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Archiv "Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit: Horrorszenario oder „zahnloser Tiger“?" (11.06.2004)

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as Institut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswe- sen dürfte eine der umstrittensten Einrichtungen sein, die mit der Gesund- heitsreform neu geschaffen wurden.

Zunächst als staatliche Einrichtung ge- plant sollte es unter anderem medizini- sche Standards setzen und Arzneimittel einer Kosten-Nutzen-Bewertung unter- ziehen. Kritiker sprachen daraufhin von Staats- und Einheitsmedizin. Sie konn- ten sich offenbar Gehör verschaffen, denn Regierung und Opposition einig- ten sich im Reformkompromiss auf eine

„staatsferne“ Lösung. Der Gemeinsa- me Bundesausschuss, in dem Leistungs- erbringer und Kostenträger sowie Pati- entenbeauftragte und Selbsthilfeorga- nisationen vertreten sind, wurde mit der Gründung eines fachlich unabhängigen Instituts beauftragt.

Getragen wird das Institut für Qua- lität und Wirtschaftlichkeit von einer Stiftung. Da die Anerkennung als rechtsfähig durch die Bundesober- behörde noch aussteht, sind auch der Stiftungsrat und der fünfköpfige Vor- stand, der einstimmig die Stelle des In- stitutsleiters besetzen muss, noch nicht installiert. So gesehen sind Zeitungsbe- richte, wonach Prof. Dr. med. Peter Sa- wicki Leiter des Instituts werden soll, derzeit eher spekulativ. Der Diabetologe ist zurzeit Chefarzt am St. Franziskus- Hospital in Köln und Mitherausgeber des pharmakritischen arznei-telegramms.

Sawicki hatte maßgeblich an den Vor- schlägen des Koordinierungsausschusses für das Disease-Management-Programm Diabetes Typ 2 mitgearbeitet.

Das Aufgabenspektrum des Instituts, das mit 20 bis 30 Mitarbeitern auskom- men soll, ist beachtlich. Nach dem GKV- Modernisierungsgesetz soll es den aktu-

ellen medizinischen Wissensstand zu diagnostischen und therapeutischen Ver- fahren bei ausgewählten Krankheiten darstellen und bewerten, zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit von im Rahmen der Gesetzlichen Krankenver- sicherung erbrachten Leistungen wis- senschaftlich Stellung nehmen, evidenz- basierte Leitlinien für die epidemiolo- gisch wichtigsten Krankheiten bewer- ten, Empfehlungen zu strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke abgeben und allgemeinver- ständliche Informationen über Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversor- gung für die breite Öffentlichkeit bereit- stellen. Darüber hinaus soll das Institut den Nutzen von Arzneimitteln bewerten – die ursprünglich geplante Kosten-Nut- zen-Bewertung ist im Lauf des Gesetz- gebungsprozesses entfallen.

„Das Institut ist noch herzlich unkon- kret“, sagte Dr. med. Dr. jur. Christian Dierks. Der Vorsitzende einer Eurofo- rum-Konferenz, die sich Ende Mai in München mit der Nutzenbewertung von Arzneimitteln beschäftigte, meint: „Der- zeit geht es eher um die Erwartungen der Beteiligten.“ Und die könnten bei Kas- senärzten, Krankenkassen und Pharma- industrie unterschiedlicher kaum sein.

Immerhin lag der Anteil der Arzneimit- telausgaben in der GKV im Jahr 2002 mit rund 22,3 Milliarden Euro in etwa gleich- auf mit der ärztlichen Gesamtvergütung.

Von daher ist es aus Sicht der Kranken- kassen, der regressbedrohten Ärzte und des auf stabile Beitragssätze hoffenden Gesetzgebers nachvollziehbar, die Er- stattungsfähigkeit von Arzneimitteln nicht allein an die arzneimittelrechtliche Zulassung zu knüpfen, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Präparats voraussetzt, sondern eine so genannte vierte Hürde einzuziehen, die den Nut- zen bewertet. Nutzenbewertungen, wie sie jetzt gesetzlich vorgesehen sind,sollen eine Aussage über den Beitrag neuer Arzneimittel auch im Vergleich zu Stan- dardtherapeutika zur Verbesserung der medizinischen Behandlung von Patien- ten beinhalten, zitierte Dierks aus der amtlichen Begründung. Sie sollen für je- des erstmals zugelassene Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen und andere, umsatzstarke Medikamente vor- P O L I T I K

A

A1712 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2411. Juni 2004

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit

Horrorszenario oder

„zahnloser Tiger“?

Die von der Selbstverwaltung getragene Stiftung ist dem- nächst arbeitsfähig. Sie ist Trägerin des Instituts, zu dessen Aufgaben die Nutzenbewertung von Arzneimitteln gehört.

Grafik

Verfahrensabläufe nach § 139b

Finanzierungszusage Ablehnung

Auftra g Auftrag

Antrag auf Auftrag

Aufträge Ergebnisse Empfehlungen

Kassenärztliche Bundesvereinigung Deutsche Krankenhausgesellschaft Bundesverbände der Krankenkassen Selbsthilfeorganisationen

Patientenbeauftragte

Sachverständige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Bundesministerium

für Gesundheit und Soziale Sicherung

Gemeinsamer Bundesausschuss

Quelle: Dierks & Bohle, Berlin

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M

indestens vier von fünf Ärzten in Europa haben inzwischen einen Internet-Anschluss, und jeder vierte Europäer nutzt das Internet für die Suche nach Gesundheitsinfor- mationen. Zurzeit liegt der Jahresum- satz in der Branche „Gesundheitstele- matik“ bei elf Milliarden Euro. Schät- zungen zufolge werden im Jahr 2010 bis zu fünf Prozent aller Ausgaben im Ge- sundheitswesen in Systeme und Dienste der Online-Gesundheitsfürsorge flie- ßen. Auch vor diesem Hintergrund wid- met die Europäische Kommission dem Thema „E-Health“ verstärkt ihre Auf- merksamkeit. Im Rahmen ihrer über- geordneten Strategie im Gesundheits- bereich ist Gesundheitstelematik das dritte Element neben den Themen

„Patientenmobilität“ und „nationale Reformen der Gesundheitsversorgungs- systeme“. So hat die Kommission An- fang Mai 2004 einen „Aktionsplan Online-Gesundheitsfürsorge“ veröffent- licht. Dieser wurde auf der EU-Mini- sterkonferenz, die am 5./6. Mai unter irischer Ratspräsidentschaft in Cork stattfand, mit Gesundheitspolitikern und Experten diskutiert und eingeleitet.

Baustein zur Lösung vieler Probleme

Der Aktionsplan beschäftigt sich mit der Frage, wie Qualität, Verfügbarkeit und Effizienz der Gesundheitsversor- gung in Europa durch den Einsatz von Informations- und Kommunikations- technologien verbessert werden kön- nen. Im Vordergrund stehen dabei com- putergestützte Verschreibungen, Pati- P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2411. Juni 2004 AA1713

genommen werden. Dabei wird das Insti- tut nur im Auftrag des Gemeinsamen Bun- desausschusses oder des Bundesgesund- heitsministeriums tätig. Es fasst auch kei- ne Beschlüsse, sondern gibt Empfehlun- gen ab, die der Gemeinsame Bundesaus- schuss im Rahmen seiner Aufgaben be- rücksichtigt, das heißt in diesem Fall bei den Entscheidungen über Arzneimittel- festbeträge und Arzneimittelrichtlinien.

Bei Pharmaökonomie geht es nicht nur um den Preis

Das Institut für Qualität und Wirtschaft- lichkeit im Gesundheitswesen wird nach Einschätzung von Dr. med. Dieter Götte, Medizinischer Direktor von Aventis Phar- ma Deutschland, das zentrale Entschei- dungsgremium für die Nutzenbewertung von Arzneimitteln werden. Auch werde es mit großer Wahrscheinlichkeit Einfluss auf Erstattungsfragen von innovativen oder umsatzstarken Arzneimitteln ha- ben. Es sei absehbar, dass das Institut In- formationen und Daten zum Langzeit- nutzen von Arzneimitteln zu klinisch re- levanten Endpunkten und zur Kostenef- fektivität verlangen werde. Dabei gibt Götte zu bedenken, dass der Anteil inno- vativer und patentgeschützter Arznei- mittel in Deutschland im europäischen Vergleich sehr gering ist. 47 Prozent aller in Deutschland verordneter Arzneimittel seien älter als 20 Jahre, nur 25 Prozent seien patentgeschützt und lediglich neun Prozent des Arzneimittelumsatzes werde mit Präparaten erzielt, die innerhalb der letzten fünf Jahre zugelassen wurden.

„Deutschland greift Innovationen nicht gerade begierig auf“, kritisierte Götte.

Vor diesem Hintergrund befürchten die Pharmafirmen durch das neue Institut ei- ne erhebliche zusätzliche Bürokratie, ei- nen verzögerten Zugang von Innovatio- nen zum Arzneimittelmarkt und dadurch negative Auswirkungen für den For- schungsstandort Deutschland.

„Leben ist Vielfalt – stoppt die Ein- falt“ lautete der Slogan des Bundesver- bandes der Pharmazeutischen Industrie in einer Kampagne gegen das Qualitäts- institut und seine Nutzenbewertungen.

Solche Aussagen hält Wolfgang Kaes- bach für „sich selbst entblödend“. „Das Institut wird sich irgendwo zwischen Horrorszenario und zahnlosem Tiger

bewegen“, erklärte der Leiter der Abtei- lung Arzneimittel, Medizinprodukte und Heilmittel beim Bundesverband der Be- triebskrankenkassen. Die Pharmaindu- strie finde in Deutschland geradezu pa- radiesische Bedingungen vor, weil hier neue Präparate direkt nach ihrer Zulas- sung zulasten der gesetzlichen Kranken- kassen verordnet werden könnten. „In fast allen europäischen Staaten gibt es Positivlisten oder Preisverhandlungen mit den Krankenkassen“, so Kaesbach.

„Pharmaökonomische Ansätze sind bei uns lange durch erfolgreiches Lobbying verhindert worden.“

Von Anfang an befürwortet haben das Konzept der Kosten-Nutzen-Bewer- tung von Arzneimitteln die Kassenärzte.

Das ist nicht weiter verwunderlich, denn sie werden seit Jahren durch ihr Ver- schreibungsverhalten mitverantwort- lich gemacht für die Defizite in der GKV. „Kosten-Nutzen-Analysen sind ein geeignetes Mittel zur Optimierung der Ausgabenstrukturen, sofern sie den international konsentierten pharma- ökonomischen Analysemethoden Rech- nung tragen“, heißt es von daher in einer Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zum GKV- Modernisierungsgesetz. „Bei der Phar- maökonomie geht es aber nicht nur um den Preis“, betonte Dr. Eva Susanne Dietrich, Leiterin des Referats Arznei- mittel der KBV. Idealerweise ermög- lichten es pharmakoökonomische Stu- dien, Kosten sektorübergreifend zu be- trachten, durch den Vergleich neuer Arzneimittel mit etablierten Stan- dardtherapeutika den Markt zu bereini- gen sowie die Preise bei Analogpräpara- ten und Neuzulassungen sinnvoll zu ge- stalten. Die notwendige Evaluation von Arzneimitteln in der täglichen Anwen- dungspraxis könne die Qualität von Anwendungsbeobachtungen verbessern.

„Und letztlich würde durch eine metho- disch einwandfreie Kosten-Nutzen-Be- wertung der Budgetdruck auf die Ärzte- schaft entfallen“, erklärte Dietrich. Al- lerdings sieht auch sie noch Hindernisse.

Viele Studien seien derzeit qualitativ mangelhaft, die Methodik sei nicht fest- gelegt und damit die Vergleichbarkeit problematisch. Außerdem seien auch die Folgen für das Gesamtsystem, die pharmakoökonomische Ansätze zeitig- ten, noch nicht analysiert. Heike Korzilius

Online-Gesundheitsfürsorge

E-Health- Aktionsplan

Mit einer Reihe von Initiativen

will die Europäische Union die

Zusammenarbeit der Mitglied-

staaten im Gesundheitswesen

fördern. Ein wichtiger Bereich

ist die Gesundheitstelematik.

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