• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Von schräg unten: Zivilisation" (07.03.2008)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Von schräg unten: Zivilisation" (07.03.2008)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

S C H L U S S P U N K T

VON SCHRÄG UNTEN

Zivilisation

Dr. med. Thomas Böhmeke

E

igentlich sind sie mir so willkommen wie Nach- zahlungen an die Ärzteversorgung oder Beitrags- steigerungen meiner Krankenkasse, trotzdem hilft keine Abwehrspannung gegen sie: die frechen Neffen. „Onkel Thomas, ich habe in einer Zeitschrift gelesen, dass ihr niedergelassenen Ärzte völlig unfähig seid, etwas gegen die Zivilisation zu tun!“ Das klingt wie ein verhedderter Stacheldraht in meinem Gehörgang, daher bitte ich um präzisere Erläuterung. „Also, Onkel Thomas, da stand drin, dass ihr völlig versagt, wenn die Leute zu fett und zu dick sind und dauernd rauchen!“ Aha, es geht also um die Sekundärprävention von Zivilisationserkrankungen.

Nun, diesmal gibt diese Zeitschrift den Sachverhalt völ- lig korrekt wieder, und zwar begründet sich dieses ärzt- liche Versagen durch die Meinungsfreiheit sowie die Errungenschaft des Internets. Die lieben Neffen sind für einen Moment so verblüfft, dass ich mich in ihrer moto- rischen Aphasie suhlen kann wie ein Helicobacter pylo- ri im Schleim der Magenwand. Aber leider nur für einen kurzen Moment. „Ach, was erzählst du wieder für ei- nen gedrillten Müll!“ Nein, nein, dem ist tatsächlich so.

Schließlich gibt es mittlerweile Portale im Internet, in denen Doktoren benotet werden können wie Schuljun- gen in der Mittelstufe – „Ist ja auch richtig so!“ – oder Grazien beim Eislaufen – „Wurde auch langsam Zeit!“.

Das Problem ist nur, dass man einem typischen Expo- nenten unserer Zivilisation, also einem übergewichti- gen, rauchenden, hypertonen Diabetiker kaum beikom- men kann, wenn man nur Süßstoff erzählt. Welcher ei- nem in den besagten Internetportalen die guten Noten bescheren würde. Wenn man jedoch dem betroffenen hypertonen Diabetiker mit klaren Worten ins Gewissen grätscht, dass er geradewegs auf einen Schlaganfall,

[112] Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 107. März 2008

Herzinfarkt oder eine Amputation zusteuert, falls er nicht seine Lebensweise ändert, dann läuft man ein hohes Risiko, dass er völlig beleidigt ist. Sind diese Menschen doch der Meinung, dass ihr Übergewicht von den schweren Knochen kommt und der schlechte Zucker von den Genen. Und – schwupps – landet man wegen allzu harter Risikofaktorenschelte am Pranger dieses Internetportals als miesester anzunehmender Arzt. Was keiner von uns Doctores wirklich will.

Früher, also vor den Zeiten des Internets, haben wir Ärz- te unseren Patienten noch unsere ehrliche Meinung sa- gen können, da haben wir sie auch noch vor all diesen schlimmen Folgeerkrankungen bewahren können, aber heute . . . wenn man für die Wahrheit öffentlich verprü- gelt wird . . . tja, das ist halt der Preis für Blümchenre- den und Weichspülen bei Zivilisationssünden . . . aber was sollen wir machen . . . so sind halt die Zeiten . . .

Der Neffe zündet sich eine Zigarette an und ruft auf seinem Mobiltelefon einen Lieferservice an, um sich eine Doppelportion Currywurst-Pommes-Mayo zu bestellen.

Oh liebstes Neffelchen, denke an dein Cholesterin und esse vielleicht doch ein bisschen mehr Salat, flöte ich.

„Onkel Thomas, du bist auch schon so ein korrum- piertes A. . . , das einem nicht mehr ehrlich die Meinung sagen kann und Schiss vor der öffentlichen Meinung hat!“

Schlechte Zeiten. Noch nicht mal die Verwandtschaft hat Verständnis für einen.

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ich, also besser gesagt meine Patienten leiden unter dem gleichen Phänomen, daher habe ich mal versucht, die NNH, also die Numbers needed to harm, aus den Lipid- studien zu

Flyer, auf denen Balkendiagramme und zackelige Kurven suggerieren, dass wir alle hundert Jahre alt werden können, wenn der störrische Doktor nur fleißig verschreiben würde: Kann

Dann packten sie mich ein, aber anstatt mich auf einem Schlitten in die Klinik zu fahren, die sich gerade mal zwei Kilometer bergab befand, holten sie den Hubschrauber!“ Auch

Wie oft befiel mich die akute doppelseiti- ge Schwerhörigkeit, wenn mir eine Bitte vorgetragen wurde, die meinem präferierten Prozedere dazwi- schengrätschte.. Dabei, so tue ich

H and auf den linken Ventri- kel, liebe Kolleginnen und Kollegen, beschleicht Sie nicht ge- legentlich auch das Gefühl, dass es in unserer Profession umständlich zugeht.. Nehmen

„Äh, nein.“ Habe ich, obwohl ich nur eine Echokardiographie durchführen sollte, seine Frau nicht gründlich unter- sucht. „Ja, doch.“ Die Ursache für die Entzündung am Fuß

Nein, der Fehler lag bestimmt darin, dass ich eine CT-Diagnostik ausge- macht habe, die zwei Tage später erfolgte, und erst zwei Wochen später wurde er in einer urologischen Klinik

„Was laberst du da?!“ Wenn du auf den Betonpfeiler fährst, wird die ki- netische Energie in eine Deformation des Fahrzeugs als auch deines Körpers umgewandelt.. „Muss ich mir