S C H L U S S P U N K T
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in eingehendes Telefonat kann in der Hektik unse- res Berufsalltags gelegentlich ein bisschen stö- rend sein, manchmal sogar sehr. Dies ist so angenehm wie dem Kolonpolypen die sich um seinen Hals legende Diathermieschlinge. Jeder von uns kennt die Situation, wenn ein Anrufer unsere Bemühungen um einen Patien- ten im Status asthmaticus mit der Frage unterbricht, ob sein erhöhtes LDL für eine Erwerbsunfähigkeit ausreichen würde. Und ziemlich grantig wird, da er keinen langatmigen Kom- mentar erhält, weil der andere Mensch immer kurzatmiger wird.Ich für meinen Teil pflege, wenn anrufend, in Erfahrung zu brin-
gen, ob ich denn stören wür- de. Zum anderen gebe ich, wenn kontaktiert, gern Aus- kunft über meinen momenta- nen Aggregatzustand. „Böh- meke beim Multitasking, guten Tag!“, spiegelt dem An- rufer den Normalzustand in der Sprechstunde wider: Die rech- te Hand hält den Ultraschall- kopf, die linke unterzeichnet ein Rezept, der Telefon- hörer ist zwischen Schul- terblatt und Ohrläppchen eingeklemmt, das rechte Auge fixiert den Bild- schirm des Sonogra- fiegeräts, während das linke Krankenhausbe- richte durchliest. „Böh- meke, reichlich des- orientiert!“, lässt darauf schließen, dass ich mich gerade mit der Quartalsabrech- nung auseinandersetze. Hand aufs verwirrte Hirn: Verste- hen Sie noch, wie Ihr Punkt- zahlgrenzvolumen berechnet
wird? Ich nicht. Solange mich die Kassenärztliche Ver- einigung gut behandelt, hinterfrage ich nicht das Myste- rium. „Böhmeke in den letzten Zügen, guten Abend!“, lautet der verbale Empfang am Freitagabend, der mei- nem Gesprächspartner signalisieren soll, dass ich abge- rieben bin wie ein 100-jähriger Hüftkopf.
Derlei dezente Hinweise lassen meine Schutzbefoh- lenen meist unbeeindruckt. Nicht ungewöhnlich ist es, dass ein Anrufer mich lautstark um Auskunft über eine Reiserücktrittversicherung zwingen will, während ich mich um einen armen Menschen mit einer AV-Reentry- Tachykardie und einer Herzfrequenz von 200 pro Minu- te kümmern möchte. Dann kann es schon sein, dass ich die mir selbst auferlegte Höflichkeit ablege und das Ge- spräch abwürge. Wie die Schlinge den besagten Kolon- polypen.
VON SCHRÄG UNTEN
Telefonieren
Dr. med. Thomas Böhmeke
[108] Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3926. September 2008
Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.