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Archiv "6. Münchner AIDS-Tage: Therapie und Betreuung HIV-infizierter Kinder" (25.07.1997)

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ie Häufigkeit einer vertikalen Transmission von HIV liegt heute unter zehn Prozent, und die mittlere Überlebenszeit perinatal infizierter Kinder beträgt acht Jahre. HIV kann auf das Kind in utero, während der Geburt oder beim Stillen übertragen werden. Am häu- figsten ist der zweite Weg. Je weiter fortgeschritten das Erkrankungssta- dium der Mutter ist, desto höher liegt das Transmissionsrisiko. Auch ge- burtshilfliche Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Die primäre Sectio scheint das Risiko der HIV-Übertra- gung zu halbieren. Vorzeitiger Bla- sensprung, Vakuum- oder Zangenge- burt erhöhen das Risiko.

In einer plazebokontrollierten randomisierten ACTG-Studie nahm das Transmissionsrisiko unter einer Zidovudin-Prophylaxe auf 7,6 Pro- zent gegenüber 22,6 Prozent ab. Das Medikament wurde dabei während der Schwangerschaft peroral, unter der Geburt intravenös und beim Kind in den ersten sechs Wochen peroral eingesetzt. Welche der drei Therapie- phasen den Schutz bringt, ist noch nicht geklärt.

Bis zum 18. Lebensmonat kann eine HIV-Infektion nur durch den di- rekten Virusnachweis gesichert wer- den, da in diesem Zeitraum noch müt- terliche Antikörper zirkulieren. Da auch die PCR in den ersten Lebens- monaten bei nicht infizierten Kindern positiv ausfallen kann, sollten PCR und Antigentest immer parallel durchgeführt werden. Drei Untersu-

chungen in den ersten sechs Monaten können praktisch immer klären, ob ein Kind infiziert ist.

Als Frühsymptome einer HIV- Infektion beobachtet man im Kindes- alter besonders häufig Hepatospleno-

megalien und generalisierte Lymph- adenopathien. Für das Säuglingsalter typische Ekzeme werden verschlim- mert, und es treten gehäuft bakteriel- le Infektionen auf. Eine thrombozy- topenische Purpura und ein Herpes zoster sind typische AIDS-Erstmani- festationen, deren Auftreten im Kin- desalter immer einen HIV-Test veran- lassen sollte. Auch bei einer Hyper- gammaglobulinämie sollte ein ent- sprechender Verdacht geklärt wer-

den. Von den opportunistischen In- fektionen kommt die Pneumocystis- carinii-Pneumonie (PCP) auch im Kindesalter am häufigsten vor, kann aber schon bei normaler CD4-Zell- zahl auftreten. An zweiter Stelle steht die Candida-Ösophagitis.

Auch bei Kindern lassen sich in den ersten symptomfreien Jahren kaum Viruspartikel im Plasma nach- weisen. In Wirklichkeit werden in die- ser Zeit der scheinbaren Latenz in den lymphatischen Geweben massiv Vi- ruspartikel produziert – mit einer Halbwertszeit von gerade sechs Stun- den. Der Nachschub an CD4-Zellen vermag jahrelang mit dieser massiven Replikation Schritt zu halten. Die CD4-Zellzahl gibt also nur Aufschluß über den Zustand des Gleichgewichts.

Die Dynamik der HIV-Infektion spie- gelt sich in der Viruslast wider, die sich inzwischen als wichtigster prognosti- scher Parameter etabliert hat.

Die üblichen Säuglings-Impfun- gen sollten bei HIV-infizierten Kin- dern besonders frühzeitig durchge- führt werden, da die Antikörperant- wort mit zunehmendem Verlauf der Krankheit immer schwächer wird. Ei- ne Impfung mit dem BCG-Lebend- impfstoff sollte entfallen, und die Po- lio-Schluckimpfung durch Injektion des inaktivierten Impfstoffs ersetzt werden. Der Masern-Lebendimpf- stoff kann dagegen ohne weiteres ver- abreicht werden.

Da auch bei normaler CD4-Zell- zahl eine PCP auftreten kann, wird empfohlen, allen Säuglingen von HIV- infizierten Müttern prophylaktisch Cotrimoxazol zu geben. Diese Vor- sichtsmaßnahme kann nach sechs Mo- naten gestoppt werden, wenn bis dahin kein HIV nachzuweisen ist. Von einer – früher routinemäßig gegebenen – Immunglobulin-Prophylaxe profitie- ren wahrscheinlich nur Kinder, die trotz antiretroviraler Therapie und PCP-Prophylaxe an rezidivierenden bakteriellen Infektionen leiden.

Erfahrungen mit nichtnukleosi- dischen Substanzen und Proteinase- Inhibitoren fehlen in der antiretrovi- ralen Therapie bei Kindern noch weitgehend. Deshalb wird für Kinder heute offiziell noch eine Therapie mit ddI alleine oder in Kombination mit Zidovudin empfohlen. Doch auch im Kindesalter korreliert der Erkran- A-1990 (26) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 30, 25. Juli 1997

P O L I T I K MEDIZINREPORT

6. Münchner AIDS-Tage

Therapie und Betreuung HIV-infizierter Kinder

Der Fortschritt in der Therapierbarkeit der HIV-Erkrankung war in den letzten 16 Monaten größer als in den 16 Jahren davor. Vor allem neue Erkenntnisse in der HIV-Replikations- dynamik, die Messung der Viruslast und neue antiretrovirale Kombinationstherapien ha- ben dies bewirkt. Eine Patientengruppe, bei der die neuen Erkenntnisse noch unzureichend in die Behandlungskonzepte eingeflossen sind, sind HIV-infizierte Kinder. In der Euphorie von Viruselimination und Aussicht auf Heilung ist auch das Engagement für opportuni- stische Infektionen etwas in den Hintergrund getreten. Und die größte Herausforde- rung, die Entwicklung eines langfristig wirksamen Impfstoffs, bleibt weiterhin bestehen.

Für die Wissenschaftler bleibt die Entwicklung einer HIV-Vakzine nach wie vor eine Herausforderung.

Foto: List & Partner Verlagsgesellschaft, Wien

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kungsverlauf mit der Viruslast, und Kinder weisen oft im ersten Lebens- jahr eine besonders hohe Viruslast auf. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß Mehrfachkombinationen mit Re- verse-Transkriptase-Hemmern und Proteinasehemmern – wie sie bei Er- wachsenen mit durchschlagendem Erfolg eingesetzt werden – auch bei Kindern sehr viel wirksamer sind.

Opportunistische Infektionen

Die antiretrovirale Therapie und opportunistische Infektionen beein- flussen sich gegenseitig, so daß nur ei- ne gemeinsame Betrachtung sinnvoll ist: Durch eine verbesserte antiretro- virale Therapie nimmt die Rate an op- portunistischen Infektionen ab, aber auch das Spektrum verändert sich.

Umgekehrt können opportunistische Infektionen den Erfolg der antiretro- viralen Therapie beeinflussen.

Auch nichtfatale opportunisti- sche Infektionen erhöhen die Morta- lität der Patienten unabhängig von deren immunologischer Kompetenz.

Wahrscheinlich bewirken sie eine Im- munaktivierung, die die HIV-Expres- sion und damit die Viruslast steigert.

Eine hohe Viruslast kann umgekehrt das Risiko für opportunistische Infek- tionen unabhängig von der CD4-Zell- zahl steigern. Eine Analyse von meh- reren ACTG-Studien an insgesamt 721 Patienten zeigte, daß das PCP-Ri- siko um das Zweifache und das Risiko für eine Zytomegalievirus-Infektion (CMV) beziehungsweise eine disse- minierte Mykobakterium-avium-In- fektion (MAI) um das Dreifache steigt, wenn die Viruslast um eine log- Stufe zunimmt. Bei Patienten mit CD4-Zellzahlen unter 75 pro ml war die Viruslast ein stärkerer Prädiktor für opportunistische Infektionen als die CD4-Zellzahl.

Die antiretrovirale Kombinati- onstherapie reduziert die Viruslast, aber auch die AIDS-assoziierte Mor- talität, die Hospitalisierung und die Inzidenz opportunistischer Infektio- nen um 50 bis 70 Prozent. Obwohl sie damit die beste Prophylaxe opportu- nistischer Infektionen darstellt, kann die spezifische Prophylaxe nicht un- bedingt entfallen. Auch ein starker

Anstieg der CD4-Zellzahl schützt nicht immer vor einer opportunisti- schen Infektion. Fallbeispiele von Pa- tienten, die trotz erfolgreicher Drei- fachtherapie an einer CMV-Retinitis erkrankten, belegen dies. Bei anderen Patienten waren trotz Dreifachthera- pie MAI aufgetreten mit ausgepräg- ter Lymphadenopathie und Fieber.

Die Verbesserung des Immunstatus hat in diesen Fällen offenbar dazu ge- führt, daß sich die entzündliche Reak- tion verstärkte, konnte aber die Bak- terien nicht eliminieren. Man muß deshalb die Frage stellen, ob die unter antiretroviraler Therapie neu gebil- deten CD4-Zellen wirklich voll im- munkompetent sind. Dafür sprechen Berichte über Patienten, deren Kryp- tosporidiose oder Mikrosporidiose nach Einleitung der antiretroviralen Therapie spontan ausheilte bezie- hungsweise sich deutlich besserte.

Impfstoff-Suche bisher enttäuschend Das anspruchsvollste Ziel der AIDS-Forschung ist, Impfstoffe zu entwickeln, die eine langanhaltende Immunität induzieren und damit die Ausbreitung des Virus bei HIV-Infi- zierten unterdrücken können. Die Biologie von HIV erschwert die Ent- wicklung eines Impfstoffs erheblich.

Das Virus zeigt eine hohe Sequenzva- riabilität, kann sich durch Integration in das Genom der Wirtszelle dem Zu- griff des Immunsystems entziehen, wird zellgebunden übertragen, weist eine hohe Turnoverrate auf und zer- stört immunkompente CD4-positive Zellen. Außerdem moduliert eine HIV-Infektion nicht nur die zellver- mittelte, sondern auch die humorale Immunantwort des Wirtes, zum Bei- spiel durch Verschiebung des Zyto- kinmusters.

Untersuchungen von langzeit- überlebenden HIV-Infizierten, HIV- infizierten Kindern und Klinikperso- nal, das wiederholt einer HIV-Konta- mination ausgesetzt war, legen nahe, daß vor allem CD8-positive zytolyti- sche T-Zellen die Virusreplikation unter Kontrolle halten und mögli- cherweise auch die Infektion elimi- nieren. Diese T-Zellen scheinen nicht nur HIV-infizierte Zielzellen zu lysie-

ren, sondern die Sekretion löslicher Mediatoren zu induzieren, die die Ausbreitung des Virus hemmen.

Welche Rolle die humorale Im- munantwort für den Krankheitsver- lauf spielt (speziell Hüllprotein-spezi- fische Antikörper), ist noch unklar.

Ein eindeutiges Korrelat einer schüt- zenden Immunantwort konnte tierex- perimentell bisher nicht identifiziert werden. Ein Impfstoff sollte deshalb möglichst breit angreifen, das heißt, sowohl neutralisierende Antikörper als auch eine zellvermittelte Immun- antwort induzieren.

In einem US-amerikanischen Vakzine-Evaluationsprogramm wer- den derzeit in Sicherheits- und Immu- nogenitätsstudien (Phase I und II) 16 Kandidat-Vakzinen an mehr als 1 700 freiwilligen Testpersonen untersucht.

Fast alle basieren auf den Hüllprotei- nen gp 160 oder gp 120 beziehungs- weise Teilen davon. Sie wurden gen- technisch hergestellt oder chemisch synthetisiert. Alternativ verwendete man rekombinante Vaccinia- oder Canary-Pockenviren, die das HIV-1- Hüllprotein exprimieren.

Die meisten getesteten Impfstof- fe lösten eine Antikörperantwort aus und stimulierten die Bildung von T- Helferzellen. Die höchsten Titer an neutralisierenden Antikörpern erziel- te man nach mehreren Immunisierun- gen. Von den gereinigten Antigenen erwies sich die nativ glykolysierte HIV-Untereinheit pg 120 mit Alumi- nium-Adjuvans – in Säugerzellen pro- duziert – als am stärksten immuno- gen. Nur die wenigsten Kandidat- Vakzinen stimulierten eine zytolyti- sche T-Zell-Antwort. Am erfolgreich- sten waren hier die rekombinanten Canary-Pockenviren.

Die weitere Beobachtung der Geimpften zeigte leider, daß diese Immunantworten bisher nicht vor ei- ner HIV-Infektion schützen konnten.

Wahrscheinlich muß ein erfolgrei- cher Impfstoff komplexer aufgebaut sein, darf nicht nur das HIV-Hüllpro- tein beeinhalten und muß auch an das jeweils regional vorherrschende Virusisolat angepaßt sein. Eine zu- sätzliche Modulation der Immun- antwort mit Zytokinen ist ein weite- rer Weg, der derzeit getestet wird, um wirksam gegen die HIV-Infektion zu impfen. Dr. med. Angelika Bischoff A-1991

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 30, 25. Juli 1997 (27)

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