DEUTSCHES
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ÄRZTEBLATT
Ein Nachwort und ein Schlußwort zur jüngsten KBV-Vertreterversammlung
Prof. Dr. Horst Bourmer:
Nicht hinnehmen
kann ich vor allem .
• •Über den Ton Ihres Artikels
„Kritik an einer gezielten Verunsi- cherung" habe ich mich sehr gewun- dert. Das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT — eine Zeitschrift für alle deutschen Ärzte — sollte bei einer Kritik an den Offiziellen nicht per- manent, wie bei einer Hofberichter- stattung, mit Empörung reagieren.
Nicht hinnehmen kann ich vor allem, daß mir nun auch noch in die- ser Zeitschrift öffentlich ein ver- bandspolitischer Zickzackkurs zwi- schen Loyalität hinter verschlosse- nen Türen und Konfrontation in der Öffentlichkeit vorgeworfen wird.
Dabei werden entscheidende Tatsa- chen entweder nicht gesehen oder sogar bewußt verdreht. Es stimmt, daß der Hartmannbund und ich für eine Reform des EBM eingetreten sind. Das Grundanliegen von Pro-
fessor Häußler, zuwendungsintensi- ve Leistungen höher zu bewerten, wurde und wird von mir für richtig gehalten, ebenso die Einbeziehung der Prävention in den EBM. Für falsch hielt und halte ich es aber, au- ßerdem auch noch die Honorare für gebietsärztliche Leistungen teilweise drastisch herabzusetzen und damit die Gefahr entstehen zu lassen, daß die moderne Medizin aus der ambu- lanten in die stationäre Versorgung abgedrängt wird. Und gerade das hat zur Verunsicherung zahlreicher Gebietsarztgruppen geführt.
Außerdem hat die Informa- tionspolitik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wesentlich zur Verärgerung in der Basis beigetra- gen. Das meiste, was in den einzel- nen Ländern vorab mitgeteilt wur- de, bewegte sich nur im Oberfläch- lichen. Nachdem dann zu spät für Beratungen der wahre Inhalt des EBM bekannt wurde, mußte dies geradezu zwangsläufig zu Protesten bei den Betroffenen führen. Man fühlt sich überfahren. Und zur Beru- higung trägt auch nicht bei, daß der
neue EBM sogar noch mehr oder weniger offiziell als ein Akt der
„Umverteilung" und „vorgezoge- ner Reform" gefeiert wird.
Der KBV-Vorsitzende hat sich mit seiner Politik dem Verdacht aus- gesetzt, daß er mit dem EBM das er- reichen wollte, was er mit dem ge- scheiterten Hausarztmodell und dem verwässerten Bedarfsplanungs- gesetz nicht erreicht hat — abgesehen davon, daß beide aus ordnungspoli- tischen Gründen ohnehin nicht auf breite Zustimmung in der Ärzte- schaft stoßen konnten. Herr Häuß- ler muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er „seinen" EBM mit ei- nem gehörigen Schuß Ideologie durchgedrückt hat. Er darf sich dann aber auch über Kritik nicht wun- dern.
In einem freien Staate sollte Kritik ein selbstverständliches de- mokratisches Recht sein. Man kann es nicht mit einem Appell an kolle- giale Kameraderie auszuschalten versuchen. Wenn Probleme tot- geschwiegen werden, führen sie, wenn sie plötzlich offenbar werden, desto eher zu eruptiver Auflehnung.
Häußler müßte dies aus jahrzehnte- langer berufspolitischer Erfahrung eigentlich selbst wissen. Unter sei- nem erfahrenen Vorgänger Hans Wolf Muschallik wäre es zu solcher Verunsicherung der Basis wohl nie gekommen.
Um es zusammenzufassen: Bei der Kritik am EBM, die der Hart- mannbund und die ich vorgetragen haben, geht es nicht um persönliches Prestige und in meinem Alter auch nicht mehr um persönliche Karriere im Bereich der Berufspolitik, wie man mir offenbar wohl gerne unter- stellen möchte. Es geht um das Ver- trauen der Basis in die Handlungen der gewählten Selbstverwaltungsor- gane. Wer die Bildung von Arbeits- kreisen niedergelassener Ärzte in al- len Teilen des Bundesgebietes beob- achtet und sieht, welchen Zulauf sie haben, sollte sich mehr Gedanken über die Demokratie in der verfaß- ten Kassenärzteschaft machen.
Lärchenweg 1 5000 Köln 71
„Kritik an einer
gezielten Verunsicherung"
In Heft 30 vom 23. Juli 1987 hat das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT mi- nutiös über den Verlauf und die Beschlüsse der Vertreterver- sammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 11. Juli in Köln berichtet. Am Schluß des mehrseitigen Berichtes war unter der Zwischenüberschrift „Kritik an einer gezielten Verunsiche- rung" unter anderem von einer gegen Sitzungsschluß ausgetrage- nen Kontroverse über die Reform des Einheitlichen Bewertungs- maßstabes (EBM) die Rede. Der bei der Sitzung und entsprechend in der Berichterstattung apostrophierte Delegierte der Vertreter- versammlung Professor Dr. med. Horst Bourmer (KV Nordrhein), Vorsitzender des Hartmannbundes, hat nun diese Berichterstat- tung zum Anlaß eines Eigen-Kommentars genommen, eines
„Nachwortes" gewissermaßen, zu dem der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Professor Dr. Siegfried Häußler, Punkt für Punkt in einem „Schlußwort" Stellung nimmt, bevor die Erprobungsphase des Einheitlichen Bewertungsmaß- stabes am 1. Oktober dieses Jahres beginnt.
A-2226 (22) Dt. Ärztebl. 84, Heft 34/35, 22. August 1987