Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1114. März 2008 A551
P O L I T I K
die Dr. Bertram Häussler vom IGES- Institut vornahm: „Patienten bekom- men zunehmend verschrieben, was sie brauchen. Mithilfe generischer Substanzen nähern wir uns dabei in Gebieten wie Hypertonie und säure- bedingten Erkrankungen erst heute dem leitlinienkonformen Versor- gungsniveau, das wir schon seit Jah- ren erreicht haben müssten.“
Als „moderat“ bezeichnet das BMG den Anstieg der Krankenhaus- ausgaben. Er betrug 2007 im Ver- gleich zum Vorjahr 0,6 Prozent je Mitglied. Anders das Urteil der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG): Die Einnahmen der Kliniken hätten nicht einmal ansatzweise aus- gereicht, um die massiven Kosten- steigerungen auszugleichen, monier- te der DKG-Hauptgeschäftsführer, Georg Baum. Das Rheinisch-West- fälische Institut für Wirtschaftsförde- rung habe unlängst je nach Tarif- abschluss ein Defizit von 1,3 bis 2,2 Milliarden Euro für die Krankenhäu- ser im Jahr 2008 prognostiziert.
Besser sieht es auf dem Papier für die ambulante ärztliche Versorgung aus. Hier stiegen die Ausgaben je Mitglied um 3,3 Prozent, in den neu- en Bundesländern um 5,8 Prozent.
Die zusätzlich vergüteten Aufwen- dungen für ärztliche Früherken- nungsuntersuchungen erhöhten sich um 5,7 Prozent. Allerdings liegt die Ost-West-Quote in diesem Bereich je Versicherten derzeit bei 87 Pro- zent, das heißt: Ostdeutsche Ärzte bekommen je Kassenmitglied nur 87 Prozent dessen, was Ärzte im Westen erhalten. Der Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, Ralf Herre, hatte be- reits vor einem Jahr darauf hinge- wiesen, dass zudem der Arbeitsauf- wand ostdeutscher Ärztinnen und Ärzte höher sei.
Die Finanzsituation der GKV wird sicher weiterhin unterschied- lich beurteilt werden. Das gilt auch für die Frage, ob der Gesundheits- fonds kommen sollte oder nicht. Ge- wiss ist nur eines: Dass sich nicht wenige im Gesundheitswesen für die GKV-Versicherten eine Eigen- schaft wünschen würden, die man dem Gänseblümchen regelmäßig zuschreibt: Anspruchslosigkeit. I Sabine Rieser
M
ehr als 41 000 Ärztinnen und Ärzte werden nach Berech- nungen der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung (KBV) und der Bun- desärztekammer (BÄK) in den kom- menden fünf Jahren in den Ruhe- stand gehen. Ausreichender Nach- wuchs ist nicht in Sicht, weder in der ambulanten noch in der stationären Versorgung – und schon gar nicht im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Besonders betroffen ist Ost- deutschland. So konnten beispiels- weise in Sachsen in den vergange- nen zwei Jahren für mehr als die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen keine Ärztinnen und Ärzte mehr ge- funden werden. Einer Analyse von 2007 zufolge ließen sich von 44 aus- geschriebenen Arztstellen auf dem Land und in den Städten jeweils nur zehn Stellen (37 und 55 Prozent) be- setzen. „Unser Problem ist nicht die Streichung von Arztstellen, sondern deren Wiederbesetzung nach dem Ausscheiden von älteren Kollegen“, erklärt Dr. med. Regine Krause- Döring, Vorsitzende des Landesver- bandes Sachsen der Ärzte und Zahnärzte des öffentlichen Gesund- heitsdienstes.Versorgungsprobleme drohen
Die seit 2002 kontinuierlich erfass- ten Daten des sächsischen ÖGD verdeutlichen die Misere: 73 Pro- zent der Gesundheitsämter ver- zeichneten in den letzten sechs Jah- ren einen deutlichen Personalabbau, der nicht mit sinkenden Einwohner- zahlen zu begründen ist. Besonders betroffen sind die ländlichen Ge- biete. Aber auch in den Städten schwankt der Abbau der Umfrage von 2007 in Sachsen zufolge zwi- schen 16 und 64 Prozent. „In 21 sächsischen Landkreisen und dreiStädten werden zu wenig Stellen vorgehalten. Lediglich in vier städ- tischen Gesundheitsämtern stehen ausreichend Ärzte zur Verfügung“, sagt Krause-Döring. Teilweise bekä- men die Ämter bereits Probleme, ih- re Pflichtaufgaben zu erfüllen. „Der- zeit wird jedes Kind von unseren Kinder- und Jugendärzten viermal untersucht. Das wird möglicherwei- se bald nicht mehr zu bewältigen sein“, bedauert Krause-Döring.
Anreize: Geld und Flexibilität
Als Gründe für die Nichtbesetzung von ÖGD-Stellen nennt Krause- Döring mangelnde Bewerbungen, eine inadäquate Bezahlung sowie geringe Aufstiegschancen. „Dabei hat sich gezeigt, dass sich bei ad- äquater Bezahlung durchaus Kolle- gen für den ÖGD entscheiden“, sagt Krause-Döring. Während die Ärzte in den meisten Ämtern nach dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst be- zahlt würden, seien in zwei sächsi- schen Ämtern übertarifliche Vergü- tungen in Form von Zulagen ausge- handelt worden. Ergebnis: „Beide Stellen konnten besetzt werden.“Als weiteren Lösungsansatz neben einer besseren Bezahlung nennt Krause-Döring die Möglichkeit, den Dienst im öffentlichen Gesund- heitsdienst mit kurativer Tätigkeit zu koppeln.
In den westlichen Bundesländern ist der ÖGD weniger vom Ärzteman- gel betroffen. Dort seien noch viele Ärztinnen und Ärzte Beamte und er- hielten eine bessere Vergütung, er- klärt Krause-Döring, die auch Mit- glied im erweiterten Bundesvorstand des öffentlichen Gesundheitsdiens- tes ist. Spürbar sei der Nachwuchs- mangel jedoch auch dort. I Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann