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Archiv "Infektion mit Helicobacter pylori: Verhütet die Eradikation das Magenkarzinom?" (29.03.1996)

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as Magenkarzinom steht als Krebstodesursache weltweit an zweiter Stelle, obgleich sei- ne Häufigkeit während der letzten 50 Jahre besonders in den in- dustrialisierten Ländern stetig abge- nommen hat (4). Die Behandlung des Magenkarzinoms ist nach wie vor sehr unzureichend. Seine Verhütung ist daher ein wichtiges Anliegen. In den letzten Jahren ist die Infektion mit Helicobacter pylori als Risikofaktor für die Entstehung des Magenkarzi- noms, speziell des distalen Karzinoms vom intestinalen Typ, intensiv disku- tiert (3, 6, 14) und ihre Bekämpfung als prophylaktische Maßnahme vor- geschlagen worden (3). In einigen Veröffentlichungen wurde H. pylori als definitives Karzinogen bezeichnet (13), dessen Eradikation eine Sen- kung der Magenkrebsrate um den Faktor 2 bis 3 bewirken könnte. Ist es beim derzeitigen Wissensstand ge- rechtfertigt, derartige Aussagen zu verbreiten und damit weitreichende therapeutische Eingriffe zu begrün- den?

Risikofaktor des Magenkarzinoms

Unter den Adenokarzinomen des Magens sind pathologisch-anato- misch zwei Typen zu unterscheiden:

der weitaus häufigere intestinale, be- vorzugt im distalen Magen auftreten- de Typ und der diffuse Typ, der sich in allen Magenbereichen, hauptsächlich jedoch im Bereich der Kardia ent- wickelt. Für das distale Magenkarzi- nom ist gut belegt, daß es sich in der Regel auf dem Boden einer chro- nisch-atrophischen Gastritis ausbil- det, die mit einer intestinalen Meta- plasie und dysplastischen Schleim- hautveränderung einhergeht. Als wei- tere, jedoch relativ seltene Vorer- krankungen des Magenkarzinoms werden die perniziöse Anämie, die

hypertrophische Gastropathie (Mor- bus Ménétrier) und adenomatöse Schleimhautpolypen angesehen (4).

Die Infektion mit H. pylori ist weltweit verbreitet (3, 6, 14). Sie be- fällt nach Ausweis serologisch-epide- miologischer Untersuchungen vor al- lem sozio-ökonomisch schlecht ge- stellte Bevölkerungsschichten. Sie entwickelt sich schnell während der Kindheit und ist in manchen afrikani- schen und asiatischen Ländern bei 80 bis 90 Prozent der Erwachsenen nach- zuweisen. Sie gilt als eine Hauptursa- che der chronischen B-Gastritis und ist als wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Magen- und speziell Duodenalgeschwüren anerkannt. Die Ulkuskrankheit kann sowohl im Ma- gen als auch im Duodenum durch the- rapeutische Ausschaltung von H. py- lori erfolgreich behandelt werden.

Die Annahme einer Assoziation von H.-pylori-Infektion und Magen- karzinom beruht in erster Linie auf folgenden epidemiologischen Beob- achtungen (6):

1 die Magenkrebsrate korre- liert in mehreren Ländern mit dem se- rologisch erwiesenen Befall der Be- völkerung durch H. pylori,

1 bei 40 bis 80 Prozent der Pati- enten mit Magenkarzinom ist histolo- gisch oder serologisch eine Infektion mit H. pylori festzustellen,

1 in prospektiven Studien wur- de bei Magenkarzinompatienten mit vorausgegangener Seropositivität für H. pylori eine Erhöhung des relativen Risikos von 2,8 bis 6 ermittelt,

1 in retrospektiven Fallkon- trollstudien ergab sich für Magenkar- zinompatienten mit serologisch erfaß- ter Infektion durch H. pylori eine Er- höhung des relativen Magenkrebsrisi- kos um 1,2 bis 4,2. Die Assoziation

zwischen der Infektion mit H. pylori und dem Magenkarzinom gilt vor al- lem für das distale Magenkarzinom vom intestinalen Typ. Die aufgeführ- ten epidemiologischen Beobachtun- gen haben eine Expertenkommis- sion der Weltgesundheitsorganisation 1994 zu der Feststellung veranlaßt, daß die Infektion mit H. pylori (nota- bene: nicht der Keim als solcher) beim Menschen krebserzeugend ist (6). Daß diese Aussage nicht unum- stritten ist, geht unter anderem daraus hervor, daß sich das japanische Mit- glied der Expertenkommission von der Schlußbewertung distanziert hat.

Eine deutsche Studie ist neuerdings aufgrund serologischer Untersuchun- gen zu dem Schluß gekommen, daß H.

pylori keine wesentliche Bedeutung für die Entstehung des Magenkarzi- noms in Populationen mit hohem so- zio-ökonomischen Status und niedri- ger Magenkrebsrate hat (10).

Offene Fragen in der Risikobewertung

Epidemiologische, klinische und experimentelle Befunde lassen viele Fragen in der Risikobewertung von Helicobacter pylori offen. Hier sollen nur einige ungeklärte Punkte genannt werden:

1 Magenkrebs entwickelt sich nur in einem kleinen Prozentsatz der mit H. pylori infizierten Patienten (4), 1 in einigen wenig entwickelten Ländern Afrikas und Asiens ist die Durchseuchung mit H. pylori sehr hoch, das Magenkarzinom jedoch sel- ten (6, 7),

1 Patienten mit Duodenalge- schwüren, deren Infektionsrate nahe 100 Prozent liegt, erkranken nur sel- ten an Magenkrebs (2),

1 das Magenkarzinom tritt bei Männern wesentlich häufiger auf als bei Frauen, obwohl die männliche und die weibliche Bevölkerung in

A-826 (48) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 13, 29. März 1996

M E D I Z I N KURZBERICHT

Infektion mit Helicobacter pylori

Verhütet die Eradikation das Magenkarzinom?

Peter Bannasch

1

Helmut Bartsch

1

Wolfgang Oehlert

2

Jürgen Wahrendorf

1

Harald zur Hausen

1

1 Deutsches Krebsforschungszentrum Heidel- berg

2 Institut für Pathologie, Histologie und Zyto- logie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

(2)

gleicher Weise von H. pylori befallen sind (5),

1 an Laboratoriumstieren ist die Erzeugung von Magenkarzino- men durch chronische Infektion mit H. pylori bisher nicht gelungen (6), doch konnte mit einem neu isolierten Stamm von Helicobacter (für den der Name Helicobacter hepaticus spez.

nov. vorgeschlagen wurde) bei Mäu- sen eine chronische Hepatitis aus- gelöst werden, die mit einer hohen In- zidenz an hepatozellulären Neoplas- men assoziiert war (15),

1 der Wirkungsmechanismus des postulierten krebserzeugenden Effektes der Infektion mit H. pylori ist unklar (4, 6).

Es wird angenommen, daß H. py- lori den chronischen Krankheitspro- zeß, der über Atrophie, Metaplasie und Dysplasie zum Magenkarzinom führt, möglicherweise auslöst oder beschleunigt (6). Die chronische In- fektion per se kann aber kaum als aus- reichendes Krebsrisiko gelten. In je- dem Falle müssen für die Entstehung des Magenkarzinoms eine ganze Rei- he von anderen Risikofaktoren, ins- besondere Ernährungsgewohnheiten, berücksichtigt werden.

Andere Risikofaktoren

Neben ätiologisch weniger be- deutsamen genetischen Faktoren, im Falle des diffusen Magenkarzinoms zum Beispiel Blutgruppe A, sind für den intestinalen Typ vor allem Kom- ponenten der Nahrung zu nennen (4, 6). So liegen epidemiologische Hin- weise für ein erhöhtes Magenkrebsri- siko durch Verzehr stark gesalzener, gepökelter und geräucherter Nah- rungsmittel sowie durch Verwendung von Trinkwasser mit hohem Nitratge- halt vor, während eine an frischen Früchten und Gemüse (Vitamin C, E und A) reiche Nahrung mit einem reduzierten Magenkrebsrisiko asso- ziiert ist. In Hochinzidenzgebieten (Japan) wurde festgestellt, daß das Magenkrebsrisiko bereits im jugend- lichen Alter vorgeprägt wird. Bei Mi- gration in ein Land mit niedrigem Ma- genkrebsrisiko nimmt die Häufigkeit des Magenkarzinoms allmählich ab und gleicht sich in den nachfolgenden Generationen ganz den Verhältnissen

im Gastland an. Bei Laboratoriums- tieren wurde gezeigt, daß die gleich- zeitige Verabreichung von Nitrit und nitrosierbaren sekundären Aminen und Amiden im Futter zur Bildung von karzinogenen Nitrosoverbindun- gen im Magen führt, die bei chroni- scher Verabreichung Metaplasien der Magenschleimhaut und Magenkarzi- nome erzeugen können (6). Im menschlichen Magen kommen anae- robe Bakterien vor, die sich bei chro- nischer Gastritis meist verstärkt an- siedeln. Sie können Nitrat oder Nitrit gemeinsam mit bestimmten Nah- rungskomponenten zu potentiell kar- zinogenen Nitrosoverbindungen um- wandeln, deren chemische Struktur in den letzten Jahren zum Teil aufge- klärt wurde (8). Eine wichtige Rolle bei der Entstehung des menschlichen Magenkarzinoms wird auch der Kon- zentration von Ascorbinsäure (Vit- amin C) im Magensaft zugeschrieben, die zell- und genschädigende Stick- stoff- und Sauerstoffradikale ebenso wie Nitrit abfangen kann. Bei Patien- ten mit atrophischer Gastritis und starkem Bakterienbefall kommt es oft zu seiner Senkung des Ascorbinsäure- spiegels im Magensaft, so daß wichti- ge Abwehrfunktionen gegen krebser- zeugende Risikofaktoren vermindert sind (11). Auch H. pylori scheint die Ausscheidung von Ascorbinsäure aus der Magenschleimhaut zu hemmen (6). Die relative Reduktion in der Häufigkeit des Magenkarzinoms, die in wenig entwickelten Ländern aller- dings nur langsam verläuft, wird vor allem auf eine bessere Konservierung der Nahrung durch Einfrieren und auf häufigeren Verzehr von frischen vita- minhaltigen Früchten, besonders Zi- trusfrüchten, zurückgeführt (4). Da- durch sind Verfahren des starken Sal- zens, des Einpökelns und des Räu- cherns weitgehend überflüssig gewor- den. Früchte und Gemüse bleiben frisch, so daß auch Vitamine, insbe- sondere Vitamin C und E, sowie phe- nolische Naturstoffe, die beim Men- schen als hochwirksame Nitrosie- rungshemmer im Magen nachgewie- sen worden sind, erhalten bleiben (1).

Für eine schwache Erhöhung des Ma- genkrebsrisikos durch Rauchen lie- gen Anhaltspunkte vor, doch ist der Nachweis einer klaren Dosis-Wir- kungsbeziehung nicht gelungen (4).

Eradikation der Infektion

Ob und in welchem Ausmaß eine Behandlung der Infektion mit H. pylo- ri einen Einfluß auf die Reduzierung der Magenkarzinomrate hat, ist unbe- kannt. Es liegen auch keine Untersu- chungen darüber vor, in welchem Sta- dium des chronischen Krankheitspro- zesses, der möglicherweise durch H.

pylori ausgelöst wird und über Atro- phie, Metaplasie und Dysplasie zum Karzinom führt, der Vorgang der Kar- zinogenese noch aufzuhalten ist. In den letzten Jahren ist erörtert worden, ob eine Langzeit-Therapie mit Hista- min-Rezeptor-Hemmern und Proto- nenpumpeninhibitoren, wie sie auch bei der Behandlung der Infektion mit H. pylori angewandt wird, selbst einen krebserzeugenden Effekt ausüben könnte (4). Bisher konnte jedoch kein erhöhtes Magenkarzinomrisiko nach Anwendung solcher Behandlungsver- fahren nachgewiesen werden. So sehr sich die bereits erwähnte therapeuti- sche Ausschaltung von H. pylori für die Behandlung der Ulkuskrankheit des Duodenums und des Magens als erfolgreich erwiesen hat, so wenig kann derzeitig eine Eradikation der Infektion mit H. pylori zur Verhütung des Magenkarzinoms als eine Routi- netherapie empfohlen werden. Viel- mehr sind zunächst kontrollierte kli- nisch-epidemiologische Studien erfor- derlich, deren Ergebnisse eine klare Abwägung von Nutzen und Risiko ei- nes solchen Behandlungsverfahrens erlauben. Eine solche Interventions- studie wird derzeit von der WHO in Venezuela durchgeführt (9). Zur Indi- kation und Praxis der Therapie des H.

pylori verweisen wir auf die Ergebnis- se eines Konsensgespräches, das kürz- lich im Deutschen Ärzteblatt veröf- fentlicht wurde (12).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-826–828 [Heft 13]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Peter Bannasch Deutsches Krebsforschungszentrum Abteilung für Zytopathologie (0310) Postfach 10 19 49 · 69009 Heidelberg

A-828

M E D I Z I N KURZBERICHT

(50) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 13, 29. März 1996

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