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Archiv "Gesundheitsreform: Letzte Ausfahrt Karlsruhe" (22.12.2008)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 51–52⏐⏐22. Dezember 2008 A2733

P O L I T I K

V

or der Kontroverse der Small Talk: Bundesgesundheitsminis- terin Ulla Schmidt plauderte im Ge- richtssaal mit Günter Dibbern, dem Vorstandsvorsitzenden der Victoria- Krankenversicherung AG und der Deutschen Krankenversicherung AG, und strahlte wie eh und je in die Ka- meras. Sie war – an der Spitze einer 17-köpfigen Delegation der Bun- desregierung – am 10. Dezember persönlich nach Karlsruhe gekom- men, um ihre Gesundheitsreform über die allerletzte Hürde zu brin- gen. Dibbern und weitere Vorstände waren ausgezogen, das zu verhin- dern. 29 Unternehmen und mehrere Privatpersonen hatten das Bundes- verfassungsgericht angerufen, acht Musterverfahren waren ausgewählt worden.

Dibbern durfte als Erster an das schmale Rednerpult treten, um die Verfassungsbeschwerden zu be- gründen: „Die politische Tendenz, die private Krankenversicherung existenziell zu schwächen, setzt sich fort.“ Der Neuzugang in die Voll- versicherung sei von 210 000 im Jahr 2002 auf 60 000 im vergange- nen Jahr zurückgegangen. Die neue dreijährige Wartefrist für Arbeitneh- mer, die nach Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze in die PKV wechseln wollen, beschneide den Markt weiter. Der Basistarif,

„ein Stück GKV in der PKV“, müs- se durch die klassischen PKV-Tarife subventioniert werden und mache diese immer teurer und unattrakti- ver. Der Gesetzgeber habe bei der mit breiter Mehrheit beschlossenen Reform die PKV nicht ausnehmen können, antwortete Ulla Schmidt.

„Bei der PKV kann man nicht von einem funktionierenden System sprechen. Der Wettbewerb be- schränkt sich auf Neukunden, Alte und Kranke werden abgelehnt oder

mit unzumutbar hohen Prämien ab- geschreckt.“ Schmidt, die auffal- lend häufig die Anrede „hohes Ge- richt“ benutzte, versicherte, der Ge- setzgeber habe eine „schonende Korrektur“ der Ungereimtheiten vor- genommen. Zur Begründung des Basistarifs führte sie an, dass eine

„Lebensentscheidung für die PKV“

auch Versicherungsschutz in sozia- len Notlagen umfassen müsse.

Subvention für Dagobert Duck Warum denn der Basistarif mit strik- ter Beitragsbegrenzung auch Gut- verdienern offenstehe, fragte ein Richter. Prof. Dr. Gregor Thüsing, einer der Anwälte der PKV, hatte zu- vor auch die Richter zum Schmun- zeln gebracht mit dem Satz: „Auch Dagobert Duck kann sich im Ba- sistarif versichern, und der kleine Selbstständige muss ihn subventio- nieren.“ Thüsing sieht eine „Perver- tierung des Solidargedankens“, der ohnehin nicht zur PKV passe. Ulla Schmidt blieb eine schlüssige Er-

klärung schuldig. Prof. Dr. Hans- Jürgen Papier, der Vorsitzende des Ersten Senats, zugleich Präsident des Bundesverfassungsgerichts, und sei- ne Richterkollegen zeigten großes Interesse an der Versicherungsöko- nomie und Prämienkalkulation. Denn Versicherte in Neuverträgen nehmen von 2009 an beim Versicherungs- wechsel ihre Alterungsrückstellungen teilweise mit. Für Bestandskunden gilt das auch beim Wechsel in den Basistarif. All dies und der Subven- tionsbedarf des Basistarifs verteuer- ten die klassische Vollversicherung

„in den nächsten Jahren“ um rund 50 Prozent, argumentierte Dibbern.

Das löse eine weitere Abwanderung in den Basistarif aus.

Konkretere Angaben erhoffte sich das Gericht von Prof. Dr. Bert Rürup.

Doch der als unabhängiger Sachver- ständiger geladene Ökonom erklär- te, er könne die Auswirkungen des Basistarifs nicht exakt berechnen, weil nur die Versicherer die nötigen Daten besäßen. Rürups argumenta- tive Schützenhilfe für die PKV blieb überraschenderweise begrenzt.

Ihr Geschäftsmodell sieht er nicht substanziell gefährdet. Zwar könne es für Ältere attraktiv sein, aus einem Volltarif in den Basistarif zu wech- seln und diesen mit einer Zusatzver- sicherung zu kombinieren. „Aber der Basistarif ist relativ teuer und vom Leistungsumfang nicht sonderlich attraktiv.“ Eine erhebliche Wechsel- wirkung erwartet Rürup nicht, ver- wies jedoch einschränkend auf er- höhte Arzthonorare für die Behand- lung von Basistarif-Versicherten.

Was er damit meinte, blieb offen, denn eine Honorarvereinbarung zwi- schen der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung und der PKV gibt es noch nicht. Das Urteil des Ersten Senats wird im Frühjahr erwartet. n Heinz Stüwe

GESUNDHEITSREFORM

Letzte Ausfahrt Karlsruhe

Den Start des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung kann nur das Bundes- verfassungsgericht noch stoppen. Von der mündlichen Verhandlung vor dem Ersten Senat war Altbekanntes erwartet worden, doch dann gab es manche Überraschung.

DER BASISTARIF

Vom 1. Januar 2009 an müssen die privaten Krankenver- sicherer (PKV) einen branchenweiten Basistarif einführen, dessen Leistungen denen der gesetzlichen Krankenver- sicherung (GKV) vergleichbar sind. Die privaten Versicherer sehen diese Verpflichtung als verfassungswidrigen Eingriff in das allgemeine Freiheitsgrundrecht und die Berufsfreiheit an. Denn im Basistarif darf die PKV keine Versicherten ablehnen (Kontrahierungszwang). Die Prämie ist auf den Höchstbetrag in der GKV beschränkt, bei Hilfsbedürftigkeit wird diese Summe halbiert. Risikozuschläge für Vorer- krankungen sind anders als sonst in der PKV nicht zu- lässig. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die am- bulante Versorgung der Versicherten im Basistarif sicher- zustellen. Die Vergütung ist auf die 1,8-fachen Sätze in der Gebührenordnung für Ärzte begrenzt. Sie kann jedoch in Verträgen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem PKV-Verband abweichend geregelt werden.

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