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Archiv "Ärzte als inoffizielle Mitarbeiter: Bestandssicherung für das DDR-Gesundheitswesen" (18.07.2005)

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 28–29⏐⏐18. Juli 2005 AA2011

Verzögerungen durch Informationsre- cherche im Behandlungsprozess werden nicht geduldet. Sämtliche Patientendaten (auch Bild- und Labordaten) sollen nach Möglichkeit in einem System verfügbar sein. Es besteht ein großes Interesse, auf Befunde, Arztbriefe, Röntgenbilder und anderes von vorbehandelnden Ärzten oder Krankenhäusern direkt zugreifen zu können (einrichtungsübergreifende Patientenakten). Bezüglich der daten- schutz- und datensicherheitsrelevanten Aspekte eines solchen Datenaustausches herrscht jedoch noch Verunsicherung.

Außerdem fehlen die technischen Mög- lichkeiten.

>Für den Zugriff auf nichtpatienten- bezogene Informationen werden inte- grierte Lösungen mit einer Metasuche über die unterschiedlichen Datenbe- stände gewünscht („Google für Ärz- te“). Diese Lösung soll leicht bedien- bar sein und eine intuitiv gestaltete Recherche mit hoher Treffergenauig- keit ermöglichen. Inhaltlich besteht ein großes Interesse an Leitlinien, fach- medizinischen Informationen, medizin- technischen und pharmazeutischen In- formationen. Das Internet als Zugangs- medium zu solchen Informationen ist akzeptiert und wird häufig genutzt.

Es besteht ein Bedarf an aktiver Infor- mationsbereitstellung über Push-Ser- vices. Wichtig ist hierbei, dass die Infor- mationen personalisiert und bedarfsge- recht (zum Beispiel orientiert an einer konkreten Fragestellung im Rahmen des Behandlungsprozesses) zusammenge- stellt werden. Dann sind die Ärzte auch bereit, für solche Dienste zu bezahlen.

Sowohl Krankenhausärzte als auch Nie- dergelassene hoffen, durch den Einsatz innovativer Technologien zur Informati- onssuche und -beschaffung mehr Zeit für den Patienten zu gewinnen und die Qua- lität der Behandlung zu verbessern.

Die Langfassung ist abrufbar unter www.aerzteblatt.de/

aufsaetze/0506

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2008–2011 [Heft 28–29]

Anschrift für die Verfasser:

Oliver Koch

Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik Emil-Figge-Straße 91, 44227 Dortmund

E-Mail: koch@do.isst.fraunhofer.de

E

in Gesundheitswesen kann auf Dauer nicht funktionie- ren, wenn hoch qualifizierte Ärzte ins Ausland abwandern.

Ausland – das war in diesem Fall nicht Großbritannien und Schweden, sondern die Bundes- republik Deutschland (BRD).

Für viele Ärzte in der Deut- schen Demokratischen Republik (DDR) war sie ein attraktives Ziel. Die DDR-Führung sah die zahlreichen Übersiedlungsersu- che (ÜSE) von Ärzten mit Sorge und wertete sie als Gefahr für das sozialistische Gesundheits- wesen. Schon vorbeugend über- prüften daher inoffizielle Mitar- beiter (IM) des Ministeriums für Staats- sicherheit (MfS) Ärzte auf ihre Ausrei- sewilligkeit.

Keine ehrliche Ursachenforschung

Eine ehrliche Ursachenforschung fiel den Verantwortlichen offenbar schwer.

Ärzte und anderes medizinisches Perso- nal seien „einer starken ideologischen Einflussnahme ehemaliger DDR-Bür- ger (Ärzte) ausgesetzt“. So lautete ein Erklärungsversuch von Hauptmann We- ber*, Kreisdienststelle Rostock. Neben der Ablehnung des sozialistischen Sy- stems gab es jedoch ganz pragmatische Gründe für den Wunsch nach einer Aus- reise. Die schlechten Arbeitsbedingun-

gen standen an erster Stelle: Dienste rund um die Uhr, wenig Urlaub und ein überholter medizinischer Standard, der deutlich hinter der BRD zurücklag.Wei- tere Motive für ÜSE oder Anträge auf ständige Ausreise (AstA) waren die höhere finanzielle Vergütung, mit denen die BRD „lockte“, außerdem die besse- ren Lebensbedingungen.

Das MfS ergriff Maßnahmen, um der Entwicklung entgegenzuwirken. Die

„Hauptwaffe des Ministeriums“ war dabei der Einsatz von IM.

Auf welche menschenverachtende Weise das MfS gegen ausreisewillige Ärzte und anderes medizinisches Perso- nal vorging, verdeutlicht die Diplomar- beit von Hauptmann Weber zum Thema

„Erfahrungen und Erlebnisse im zielge- richteten Einsatz von IM zur Erkennung und vorbeugenden Verhinderung von Absichten zur Stellung von Anträgen auf ständige Ausreise nach dem nicht so- zialistischen Ausland (NSA) und zur Be- gehung von Straftaten des ungesetzli-

Ärzte als inoffizielle Mitarbeiter

Bestandssicherung für das DDR-Gesundheitswesen

Die Zahl an Übersiedlungsersuchen von Ärzten war hoch.

Ausreisewillige wurden „vorbeugend“ durch das Ministerium für Staatssicherheit überwacht.

Ärzte mit Ausreisewunsch wurden häufig „Zielobjek- te“ inoffizieller Mitarbeiter. (Titel DÄ 48/2004)

*Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem Han- nah-Arendt-Institut, Dresden, und basiert auf einer Ori- ginalarbeit. Alle Namen wurden jedoch geändert oder bleiben unerwähnt.

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chen Grenzübertritts durch Angehörige der medizinischen Intelligenz und des mittleren medizinischen Personals“. Die Arbeit wurde 1989 fertig gestellt.

Ein konkretes Fallbeispiel findet sich in den Anlagen der Arbeit: Ein ab- schließender IM-Bericht aus dem Jahr 1986 über die Arbeitsschritte der Ope- rativen Personenkontrolle (OPK) „Dr.

Ferdinand“. IM „Klaus“ war für diese verantwortlich. Der seit 1983 für das MfS tätige IM war darauf spezialisiert, Ärzte auf ihren Ausreisewillen zu über- prüfen und gegebenenfalls Antragstel- lungen zu verhindern.

Dr. Ferdinand, ein Rostocker Fach- arzt für Allgemeinmedizin, beabsichtig- te für sich und seine Familie ein Über- siedlungsersuch zu stellen. Er begrün- dete dies damit, dass sein behindertes Kind in der BRD weitaus bessere För- derungs- und Betreuungsmöglichkeiten hätte. Zwischen IM „Klaus“ und Ferdi- nand bestand „ein loser persönlicher Kontakt“, den es nun seitens des IM auszubauen galt, um genauere Informa- tionen über den Allgemeinmediziner zu erhalten. An diese persönlichen Infor- mationen gelangten IM, indem sie sich das Vertrauen der Zielpersonen erschli- chen, oft sogar eine Scheinfreundschaft aufbauten.

So ging auch IM „Klaus“ vor. Es ent- wickelte sich ein enges Vertrauensver- hältnis zwischen ihm und Ferdinand. IM

„Klaus“ gelangte zu der Einschätzung, dass das gesundheitliche Leiden des Kindes nur ein vorgeschobener Grund für den Antrag auf Ausreise war. In Wahrheit sei die poli-

tisch negative Grundein- stellung des Arztes aus- schlaggebend für das Aus- reiseersuchen. Mit sol- chen oder ähnlich faden- scheinigen Begründun- gen übergingen die IM in ihren Berichten häu-

fig die wirklichen Gründe der Antrag- steller und stellten sie gezielt in ein falsches Licht.

Des Weiteren erfuhr IM „Klaus“, dass Ferdinands Kind, aufgrund von „Förde- rungsunfähigkeit“, aus der Kinderein- richtung Lichtenhagen in eine Pflege- maßnahme verlegt werden sollte. Um diesen Umstand als Ursache für eine Antragstellung auszuschließen, wies

das MfS die Leitung der Förder- und Pflegeheime in Rostock an, das Kind weiterhin in Lichtenhagen zu belassen.

Neben der „inoffiziellen Einflussnahme“ durch IM

„Klaus“ hatte das MfS da- mit auch eine „offizielle“

Maßnahme angewandt.

Durch gezielte Manipula- tion von bürokratischen, das Umfeld der Zielper- son betreffenden, Ent- scheidungen übte das MfS eine enorme Kontrolle aus.

Erreicht werden sollte die

„endgültige Abstandnahme von Übersiedlungsersuchen“.

Auch am Arbeitsplatz nahm das Mi- nisterium Einfluss: Ferdinands Vorge- setzte bat ihn zu Gesprächen, die seine

„beruflichen Entwicklungsmöglichkei- ten“ betrafen. Im Rahmen dieser Ge- spräche erhoffte man sich eine Äuße- rung Ferdinands bezüglich seines Über- siedlungsantrags.

Gezielte bürokratische Manipulationen

Der Arzt hielt trotz aller Maßnahmen an seinem Vorhaben fest und begann sich über seine Perspektiven in der BRD zu informieren. IM „Klaus“ er- fuhr als „engster Vertrauter“ vom Kon- takt zu einer westdeutschen Klinik. Er war auch der Erste, dem Ferdinand das angefertigte ÜSE sowie ein Schreiben an das Ministerium für Gesundheitswe- sen zeigte. In Letzterem bat Ferdinand, seinem Antrag stattzugeben, um eine bessere Behandlung und Betreuung seines Kindes in der BRD zu gewährleisten.

Der Antrag wurde al- lerdings plötzlich „auf- grund territorialer Zuständigkeit“ in den Aufgabenbereich der Rostocker Abteilung für Gesundheits- und Sozial- wesen verwiesen und schließlich abge- lehnt. Ein Fall von bürokratischer Ma- nipulation.

Ferdinand gab nicht auf. Er wandte sich an IM „Klaus“ und bat diesen, seine vermeintlichen Beziehungen in die BRD zu nutzen und sich nach einem Betreu-

ungsplatz für sein Kind und einem Ar- beitsplatz für ihn umzuhören. MfS und der IM schufen daraufhin die Legende eines Bekannten (real existent) von

„Klaus“, der sich um Ferdinands An- gelegenheiten kümmern sollte.

Dafür sei jedoch der Ein- blick in Ferdinands gesam- ten Schriftverkehr notwen- dig. Vertrauensvoll übergab der Arzt seine Unterlagen an IM „Klaus“, der damit dem MfS den „Nachweis seiner ehrlichen Bericht- erstattung in Bezug auf die schriftlich vorgefertigten ÜSE“ erbrachte. IM waren zu al- len Zeiten ihres Handelns Rechen- schaft schuldig und unterlagen einer ständigen Kontrolle. Bei unzureichenden Ergebnissen hatten sie Auseinanderset- zungen mit Führungsoffizieren und per- sönliche Schulungen zu befürchten. Bei wiederholter Unzuverlässigkeit beende- te das MfS die Zusammenarbeit.

Im weiteren Vorgehen wurde Ferdi- nand mit dem vermeintlichen Bekann- ten zusammengeführt. In einem Ge- spräch sollte dieser ihn von der Sinnlo- sigkeit des Unterfangens überzeugen.

Der Allgemeinmediziner sah den Be- kannten als eine Art „Sachverständi- gen“ für die Perspektiven in der BRD.

Er ließ sich von ihm überzeugen und brachte zum Ausdruck, „endgültig von seinem Vorhaben Abstand genommen zu haben“. Laut MfS war es gelungen, den Ausreisewilligen in und mit der DDR zufrieden zu stellen.

Dennoch ließ man Ferdinand auch in den folgenden Jahren nicht aus den Au- gen. IM „Klaus“ war ihm stets ein treu- er Begleiter und meldete dem MfS jede noch so kleine Information. Zu erneu- tem aktiven „operativen Einfluss“ kam es 1986. Ferdinand sollte zum Reservi- stendienst eingezogen werden und wei- gerte sich. Ein „Rückfall“ war eben nicht auszuschließen.

Der Fall „Ferdinand“ zeigt die men- schenverachtenden Methoden, die den Verbleib von ausreisewilligen Ärzten in der DDR sichern sollten. Nicht im- mer jedoch führten die Maßnahmen zum gewünschten Ziel. Hauptmann Weber zufolge gab es zeitgleich „keine weiteren ähnlich erfolgreichen Ergeb-

nisse“. Anna Hilsmann

T H E M E N D E R Z E I T

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A2012 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 28–29⏐⏐18. Juli 2005

„Ärzte sind einer starken ideologischen

Einflussnahme ehemaliger DDR- Bürger ausgesetzt.“

Hauptmann Weber

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