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Archiv "Warnschüsse gegen Freiberufs-Träume" (18.02.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen TAGUNGSBERICHTE

Warnschüsse

gegen Freiberufs-Träume

Für Bundesarbeitsminister Blüm ist die Erhaltung der freien Berufs- ausübung in der kassenärztlichen Versorgungsform eine Selbstver- ständlichkeit. Die Justitiare im heilberuflichen Bereich wären schlechte Exekutoren ihrer Aufga- ben, wenn sie diese beruhigende Versicherung als Schlafkissen mißbrauchen würden. Das ist kein Mißtrauen gegenüber Dr. Blüm. Es weiß niemand, wie es nach dem 6. März 1983 weitergeht.

Fest steht, daß der niedergelasse- ne Arzt in freier Praxis mit seinen freiberuflichen Funktionen in ein öffentlich-rechtliches System ein- gespannt ist und ein kompliziertes Balance-Spiel spielen muß, um diese (verbliebenen) Funktionen zu retten. Fest steht auch, daß in einem juristischen Zermürbungs- krieg letztere ständig zugunsten ersterer zentimeterweise an Bo- den verlieren. Kenner meinen (vielleicht) überscharf, daß sich die Ärzte in einen goldenen Käfig lavieren ließen. Kein Wunder, wenn in dieser Problematik Juri- sten immer wieder Anläufe zur Aufhellung nehmen, wie etwa am 2. Dezember 1982 Frau Rechtsan- wältin Dr. Susanne Tiemann mit ihrem Vortrag „Ärztliche Freibe- ruflichkeit im Spannungsfeld so- zialversicherungsrechtlicher Re- gelungen" vor der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e. V. in Köln.

Am spannendsten wird's oft, wenn es um Geld geht — auch bei den Freiberuflern. Und auch jetzt wie- der bei Frau Tiemanns Referat. Al- te Tatsache: Rechtsanwälte und Architekten, ebenfalls verkammer- te Freie Berufe, erhalten ihr Geld per individuell gestellter Rech- nung an den Klienten; Ärzte und Zahnärzte dagegen von den K(Z)Ven. Das hat wirtschaftlich und ideell günstige Seiten, nicht zuletzt die, daß sich in das Patien-

tenverhältnis (in der dominieren- den GKV-Dimension, der 90 Pro- zent der deutschen Versicherten angehören) keine verstimmenden Finanzhändeleien einschleichen, wenn ein Kranker Hilfe sucht. An- dererseits ist es eine alte Erfah- rung, daß das „Sachleistungssy- stem", das die Honorierung Ver- waltungsapparaten überträgt, eine vertrackt gefährliche Versuchung ist. Zum einen eine bequeme Sa- che, zum anderen widerspricht dieses „Sachleistungssystem", um das seit Jahren der sozial- und gesellschaftspolitische Kampf tobt, freiberuflichen Vorstellungen (wenn man will: auch „Idealen"), weil die Honorierung individueller Gestaltungsmöglichkeiten teilwei- se entzogen und einer wuchern- den Bürokratie übertragen wird, die mit ihren Prüf- und Kontroll- instanzen, den öffentlich-rechtli- chen Verschachtelungen und Kom- missionen und Gremien die Freibe- ruflichkeit einkreist.

Diese Gefahr ist noch lange nicht beseitigt, und es ist die Frage, ob eine konservativ-liberale Regie- rung in einer Legislaturperiode die in Jahrzehnten gewachsene Ge- fahr neutralisieren kann, die die Referentin an diesem Abend subtil herausarbeitete. Freiberuflichkeit, so glaubte der Zuhörer aus man- chen Sätzen herauszuhören, war ja ganz schön, solange man sein Geld überwiesen bekam und die Nachteile des „Systems", das wuchs und wuchs, nicht zu spüren brauchte. Der Kritiksturm bricht erst los, wenn der „Apparat", an dem andere sitzen und der immer stärker seine Eigengesetzlichkei- ten entwickelt, die vom anfangs Profitierenden und schließlich Be- troffenen kaum noch zu steuern sind, ständig ungemütlicher wird.

Verständige Berufspolitiker sahen diese gordischen Knoten, die Frau Dr. Tiemann in differenzierter Sprache geduldig entwirrte, schon

lange. Frau Dr. Tiemann: „Seiner Konstruktion nach ist daher das Sachleistungssystem dem Grund nach freiberuflichen Elementen ärztlicher Tätigkeit abträglich."

Die bösen Geister, so Frau Dr. Tie- mann, seien besonders „seit lan- gem auf dem Sektor der Wirt- schaftlichkeitsprüfung kassen- ärztlicher Leistung zu beobach- ten". Diese Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Leistungen werde zum großen Teil eben nicht daran ge- messen, ob die Behandlung im Einzelfall, auf den Patienten bezo- gen, medizinisch erforderlich und gleichzeitig mit den geringsten Kosten bewirkt worden sei. Maß- stab sei vielmehr in der Regel ein Vergleich mit der durchschnittli- chen Häufigkeit eines Leistungs- ansatzes im KV-Bereich. Eine Bre- sche sei geschlagen, durch die Pauschal-, Wirtschaftlichkeits-, Global- und schließlich Kollektiv- vorstellungen strömen und der vielbeschworenen Freiberuflich- keit ein Ende bereiten könnten.

Frau Dr. Tiemanns Vortrag wirkte wie ein Warnschuß.

Die Diskussion, in einem kleinen, aber fachkundigen Kreis, zeigte keinen unumstrittenen Ausweg.

Der Einwand, die Kosten wären nicht so hoch, wenn das „System"

auf privatwirtschaftliche Basis ge- stellt werden könnte, zog bzw.

zieht nicht: Weil er a) nicht bewie- sen werden kann und b) weil auch in einer „makrokosmischen" Ver- sicherungsstruktur die gegenseiti- gen „privaten" Ansprüche und Angebote sich hochschaukeln können.

Frau Dr.Tiemann regte an, dieses prinzipiell bewährte System zu re- lativieren mit Eigenbeteiligungen und „privaten" Einsprengseln.

Nur: Wo ist da die Grenze zu zie- hen? Eigenbeteiligungsmodelle mit „privatem Einschlag" werden durchlöchert und aufgeweicht durch finanzielle und soziale Ab- grenzungs- und Ausgrenzungs- vorbehalte, so lange, bis aus muti- gen Konzepten nichts mehr übrig- geblieben ist. E. Häussermann 104 Heft 7 vom 18. Februar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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