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Archiv "Ethikberatung: Heiße Luft" (28.06.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 26

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28. Juni 2013 A 1321

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

HO CH SC HULMEDIZIN

Die Hochschulmedi- zin diskutierte über die Gründe für un- nötige Behandlun- gen (DÄ 18/2013:

„Balanceakt Indika- tionsstellung“ von Eva Richter-Kuhlmann).

Messung der Indikationsqualität

Während Politik und Hochschul - medizin das richtige Maß der Ver- sorgung anmahnen und Gründe für unnötige Behandlungen auf dem Frühjahrsforum der VUD diskutiert werden, existieren in Deutschland bereits Selektivverträge mit einigen gesetzlichen Krankenkassen, die die Indikationsqualität zu einem medizinischen Eingriff in den Mit- telpunkt stellen. Dies ist offensicht- lich Politik und Hochschulen er- staunlicherweise unbekannt.

Vor dem Hintergrund der allgemein bekannten Grenzen und Mängel ei- ner leitliniengestützten Indikations- stellung wurde 2007 von der Phle- bologicum Deutschland GmbH in Zusammenarbeit mit Prof. E. Rabe (Universität Bonn, Past Präsident DGP) eine Qualitätssicherung zur operativen und interventionellen Therapie der Stammvarikose (PhlebSecure) entwickelt. Ziel war es zunächst, über das Register Da- ten zur Indikationsqualität zu erfas- sen, um Indikatoren zu entwickeln, die eine Messung der Indikations- qualität möglich machen. In der Zwischenzeit konnte der Score an mehr als 13 000 operativen und in- terventionellen Eingriffen an den Stammvenen validiert werden.

Auf der Basis dieser Qualitätssiche- rung wurde vor zwei Jahren der ers-

O C SC U

D z d n g

„ t Eva Richter-Kuhlman

ETHIKBERA TUNG

Die Ergebnisse der klinischen Ethikbe- ratung in Kranken- häusern und Pflege- heimen sind enttäu- schend (DÄ 17/2013:

„Ethische Kernkom- petenzen in die Medizin zurückholen“

von Meinolfus W. M. Strätling und Beate Sedemund-Adib).

Heiße Luft

Die erste und wichtigste Aufgabe eines wissenschaftlichen Autors ist es, seine Hypothesen sorgfältig zu belegen. Dies gilt insbesondere für Beiträge mit weitreichenden Schlussfolgerungen, wie der oben genannte. Dr. Strätling behauptet, die Ergebnisse der klinischen Ethik- beratung seien „enttäuschend“, kli- nische Ethikkomitees würden „we- der von Ärzten, Pflegenden und Ju- risten noch von Patienten in nen- nenswertem Umfang akzeptiert oder in Anspruch genommen“; sie sollten daher abgeschafft werden.

Herr Strätling „belegt“ seine kriti- sche Aussage mit einer beeindru-

ckend langen Liste von 14 Zitaten.

Überprüft man jedoch diese Verwei- se im Einzelnen, so muss man fest- stellen, dass kaum eine der zitierten Quellen in der Lage ist, die oben genannte pauschale Behauptung sachlich zu stützen. Im Gegenteil benennen acht dieser 14 Artikel zwar einzelne Probleme bei der Etablierung von klinischen Ethikko- mitees, sehen die Situation insge- samt aber neutral oder wohlwollend und wollen zu ihrer Verbesserung beitragen. Eine Arbeit (Nr. 6, Con- nell, McLean) ist in PubMed gar nicht nachweisbar. Fünf dieser Quellen äußern sich im oben ge- nannten Sinne fundamental kritisch, von diesen bringt jedoch überhaupt nur eine eigene empirische Befunde vor (Nr. 11, Whitehead, Sokol et al., eine Befragung von 70 Vorsitzen- den von britischen klinischen Ethik- komitees). Diese Studie ist metho- disch und inhaltlich dünn und im äußerst randständigen „Postgraduate Medical Journal“ erschienen. Die restlichen vier „Belege“ teilen sich auf in zwei ausgesprochen ten- denziöse persönliche Statements ei- nes bekannten britischen Kritikers

ETHIKBERA T

D k r h h s

„ petenzen indie Med te Pay-for-Performance-Vertrag mit der GWQ Service plus AG auf den Weg gebracht. Ein weiter entwi- ckelter P4P-Vertrag mit der BKK vor Ort konnte Anfang dieses Jahres gestartet werden und ist zum Beitritt für weitere Krankenkassen geöffnet.

Derzeit sind diese Verträge die ein- zigen P4P-Verträge in Deutschland, die eine Mengensteuerung über ein Controlling der Indikation zu einem operativen Eingriff sicherstellen . . . Eine transparente Darstellung der Indikation zu einem medizinischen

Eingriff ist der Schlüssel zur Men- gensteuerung medizinischer Leis- tungen und damit ein Garant zur Einsparung von Ressourcen, die heute für unnötige Therapien ver- braucht werden.

Die für die Therapie der Stammva- rikose entwickelte Qualitätssiche- rung kann auf viele andere Indikati- onsfelder angewandt beziehungs- weise angepasst werden.

Dr. med. Andreas Hildebrandt, Phlebologicum Deutschland GmbH, Geschäftsstelle Nord, 12099 Berlin

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A 1322 Deutsches Ärzteblatt

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28. Juni 2013 klinischer Ethikkomitees (David

Sokol, überdies Koautor bei Nr. 11) sowie – das kommt jetzt nicht mehr überraschend – zwei Arbeiten des Autors Meinolfus Strätling selbst, davon eine nahezu identisch mit dem im DÄ publizierten Aufsatz.

Strätling verwendet hier seine per- sönliche, an anderer Stelle schon gleichlautend geäußerte Meinung wie einen sachlich angemessenen Beleg; dies drückt sich auch darin aus, dass er sich bis zum Ende des Textes in fast jedem zweiten Litera- turverweis selbst zitiert.

Was bleibt also? Nichts als heiße Luft. Eine substanzielle Auseinan- dersetzung mit den Vorteilen und Problemen klinischer Ethikkomi- tees, die wir durchaus dringend be- nötigen, sieht anders aus. Wissen- schaftliches Arbeiten in der Ethik übrigens auch – zum Glück.

Prof. Dr. Claudia Wiesemann, Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin, Universitätsmedizin Göttingen, 37073 Göttingen

Ein Weckruf

Der Artikel ist ein Weckruf für eine überfällige Debatte um die Zukunft des Arztberufes.

Im Kern geht es um die Frage, ob es weiter Ärzte geben wird, die den Patienten ganzheitlich und partner- schaftlich begleiten und umsorgen oder ob sie durch Medizintechniker ersetzt werden, die Untersuchungen durchführen und Therapien anset- zen. Dieser Weg ist bereits auf brei- ter Front in der Bewertung von Leistungen und in ihrer Honorie- rung angelegt. Er schlägt sich auch in den auf technische Leistungen fixierten Richtzahlen zur Weiter - bildungsordnung nieder. Die tech - nische Leistung tritt in den Mittel- punkt – das ärztliche Gespräch und die Beratung des Patienten sind un- terbewertet. Leider haben die Ärzte und ihre Organisationen ein gerüt- telt Maß an Verantwortung für diese Entwicklung. Sie nützt einer Poli- tik, die die Rationierung der Medi- zin an die Behandlungsfront ver - lagert.

Wenn Entscheidungen im medizini- schen Grenzbereich auf Ethikbera- ter und klinische Ethikkommissio- nen delegiert werden sollten, wäre

das ein weiterer Schritt zur Entker- nung des Arztberufs.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. med. Mathias Freund, 18055 Rostock

Beraten, nicht entscheiden

Wir haben diesen Artikel mit seiner apodiktischen Überschrift mit Ver- wunderung gelesen, impliziert er doch, dass mit der Einführung von klinischen Ethikkomitees die mora- lischen Vorstellungen der handeln- den Akteure innerhalb eines Be- handlungsprozesses an die klini- schen Ethikkomitees (KEK) abge- geben würden. Die Wirksamkeit von KEK wird aufgrund von ge - ringen Fallzahlen infrage gestellt.

Weiterhin wird die Kompetenz der ethischen Fallberater als nicht ange- messen dargestellt . . .

Aus den Ausführungen geht nicht hervor, was die Autoren unter ethi- scher (Kern-)Kompetenz eigentlich verstehen. Eine „geordnete Repatri- ierung ethischer und kommunikati- ver Kernkompetenzen in den Alltag der klinischen Medizin“ jedenfalls, wie von ihnen gefordert, kann nur als „back to the roots“ – ethische Kompetenz entspricht chefärztli- cher Autorität – verstanden werden.

Dies kann nicht Ziel einer patien- tenorientierten Gesundheitsversor- gung sein.

Die Wirksamkeit von KEK auf die Anzahl durchgeführter ethischer Fallbesprechungen zu reduzieren, halten wir für bedenklich. Die Mit- glieder von klinischen Ethikkomi- tees sollen vielmehr als Multipli - katoren verstanden werden. Die Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen innerhalb des Ethikkomitees sensibilisiert die Einzelnen für ethische Themen, wo- durch sie den ethischen Blickwinkel in ihren Arbeitsbereich tragen.

Das Konsilmodell zur Ethikbera- tung – wie im Artikel propagiert – wird von Dörries u. a. eher kritisch betrachtet, da die Grenzen der eige- nen Profession nie ganz überwun- den werden können (Dörries u. a.

2008). Gerade der Blick aus einer anderen Profession heraus kann dazu beitragen, eine alternative Handlungsoption zu finden. Maio

empfiehlt die Interdisziplinarität der Ethikkomitees und spricht sich auch für die Beteiligung von Bürgern mit gesundem Menschenverstand in ei- nem KEK aus (Heinemann/Maio 2010, S. 83).

Vehement widersprechen wir der Aussage, dass klinische Ethikbera- tung den Anspruch erhebe, „ . . . gar entscheidend tätig“ zu werden. Sie hat ausschließlich beratenden Cha- rakter . . .

Im Blick auf die Kompetenz wür- den wir aus eigener Perspektive her aus behaupten, dass eine zertifi- zierte ethikberaterische Ausbildung – zum Beispiel in Hannover am ZfG – hervorragend für den prakti- schen Einsatz qualifiziert.

Klinische Ethik kann aus unserer Sicht nur im Zusammenhang des

„Gesamtsystems Klinik“ gesehen werden. Ausschließlich quantitati- ve Evaluationsverfahren werden der Komplexität des Themas ge- nauso wenig gerecht wie die ideo- logische Überhöhung ethischer Kernkompetenzen der „Vertreter der Heilberufe“.

Literatur bei den Verfassern

PD Dr. med. Matthias Henschen, 1. Vorsitzender, Bernd Bierer, 2. Vorsitzender,

Gitta Baumgärtner, Geschäftsführerin, Klinisches Ethikkomitee (KEK) am Schwarzwald- Baar-Klinikum Villingen-Schwenningen, 78050 Villingen-Schwenningen

Polemischer Verriss

Zu dem oben genannten Artikel, der in meinen Augen ein polemischer Verriss der Arbeit aller klinischen Ethikkomitees ist, möchte ich ver- schiedene Punkte anmerken:

1. Es war niemals die Intention von Ethikberatung, die „Bewältigung al- ler nur denkbaren Probleme und Konfliktsituationen“ noch ein

„Wunder- oder Allheilmittel“ zu sein.

2. Dass eine Ethikberatung hilfreich sein kann, ist sehr wohl wissen- schaftlich belegt (Schneidermann), dass sie nicht akzeptabel sein soll, erschließt sich mir nicht (Für wen nicht akzeptabel? Warum nicht ak- zeptabel?), und dass sie in der Praxis nicht umsetzbar sein soll, wird durch die praktische Arbeit der me- dizinethischen Berater(inn)en tag- täglich widerlegt. Auch wenn es

B R I E F E

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