenden Komplika- tionen, wie z. B. die massive Blu- tung oder die Ulkusperforation, le- bensbedrohende Situationen her- beiführen, die eine sofortige chir- urgische Behandlung erforderlich machen.

Als gesichert gilt, daß trotz der ständigen Neuentwicklungen auf

dem Gebiete der medikamentösen Behandlung des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüres der Stellenwert der chirurgischen Be- handlung im Spektrum der Ein- griffe im Magen und Zwölffinger- darm auch in den letzten Jahren nicht verändert werden konnte.

So müssen auch jetzt noch in der Bundesrepublik Deutschland etwa 20 000 Menschen pro Jahr wegen ihres Ulkusleidens nach vergebli- chen konservativen Behandlungs- bemühungen einem chirurgischen Eingriff zugeführt werden.

Die operative Ulkustherapie ist da- her nach wie vor aktuell und steht bei der Behandlung des Ulkusträ- gers am Ende eines mehr oder we- niger langen Leidensweges.

Unverändert besteht dabei die Gültigkeit der Regel, daß vor jeder chirurgischen Therapie mehrfa- che konservative Behandlungsver- suche stehen müssen.

Dies gilt besonders unter dem Ge- sichtspunkt, daß der nervöse, psy- chisch gestörte und psychisch kranke Mensch in besonderer Weise für das Ulkusleiden präde- stiniert ist.

In der Ulkuschirurgie ist in den letzten 10 bis 15 Jahren ein grund- legender Wandel eingetreten. Die früher übliche Resektionsbehand- lung beim therapieresistenten Ul- cus duodeni oder ventriculi mußte teilweise dem Vagotomieverfah- ren weichen.

Der Einführung der trunkulären Vagotomie durch Dragstedt und Owens Mitte der 50er Jahre er- möglichte erstmals, Patienten mit chronischem Duodenalulkus einer organerhaltenden Operation zu unterziehen. Die nächste Phase der Vagotomieentwicklung wurde im wesentlichen durch Jackson in Amerika und Franckson in Schwe- den geprägt. Zusammen mit ande- ren europäischen Autoren benutz- ten sie das Verfahren der selekti- ven Vagotomie. Die derzeit ge- bräuchlichste proximale selektive

(5)

Vagotomie, oder auch Perietalzell- vagotomie genannt, wandten Hol- le und Hardt erstmals im Jahre 1967 in München beim Menschen an. Sie kombinierten das Verfah- ren regelmäßig mit einer Pyloro- plastik. In den folgenden Jahren gingen dann zunächst einzelne, dann aber immer mehr Chirurgen zu dem heute gebräuchlichsten Verfahren, der selektiven proxima- len Vagotomie ohne Drainageope- ration, über.

Zugrunde lag der Gedanke, daß man die Mageninnervation nur auf die Sekretionsgebiete mit dieser supraselektiven Nervendurchtren- nung ausschalten könne, aber die Innervation der für die Motorik entscheidenden Magenanteile, al- so des Antrums, beläßt.

Diese Methode vereint ein Höchst- maß an Effizienz mit dem Vorteil eines physiologischen, sicheren und schonenden Operationsver- fahrens und hat sich bei der The- rapie des unkomplizierten Ulcus duodeni auf breiter Front durch- gesetzt. Es erfüllt in kaum mehr zu übertreffendem Maße die erste und wichtigste Forderung gegen- über einer Operationsmethode, nämlich die Letalität so gering wie möglich zu halten.

Im eigenen Krankengut haben wir bei über 700 Vagotomien keinen Patienten verloren. Die Letalität liegt im allgemeinen in den stati- stischen Angaben unter 1 Prozent.

Es wäre sicher ein Irrtum anzuneh- men, daß mit der Vagotomie end- lich eine sogenannte Anfänger- oder Patentoperation zur Verfü- gung stünde, die auch durch ei- nen unerfahrenen und ungeübten Chirurgen überall und jederzeit ausgeführt werden könnte. Das Verfahren ist zwar risikoärmer, aber es stellt hohe technische An- forderungen an den Operateur,

insbesondere im Bereich der Kar- dia und des unteren Ösophagus- abschnittes. Eine unvollständige selektive proximale Vagotomie ist schlechter als gar keine. Die intra- und postoperativen Komplikatio- nen sind, gemessen an denen bei

der Magenresektion, ebenfalls ge- ringer. Die Krankenhausverweil- dauer liegt bei ca. 8 bis 10 Tagen.

Anders verhält es sich mit der Fra- ge des Rezidivs. Fest steht, daß beim Vagotomieverfahren mit er- heblich höherer Rezidivquote als nach den resezierenden Metho- den zu rechnen ist. Für die Resek- tionsverfahren liegen unzählige retrospektive Erfahrungsberichte vor. Die Rezidivhäufigkeit nach Resektionen schwankt zwischen 2 und 6 Prozent. Die Angaben über die Rezidivhäufigkeit nach den Va- gotomieverfahren schwankt sehr.

Sie liegen je nach Art und Weise der Nachuntersuchung sowie der Dauer der Beobachtung derzeit zwischen 5 und 28 Prozent. Da sich die intraoperativen Erfolgs- kontrollen der proximal selektiven Vagotomie bisher nicht durchge- setzt haben, wird zur weiteren Ver- besserung der Methode eine Myo- tomie im Bereich des Ösophagus und der Kardia zur Durchtrennung der intramuralen Vagusfasern empfohlen.

Zugegebenermaßen sind allen Operationsverfahren, ob 2/3-Resek- tion oder Vagotomie, postoperati- ve, funktionelle, aber auch bioche- misch und hormonal bedingte Störungen anzulasten. Es gibt in der Ulkusbehandlung bisher keine Methode, die derartige Störungen völlig ausschließen würde. Bei der proximal selektiven Vagotomie ohne Pyloroplastik ist, wie beim Resektionsverfahren (Billroth I) mit einer Dumpinghäufigkeit von 1 bis 2 Prozent zu rechnen. Aber si- chere Vorteile bei der Vagotomie sind die fehlende bakterielle Be- siedelung des Magens und ein normaler Nitrosaminspiegel unter saurem pH-Milieu.

Das bisher Gesagte bezieht sich ausschließlich auf die Behandlung des rezidivierenden komplika- tionslosen Ulcus duodeni.

Eine grundsätzlich andere Einstel- lung müssen wir einnehmen bei der Therapie des Ulcus ventriculi.

Dieses unterscheidet sich in sei-

ner Pathogenese und in der Mög- lichkeit der Malignität vom Ulcus duodeni wesentlich, und somit spielt die Magenresektion nach B,illroth auch heute noch eine füh- rende Rolle bei seiner Behand- lung.

Zusammenfassend kann festge- stellt werden, daß die Resektion in der modernen Ulkuschirurgie zu Recht und aus erklärlichen Grün- den viel Terrain verloren hat.

Dies gilt vor allem für das unkom- plizierte Ulcus duodeni. Beim Ul- cus ventriculi, gleichgültig wel- cher Typ nach Johnson vorliegt, halten wir die Resektion nach Bill- roth I für die Methode der Wahl.

Des weiteren glauben wir, daß die Resektionsbehandlung in der Chirurgie der Ulkuskomplikatio- nen, vor allem bei der Blutung aus tief penetrierendem Ulkus und ver- einzelt auch bei einer erosiven hä- morrhagischen Gastritis, manch- mal unumgänglich ist. Auch das Ulkusrezidiv nach der Vagotomie führen wir einer Resektionsbe- handlung zu, da wir für diese Fälle die sogenannte Re-Vagotomie nicht als ein echtes Alternativver- fahren ansehen können.

Resektion und Vagotomie haben ihre strenge Indikation, und daher ist es wünschenswert und sogar notwendig, daß der Chirurg die Resektiori ebenso beherrscht wie die Vagotomie, um jederzeit bei einer objektiven Indikation das richtige Verfahren einsetzen zu können. Somit zeichnet sich er- neut eine Standardisierung der chirurgischen Therapie des Ulkus- leidens ab, und es ist zwingend notwendig, daß eine ständige kriti- sche Überprüfung des eigenen Krankengutes in Zusammenarbeit mit dem weiterbehandelnden Arzt erfolgt.

Professor Dr. med.

Edgar Ungeheuer

Direktor der Chirurgischen Klinik im Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2-26 6000 Frankfurt/Main 90 62 Heft 19 vom 13. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Alle α -Blocker sind bei adäquater Dosie- rung ähnlich wirksam, quantitative Unterschiede zeigen sich aber im Nebenwirkungsprofil: Alfuzosin und Tamsulosin erscheinen

Tatsache jedoch bleibt nach Mei- nung der Autoren, daß die bisher vorliegenden Faktoren im Anfangs- stadium eines Schocks nicht ausrei- chen, um Aufschluß über den mögli- chen

Zu den bekannteren Nebenwir- kungen von Allopurinol gehören Hautreaktionen, Nierenversagen, Leberzellschädigung, eine Hyper- sensitivitätsangiitis, eine periphe- re Neuritis,

Von vielen Kollegen werden Nitro- substanzen weiterhin als Therapie der ersten Wahl nicht nur zur An- fallskupierung, sondern auch zur Anfallprophylaxe verwendet. So- lange die

Ähnliche grafische Stati- stiken werden zu bereits vorhan- denen addiert und modifizieren sich durch neue Erkenntnisse, ebenfalls ein Vorgang, der unbe- wußt in der

Wenn die neurologischen Ausfälle also trotz unserer Therapie zu - nächst nicht rasch abnehmen, sondern sich sogar noch verstär- ken, so muß man als Therapeut nicht

Patienten, bei denen der PSA spä- ter als ein Jahr nach RP ansteigt, bei denen vor Beginn der RT ein PSA- Wert < 2 ng/mL festgestellt wurde oder Patienten mit einer

gleich den Oberstadtdirektor; er ist wie dieser in Parteizwänge und in die Interessenlage des Trägers des Krankenhauses eingebunden. Falls das Krankenhaus defizitär wird, muß