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Archiv "Helicobacter-pylori-Infektion und Magenkrebs – eine unterschätzte Beziehung" (17.06.2005)

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M E D I Z I N

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A1740 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005

V

or circa 20 Jahren wurde die Be- siedlung des Magens mit einem spiralförmigen Bakterium wie- derentdeckt, das heute – nach zweima- liger Namensänderung – unter dem Namen Helicobacter pylori weithin bekannt ist (12). Der Beweis seiner kausalen Rolle für die Entstehung ei- ner chronischen Gastritis, die sich in- nerhalb von Tagen nach Kolonisation des Keims einstellt, gelang unter an- derem mit einem heroischen Selbst- versuch seines Mitentdeckers, des australischen Forschers Barry Mar- shall. Schrittweise wurden dann weitere klinische Folgeerkrankungen identifi- ziert. Zu diesen zählt neben dem pep- tischen Ulkus und dem MALT-Lym- phom insbesondere auch das Magen- karzinom.

Im Jahr 1991 erschienen erstmalig und fast zeitgleich vier epidemiologi- sche Studien, die konsistent einen Zu- sammenhang zwischen dem Vorliegen einer H.-pylori-Infektion und Magen- krebs aufzeigten. Bereits drei Jahre später, 1994, wurde der Keim von der International Agency for Research on Cancer als definitives Karzinogen ein- gestuft (10).

Metaanalysen

Der positive Zusammenhang zwischen der Infektion mit Helicobacter pylori und dem Magenkrebsrisiko wurde in- zwischen in zahlreichen weiteren epi- demiologischen Studien bestätigt. Es sind auch bereits eine ganze Reihe von Metaanalysen erschienen, die die Evi- denz aus diesen Untersuchungen zu- sammenfassen. Innerhalb von drei die- ser Metaanalysen wurde eine nach der Lokalisation des Magenkarzinoms dif- ferenzierte Auswertung durchgeführt (Tabelle 1) (7–9). Die Ergebnisse wa- ren trotz der Unterschiede in Zahl und Auswahl der einbezogenen Studien sehr konsistent: Für die Gesamtheit al- ler Magenkarzinome wurde bei Vorlie- gen eines serologischen Nachweises der H.-pylori-Infektion mittels spezifi- scher Antikörper der Klasse IgG eine etwa zweifache Risikoerhöhung ermit- telt. Für die distalen (Nichtkardia-)- Karzinome, die in der Vergangenheit den mit mehr als 80 Prozent weitaus

größten Teil aller Magenkarzinome aus- machten, wurde eine etwa dreifache Ri- sikoerhöhung geschätzt. Für Kardia- karzinome wurde dagegen keine Risi- koerhöhung gefunden.

Magenkrebs ist trotz der weltweiten Abnahme der Inzidenz in den vergan- genen Jahrzehnten weiterhin die zweit- häufigste Krebstodesursache bei Män- nern und die dritthäufigste Krebsto- desursache bei Frauen (13). Da schät- zungsweise 50 Prozent der Weltbevöl- kerung mit dem Keim infiziert ist, ist eine sehr große Zahl von Krebstodes- fällen statistisch der Infektion mit H.

pylori zuzuschreiben.

Zusammenwirken von Erreger- und Wirtsfaktoren

Die genannten relativen Risiken sind aber nur (gewichtete) Durchschnitts- werte. Für einzelne Gruppen infizierter Personen ergeben sich noch deutlich höhere Risiken. Hier spielen sowohl Ei- genschaften des Keims als auch Wirts- faktoren eine entscheidende Rolle.

Einer der am besten etablierten Vi- rulenzfaktoren des Keims ist das CagA-

Helicobacter-pylori-Infektion und Magenkrebs –

eine unterschätzte Beziehung

Hermann Brenner, Dietrich Rothenbacher

Zusammenfassung

Helicobacter pylori wurde 1984 als Besiedler des Magens wiederentdeckt und erstmals kul- tiviert. Schrittweise identifizierte man darauf- hin die klinischen Folgeerkrankungen. Elf Jahre später stufte die Weltgesundheitsorganisation Helicobacter pylori als definitives Karzinogen ein. Damals und bis in die jüngste Zeit ging man auf der Basis epidemiologischer Daten von einem um den Faktor 2 bis 3 erhöhten Risi- ko für Magenkrebs bei infizierten Personen im Vergleich zu nicht infizierten Personen aus.

Neuere Studien aus Japan, Schweden und Deutschland legen jedoch nahe, dass der Zu- sammenhang sehr viel stärker ist als bisher ver-

mutet. Möglicherweise ist die Infektion so- gar eine notwendige Voraussetzung für das Auftreten distaler (Nichtkardia-)Karzinome des Magens.

Schlüsselwörter: Helicobacter pylori, Magen- karzinom, Krebsrisiko

Summary

Underestimation of the Association of Heli- cobacter pylori Infection and Gastric Cancer In 1984, the gastric bacterium Helicobacter py- lori was rediscovered in the human stomach and cultured for the first time. Since then, a

causal relationship with a variety of gastric dis- eases has been gradually disclosed. In 1994, H.

pylori has been classified as a definite human carcinogen by the World Health Organization.

At that time and until very recently, the risk of stomach cancer was estimated to be about two- to threefold increased among infected compared to uninfected people. Recent studies from Japan, Sweden and Germany suggest, however, that the association may have been strongly underestimated, and that H. pylori in- fection may even be a (close to) necessary con- dition for non-cardia gastric cancer.

Key words: Helicobacter pylori, gastric cancer, cancer risk

Abteilung Epidemiologie, Deutsches Zentrum für Alterns- forschung (Wissenschaftlicher Stiftungsvorstand: Prof. Dr.

med. Hermann Brenner), Universität Heidelberg

(2)

Antigen: Circa 50 bis 60 Prozent der Keime in Europa tragen das Zytoto- xin-assoziierte Gen (cagA), das ein sehr immunogenes, 120 bis 145 kDa schweres Protein (CagA) kodiert und mit einer erhöhten pathogenetischen Aktivität einhergeht (4). Das Vorhan- densein dieses Gens, das über den Nachweis spezifischer Antikörper ge- gen das CagA-Antigen ermittelt wer- den kann, ist zumindest in der europäi- schen Bevölkerung mit einem höhe- ren Risiko für die typischen Folgeer- krankungen verbunden.

Auf der Seite des Wirts sind so- wohl die genetische Prädisposition als auch Lebensstilfaktoren bedeutsam.

So wurde in einer neueren Fallkon- trollstudie aus Deutschland bei infi- zierten, CagA-positiven Personen mit einschlägiger Familienanamnese (Ma- genkrebs bei mindestens einem Ver- wandten ersten Grades) ein im Ver- gleich zu Personen ohne diese Risiko- faktoren um den Faktor 16 erhöhtes Risiko eines Nichtkardiakarzinoms gefunden (Tabelle 2) (3).

Bei der genetischen Prädisposition sind Polymorphismen in verschiede- nen zytokinkodierenden Genen, die

mit einer verstärkten inflammatori- schen Reaktion bei einer Infektion einhergehen, wichtig. So stieg das rela- tive Risiko der Nichtkardiakarzinome des Magens in einer kürzlich publizier- ten Fallkontrollstudie aus den USA (6) mit der Zahl proinflammatorischer Polymorphismen an. Es erreichte ei- nen Wert von fast 30 bei gleichzeiti- gem Vorliegen von mindestens drei der untersuchten vier Polymorphismen (IL-1β, IL-1RN, IL-10, TNF-α) (Tabel- le 3).

Starke Risikoerhöhungen gibt es auch bei der Kombination der H.-pylo- ri-Infektion mit ungünstigen Lebens- stilfaktoren, wie dies in der genann- ten deutschen Fallkontrollstudie auf- gezeigt wurde (1). So fand sich bei seronegativen Rauchern im Vergleich zu seronegativen Nichtrauchern ein circa dreifach erhöhtes Risiko eines Nichtkardiakarzinoms.

Bei Nachweis von spezifischen An- tikörpern gegen CagA war das Risiko circa sechsfach erhöht, wenn die Be- troffenen lebenslang Nichtraucher waren, und mehr als 16fach erhöht, wenn sie jemals regelmäßig geraucht hatten (Tabelle 4).

Assoziation stark unterschätzt

Neueste Ergebnisse epidemiologi- scher Studien legen jedoch nahe, dass die Infektion noch eine weit größere Rolle spielt als bisher angenommen (2, 5). In der Vergangenheit hatte man vermutet, dass die Infektion, die meist in der frühen Kindheit erworben wird, im Erwachsenenalter ohne spezifische Eradikationstherapie nahezu bei allen Betroffenen chronisch persistiert. Un- ter dieser Annahme erschien es ge- rechtfertigt, den in den epidemiologi- schen Studien, insbesondere in den Fallkontrollstudien, zumeist in zeitli- cher Nähe zur Diagnosestellung ge- messenen serologischen Infektions- status für die Bestimmung des relati- ven Risikos heranzuziehen. Die Sensi- tivität und Spezifität serologischer Tests zur Bewertung des Infektions- status sind jedoch nicht perfekt. Da- durch wird die Assoziation mit dem Erkrankungsrisiko in der Regel unter- schätzt.

Aus diesem Grund wird eine allei- nige Durchführung serologischer Heli- cobacter-pylori-Tests zur Diagnostik einer H.-pylori-Infektion auch allge- mein nicht empfohlen (11). Inzwi- schen häufen sich zudem die Anhalts- punkte, dass es bei einem nicht zu ver- nachlässigenden Anteil der H.-pylori- Infizierten auch im Erwachsenenalter zu einer spontanen Elimination der Infektion kommt. Diese scheint gera- de bei Entwicklung einer Atrophie der Magenschleimhaut, die durch H. pylo- ri begünstigt wird und als präkanze- röse Bedingung gilt, nicht selten zu sein (9).

Damit kommt es in Bezug auf die relevante Infektionsexposition zu falschnegativen Befunden, wenn die Bestimmung des Infektionsstatus na- he am Zeitpunkt der Magenkrebsdia- gnose erfolgt. Solche falschnegativen Befunde können leicht zu einer weite- ren Unterschätzung des Zusammen- hangs der Infektion mit dem Magen- krebsrisiko führen.

Mehrere aktuelle Studien legen nahe, dass diese Unterschätzung ganz erheblich sein dürfte (2, 5, 7). So stieg in der Metaanalyse der Helicobacter and Cancer Collaborative Study der M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005 AA1741

´Tabelle 1 ´

Ergebnisse von Metaanalysen epidemiologischer Studien zum relativen Risiko eines Magenkarzinoms unterschiedlicher Lokalisation bei Helicobacter-pylori-Infektion

Relatives Risiko (95-Prozent-Konfidenzintervall)

Metaanalyse alle Magenkarzinome Nichtkardiakarzinome

Huang et al. 1998 (8) 1,9 (1,3–2,8) 3,1 (1,8– 5,3)

Helicobacter pylori and Cancer 2,4 (2,0–2,8) 3,0 (2,3–3,8) Collaborative Group 2001 (7)

Huang et al. 2003 (9) 2,3 (1,7–3,1) 2,7 (1,7–4,2)

´Tabelle 2 ´

Magenkrebsrisiko: multiplikative Effekte der Helicobacter-pylori-Infektion und der familiären Vorbelastung (3)

Relatives Risiko (95-Prozent-Konfidenzintervall) nach Infektionsstatus und Familienanamnese H.-pylori-Serostatus Familienanamnese alle Magenkarzinome Nichtkardiakarzinome

negativ negativ 1,0 (Referenzgruppe) 1,0 (Referenzgruppe)

positiv, CagA-negativ negativ 1,3 (0,6–2,9) 2,5 (1,0–6,3) positiv, CagA-positiv negativ 2,2 (1,0–4,7) 4,1 (1,7–10,3) positiv, CagA-positiv positiv* 8,2 (2,2–30,4) 16,0 (3,9–66,4)

*Magenkrebs bei mindestens einem Verwandten ersten Grades; CagA, Cytotoxin-assoziiertes Antigen

(3)

Schätzwert für das relative Risiko eines Nichtkardiakarzinoms bei vor- liegender H.-pylori-Infektion von 3,0 auf 5,9, wenn nur diejenigen Studien berücksichtigt wurden, bei denen der Infektionsstatus mehr als zehn Jahre vor der Magenkrebsdiagnose gestellt wurde (7). In einer schwedischen Fall- kontrollstudie stieg das relative Risiko gar von 2,2 auf 21,0, wenn Patienten aus der Analyse ausgeschlossen wur- den, bei denen im konventionellen serologischen H.-pylori-Test ein nega- tives Ergebnis gefunden wurde, ob- wohl im Immunoblot Antikörper ge- gen das CagA-Antigen nachweisbar waren (5). Diese Konstellation serolo- gischer Testergebnisse spricht sehr für eine frühere, zwischenzeitlich jedoch eliminierte Infektion und erklärt sich dadurch, dass Antikörper gegen das CagA-Antigen nach Elimination län- ger persistieren als die in der konven- tionellen H.-pylori-Serologie gemes- senen Antikörper der Klasse IgG.

In einer Reanalyse der Fallkontroll- studie aus Deutschland konnte ein starker Anstieg des relativen Risikos für ein Nichtkardiakarzinom bei Anle- gen strengerer Ausschlusskriterien zur Minimierung falschnegativer Tester- gebnisse klar bestätigt werden (2). So stieg das relative Risiko bei Verwen- dung vergleichbarer Ausschlusskrite- rien wie in der Studie von Ekström et al. von 3,7 auf 18,3 für alle Infektionen insgesamt und von 5,7 auf 28,4 für die CagA-positiven Infektionen.

Bei zusätzlichem Ausschluss aller Patienten mit einem im Grenzbereich liegenden Serotiter H.-pylori-spezi- fischer Antikörper fand man unter den Fällen mit Nichtkardiakarzinom gar keine H.-pylori-negative Person mehr. Demgegenüber war ein erhebli- cher Anteil der Kontrollen auch wei- terhin eindeutig H.-pylori-negativ.

Rein rechnerisch stieg damit das rela- tive Risiko auf unendlich. Diese Er- gebnisse implizieren, dass die Infekti- on gar eine notwendige Voraussetzung für Nichtkardiakarzimome des Ma- gens sein könnte.

Diese Vermutung wird auch durch die Ergebnisse einer neueren prospek- tiven Kohortenstudie aus Japan, einem Land mit besonders hoher Magen- krebsinzidenz, gestützt. In dieser Stu-

die entwickelte sich während einer durchschnittlich knapp achtjährigen Nachbeobachtung bei 36 von 1 246 in- fizierten Teilnehmern (2,9 Prozent) ein Magenkarzinom, dagegen bei kei- nem der 280 nichtinfizierten Teilneh- mern (14) (Tabelle 5).

Fazit

Betrachtet man die vorliegenden Er- gebnisse in ihrer Gesamtheit, so ist nicht nur völlig unstrittig, dass die Heli- cobacter-pylori-Infektion eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Nichtkar- diakarzinome des Magens spielt. Es wird auch klar, dass die Bedeutung der Infektion in der Vergangenheit stark unterschätzt wurde und dringend eine Neubewertung erforderlich ist. Mögli- cherweise ist die H.-pylori-Infektion ei- ne nahezu notwendige Voraussetzung für die Entstehung dieser Erkrankung, die weltweit – trotz des Rückgangs der Inzidenz in den letzten Jahren – noch immer zu den häufigsten Krebstodes- ursachen zählt.

Konsequenzen für die Praxis

Die H.-pylori-Infektion ist heute in den meisten Fällen durch eine antibio- tische Kombinationsbehandlung era- dizierbar. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Magenkrebs in Kürze mit ei- ner Eradikation aller Infizierten be- siegt sein könnte. Ganz abgesehen da- von, dass eine solche Strategie nicht einmal in entwickelten Ländern, und schon gar nicht in den Entwicklungs- ländern, wo die Infektion noch sehr viel häufiger ist, finanzierbar wäre, ist die Frage, ob eine Eradikation im Er- wachsenenalter tatsächlich Magen- krebs verhütet, noch keineswegs ent- schieden.

Interessante Ergebnisse hierzu lie- ferte unter anderem eine Anfang 2004 publizierte Arbeit aus China (15): In einer randomisierten Studie an 1 630 Trägern der Infektion konnte während einer 7,5-jährigen Laufzeit keine signi- fikante Senkung der Magenkrebsinzi- denz bei Eradikationsbehandlung im Vergleich zu einer Placebobehandlung erzielt werden. Ergänzende Subgrup- M E D I Z I N

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A1742 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005

´Tabelle 3 ´

Relatives Risiko für Nichtkardiakarzinome des Magens in Abhängigkeit von der Anzahl proinflammatorischer Polymorphismen (6)

Anzahl Polymorphismen* Relatives Risiko (95-Prozent-Konfidenzintervall)

0 1,0 (Referenz)

1 2,8 (1,6–5,1)

2 5,4 (2,7–10,6)

3–4 27,3 (7,4–99,8)

*untersuchte Polymorphismen: IL-1β, IL-1RN, IL-10, TNF-α; IL, Interleukin; TNF, Tumornekrosefaktor

´Tabelle 4 ´

Magenkrebsrisiko: multiplikative Effekte der Helicobacter-pylori-Infektion und des Rauchens (1)

Relatives Risiko (95-Prozent-Konfidenzintervall) nach Infektions- und Raucherstatus

H.-pylori-Serostatus Raucherstatus alle Magenkarzinome Nichtkardiakarzinome negativ Nichtraucher 1,0 (Referenzgruppe) 1,0 (Referenzgruppe)

negativ Raucher* 1,02 (0,3–4,0) 2,9 (0,7–11,4)

positiv, CagA-negativ Nichtraucher 1,2 (0,5–2,7) 2,4 (0,8–6,9) positiv, CagA-positiv Nichtraucher 2,6 (1,2–5,7) 6,1 (2,3–16,5) positiv, CagA-positiv Raucher* 7,2 (2,2–23,6) 16,6 (4,34–64,2)

*derzeitiger oder früherer regelmäßiger Raucher; CagA, Cytotoxin-assoziiertes Antigen

(4)

penanalysen wiesen allerdings darauf hin, dass die Eradikationsbehandlung bei den Personen effektiv ist, bei de- nen noch keine präkanzerösen Bedin- gungen (Dysplasie, Atrophie, intesti- nale Metaplasie) vorliegen. Dem ge- genüber ist die Behandlung nicht mehr wirksam, wenn solche Bedingun- gen bereits nachweisbar sind. Die Da- ten beruhen jedoch noch auf sehr klei- nen Fallzahlen, müssen in weiteren Studien erhärtet werden und lassen noch keine abschließende, sichere Be- urteilung zu.

Eine weitere wichtige, noch zu klärende Frage wäre diejenige der Ko- steneffizienz einer präventiven Eradi- kationsbehandlung. Trotz des sehr deutlichen Zusammenhangs mit dem Auftreten von Nichtkardiakarzinomen erkrankt inzwischen, zumindest in Deutschland, nur noch ein vergleichs- weise kleiner Teil der infizierten Perso- nen irgendwann im Laufe des Lebens an dieser Erkrankung (das geschätzte Lebenszeitrisiko liegt bei circa zwei Prozent).

Selbst für den Fall des Nachweises ei- ner hohen Wirksamkeit wäre, ange- sichts begrenzter Ressourcen, die Ko- steneffizienz der präventiven Eradika- tion im Vergleich zu anderen Präventi- onsmaßnahmen noch zu bewerten. Ein- schlägige Untersuchungen sollten ne- ben dem Magenkrebs allerdings auch andere, deutlich häufigere Folgeerkran- kungen der H.-pylori-Infektion, insbe- sondere die Ulkuskrankheit, mitbe- rücksichtigen. Schließlich wären neben den Kosten auch die potenziellen Ne- benwirkungen einer präventiven Eradi- kation, besonders die Förderung der Resistenzbildung, zu bedenken.

Angesichts der vielen noch offenen Fragen ist eine generelle Empfehlung zur präventiven Eradikation trotz der bislang sehr stark unterschätzten Rol-

le des Keims derzeit sicher noch zu früh. Diese erscheint jedoch bei Hoch- risikogruppen durchaus bereits zum jetzigen Zeitpunkt geboten (11). Hier- zu gehören insbesondere Personen mit familiärer Vorbelastung (3, 11) und Raucher (1).

Für Letztere bliebe dabei allerdings sicherlich nach wie vor die (auch im Bezug auf zahlreiche weitere Erkran- kungen unbedingt anzuratende) Rau- cherentwöhnung die „Prävention der Wahl“. Ein anderer Weg wäre eine präventive oder therapeutische Imp- fung, die jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestenfalls eine Vision für die Zukunft darstellt.

Möglicherweise geht die „Helico- bacter-pylori-Ära“ aber auch ohne ge- zielte Intervention ihrem Ende entge- gen: Weltweit und insbesondere auch in Deutschland nehmen die Neuinfek- tionsraten von Kindern und Jugendli- chen rapide ab (Neuinfektionen im Erwachsenenalter sind ohnehin sel- ten). Dabei dürften verbesserte hygie- nische Bedingungen, möglicherweise aber auch der zunehmende Einsatz von Antibiotika im Kindesalter, eine Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund ist die Erkenntnis, dass die H.-pylori- Infektion für das Auftreten von Ma- genkrebs noch bedeutsamer ist als bis- her angenommen, eine gute Nach- richt: Mit dem Rückgang der Neuin- fektionsraten von H. pylori dürfte auch eine Verminderung der Magen- krebsinzidenz in zukünftigen Genera- tionen weit stärker ausfallen als nach bisherigen Annahmen zu vermuten war.

Manuskript eingereicht: 29. 4. 2004, revidierte Fassung angenommen: 7. 10. 2004

Die Autoren erklären, das kein Intessenkonflikt im Sin- ne der Richtlinien des International Committee of Me- dical Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 1740–1743 [Heft 24]

Literatur

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Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Hermann Brenner Deutsches Zentrum für Alternsforschung Abteilung Epidemiologie

Bergheimer Straße 20 69115 Heidelberg

E-Mail Brenner@dzfa.uni-heidelberg.de M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005 AA1743

´Tabelle 5 ´

Auftreten von Magenkrebs in Abhängigkeit des Helicobacter-pylori-Infektionsstatus:

prospektive Kohortenstudie aus Japan mit circa 8-jährigem Follow-up (14)

Magenkrebs

H.-pylori-Infektion Teilnehmer Fälle Prozent

Nein 280 0 0,0

Ja 1 246 36 2,9

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