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Archiv "Arztberuf: Staatsmedizin, Marktmedizin" (12.10.2007)

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A2766 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 41⏐⏐12. Oktober 2007

P O L I T I K

E

ine Art „Bilanz und Ausblick“

hatte sich die Deutsche Ge- sellschaft für Medizinrecht anläss- lich ihres 25-jährigen Bestehens vorgenommen und das Spektrum mit dem Thema „Zwischen Hippo- krates und Staatsmedizin“ angedeu- tet. Das klang nach Festvortrag und ließ bewegte Klagen über das Vor- dringen des Staats ins individuelle Arzt-Patienten-Verhältnis erwarten.

Die kamen auch. Doch die Arzt-Pa- tienten-Beziehung wird zunehmend auch durch privatwirtschaftliche In- teressen bestimmt.

Die Handlungsspielräume werden immer enger

Gewiss, Klagen über „Staatsmedi- zin“ sind berechtigt. Denn der Staat und seine Sozialagenturen regeln reichlich und immer häufiger. Die Handlungsspielräume werden enger – durch finanzielle (Budgets, DRGs) und inhaltliche (Leitlinien, Richtlinien) Vorgaben. Doch inner- halb des Zauns der Vorgaben tut sich eine Spielwiese der Möglichkeiten auf. Gewinnorientierte Akteure auf dem Gesundheitsmarkt haben längst erkannt, wo Chancen liegen, und wie sie zu nutzen sind. Zu wessen Nutzen muss sich noch zeigen.

Das traditionelle Verständnis der Arzt-Patienten-Beziehung tritt so- wohl bei der „Staatsmedizin“ wie bei der „Marktmedizin“ in den Hinter- grund. Die jüngsten Reformgesetze

„messen der finanziellen Seite des Arztberufs mehr Bedeutung bei als der ethischen Verantwortung für den Patienten“ (Schimmelpfeng-Schüt- te). Wirtschaftliche Gründe bringen den Arzt dazu, „suboptimale Be- handlungswege zu wählen“ (Rügge- berg). Der Patient „wird zum Werk- stück in der Wertschöpfungskette der Gesundheitsindustrie“ (Vilmar).

Leitlinien sind zwar als Orientie- rungshilfen und Korridore (Graf- Baumann), als wertvolle Unterstüt-

zung für die Entscheidung im Einzel- fall gedacht, werden aber juristisch gerne zur Definition des Standards herangezogen (Encke). Wenn der Ge- meinsame Bundesausschuss, beraten durch sein wissenschaftliches Insti- tut, auf der Basis von Leitlinien fest- legt, welche Methoden für die Be- handlung von Kassenpatienten zuge- lassen sind, wird die Therapiefreiheit eingeschränkt. Jedenfalls für den nie- dergelassenen Arzt, wohingegen im Krankenhaus neue Verfahren einge- führt werden dürfen (Encke).

Der Kassenarzt steht ohnehin in einem derart engen wirtschaftlichen Verhältnis zu den Krankenkassen, dass in der Rechtswissenschaft heu- te diskutiert wird, ob er nicht als

„Amtsträger“ anzusehen ist. Der Amtsträgerbegriff betrifft zunächst zwar nur das Strafrecht (Untreue gemäß § 266 StGB, Korruptionsde- likte gemäß §§ 331 ff StGB). Wenn man aber den Vertragsarzt „wegen seiner Funktion bei der Behandlung von Patienten als Amtsträger an- sieht, hat das Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis, da dieses Verhältnis dadurch seinen Primat verliert“ (Erlinger).

Geändertes Berufsbild des Arztes

Die hohen amtlichen Hürden hin- dern findige Manager nicht, Praxen und Krankenhäuser wirtschaftlich zu optimieren. Auch der Arzt ist ge- fordert. Sein Berufsbild ändert sich.

Ein kühler Blick nach vorn:

>Ärzte sind Dienstleister in der Gesundheitsversorgung. Maßge- bend sind die Bedürfnisse der Kun- den. Die werden am besten in Pra- xisverbünden und Medizinischen Versorgungszentren befriedigt. Die- se bieten hohe Qualität, kundenge- rechte Sprechzeiten und „Goodies“

wie freies Parken oder Vermittlung zu weiteren Anbietern. Die Verbün- de entwickeln Markenversprechen

und bieten schließlich Markenmedi- zin an (Cornelius).

>Der schönen neuen Welt steht das ärztliche Berufsrecht entgegen.

Es ist anti-ökonomisch. Doch der Arzt ist Gesundheitsunternehmer, die selbstständig betriebene Arztpra- xis eigentlich ein Gewerbebetrieb, wie etwa auch Apotheken. An die Stelle des ärztlichen Berufsrechts sollte deshalb ein Regulierungsrecht der Gesundheitsdienstleistungen tre- ten, das alle privaten Leistungser- bringer umfasst. (Rixen)

>Der Arzt im Krankenhaus folgt Weisungen des Controllers. Der ist der wichtigste Mann im Haus. Case- Manager optimieren den Patienten- fluss. Der klassische Oberarzt ver- schwindet. Nicht ärztliches Perso- nal übernimmt zunehmend ärztliche Aufgaben.

>Die Verzahnung von Praxen und Krankenhäusern bedingt den Chefarzt neuen Typs, der sein Ein- zugsgebiet strategisch zu bearbeiten weiß. Er muss in der Lage sein, „ei- ne Ermächtigungssprechstunde zu erwerben, möglicherweise Ho- norarärzte im Krankenhaus arbeiten zu lassen oder mit einem niederge- lassenen Arzt eine Zweigpraxis zu eröffnen, die stationär angestellten Ärzte in diese Zweigpraxis oder in ein Medizinisches Versorgungszen- trum einzubringen, damit der Pati- entenzustrom gehalten oder gestei- gert werden kann.“ (Eßer)

>Der Arztvorbehalt wird neu be- stimmt. Die Delegation ärztlicher Leistungen, ambulant wie stationär, kann so beschleunigt werden. Es ist Sache der Ärzte, „diejenigen Leis- tungen zu definieren, die dem ori- ginären ärztlichen Bereich zuzuord- nen sind“ (Wienke). Immerhin, das

bleibt ihnen noch. I

Norbert Jachertz

Der Artikel stützt sich auf Referate von Felix Cornelius, Albrecht Encke, Rainer Erlinger, Dirk Eßer, Toni Graf-Baumann, Bernd Halbe, Bernd-Rü- diger Kern, Stephan Rixen, Jörg A. Rüggeberg, Ruth Schimmelpfeng-Schütte, Karsten Vilmar, Albrecht Wienke, gehalten anlässlich des 35. Symposions für Ärzte und Juristen am 21. September in Berlin, Kaiserin-Friedrich-Stiftung. Das vollständige Tagungsprogramm sowie die Funktionen der Refe- renten können unter www.uk-koeln.de/dgmr eingesehen werden. Vorgesehen ist, die Referate sowie allfällige Empfehlungen der Deutschen Ge- sellschaft für Medizinrecht (DGMR) zum Thema des Symposions in einem Tagungsband zusammen- zufassen. Die Tagungsbände der Gesellschaft erscheinen im Springer-Verlag (Heidelberg/Berlin).

ARZTBERUF

Staatsmedizin, Marktmedizin

Die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht beschäftigte sich mit neuen

Organisationsformen und den Folgen für den Arzt und den Patienten.

Referenzen

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