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Archiv "Magenkrebsprophylaxe durch Heilung der Helicobacter-pylori-Infektion" (29.03.1996)

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enn uns vor 20 Jahren jemand prophezeit hätte, daß wir heute über ei- ne Magenkarzinomgenese und damit logischerweise auch -pro- phylaxe durch eine bakterielle Infek- tion der Magenschleimhaut und de- ren Heilung diskutieren würden, so hätten wir wohl sicher dessen Wis- sens- und Geisteszustand bezweifelt.

Ist überhaupt gesichert, daß die Heli- cobacter-pylori-Infektion nicht nur 80 bis 90 Prozent aller Gastritiden verur- sacht (36, 40) und die Hauptbedin- gung für die mögliche Entstehung von Geschwüren im Duodenum (7, 43) und Magen (21) ist, sondern auch eine präkanzeröse Kondition ist? Diese Frage läßt sich heute eindeutig mit

„ja“ beantworten, nicht nur weil die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Helicobacter pylori im Jahr 1994 in die Gruppe der definitiven Karzino- gene eingeordnet hat (23).

Helicobacter pylori:

„Definitives Karzinogen“

Welche wichtigsten Fakten spre- chen für die Klassifikation des Helico- bacter pylori als „definitives Karzino- gen“?

1 Schon vor der Entdeckung des Helicobacter pylori war klar, daß die B-Gastritis eine präkanzeröse Kondition ist (11, 33). Heute kennen wir die Ursache der B-Gastritis: die Helicobacter-pylori-Infektion.

1 Histologische Untersuchun- gen von Operationspräparaten mit Magenkarzinom ergaben auf den er- sten Blick widersprüchliche Daten.

Analysiert man aber nur die Publika- tionen mit Magenfrühkarzinom, so zeigt sich in diesen Studien eine mit 70 bis 90 Prozent überzufällig häufige Assoziation zwischen Helicobacter- pylori-Gastritis und Magenkarzinom (19, 37). So haben wir zum Beispiel bei 215 Patienten mit Magenfrühkar-

zinom in über 90 Prozent eine Helico- bacter-pylori-Gastritis gefunden.

1 In nahezu allen Teilen der Welt haben epidemiologische Studien einen statistisch signifikanten Zusam- menhang zwischen der Inzidenz der Helicobacter-pylori-Infektion und der Inzidenz der Magenkarzinome erge- ben. In Regionen mit hoher Helico- bacter-pylori-Infektionsrate im Kin- desalter ist das Magenkarzinom sehr viel häufiger als in Regionen mit ge- ringerer Helicobacter-pylori-Infekti- onsrate (17).

1 Ein gleichartiger, stastistisch signifikanter Zusammenhang zwi- schen der Helicobacter-pylori-Infek- tion und dem Magenkarzinom hat sich bei der Berücksichtigung des so- zio-ökonomischen Status ergeben: In niedrigen sozio-ökonomischen Schich- ten ist die Helicobacter-pylori-Infek- tion und damit auch das Magenkarzi- nom häufiger als in höheren Schich- ten (9, 10).

1 Die Helicobacter-pylori-Ga- stritis ist kein Begleitphänomen des Magenkarzinoms, sie geht der Karzi- nomentwicklung voraus, ist also die wichtigste Grundbedingung für die mögliche Entstehung des Karzinoms.

Dies ist in mehreren Untersuchungen der Helicobacter-pylori-Antikörper in Blutseren von Magenkarzinom-Pa- tienten im Vergleich zu Kontrollpati- enten nachgewiesen worden (27, 29).

Diese Blutseren waren schon viele Jahre vor der Entstehung der Magen- karzinome bei Reihenuntersuchun- gen entnommen und aufbewahrt wor- den.

MALT-Lymphom als Folge der

Helicobacterkrankheit

Gleichartige Untersuchungen wurden zur Genese des zweithäufig- sten malignen Magentumors, des MALT-Lymphoms, durchgeführt.

Diese Studien brachten identische Er- gebnisse.

So ist das MALT-Lymphom des Magens in über 90 Prozent mit der Helicobacter-pylori-Gastritis assozi- iert (14, 42), und eine hohe Helicobac- ter-pylori-Durchseuchung einer Po- pulation ist mit einer höheren MALT- Lymphom-Inzidenz dieser Popula- tion korreliert (13). Ferner ist die Helicobacter-pylori-Gastritis kein Be- gleitphänomen des Tumors, sondern geht der Entwicklung des Lymphoms voraus (28).

Während für die Kanzerogenese des Helicobacter pylori zur Zeit nur vorläufige Daten aus Tierexperimen- ten vorliegen (20), hat eine lebens- längliche Helicobacter-Infektion von Mäusen in über 26 Prozent der Fälle zur Entwicklung eines Magen-Lym- phoms geführt (16). Ein weiterer überzeugender Beweis für die patho- genetischen Zusammenhänge zwi- schen der Helicobacter-pylori-Infek- tion und dem MALT-Lymphom ist der überraschende Effekt der Helico- bacter-pylori-Eradikation auf das niedrig maligne MALT-Lymphom. In etwa 70 Prozent dieser malignen Tu- moren kommt es nach erfolgreicher Helicobacter-pylori-Eradikation zur völligen Regression des Tumors (3, 38, 41).

Direkte und indirekte Wirkungen

Für die potentielle Kanzerogene- se des Helicobacter pylori sprechen noch viele andere Fakten:

1 Die Helicobacter-pylori-In- fektion bewirkt eine Senkung der Se- kretion von Vitamin C in das Magen- lumen. Nach Heilung der Helicobac- ter-pylori-Infektion normalisiert sich die Konzentration von Vitamin C im Magensaft (30, 35). Vitamin C hemmt die mögliche Entstehung von kanze- rogenen Nitrosaminen und ist wie

A-824 (46) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 13, 29. März 1996

M E D I Z I N KURZBERICHT

Magenkrebsprophylaxe durch Heilung der

Helicobacter-pylori-Infektion

Manfred Stolte

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Vitamin E, beta-Karotin und andere Substanzen ein „Radikalenfänger“.

1 Die „freien Radikale“ sind reaktive Sauerstoffmetaboliten, de- ren Hauptquelle die in der normalen Magenschleimhaut nicht vorkom- menden neutrophilen Granulozyten sind. Das Charakteristikum der Heli- cobacter-pylori-Infektion ist aber ge- rade die Infiltration der Magen- schleimhaut mit neutrophilen Granu- lozyten. Diese Granulozyten liegen nicht nur wie die Lymphozyten und Plasmazellen in der Tunica propria, sondern durchwandern das Epithel, liegen interepithelial und in den Lich- tungen der Drüsen, insbesondere im Drüsenhalsbereich. Im Drüsenhals sind aber auch die für die Regenerati- on verantwortlichen Stammzellen der Magenschleimhaut lokalisiert. Die aus den Granulozyten stammenden freien Radikale können aber auf die- se Stammzellen mutagen wirken (12).

1 Die vom Helicobacter pylori produzierten Substanzen wie zum Beispiel Ammoniak, Zytotoxin und Phospolipasen bewirken Schäden des Oberflächenepithels der Magen- schleimhaut bis hin zur Nekrose (39).

Daraus resultiert eine verstärkte Re- generation (5, 6). Diese Hyperrege- neration verstärkt die Gefahren der Mutation der Stammzellen der Ma- genschleimhaut.

1 Helicobacter pylori enthält Alkoholdehydrogenase, aber keine Aldehyddehydrogenase. Helicobac- ter pylori kann also aus Äthanol Acetaldehyd produzieren (31). Ace- taldehyd ist schon 1987 als mögliche karzinogene Substanz klassifiziert worden (22).

1 Die Helicobacter-pylori-Ga- stritis führt mit zunehmender Dauer der Gastritis zu intestinalen Metapla- sien und fokalen Atrophien (15). Das Risiko der Entwicklung eines Magen- karzinoms ist aber gerade bei Gastri- tiden mit multifokaler atrophischer Gastritis mit intestinaler Metaplasie erhöht (34, 18).

Logische Konsequenz:

Krebsprophylaxe

Natürlich steht der „harte“ Be- weis einer Krebsprophylaxe durch Prävention oder Heilung der Helico-

A-825

M E D I Z I N KURZBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 13, 29. März 1996 (47) bacter-Infektionskrankheit noch aus,

denn dazu sind große Langzeit-Inter- ventionsstudien erforderlich, deren er- ste Ergebnisse vielleicht in zehn bis 15 Jahren zu erwarten sind. Neben den oben genannten Fakten für einen Kau- salzusammenhang zwischen der Heli- cobacter-pylori-Infektion und dem Magenkarzinom gibt es aber auch noch indirekte Analogiebeweise für die Prophylaxe der Magenkrebse durch Helicobacter-pylori-Eradikati- on. Die Senkung der Helicobacter-py- lori-Durchseuchung in den entwickel- ten Ländern der Welt – inklusive Japan – hat nämlich auch zum Rückgang der

Magenkrebsinzidenz in diesen Teilen der Welt geführt (1, 4, 8).

Parallel dazu hat sich aber in den entwickelten Ländern auch eine posi- tive Revolution im Ernährungsver- halten abgespielt: Stark gesalzene, gepökelte oder geräucherte Speisen werden immer seltener, vitaminrei- ches frisches Obst und Gemüse dafür immer häufiger gegessen. Mit ande- ren Worten: Die Dosis der potentiel- len Kanzerogene ist in unserer Nah- rung minimiert, die Dosis der Anti- kanzerogene mit den Vitaminen C, E und beta-Karotin immer mehr opti- miert worden.

Therapie schon jetzt sinnvoll

Eine Senkung der Magenkrebs- inzidenz wäre natürlich durch eine Prävention der Helicobacter-pylori- Infektion denkbar. Eine prophylakti- sche Impfung steht aber noch nicht zur Verfügung. Schon jetzt realisierbar ist die Helicobacter-Eradikation mit Hei- lung der Gastritis als wahrscheinliche Krebsprophylaxe. Natürlich würde man sich heute schon kürzere, neben- wirkungsärmere und billigere Be- handlungsmethoden wünschen, die si- cher auch im Laufe der nächsten Jahre entwickelt werden. Doch auch die heute schon zur Verfügung stehenden Medikamente zur Heilung der Helico- bacter-pylori-Infektionskrankheit sind sehr effektiv, nebenwirkungsarm und kosten weniger als ein Tag Kran- kenhausaufenthalt (2, 25).

Gegen eine prophylaktische The- rapie wird immer wieder eingewandt, daß dies volkswirtschaftlich nicht trag- bar sei. Wenn man aber berücksichtigt, daß zum Beispiel im Jahr 1991 in den alten Bundesländern über zwölf Mil- lionen Rezepte für Medikamente ge- gen „Gastritis“ ausgestellt worden sind und daß dies fast ausschließlich symptomatisch oder als Plazebo wir- kende Medikamente (zum Beispiel H2-Blocker oder Antazida) waren, läßt sich dieses Argument bezweifeln.

Außerdem führen die Anti-Säure-Me- dikamente nicht zur Heilung, sondern zur Verschlimmerung des Grades und der Aktivität der Gastritis im Korpus und Fundus des Magens mit partieller Atrophie (24).

Eine „Umschichtung“ der Gel- der, die jetzt für kausal unwirksame Medikamente ausgegeben werden, würde also nicht zu höheren Ausga- ben im Gesundheitswesen führen.

Im Gegenteil: Die kausale präventi- ve Anti-Helicobacter-pylori-Thera- pie ist nicht nur medizinisch, son- dern auch volkswirtschaftlich sinn- voll. Dies wird deutlich, wenn man weiß, daß durch die Heilung einer an- sonsten lebenslänglichen, chroni- schen und aktiven, gewebsschädigen- den bakteriellen Entzündung eines der größten menschlichen Hohlorga- ne nicht nur eine Prävention des Ma- genkrebses, sondern auch des pepti- schen Ulkusleidens und sehr wahr- scheinlich auch eines Teils der nicht- ulzerösen Dyspepsie möglich gewor- den ist (26). Diese Therapie führt da- mit also nicht nur zur Heilung und Prävention von Krankheiten, besserer Lebensqualität der Patienten und ei- ner Senkung der Letalität, sondern si- cher auch zur Kostensenkung im Ge- sundheitswesen (32).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-824–825 [Heft 13]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Manfred Stolte Institut für Pathologie Klinikum Bayreuth Preuschwitzer Straße 101 95445 Bayreuth

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