• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "EG-Kommission will totales Werbeverbot für Tabakwaren" (05.08.1991)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "EG-Kommission will totales Werbeverbot für Tabakwaren" (05.08.1991)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

handlungsmethoden in die ambulan- te medizinische Versorgung ist im Bereich der gesetzlichen Kranken- versicherung wesentlich an die Be- dingungen des § 135 Abs. 1 SGB V gekoppelt.

Die Festlegung von Richtlinien, die die Anerkennung des diagnosti- schen und therapeutischen Nutzens einer neuen Untersuchungs- und Be- handlungsmethode regelt und die die notwendige Qualifikation der Ärzte sowie die apparativen Anfor- derungen zur sachgerechten Anwen- dung neuer Methoden sichert, legt lediglich eine Hürde zwischen Inno- vations- und Diffusionsprozeß fest, die es zu überwinden gilt. Eine syste- matische Zuführung von neuen Er- kenntnissen zum bestehenden Ver- sorgungsbedarf erfolgt damit nicht.

Vielmehr unterliegt die Aufnah- me in die medizinische Versorgung einem Zufallsprozeß, der zudem noch von der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetzlichen Kranken- versicherung verlangt, den gesetzlich vorgegebenen Normen einer ausrei- chenden, zweckmäßigen und wirt- schaftlichen Versorgung zu genügen.

Hier ist die Selbstverwaltung inso- fern überfordert, als sie den damit einhergehenden Forderungen, eine

„Technologiebewertung und Quali- tätssicherung vor der breiten Einfüh- rung neuer Methoden" (9) vorzu- nehmen, und zugleich neben den di- rekten Kosten auch den Nutzen ex- terner Effekte zu bewerten, nicht nachkommen kann. Hier sieht auch der Sachverständigenrat für die Kon- zertierte Aktion im Gesundheitswe- sen einen Forschungsbedarf, der in die Forschungsförderungsmaßnah- men des Bundes zu integrieren wäre (10).

4. Aktivere Politik

Die vorgetragene Kritik an der als passiv qualifizierten Förderungs- strategie impliziert die Forderung nach einer aktiveren Forschungspoli- tik im Rahmen der Gesundheitsfor- schung. Insbesondere bei Kenntnis der dringlichen Gesundheitsproble- me (11) der Bevölkerung kann sich auch die Forschungspolitik einer ak- tiveren Rolle nicht entziehen, die

sich in der Verstärkung der direkten vertikalen Projektförderung aus- drücken sollte.

Die Defizite in der Steuerung des technischen Fortschritts hin zur praktischen Anwendung neuer Un- tersuchungs- und Behandlungsme- thoden fordert die stärkere Einfluß- nahme von Förderungsmaßnahmen auf die Entscheidungsstruktur und -abläufe von Gesundheitsfor- schungsprozessen.

Die bisherige Dominanz der Forschungsförderung der indirekten horizontalen, institutionellen Förde- rung erfolgt zuwenig zielgerichtet und erlaubt keine konkreten Aussa- gen oder Prognosen zur Effektivität der Forschungsförderungsmaßnah- men. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht besteht die Gefahr, das vorhan- dene Forschungspotential nicht sei- ner optimalen Verwendung zuzufüh- ren und eine strukturell angelegte, nicht ausreichende Marktsteuerung liefert zu geringe Anreize zur Umset- zung von FuE-Bemühungen in die breite Anwendung zur Verbesserung der Versorgungsstruktur mit Ge- sundheitsleistungen.

Noch in den 50er Jahren galt das Rauchen gemeinhin als schick, doch inzwischen hat sich die öffentliche Meinung grundlegend gewandelt.

Die Diskussion um die gesundheitli- chen Folgen des Zigarettenkonsums hat die einstmals „große weite Welt"

des Rauchers um einiges kleiner und enger werden lassen. Immer häufiger setzen sich „Passiv-Raucher" zur Wehr; die Forderungen nach „rauch- freien" Zonen werden lauter und sind teilweise schon verwirklicht.

Was jedoch derzeit in Brüssel beraten wird, eröffnet für die Tabak- industrie eine neue Dimension des Schreckens: Die EG-Kommission will das totale Werbeverbot für Ta- bakwaren. Während die zuständige EG-Kommissarin Pandreou (Grie- chenland) in diesem Zusammenhang von dem „einzig realistischen An- satz" spricht, um den Tabakkonsum

Der Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.) (1988 b), Seite 145 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzer- tierte Aktion im Gesundheitswesen (1991), Seite 464 und Seite 484

Vgl. Der Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.) (1990 b), Seite 382 f.

Vgl. Der Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.) (1990 b), Seite 384 f.

„Das Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit bei den Projekten des Pro- gramms ,Forschung im Dienste der Ge- sundheit' scheint nicht zuletzt mit einer ein- seitigen Auswahl der Gutachter zusammen- zuhängen". Rosemarie Stein (1990) Rosemarie Stein (1990)

Vgl. Martin Michael Arnold (1990), Seite 250

Vgl. Der Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.) (1990 c), Seite 11 f.

Vgl. Sachverständigenrat für die Konzer- tierte Aktion im Gesundheitswesen (1989), Seite 122

Vgl. Sachverständigenrat für die Konzer- tierte Aktion im Gesundheitswesen (1989), Seite 115

Vgl. Ingbert Weber, Martina Abel u. a.

(1990)

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. pol. Lothar Lieschke Belvederestraße 68

W-5000 Köln 41

der EG-Verbraucher zu bremsen, halten die Verantwortlichen im Ver- band der Cigarettenindustrie (VdC) den Vorstoß geradezu für kontrapro- duktiv. Volker Nickel, Geschäftsfüh- rer des Zentralausschusses der Wer- bewirtschaft, sieht das ähnlich. Er nennt die Idee der Kommission „ei- nen kardinalen Irrtum". Die Wer- bung könne bei gesättigten und rück- läufigen Märkten den Gesamtver- brauch nicht steigern. Umgekehrt gelte: Ein Werbeverbot führe nicht zum Konsumrückgang. Im Fall der Zigarettenindustrie liegen die Dinge sogar völlig anders, wie Statistiken aus verschiedenen europäischen Ländern belegen. Überall dort, wo Werbung für Tabak drastisch einge- schränkt oder gänzlich verboten ist, geht der Zigarettenverbrauch nach oben. Norwegen dient dem Verband der Cigarettenindustrie als Parade-

1) 2)

3)

4)

5)

6) 7) 8)

9)

10)

11)

EG-Kommission will totales Werbeverbot für Tabakwaren

A-2628 (32) Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32, 5. August 1991

(2)

beispiel. Dort gelten seit 1975 ein to- tales Werbeverbot und Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden. Noch nie wurden indes in dem skandinavi- schen Land so viele Zigaretten ge- raucht wie in 1990.

Trifft diese Entwicklung tatsäch- lich allgemein zu, müßten die Ziga- rettenhersteller der restriktiven Poli- tik Brüssels geradezu dankbar sein.

Daß der Verband dennoch gegen ein Werbeverbot zu Felde zieht, hat an- dere Gründe. Werbung verändert zwar nicht den Gesamtkonsum, sehr wohl aber die Anteile einzelner Mar- ken. Hinzu komme, so Volker Nik- kel, daß Werbung dem Verbraucher die Möglichkeit zur Information ge- be. "Wer Werbung verbietet, drängt Verkaufsanstrenungen in die Anony- mität. Öffentliche Kontrolle wird da- mit verhindert", warnt Nickel vor möglichen unliebsamen Folgen.

Daß Kontrollen und freiwillige Selbstbeschränkungen durchaus greifen können, habe die Zigaretten- industrie selbst bewiesen. Seit 1966 verzichte die Branche aus freien Stücken auf Werbung, die sich un- mittelbar an Jugendliche wendet, Prominente oder Leistungssportler zum Gegenstand hat. Selbst die

"Modelle" seie_n erkennbar alle über 30 Jahre alt. Die Werbung für Ziga- retten habe jedoch ohnehin keinen Einfluß auf den Rauchbeginn von Jugendlichen. Hier spiele vielmehr das soziale Umfeld die ausschlagge- bende Rolle.

Nickel glaubt, daß andere als ge- sundheitspolitische Motive hinter der "werbefeindlichen EG-Politik"

stecken. Als Kronzeugen benennt er Manfred Brunner, Kabinettchef von EG-Vizepräsident Martin Bange- mann. In einem Beitrag für eine Münchner Tageszeitung hatte dieser erklärt: "Bei den Forderungen nach Werbeverboten geht es in Wahrheit um knallharte wirtschaftliche Inter- essen. Nicht zufällig zählen zu den stärksten Befürwortern eines ge- meinschaftsweiten Verbots der Ta- bakwerbung ausgerechnet jene Län- der, die ihre eigene Zigarettenindu- strie durch staatliches Monopol schützen."

Sollte sich die harte Linie der EG-Kommission durchsetzen, hätte das Verbot noch ganz andere Konse-

quenzen. Ausländische Zeitschrif- ten, die nach wie vor Tabakwerbung enthalten, dürften in den EG-Staa- ten nicht mehr vertrieben werden.

Das alles, vor allem aber die Be- kämpfung gesellschaftlicher Proble- me mit Hilfe von Werbeverboten, hat für Volker Nickel die "Logik ei- nes dreiärmeligen Pullovers". Nickel warnt zudem vor einer Sanktions-La- wine: "Als nächstes wären dann wahrscheinlich die Arzneimittel dran. Andere Branchen würden zwangsläufig folgen."

Gegen eine bereits verabschie- dete EG-Richtlinie zur Etikettierung will der Verband vor dem Bundes- verfassungsgericht klagen. Über den heute üblichen Warnhinweis "Der Bundesgesundheitsminister: Rau- chen gefährdet Ihre Gesundheit"

hinaus, sollen die Zigarettenpackun- gen nach dieser Richtlinie künftig Aufdrucke tragen wie "Rauchen ver- ursacht Lungenkrebs" und "Rau- chen tötet". Das geht nach Auffas- sung von Dr. Harald König, dem Hauptgeschäftsführer des Cigaret- tenverbandes, entschieden zu weit.

Inhalflich sei dies nicht gerechtfer- tigt. Uberhaupt würden die gesund- heitlichen Gefahren des Rauchens überbetont. Eine These, die in sehr differenzierter Sicht auch von dem Hamburger Arbeitsmediziner Pro- fessor Dr. Alfred Manz vertreten wird.

Manz referiert auf einem Sym- posium des Verbandes zum Thema

"Arbeitsplatz, Rauchgewohnheiten

und Krebserkrankungen". Daß es unmittelbare Beziehungen zwischen dem Rauchen und der Entstehung von Lungen- und Bronchialkarzino- men gebe, stehe außer Zweifel, stell- te Professor Manz von vornherein klar. Doch der Einflußfaktor Ar- beitsplatz, die Wechselwirkung zwi- schen Arbeit, Rauchen und krebser- zeugenden Arbeitsstoffen, werde all- gemein unterschätzt. In verschiede- nen wissenschaftlichen Studien fän- den sich Hinweise dafür, daß gerade in jenen Berufszweigen mehr ge- raucht wird, bei denen mit einer be- sonders hohen Gefährdung durch krebserzeugende Arbeitsstoffe zu rechnen ist. Eigene Untersuchungen mit mehr als 5000 Beschäftigten in der Gasindustrie, so der Hamburger

Arbeitsmediziner, bestätigten dies.

Danach sind:

.... Ofenblockarbeiter von Koke- reien, die in einem hohen Maß durch krebserzeugende Arbeitsstoffe ge- fährdet sind, zu 83,9 Prozent Rau- cher.

..,. Bei den durch solche Stoffe weniger belasteten Beschäftigten aus anderen gewerblichen Bereichen be- trägt die Raucherquote 76,2 Prozent.

.... Bei den durch krebserzeu- genden Arbeitsstoffe weitgehend un- belasteten Büroarbeitern und Ver- waltungsangestellten sind 63,2 Pro- zent Raucher.

Professor Manz: "Entsprechend verhält sich die Häufigkeit von bös- artigen Tumoren insgesamt. Bei den Ofenblockarbeitern starben 15,2 Prozent an solchen Geschwüren, bei den übrigen gewerblichen Arbeit- nehmern sind es 5,6 Prozent, bei den Büroarbeitern und Verwaltungsan- gestellten sogar nur 3,1 Prozent."

Bezogen auf Atemwegskarzinome, verstarben unter den Nichtrauchern bei den Büroarbeitern und Verwal- tungsangestellten 2,7 Prozent, unter den Rauchern 5,1 Prozent. Bei den gewerblich Tätigen lautet die Relati- on 3,2 zu 8,2 Prozent und bei den Ofenblockarbeitern 10,9 zu 19,3 Pro- zent. "Das heißt", folgert der Ar- beitsmediziner, "die Häufigkeitszif- fer an derartigen Tumoren liegt bei den Nichtrauchern der Ofenblockar- beiter um mehr als doppelt höher als bei den Rauchern unter den Verwal- tungsangestellten".

Wieweit die heute unbestrittene Gesundheitsgefährdung durch das Rauchen nun wirklich geht, ob es sich "nur" um einen unter vielen ge- fährlichen Faktoren handelt oder um einen besonders starken Faktor:

Rauchen ist nach wie vor ein "Mas- sen-Problem". Nach Angaben des Verbandes der Cigarettenindustrie wurden 1989 in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft 650 Milliarden (!) Zigaretten hergestellt, darunter rund 137 Milliarden in Deutschland. Die Staaten, auch dar- auf wies der Verband hin, partizi- pieren am Tabakkonsum mit jährli- chen Steuereinnahmen von etwa 75 Milliarden DM, in der Bundesrepu- blik sind es annähernd 20 Milliarden

DM. JM

Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32, 5. August 1991 (33) A-2629

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

I> Bei den noch nicht gefestig- ten Versorgungsstufen und in der bis 1995 befristeten Übergangszeit sollte im Einzelfall entschieden werden, ob die Versorgung durch

Dabei ist zu berück- sichtigen, daß in Deutschland rund 98 Prozent der Bevölkerung gesetzlich und privat gegen das Krankheitsrisiko versichert sind, wohingegen in den USA nur 30

> Die Daten für 1987: Die Aus- gaben für Heil- und Hilfsmittel ha- ben sich je Mitglied gegenüber dem Vorjahr um 8,1 Prozent erhöht.. Al- lein im vierten Quartal 1987 war ein

1. Die Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen stellt fest, daß auf der Grundlage der Vereinbarungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen

Dabei kommt der Sekundärprävention in der Vorbeugung und Versorgung eine er- hebliche Bedeutung zu, die – wie der Sachverständigenrat für die Konzer- tierte Aktion im

Ärzte zur Fortbildung setzt der Sachverständigenrat für die Konzer- tierte Aktion im Gesundheitswesen mit seinem in der vergangenen Wo- che vorgelegten Gutachten (dazu auch der

Sachverständigenrates für die Konzer- tierte Aktion im Gesundheitswesen, prä- sentierte in Kiel einmal mehr sein Kon- zept einer dreiteiligen Finanzierung: Die Grundleistungen

Im übrigen muß bedacht werden, daß die durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 zu erwartenden Beitragsmehr- einnahmen der Krankenversicherung (Einmalzahlungen) geringer ausfallen