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Archiv "Patientenrechte: In England seit Jahren selbstverständlich" (09.01.2012)

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A 32 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 1–2

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9. Januar 2012

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

PA TIENTENRE CHTE

Die Gesundheitsmi- nister der von SPD und Grünen geführ- ten Länder wollen Ärzte verpflichten, Patientenbriefe in verständlicher Spra- che zu schreiben (DÄ 47/2011: „Patien- tenrechtegesetz: Unausgegoren und po- pulistisch“ von Falk Osterloh).

Die Kompetenz der Regierenden

Es ist einfach unfassbar! Jeder Pa- tient soll also einen Brief in ver- ständlicher Sprache zu seiner Dia - gnose bekommen, immer wenn diese neu oder verändert ist. Wenn der Vorschlag nicht so grotesk wäre, würde ich schallend lachen, so aber bleibt mir dieses im Halse stecken.

Dieser Vorschlag der Gesundheits- minister der Länder zeugt von so viel Unkenntnis und Ignoranz der Minister, dass man sich nur fragen kann, was sie für diesen Posten qualifiziert. Ich hoffe, jeder dieser Minister hat zumindest einen Refe- renten, der das DÄ erhält und ihn diesen Artikel lesen lässt. Keiner von ihnen hat offensichtlich auch nur den Schimmer einer Vorstel- lung, was sich täglich in unseren Praxen abspielt. Wie viele von uns zehn bis zwölf Stunden am Tag ar- beiten, eben nur, weil wir uns den Patienten verpflichtet fühlen und obwohl wir für einen Teil unserer Leistungen kein Geld bekommen.

Wann sollen wir diese Briefe schreiben, abends so ab 22 Uhr? Al- ternativ könnten wir unseren Pa- tienten ihre Diagnosen nicht mehr mündlich in verständlicher Sprache erklären, sondern nur noch diesen Brief in die Hand drücken. Einen

anderen Weg gibt es dann nicht, sonst käme definitiv die ambulante Versorgung in Deutschland zum Er- liegen! Ich bin jetzt seit neun Jahren niedergelassen und habe diese stän- digen Erschwernisse meiner Arbeit gründlich satt. Ärztin ist ein schö- ner Beruf, aber die Umstände in Deutschland sind eine Zumutung.

Wenn wir weiter kollektiv so schlecht behandelt werden (und uns behandeln lassen), wird diese Arbeit bald keiner mehr machen wollen.

Da werden auch finanzielle Anreize für Landärzte nichts bringen, das Problem liegt in unserer Missach- tung durch die Politik.

Dr. Uta Köbler, 78224 Singen

In England seit Jahren selbstverständlich

. . . Der Wertung des Kommentators darf ich widersprechen. Ich habe zehn Jahre in England gearbeitet, und es ist dort seit Jahren üblich, Arztbriefe an Patienten zu schrei- ben, verständlich und nachvollzieh- bar. Oft sind diese Briefe dann bei ambulanten Behandlungen die ein- zige Dokumentation über die Be- handlung, für die Praxis, für die Pa- tienten und für die Kollegen, die den Patienten mitbehandeln.

Dass sich das offizielle Organ der deutschen Ärzteschaft zu diesem völlig selbstverständlichen Anlie- gen defensiv verhält und dann noch mit dem Zeitargument kommt, kann ich nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil: Die englischen Patienten finden diese Briefe klasse, und die englischen Sekretärinnen und Sprechstundenhilfen wissen, wie viele Nachfragen das überflüssig, beziehungsweise ganz leicht zu be- antworten macht. Wer es mit den Patientenbriefen einmal angefangen

hat, möchte es nicht mehr missen.

Im Übrigen haben Patienten An- spruch auf umfassende Aktenein- sicht und Information über ihre Er- krankung in einer verständlichen Form, um informierte Entscheidun- gen treffen zu können . . .

Dr. Martin Zinkler, Chefarzt, Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH, Klinik für Psychiatrie, Psycho- therapie und Psychosomatik, 89522 Heidenheim

Den Nagel auf den Kopf getroffen

Der von Herrn Osterloh verfasste Artikel über die geplante Änderung der Patientenrechtegesetze trifft den Nagel auf den Kopf. Es ist wohltu- end, von Redakteuren des DÄ eine klare Positionierung gegen derart sinnlose Gesetze lesen zu dürfen.

Ich möchte hier zwei sicherlich nicht realitätsferne Beispiele aus dem täglichen Umgang mit unseren Patienten beisteuern.

Situation eins –

Magenperforation mit akutem Ab- domen im Jahr 1986 (Beginn mei- ner Facharztausbildung).

Chirurg: „Ihre starken Bauchschmer- zen kommen von einem Loch im Magen. Dieses Loch sollten wir so bald wie möglich zunähen.“

Patient: „Dann machen Sie’s doch!“

Patient wird sofort operiert, das per- forierte Loch im Magen wird zuge- näht. Patient verlässt eine Woche später glücklich die Klinik und be- dankt sich bei Schwestern und Ärz- ten.

Situation zwei –

Magenperforation im Jahr 2011.

Chirurg: „Ihre starken Bauchschmer- zen kommen von einem Loch im Magen. Dieses Loch sollten wir so bald wie möglich zunähen.“

Patient: „Das kommt mir alles et- was zu schnell. Ich möchte erst noch mit meinen Hausärzten, mei- D

n u t Ä P v che zu schreiben (DÄ

B R I E F E

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9. Januar 2012 A 33 nen Fachärzten und meinen Famili-

enmitgliedern sprechen. Auch mei- ne Krankenversicherung möchte ich noch anrufen, ob sie die Kosten überhaupt übernimmt. Hier gibt es ja sicherlich auch noch andere Me- thoden. Vielleicht kann man das Loch auch ambulant zunähen. Ich gehe lieber wieder nach Hause und melde mich.“

Patient fährt nach Hause, setzt sich an seinen Computer und googelt drei Stunden über Magenperforatio- nen. Den Besuch bei seinen Ärzten, Familienangehörigen und Anwälten am nächsten Tag kann er nicht mehr durchführen, da er nachts an den Folgen der Magenperforation stirbt.

Die Angehörigen nehmen natürlich sofort mit dem Patientenvertreter des zuständigen Landes, dem Re- placement der zuständigen Kran- kenkasse, mit ihrem Anwalt für Me- dizinrecht und mit der Schlich- tungsstelle der zuständigen Landes- ärztekammer Kontakt auf.

„Hier ist ja wohl etwas schiefgelau- fen. Hier war sicherlich die Aufklä- rung über die erforderlichen Maß- nahmen nicht ausreichend.“

Der MDK der zuständigen Kran- kenkasse und der Gutachter der ver- antwortlichen Schlichtungsstelle können sich der Ansicht der Ange- hörigen nicht entziehen.

Da das Gespräch nicht ordentlich dokumentiert wurde, ist sicherlich davon auszugehen, dass die Indika- tion für den sofortigen operativen Eingriff nicht ordnungsgemäß er- folgte. Dem Chirurgen wird eine außergerichtliche Einigung mit einer lebenslangen Leibrente für sämtliche Angehörigen empfohlen.

Zwei Wochen später erfolgt dann die Entlassung des Chirurgen durch den Verwaltungsleiter der betroffe- nen Klinik.

So überspitzt meine Darstellung sein mag, im täglichen Arbeitsbe- trieb sind wir von derartigen Ver- haltensmustern nicht mehr weit ent- fernt. Schuld daran tragen jedoch nicht unsere Patienten, sondern Ge- sundheitspolitiker und Akteure der großen Krankenkassen, die keine Möglichkeit ungenutzt lassen, das Vertrauensverhältnis zwischen uns Ärzten und unseren Patienten tief- greifend und dauerhaft zu stören . . .

Die geplante Änderung der Patien- tenrechtegesetze wird lediglich da- zu führen, dass das Vertrauen zwi- schen Arzt und Patient weiter sinkt.

Aufgrund der zunehmenden gegen uns Ärzte gerichteten juristischen Verfahren wegen angeblichen Be- handlungsfehlern werden die Haft- pflichtprämien, insbesondere in den operativen Fächern, um ein Vielfa- ches ansteigen.

Die Risikobereitschaft von uns Ärz- ten zur Durchführung von etwas riskanteren operativen Verfahren in schwierigen Situationen (Rezidiv- eingriffe, riskante und technisch aufwendige operative Verfahren) wird per Einweisung auf die sta - tionär tätigen Kollegen abgedrückt werden. Auf die wesentlichen klini- schen Instinkte reduzierte diagnos- tische Maßnahmen ohne Einsatz technisch aufwendiger Verfahren (NMR, Spiral-CT etc.) werden nicht mehr durchführbar sein, da nur ausschweifende Befundung und Dokumentation die Gier nach Do- kumenten und Ausschlussdiagnosen befriedigen werden . . .

Dr. med. Peter Heilberger, 90441 Nürnberg

NUTZENBEWERTUNG

Neue Arzneimittel müssen einen Zu- satznutzen gegen- über Standardprä- paraten haben (DÄ 45/2011: „Frühe Nutzenbewertung von Arzneimittelinnovationen: Die Guten ins Töpfchen . . .“ von Thomas Gerst und Heike Korzilius).

AMNOG – ein Lichtstreif am Horizont

Es besteht kein Zweifel, dass das Arzneimittelmarktneuordnungsge- setz (AMNOG) erheblich zur Ver- besserung der medizinischen Ver- sorgung beitragen kann. Das betrifft nicht nur den ökonomischen As- pekt, der in allen Publikationen im Vordergrund steht, nämlich das Aufbrechen des Preismonopols der Pharmaindustrie, sondern bedeutet aus meiner Sicht auch eine erhebli- che Verbesserung der Qualität der

Pharmakotherapie. Ein Negativbei- spiel aus der Vergangenheit soll auf das Problem fokussieren. Der Li- pidsenker Ezetimib (Ezetrol) wurde am 17. Oktober 2002, die Kombi- nation mit Simvastatin (INEGY) am 2. April 2004 erstmals in Deutschland zugelassen. Die Ver- längerung der Zulassungen erfolgte am 4. Mai 2009 beziehungsweise am 25. Februar 2010. Die freie Kombination wurde von Anfang an werbewirksam als „neues Wirk- stofftandem“, „duale Power“ oder

„better together“ vermarktet. Im Jahr 2010 stand INEGY mit einem Umsatz von 176 Millionen Euro an Position 18 der 30 umsatzstärksten Arzneimittel in Deutschland. Mög- lich wurde das durch ein aggressi- ves und Wunschvorstellungen der Ärzte nährendes Marketing. Es gibt bis heute noch keine einzige klini- sche Endpunktstudie, in der nach- gewiesen worden wäre, dass Eze- trol oder INEGY gegenüber Simva- statin einen Zusatznutzen hat – Zu-

satznutzen im Hinblick auf eine Verbesserung der Prognose der Pa- tienten, das heißt Senkung der kar- diozerebrovaskulären Morbidität und Mortalität. Im Gegenteil – alle bislang veröffentlichten Studien (ENHANCE, SEAS, SHARP, AR- BITER-6-HALTS) haben keinen klinisch relevanten Nutzen der Kombination im Vergleich zu Sim- vastatin oder Placebo gezeigt. Nicht nur, dass ein Wirksamkeitsnachweis fehlt, es gab sogar Risikosignale für Krebs und vermehrte kardiovasku- läre Todesfälle durch Ezetimib.

Trotzdem wurden die Präparate Blockbuster. Es gab keine Gegen- steuerung, um Schäden von den Pa- tienten abzuwenden.

Ob durch das AMNOG solche Ma- laisen in Zukunft verhindert oder vermindert werden können, bleibt abzuwarten . . .

Neben dem viel diskutierten und natürlich relevanten Problem einer

„zweckmäßigen Vergleichsthera- pie“ möchte ich auf einen anderen

U

N m s ü p 4 N von Arzneimittelinno

B R I E F E

Referenzen

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