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Archiv "Beitragssenkung in der GKV: Eine unrealistische Perspektive" (09.06.2006)

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P O L I T I K

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A1578 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 23⏐⏐9. Juni 2006

KOMMENTAR

Z

u den möglichen Bausteinen der nächsten Gesundheitsreform ge- hört die Übernahme der Kosten für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) durch den Staat und damit durch einen Bundes- zuschuss an die GKV in Höhe von 14 bis 15 Milliarden Euro jährlich. Dies entspricht rund 1,5 Beitragssatzpunk- ten. Verbunden wird dieser Vorschlag mit der Feststellung, dass damit der Beitragssatz der GKV um eben diese rund 1,5 Beitragssatzpunkte sinken könne. Das rechnerische Ergebnis stimmt, doch ist eine solche

Vorstellung realistisch?

Beklagt wird ein aktuel- les Defizit in der Finanzie- rung der GKV. Für 2004 wurde für die vertragsärzt- liche Versorgung ein Mi- nus von 7,9 Milliarden Eu- ro errechnet. Heute fehlen dem Gesundheitssystem nach Angaben des Vor- standsvorsitzenden der Kas- senärztlichen Bundesver- einigung (KBV), Dr. med.

Andreas Köhler, rund zehn Milliarden Euro. Die Spit-

zenverbände der gesetzlichen Kran- kenkassen rechnen damit, dass die Rückführung des Bundeszuschusses zur Finanzierung versicherungsfrem- der Leistungen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent- punkte ab 1. Januar 2007 die Gesetz- liche Krankenversicherung 2007 mit mehr als 3,5 Milliarden Euro und 2008 mit mehr als fünf Milliarden Euro belasten.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt geht davon aus, dass die Ge- setzliche Krankenversicherung in die- ser Legislaturperiode eine Finanz- lücke von bis zu 14 Milliarden Euro auszugleichen habe. Die Forderungen der Klinikärzte würden bei Erfüllung der Forderung nach einer Gehaltser- höhung von 30 Prozent rund drei Mil- liarden Euro kosten. Wie immer der

Tarifabschluss aussehen wird: Eine Belastung der GKV von rund einer Milliarde Euro jährlich durch die zu erwartenden Gehaltserhöhungen dürfte realistisch sein. Unberücksich- tigt sind bei dieser Prognose die Aus- wirkungen der demographischen Ent- wicklung und des medizinischen Fort- schritts. Dies wurde von Bundeskanz- lerin Merkel aufgegriffen, die öffent- lich erklärt, dass die Gesundheits- versorgung deutlich teurer werden dürfte.

Beklagt wird eine Unterversorgung auf verschiedenen Gebieten. Genannt

seien beispielhaft die Demenz, die Schmerztherapie und die Palliativme- dizin. Behauptet werden Effizienzre- serven im Gesundheitssystem in Milli- ardenhöhe. Einsparungen werden er- wartet durch mehr Wettbewerb, mehr Transparenz,Abbau von Doppelunter- suchungen und Konzentration aller fachärztlichen Leistungen im Kran- kenhaus. Nicht eine der als Einsparpo- tenzial genannten Summen ist belegt oder bewiesen. Sollten Effizienzreser- ven tatsächlich erschlossen werden können, würden Ergebnisse erst in Jah- ren oder Jahrzehnten zu erwarten sein.

Die an das GKV-Modernisierungs- gesetz geknüpften Erwartungen zur Absenkung des Beitragssatzes in der GKV haben sich nicht erfüllt. Die Erwartungen wurden von Beitrags- satzsenkung in Beitragssatzstabilität

umgewandelt. Es kommt hinzu, dass die Anforderungen an die Gesund- heitsversorgung hoch bleiben. Die Bundesgesundheitsministerin und an- dere führende Vertreter der großen Koalition definieren als oberstes Ziel der Gesundheitsversorgung, dass auch künftig alle Menschen an der Ent- wicklung des medizinischen Fort- schritts teilnehmen und dass der uni- verselle Zugang zum Gesundheitssy- stem erhalten bleibt.

Die Quintessenz lautet: Die Ge- setzliche Krankenversicherung ist un- terfinanziert. 2007 ist ein Defizit von mindestens 15 Milliarden Euro zu erwarten, 2008 sind es mehrere Milliar- den mehr. Wege zur Be- hebung dieser Situation sind nicht erkennbar.

Eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölke- rung mit Gesundheitslei- stungen erfordert eine ordnungsgemäße Hono- rierung dieser Leistun- gen. Dieser Weg wird auch von der Politik in der vertragsärztlichen Versor- gung dadurch gewiesen, dass vom Punktsystem auf eine Finan- zierungsgrundlage in festen Eurower- ten übergegangen werden soll. Die voraussichtlich bessere Bezahlung von Krankenhausärzten weist in die glei- che Richtung.

In dieser Situation ist es unreali- stisch, über eine Steuerfinanzierung beitragsfrei mitversicherter Kinder in der GKV eine Beitragssatzreduktion in Höhe der Steuerfinanzierung errei- chen zu wollen. Um das heutige Ni- veau der Gesundheitsversorgung hal- ten zu können, werden vielmehr zu- sätzliche Finanzmittel benötigt.Wer et- was anderes behauptet, verschließt die Augen vor der Wirklichkeit.

Prof. Dr. med. Fritz Beske,MPH Fritz Beske Institut für

Gesundheits-System-Forschung Kiel Weimarer Straße 8, 24106 Kiel

Beitragssenkung in der GKV

Eine unrealistische Perspektive

Den Krankenkassen droht 2007 ein Defizit von 15 Milliarden Euro. Ohne zusätzliche Mittel kann

die heutige Versorgung nicht gehalten werden.

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