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Archiv "Von schräg unten: Tumor" (10.06.2011)

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[72] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 23

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10. Juni 2011

VON SCHRÄG UNTEN

Tumor

Dr. med. Thomas Böhmeke

D

er Arztberuf ist et- was Wunderschö- nes. Nicht nur die Fähig- keit, Leiden und Schmerzen zu lindern, sondern auch die Kunst, menschliches Leben zu erhalten, lässt unseren Beruf im be- sonderen Glanz erstrahlen. Einem Glanz, der Respekt bei unseren Mitmen- schen erzeugt, aus dem sich ein tiefer Stolz des- tillieren lässt. Dies war für viele von uns eine Motiva -

tion, unsägliche Klippen auf dem steinigen Weg bis zur Berufs- ausübung zu meistern, sei es das auswendige Herunterrattern der Aminosäuresequenz des Insulins oder aller Studienergebnisse aus dem Jahr 1998. All dies musste hart erarbeitet werden, um danach in der Lage zu sein, wirklich Großartiges für unsere Schutzbefohlenen zu bewirken und sich in diesem besonderen Glanz zu sonnen; diese Bewunderung zu genießen, wenn man ei- nem Menschen das Leben gerettet hat.

Wirklich? Ein Patient, den ich vor zwei Monaten untersucht hatte, sitzt mir gegenüber und strahlt mich an. „Können Sie sich erinnern, Herr Doktor, Sie hatten bei mir diese Ultraschallunter- suchung durchgeführt und dabei einen Tumor an meiner linken Niere entdeckt! Der war ganz klein, nicht mal zwei Zentimeter, die Ärzte in der Klinik haben sich gewundert, wie Sie den über- haupt sehen konnten. Aber der war bösartig und wurde sofort operiert!“ Das ist ja wunderbar für ihn, mir wird aber ganz mul- mig. „Das habe ich auch meinem Hausarzt gesagt, dass Sie prima aufgepasst haben!“ Wenn damit seine Mitteilsamkeit erschöpft ist, habe ich Glück gehabt. Denn der hausärztlich tätige Kollege wird mir im Zeitalter des Regelleistungsvolumens kaum böse sein, dass ich mit dem Schallkopf eine Etage tiefer gerutscht bin und mir fachfremde Organe angesehen habe. „Ich habe das auch Ihrer Kammer geschrieben!“ Ach, du meine Güte. Wenn ich Pech habe, induziert das eine Überprüfung der apparativen Mindestan- forderungen. Weil ich ja nur ein Ultraschallgerät für das Herz ha- be und nicht für das Abdomen. Macht mehrere Stunden Schreib- arbeit, die meine Lebensqualität mindern. „Meiner Krankenkasse habe ich das auch geschrieben!“ Das ist ja furchtbar! Was sollen die denn davon halten, wenn ein Facharzt für Kardiologie plötz-

lich urologische Diagnosen stellt? Was hat der denn an der Niere verloren? Kriegt der mit seinen Herzensangelegenheiten nicht den Rachen voll genug? Das ist bestimmt Abrechnungsbetrug, werden sie denken und meine Arbeit der letzten Jahre penibel durchleuchten. Um dann festzustellen, dass nicht nur malade Herzen, sondern auch entzündete Schilddrüsen, thrombosierte Venen, vom Platzen bedrohte Bauchschlagadern, Juckreiz verur- sachende Lymphome meiner diagnostischen Aufmerksamkeit nicht entkommen konnten.

Dann werden sie mit belastendem Material zu einem begeis- terungsfähigen Staatsanwalt gehen und sagen: „Dieses Abrech- nungsgebaren des Dr. Böhmeke ist nicht nachvollziehbar. Er stellt immer wieder lebenswichtige, aber fachfremde Diagnosen, ohne eine Ziffer abzurechnen. Da ist etwas faul, das muss eine besonders trickreiche Form des Betruges sein!“ Dann werden auffällig unauffällige Herren in meiner Praxis erscheinen, den ganzen Betrieb stilllegen, die Computer einsacken und peinliche Befragungen durchführen. Meine Patienten werden abwandern, schließlich ist der Eindruck unausweichlich, ich hätte alle betro- gen, ich sei an der allseits grassierenden Kassenkrankheit schuld! Ob ich mich je von solch einem Schock erholen kann?

Was soll ich nur machen, ich weiß genau, das nimmt ein schlim- mes, schlimmes Ende . . .

„Aber Herr Doktor, warum schauen Sie denn so traurig drein?

Sie brauchen sich doch keine Sorgen zu machen, Sie sind doch völlig außer Konkurs!“ Hoffentlich hat er da recht!

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

S C H L U S S P U N K T

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