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Archiv "Rürup: Das Wichtigste zur Rente" (05.09.2003)

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nverbindlicher kann man sich kaum ausdrücken. „Wir werden nach eingehender Prüfung und Beratung in den Koalitionsfraktionen das umsetzen, was für Deutschland und unsere soziale Sicherung notwendig und vernünftig ist.“ Mit diesen Worten nahm Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in der vergangenen Woche den Abschlussbericht der so ge- nannten Rürup-Kommission in Berlin entgegen. Ein Lob bekamen die 26 Kommissionsmitglieder aber doch: Der Bericht enthalte „viele Vorschläge, die richtig und vernünftig sind“.

Der selbstbewusste Vorsitzende der Kommission zur nachhaltigen Finanzie- rung der sozialen Sicherungssysteme, Prof. Dr. Bert Rürup, findet das sowie- so. Er hatte stolz betont, dass das Gre- mium mehrheitlich der Überzeugung sei, „dass eine Umsetzung unserer Empfehlungen wirklich ein

großer sozialpolitischer Wurf wäre“. Denn dann würde die Finanzierung der Sozi- alversicherungen deutlich beschäftigungsfreundlicher, und die demographisch be- dingt steigenden Kosten der sozialen Sicherung wür- den deutlich gerechter auf die Generationen verteilt.

Rürup beschönigte aber nicht, dass es zeitweise hoch herging: „Das Gremium war kreativ, aber durchaus auch explosiv.“ Gestritten habe man vor allem bei Verteilungsfragen, aber es sei nichts unter den Teppich gekehrt worden. Das sahen einige Kommissionsmit- glieder wie Dr. Ursula En- gelen-Kefer anders. Die stellvertretende Vorsitzen-

de des Deutschen Gewerkschaftsbunds kritisierte noch während der Übergabe des Berichts eine mangelnde Diskussi- onskultur. Gleichwohl betonte sie, ihm ausdrücklich zugestimmt zu haben, weil Minderheitsmeinungen ausführlich und korrekt wiedergegeben seien.

In der Tat ist der Bericht eine Fund- grube für alle, die sich für Reformen der sozialen Sicherungssysteme interessie- ren. Er ist sachlich und verständlich ge- schrieben und enthält eine Fülle von Analysen und Reformvorschlägen so- wie erhellende Minderheitsvoten. Die- se wurden auch für den Bereich der Krankenversicherung abgegeben. Da- mit war es allerdings nicht getan. Die Kommission konnte sich bis zum Ende nicht darauf verständigen, auf welcher Basis eine Gesetzliche Krankenversi- cherung (GKV) in Zukunft finanziert werden soll. Sie beließ es deshalb dabei,

die Alternativen Bürgerversicherung und Kopfpauschalen nebeneinander darzustellen. Das schwächt ihr Gewicht, denn so kann sich die Politik jederzeit damit herausreden, das Gremium selbst habe sich ja nicht einigen können.

Rürup allerdings fand dennoch Gutes:

Allein mit der vorgelegten analytischen Durchdringung der beiden Alternati- ven habe man „Neuland betreten und eine überfällige Diskussion vorange- trieben“.

Ulla Schmidt zog umgehend erste Schlüsse. „Keines dieser Modelle ent- bindet uns von der Notwendigkeit, zu- erst mehr Wettbewerb und Qualität im Gesundheitssystem zu verwirklichen“, betonte die Ministerin. Erst wenn man dies in die Wirklichkeit umgesetzt ha- be, könne man die nachhaltige Finan- zierung regeln. Ganz so eng sah es die Kommission nicht. Ausgabenseitige Reformen seien vorrangig erforderlich, heißt es zwar im Bericht. Doch „die Mo- bilisierung von Wirtschaft- lichkeitsreserven ist keine nachhaltige Finanzierungs- quelle“. Und noch etwas betonen die Fachleute:

Dass der Gesundheits- markt Wachstums- und Be- schäftigungspotenziale bie- te, solle man nicht überse- hen. „Soweit wachsende Gesundheitsausgaben die Folge geänderter Präferen- zen sind, stellen sie keine Fehlentwicklung dar“, heißt es im entsprechenden Ka- pitel.

Rürup verwies darüber hinaus auf eine Ausarbei- tung von Kommissionsmit- glied Dr. Claus-Michael Dill, Vorstandsvorsitzen- P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 365. September 2003 AA2261

Bericht der Rürup-Kommission

„Richtig und vernünftig“

Den korrekten Namen des Gremiums kann kaum einer auswendig.

Nun hat die „Kommission für Nachhaltigkeit in der

Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme“ ihren Bericht vorlegt.

Rürup: Das Wichtigste zur Rente

Nach dem Votum der Kommissionsmehrheit soll das gesetzliche Rentenalter von 65 auf 67 Jahre steigen. Vorgeschlagen wird eine Erhöhung von 2011 an in kleinen Schritten von einem Monat. „Voraussetzung ist eine deutliche Verbesserung der Ar- beitsmarktlage“, heißt es aber im Bericht. Ein früherer Rentenbeginn ist möglich, wenn man Abschläge in Kauf nimmt. Zudem wird ein Nachhaltigkeitsfaktor für die Rentenanpassungsformel befürwortet. Er würde die Renten bei einer Erhöhung der Erwerbstätigkeit steigern und sie senken, wenn die Zahl der Leistungsempfänger schneller steigt als die der Beitragszahler.

Von einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze oder der Einbeziehung von weiteren Einkunftsarten in die Beitragspflicht raten die Fachleute mehrheitlich we- gen nur vorübergehender positiver Effekte im Grunde ab. Vorgeschlagen wird hin- gegen, bei der so genannten Riester-Rente die Förderberechtigung auf alle Steuer- zahler auszuweiten. Für Angehörige ärztlicher Versorgungswerke ist zudem folgen- de Passage im Bericht interessant: „Hinsichtlich der Selbstständigen ist zu beach- ten, dass hier oftmals bereits eine freiwillige oder obligatorische Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) besteht. In den übrigen Fällen domi- nieren in der Regel kapitalgedeckte Vorsorgeformen. Diese durch die umlagefinan- zierte Rentenversicherung zu ersetzen trägt nicht zur Verbesserung der finanziellen Nachhaltigkeit bei. In der Abwägung hält die Kommission diese Gründe für gravie- render als die unter dem Aspekt der Gleichbehandlung möglicherweise gerechtfer- tigte Einbeziehung der Selbstständigen in den Solidarausgleich der GRV.“ Mehrere Gewerkschaftsfunktionäre haben sich allerdings gegen diese Vorschläge gewandt.

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rof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), ist ein viel beschäftigter Mann. Dennoch gibt es Formen der Ar- beitsentlastung, die ihm nicht behagen.

Früher, berichtete er in der vergange- nen Woche, früher habe er in der Klinik, wo er arbeite, ein eigenes Fach für Be-

werbungen gehabt, und es sei immer gut gefüllt gewesen. Heute sei es meist leer oder enthalte Anfragen von Medizin- studenten aus dem Ausland. Eine Aus- nahmeerscheinung? Eine plötzliche Abneigung gegen Hoppes Fachgebiet, die Pathologie?

Wohl kaum. Hoppe ist wie Dr. med.

Manfred Richter-Reichhelm, Erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), überzeugt davon, dass dem deutschen Gesund- heitswesen die Ärzte ausgehen.Auf die- sen Trend wiesen die beiden am 27. Au- gust in Berlin hin. „Uns bricht der Nachwuchs auf breiter Front weg“, be- klagte Hoppe. Viele junge Mediziner scheuten heutzutage die Patientenver- sorgung, weil sie anderswo bessere Ar- beitsbedingungen und eine bessere Be- zahlung vorfänden. „Nachwuchs be- kommt man nur, wenn der Beruf attrak- tiv ist, und das ist er für die heute tätigen Ärzte schon nicht mehr“, urteilte Rich- ter-Reichhelm. Eine hohe Arbeitsbela- stung, strikte Budgetierung, die enorme

Bürokratisierung des Berufs und nicht zuletzt ständige Diffamierungen gegen Ärzte verleideten ihnen die Arbeit.

Auf den ersten Blick erscheine es zwar paradox, vor einem Ärztemangel zu war- nen, da auch 2002 die Zahl der berufstäti- gen Ärztinnen und Ärzte zugenommen habe, sagte Hoppe. Sie stieg von 375 200

(2001) auf 381 300 (2002). Aber das sei nur ein Teil der Wahrheit. Denn trotz die- ser Entwicklung suchten Krankenhäuser händeringend nach Ärzten: „In den alten Bundesländern kann nach Berechnun- gen des Deutschen Krankenhaus-Insti- tuts jedes zweite Krankenhaus offene Stellen im ärztlichen Dienst nicht mehr besetzen, in Ostdeutschland sind es sogar vier Fünftel.“ Im ambulanten Bereich sieht es nach den Worten von Richter- Reichhelm ebenfalls nicht rosig aus:

„Meine Kollegen in den Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen) der neuen Bundesländer sind bereits damit kon- frontiert, dass sie für nachzubesetzende Hausarztsitze keine Bewerber mehr fin- den“, berichtete der KBV-Vorsitzende.

Die Situation sei schwieriger als vor zwei Jahren angenommen. „Der dro- hende Ärztemangel ist in einigen Berei- chen nicht nur früher eingetreten als er- wartet, er hat auch an Dynamik gewon- nen“, waren sich Hoppe und Richter- Reichhelm einig. Das belegt nach Dar- stellung von Dr. rer. pol. Thomas Ko- P O L I T I K

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A2262 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 365. September 2003

der der AXA Konzern AG. Dill hat Grundzüge eines Modells entworfen, nach dem privat Krankenversicherte ihre Altersrückstellungen bei einem Wechsel des Versicherungsunterneh- mens mitnehmen könnten. Die Grund- idee besteht darin, „dass bei einem Versichertenwechsel dem Versicher- ten individuelle Altersrückstellungen mitgegeben werden, die seinem per- sönlichen Krankheitsrisiko entspre- chen“, schreibt Dill. Dazu müssten be- stimmte Voraussetzungen wie zum Beispiel eine einheitliche Diagnostik von Krankheitsrisiken zwischen PKV- Unternehmen gegeben sein, damit es nicht zu einer Risikoentmischung komme.* Dills Vorschläge, prophezei- te Rürup, würden sicher „in der Versi- cherungsbranche einiges an kreativer Unruhe hervorrufen“. Sabine Rieser

Ärztemangel

Der Nachwuchs bricht weg

Erst waren es Einzelfälle: Ein Hausarzt in der Uckermark fand keinen Nachfolger, ein Krankenhaus im Thüringischen keine jungen Ärzte. Einer Studie zufolge ist das nun aber der Trend.

Die Situation ist schwie- riger als angenommen – Dr. med. Manfred Rich- ter-Reichhelm, Prof. Dr.

med. Jörg-Dietrich Hop- pe, Dr. jur. Rainer Hess, Dr. rer. pol. Thomas Ko- petsch (von rechts).

*Derzeit werden im Rahmen eines Forschungsprojekts des Bundesministeriums der Finanzen Modelle zur Über- tragung individueller Alterungsrückstellungen beim Wechsel privater Krankenversicherer sowie Alternativen zur Vorfinanzierung der Krankheitskosten im Alter unter- sucht. Ergebnissse sollen bis Ende des Jahres vorliegen.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Eckhard Na- gel gehört zu jenen Mitgliedern der Rürup-Kommission, die sich für ein Minderheitenvotum entschie- den haben. Er kritisiert am Bericht, dass sich die Kommission für den Bereich Krankenversicherung zu sehr auf die Mo- delle Bürgerversicherung versus Kopfpauschalen konzentriert habe. Bei beiden habe man jedoch nur die Verbesserung der Einnahmeseite bei der Finan- zierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Blick.

Der Bayreuther Professor plädiert demgegen- über „für eine starke Konzentration auf die Ausga- benseite“. Details hat er in einem „Handbuch zu einer strategischen Gesundheitsstrukturreform in Deutschland“ zusammen mit zwei anderen Auto- ren beschrieben (www.img.uni-bayreuth.de/Aktu- ell). Im Kern schlägt er vor, Leistungen in drei Kate- gorien einzustufen: Medizinisch Notwendiges (GKV), medizinische Dienstleistungen (freiwillige Zusatzversicherung) und Querschnittsbereich Ge- sundheit & Gesellschaft (Steuerfinanzierung/Zu- satzversicherung). Medizinisch Notwendiges wie zum Beispiel Zahnersatz muss ein GKV-Leistungs- katalog seiner Auffassung nach enthalten. Nagel leugnet nicht, dass die Zuordnung von Leistungen zu einer der drei Kategorien teilweise schwierige ethische Entscheidungen voraussetzt. Ausgren- zungen aus dem GKV-Katalog müsse man jedoch transparent und damit nachvollziehbar machen.

Sonst nehme man versteckte Rationierungen in Kauf.

Fotos:Bildschön

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