Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2625. Juni 2004 AA1849
S E I T E E I N S
Stiftung Prävention
Weichspüler Konsens U
nd wieder ein neues Konsenspa-pier zur geplanten und in ihrer Ausgestaltung umstrittenen Bun- desstiftung Prävention. Die Autoren sind diesmal die Gesundheitsmi- nister der Länder. Nach Monaten ohne Einigung stellten sie ihren
„Durchbruch“ auf der Gesundheits- ministerkonferenz in Berlin vor. Das Credo: dem Bund möglichst wenig Kompetenzen einräumen, um selbst mehr Einfluss auf die für Prävention zur Verfügung stehenden Gelder zu bekommen.
Erst wenige Tage zuvor hatte Ulla Schmidt (SPD) einen mit den Spit- zenverbänden der Krankenkassen ausgehandelten Kompromiss prä- sentiert. Danach wollte man die flächendeckenden Präventionspro- gramme für sozial Benachteiligte,
auf die sich die Stiftung konzentrie- ren wird, zentral von der Bundesstif- tung mit zunächst 50 Millionen Euro jährlich finanzieren. Bund, Länder und Gemeinden hätten bei Grund- satzentscheidungen im Stiftungsrat zwar mitreden können, bei der kon- kreten Mittelvergabe aber wären sie – zu Recht – ohne Einfluss geblieben.
Bis zum Herbst soll nun eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ver- mitteln. Ob dann noch eine Stiftung unter der Ägide der für Prävention zuständigen Krankenkassen umge- setzt wird, ist fraglich. Denn einem entsprechenden Gesetz muss der Bundesrat zustimmen. In der zähen Diskussion drängt sich die Vermu- tung auf, dass die Länderminister vor allem an ihre leeren Landeskas- sen denken, können doch die Prä-
ventionsgelder den Haushalt entla- sten. So verwundert die Forderung kaum, die Stiftung auf die Festle- gung allgemeiner Präventionsziele zu beschränken und die Vergabe der Gelder zu großen Teilen den Län- dern und Kommunen zu übertragen.
Mit jedem Konsens wird das ei- gentliche Ziel, Prävention als vierte, gleichberechtigte Säule im Gesund- heitswesen zu verankern, weiter ver- wässert. Das ursprünglich anvisierte Finanzvolumen ist bereits von 180 auf 50 Millionen Euro herunterge- handelt worden. Um aus den vielen Präventionsprojekten eine weitere tragende Säule formen zu können, bedarf es der zentralen Koordinati- on „von oben“. Der regionallastige Entwurf der Länder aber steht dem
entgegen. Timo Blöß
Gesundheitsreform
Wirkung noch unklar D
er SPD sitzt die Zeit im Nacken.Will man verhindern, dass die jüngsten Schlappen bei der Europa- wahl und in Thüringen nur die Ouvertüre für weitere desaströse Niederlagen im Superwahljahr 2004 waren, müssen dringend Erfolge her. Dafür wird von Rot-Grün auch gerne herbeigeredet, was (zumin- dest noch) nicht in Sicht ist – etwa ei- ne Trendwende bei den Kranken- kassenfinanzen. Zwar schreiben die Kassen nach In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform (GMG) endlich wieder schwarze Zahlen. Dass Rot- Grün dies jedoch zum Anlass nimmt, sofortige Beitragssatzsenkungen zu fordern, kann allenfalls unter der Rubrik „Wahlkampf“ verbucht wer- den. Denn der angehäufte Schulden- berg der Kassen ist gewaltig, und die langfristigen Einspareffekte durch das GMG sind noch unklar.
Zurückhaltend bewertet auch der Zweite Vorsitzende der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Leonhard Hansen, die ver- meintlichen Erfolge der Reform.
Bei den Arzneimitteln fielen die erhofften Ausgabenrückgänge nied- riger aus, prognostiziert Hansen.
Nach den bisherigen Daten ergäben sich für das Gesamtjahr Einsparun- gen zwischen 1,4 bis maximal rund 1,8 Milliarden Euro. Doch auch die- se Summe müsse skeptisch betrach- tet werden, da die Zahl der von Zu- zahlungen befreiten Versicherten im Lauf des Jahres stark zunehmen werde.
Seine Zweifel an den von Bundes- gesundheitsministerin Ulla Schmidt geschürten Erwartungen begründe- te Hansen mit dem Ausbleiben er- hoffter Einspareffekte. So habe zum Beispiel die Zulassung von Internet-
apotheken keinen zusätzlichen Kon- kurrenzkampf und damit niedrigere Preise gebracht. Darüber hinaus sei mit Klagen der Pharmaindustrie ge- gen die kürzlich vom Gemeinsamen Bundesausschuss erstellten Festbe- tragsgruppen zu rechnen, in die auch patentgeschützte Arzneien einbezo- gen wurden. Die entsprechenden Regelungen könnten erst im Herbst greifen und sparten somit nur maxi- mal 75 Millionen Euro.
Eine Erfolgsmeldung jedoch bleibt Ministerin Schmidt: Der Rückgang der Patientenzahlen beim Arzt nach Einführung der Praxisge- bühr ist offenbar von Dauer. Das Minus von zehn Prozent zu Jahres- beginn setzt sich nach Angaben der KBV vermutlich auch im zweiten Quartal fort. Ob sich mit dieser Bot- schaft jedoch Wahlen gewinnen las- sen, ist zweifelhaft. Samir Rabbata