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Archiv "Helicobacter-pylori-Infektion bei Kindern: Ausgewählte Ergebnisse der Ulmer Studien zu Prävalenz, Übertragung und Auswirkungen" (13.04.2001)

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M E D I Z I N

A

A986 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 15½½13. April 2001

D

ie Infektion mit Helicobacter pylo- ri kommt in allen Regionen der Welt vor. Nach Schätzungen der WHO ist circa die Hälfte der Weltbevöl- kerung infiziert (22). Nach einer Litera- turübersicht reicht die Prävalenz der In- fektion bei Erwachsenen von 10 bis 50 Prozent in den entwickelten Ländern bis circa 80 bis 90 Prozent in den so genann- ten Entwicklungsländern (16).

Die Infektion mit H. pylori verursacht sowohl bei Kindern als auch bei Erwach- senen fast immer eine chronische Gastri- tis vom Typ B (3, 13). Nahezu bei allen Ulcera duodeni und bei der überwiegen- den Zahl der Ulcera ventriculi kommt dieser Infektion eine kausale Rolle zu (34). Bei Kindern ist zwar das Vorkom- men einer gastralen Metaplasie wie auch von peptischen Ulzera sehr selten (19), bei Erwachsenen erkranken jedoch circa 20 bis 30 Prozent der Personen mit H.- pylori-positiver Gastritis im Laufe ihres Lebens tatsächlich an einem peptischen Ulkus (40). Des Weiteren ist die Infekti- on mit einem erhöhten Risiko für das Magenkarzinom und das gastrische Lymphom assoziiert (22). Ob eine durch

H. pylori verursachte Gastritis ohne son- stige Begleit- oder Folgeerkrankung Be- schwerden macht, wird kontrovers dis- kutiert (12, 29, 30, 42).

Bis vor kurzem gab es kaum bevölke- rungsbezogene Daten zur H.-pylori-In- fektion. Die meisten Daten beruhten auf klinischen Kollektiven, die durch Selek- tionsmechanismen nur eingeschränkt re- präsentativ sind. Eine weitere Einschrän- kung der bisher verfügbaren Daten be- gründet sich darauf, dass die Feststellung des Infektionsstatus hauptsächlich auf dem serologischen Nachweis von spezifi- schen Antikörpern beruhte. Vor allem bei Kindern ist die Genauigkeit von sero- logischen Methoden schlechter einzu- schätzen als bei Erwachsenen: Die Sensi- tivität ist bedeutend niedriger (23). Zu- dem ist die Aktualität der Infektion nicht

eindeutig zu belegen, da die Antikörper nach Eradikation von H. pylori noch län- gere Zeit zirkulieren und nachweisbar sein können. Um Daten in Bezug auf ei- ne aktuelle H.-pylori-Infektion, deren Übertragung und Auswirkungen auf Be- schwerden aus repräsentativen, bevöl- kerungsbezogenen Kollektiven zu erhe- ben, führten die Autoren seit 1996 meh- rere epidemiologische Studien bei Vor- schulkindern beziehungsweise Säuglin- gen und Kleinkindern durch.

Prävalenz bei Vorschulkindern und deren Eltern

Im Jahr 1996 wurden erstmals alle Kin- der der Stadt Ulm, bei denen vom Ge- sundheitsamt eine schulärztliche Un- tersuchung durchgeführt wurde, auf freiwilliger Basis in eine epidemiologi- sche Querschnittsstudie einbezogen.

Da diese Einschulungsuntersuchung in Baden-Württemberg Pflicht ist, wurden alle Kinder einer Altersgruppe in einer geographisch genau definierten Region erfasst.

Helicobacter-pylori- Infektion bei Kindern

Ausgewählte Ergebnisse der Ulmer Studien zu Prävalenz, Übertragung und Auswirkungen

Dietrich Rothenbacher

1, 2

Günter Bode

2

Theodor Gonser

3

Guido Adler

4

Hermann Brenner

1, 2

Zusammenfassung

Seit 1996 wurden im Raum Ulm mehrere epide- miologische Studien bei Kindern und teilweise deren Eltern durchgeführt, um Prävalenz, Übertragung und Auswirkungen der Infektion mit Helicobacter pylori zu untersuchen. Insge- samt zeigte sich bei den Vorschulkindern eine erhebliche Variation in der Prävalenz zwischen deutschen Kindern (6 Prozent), türkischen Kin- dern (44 Prozent) und Kindern anderer Natio- nalität (24 Prozent). Den Daten zufolge findet die Infektion mit H. pylori hauptsächlich im frühen Kindesalter statt. Die Eltern, vor allem die Mütter, spielen offenbar eine Schlüsselrolle bei der Übertragung der Infektion auf das Kind. Die chronische Infektion mit H. pylori scheint bei Kindern keine typischen Magen- Darm-Beschwerden zu verursachen. Haustiere oder der Kontakt zu Nutztieren stellen keine ernst zu nehmenden Infektionsquellen dar.

Mittlerweile gibt es auch Hinweise, dass ne- ben den klinischen Folgeerkrankungen für den jeweiligen Träger der Infektion eventuell auch günstige immunologische Eigenschaften resul- tieren könnten. Die weitere Abklärung mögli- cher positiver Effekte ist unbedingt angezeigt, da sie für die Behandlung der H.-pylori-Infekti- on und entsprechende Präventionsstrategien von Bedeutung sein könnten.

Schlüsselwörter: Helicobacter pylori, Kind, Epi- demiologie, Beobachtungsstudie

Summary

Prevalence, Transmission and Effects of Helicobacter Pylori Infection in Children Several epidemiological studies have been conducted in the area of Ulm, Germany, in order to investigate prevalence, transmission

mechanisms and effects of H. pylori infection.

There was a considerable variation in preva- lence among children of German nationality (6 per cent), Turkish nationality (44 per cent) and other nationalities (24 per cent). Contact to pets or to other animals were no relevant risk factors for infection. Parents, mainly the mothers, seemed to play a key role in trans- mitting the infection which presumably occurred within the first two years of life.

Chronic infection did not seem to cause abdominal symptoms. Meanwhile there are suggestions that H. pylori might have benefici- al immunological effects for its carrier. Further investigation of these potentially positive effects is necessary as they might have impor- tant consequences on H. pylori treatment and prevention strategies.

Key words: Helicobacter pylori, child, epide- miology, observational study

1Abteilung Epidemiologie, Deutsches Zentrum für Al- ternsforschung (Leiter: Prof. Dr. med. Hermann Brenner) an der Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg

2Abteilung Epidemiologie (Kommissarischer Leiter: Prof.

Dr. phil. Wilhelm Gaus) der Universität Ulm

3Gesundheitsamt Ulm (Leiter: Dr. med. Theodor Gonser)

4Abteilung Innere Medizin I (Leiter: Prof. Dr. med. Guido Adler) der Universität Ulm

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Die Feststellung des H.-pylori- Infektionsstatus erfolgte mittels 13C- Harnstoff-Atemtest (26). Dieser Test ist ohne Risiko und Nebenwirkungen durchführbar und zeigt auch bei Kin- dern dieser Altersgruppe sicher eine aktuelle Infektion an (24). Zur Durch- führung des Atemtests erhielten die Kinder 60 mg markierten 13C-Harn- stoff (Mass Trace, Woburn, USA) in 0,2 l Apfelsaft (pH 2,2 bis 2,4) oral verab- reicht. Vor und 30 Minuten nach Gabe des 13C-Harnstoffs wurde eine Atem- probe in einem Messbeutel gesammelt.

Die Auswertung erfolgte durch ein iso- topenselektives nicht disperses Infra- rot-Spektrometer (NDIRS; Wagner- Analysen-Technik Vertriebs GmbH, Bremen).

Zudem füllten die Eltern einen standardisierten Fragebogen aus. An der Studie nahmen 945 der 1 201 Ul- mer Vorschulkinder teil (Teilnahme- quote 79 Prozent) (37). Die Tabellezeigt einige soziodemographische Merkma- le der Studienpopulation. Bei 125 von 945 Kindern (13,4 Prozent) war mit- tels 13C-Harnstoff-Atemtest eine In- fektion mit H. pylori nachweisbar. Es fand sich jedoch eine erhebliche Va- riation der Prävalenz zwischen deut- schen Kindern (42 von 685 Kindern, 6,1 Prozent), türkischen Kindern (47 von 105 Kindern, 44,8 Prozent) und Kindern anderer Nationalität (38 von 153 Kindern, 24,8 Prozent). Auch bei

deutschen Kindern von Spätaussiedlern aus osteu- ropäischen Ländern war bei 40 Prozent (10 von 25 Kindern) eine H.-pylori- Infektion nachweisbar. In Bezug auf das Geschlecht zeigten sich keine eindeu- tigen Unterschiede. Auf- bauend auf der Studie von 1996 wurde 1997 eine Nachfolgestudie initiiert (38). In dieser Studie hatte auch der begleitende El- ternteil die Möglichkeit, den 13C-Harnstoff-Atem- test durchzuführen. 1997 nahmen 1 221 von 1 522 Vorschulkindern der Stadt Ulm und zwei weiteren Gemeinden (Ehingen und Erbach) an der Studie teil (Teilnahmequote 80,2 Prozent). Die Gesamtprävalenz der H.-pylori-Infek- tion betrug bei den Kindern 11,3 Pro- zent (129 von 1 143 Kindern) und bei den Eltern 36,4 Prozent (391 von 1 074 Eltern). Es fanden sich wie in

der Vorgängerstudie 1996 er- hebliche Unterschiede in der Infektionsprävalenz der Kin- der bezüglich der Nationa- lität. Eine entsprechende Va- riation zeigte sich, bei insge- samt sehr viel höheren Präva- lenzen, auch bei den Eltern (Grafik 1).

Übertragung

In unseren Studien ergaben sich bisher keine Hinweise, dass die Übertragung zwi- schen Geschwistern, bezie- hungsweise von einem Kind auf das andere, eine maßgeb- liche Rolle spielt. Die großen Unterschiede der Infektions-

prävalenz in Abhängigkeit von der Na- tionalität beziehungsweise dem Ge- burtsland waren trotz jahrelangem Kontakt von Kindern unterschiedli- cher Nationalität im Kindergarten und eventuell Kinderhort sehr deutlich. In einer Studie, die in einer ländlichen Gegend in Bolivien durchgeführt wur- de, wird einer Übertragung unter Ge-

schwistern eine große Rolle zuge- schrieben (17), obwohl auch 63 Pro- zent der Einzelkinder infiziert waren (im Vergleich zu 69 Prozent der Kinder mit Geschwistern); allerdings konnte die Rolle des elterlichen Infektionssta- tus nicht berücksichtigt werden.

Auch der Kontakt zu Haus- oder Nutztieren stellte in unserer Studien- population keine relevante Infekti- onsquelle dar (6). Dagegen zeigte sich eine sehr starke Assoziation zwischen einer bestehenden H.-pylori-Infektion und Indikatoren eines niedrigen so- zioökonomischen Status der Familie und einer engen Wohndichte. Voraus- gegangene Antibiotikabehandlungen wegen anderer Infektionskrankheiten waren mit einer erniedrigten H.-pylo- ri-Prävalenz assoziiert (36). Dies könnte auch die rückläufige Prävalenz und die hohen Seroreversionsraten, die eine häufige Elimination der In- fektion im Kindesalter nahelegen, in manchen Studien erklären (20, 27, 33).

Der Übertragung innerhalb der Fa- milie scheint in unseren Breitengraden

eine große Bedeutung zuzukommen.

Die Eltern, insbesondere die Mütter, spielen offensichtlich eine Schlüssel- rolle bei der Übertragung der H.-pylo- ri-Infektion (38). Besonders interes- sant im Hinblick auf mögliche Über- tragungswege war der Zusammenhang des kindlichen Infektionsstatus mit ei- ner Ulkusanamnese der Mutter, nicht M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 15½½13. April 2001 AA987

´ Tabelle 1C´

Soziodemographische Merkmale der teilnehmenden Vorschulkinder der Stadt Ulm im Jahr 1996

Merkmal Anzahl Prozent

Geschlecht

männlich 475 50,3

weiblich 470 49,7

Alter (Jahre)

fünf 224 23,7

sechs 649 68,7

sieben 68 7,2

acht 4 0,4

Nationalität der Kinder

Deutsch 685 72,5

Türkisch 105 11,1

Andere 153 16,2

unbekannt 2 0,2

Gesamtzahl: 945 Kinder

Grafik 1

H.-pylori-Infektionsprävalenz bei Kindern der Vorschulkin- derstudie 1996 und bei Kindern und deren begleitendem El- ternteil in der Vorschulkinder- und Elternstudie 1997 in Ab- hängigkeit von der Nationalität.

(3)

aber beim Vater, was in unserer ersten Studie von 1996 als erster indirekter Hinweis auf eine Schlüsselrolle der in- fizierten Mutter bei der Übertragung des Bakteriums auf das Kind schließen ließ (8). So hatten Kinder, deren Müt- ter ein peptisches Ulkus in der Anam- nese zeigten (diese Mütter sind oder waren nach heutigem Kenntnisstand zu fast 100 Prozent mit H. pylori infi- ziert), ein mehr als zehnfach erhöhtes Risiko, selbst eine H.-pylori-Infektion aufzuweisen verglichen mit anderen Kindern.

In der Tat fand sich in der Eltern- und Vorschulkinderstudie 1997, in der der Infektionsstatus des begleitenden Elternteils ebenfalls mit erhoben wur- de, ein sehr starker Zusammenhang der kindlichen Infektion mit dem Infektionsstatus der Eltern, vor allem mit dem der Mutter (38). So waren 24,6 Prozent (81 von 319) der Kinder infizierter Mütter H.-pylori-positiv, aber nur 1,9 Prozent (12 von 618) der Kinder nichtinfizierter Mütter. Die beschriebene Variation der H.-pylori- Prävalenz bei den Kindern in Abhän- gigkeit von der Nationalität könnte in erster Linie aus der unterschiedlichen Durchseuchung bei den Müttern re- sultieren, die von 24,6 Prozent (189 von 760) bei den deutschen Müttern bis zu 86,5 Prozent (64 von 74) bei den türkischen Müttern reichte.

Für die Infektion mit H. pylori spie- len vermutlich der oro-orale sowie der fäkal-orale Übertragungsweg eine Rolle (2, 18). Erbrechen und gastro- ösophagealer Reflux könnten eben- falls zur oro-oralen Transmission des Keimes führen. Die Übertragung über Trinkwasser, wie in einer Studie aus Peru postuliert (25), dürfte in unseren Breitengraden aber keine Rolle spie- len. Durch die zentrale Trinkwasser- versorgung der Stadt Ulm wären alle Personen in gleicher Weise exponiert.

Dies könnte die gefundenen Präva- lenzmuster nicht erklären. Das trifft auch in begrenztem Umfang auf die in anderen Ländern vermutete Übertra- gung durch mit Fäkalien kontaminier- tem Gemüse zu (18, 21).

Anhaltspunkte für einen oro-oralen Übertragungsweg liefert die hohe In- fektionshäufigkeit westafrikanischer Kinder aus Burkina Faso, die mögli-

cherweise über vorgekaute Nahrung ihrer Mütter infiziert werden (1). Die bei chinesischen Emigranten beob- achtete hohe H.-pylori-Prävalenz wird in entsprechender Weise auf die ge- meinsame Benutzung von Essbesteck (Stäbchen) zurückgeführt, wobei der Speichel als Übertragungsmedium vermutet wird (10). Mittlerweile lässt sich H. pylori mittels Polymeraseket-

tenreaktion (PCR) auch im Speichel und im Zahnbelag nachweisen (41).

Die von Brenner und Kollegen (9) erstmals gemachte Beobachtung, dass bei Kindern von rauchenden Müttern die Infektionsprävalenz niedriger war als bei Kindern von nichtrauchenden Müttern, könnte darauf hindeuten, dass der oro-orale Übertragungsweg von der Mutter auf das Kind mögli- cherweise durch das Zigarettenrau- chen beeinträchtigt wird. Diese Be- obachtung ist mittlerweile in einer Nachfolgestudie bestätigt worden (7).

Durch das Rauchen könnte es zu einer veränderten Bakterienflora in der Mundhöhle kommen, welche die Le- bensbedingungen von H. pylori in der Mundhöhle beziehungsweise im Spei- chel nachteilig beeinflusst und damit die Wahrscheinlichkeit der oro-oralen Übertragung von der Mutter auf das Kind reduziert.

Alter bei

Keimakquisition

Die Erstinfektion mit Helicobacter pylori scheint hauptsächlich in der frühen Kindheit zu erfolgen und dann bei einem Großteil der Infizierten ein Leben lang zu persistieren (14, 16). Im Erwachsenenalter scheinen Neuinfek- tionen selten zu sein. In der Literatur wird von Serokonversionsraten von 0,3 bis 0,5 Prozent pro Personenjahr berichtet (16).

Im Zeitraum 1997/98 führten wir in Zusammenarbeit mit niedergelasse- nen Kinderärzten im Raum Ulm/Neu- Ulm eine Untersuchung durch, um das Alter bei Keimakquisition näher ein- grenzen zu können. Alle türkischen Kinder, bei denen eine allgemeine Vorsorgeuntersuchung U6, U7 oder U8 durchgeführt wurde, wurden in die Studie eingeschlossen (Teilnahme- quote 87,5 Prozent).

Der Helicobacter-pylori-Infektions- status wurde mittels eines neuartigen Antigennachweises im Stuhl (Premier Platinum HpSA Enzym Immuno- assay, Meridian Diagnostics, Cincin- nati, OH, USA) festgestellt. Für diese neuartige diagnostische Nachweisme- thode wurden mittlerweile sehr gute Gütekriterien bei Kindern aufgezeigt (32). Im Vergleich zu endoskopiege- stützten Verfahren (Histologie und Urease-Schnell-Test) betrug die Sen- sitivität 95 Prozent und die Spezifität 98 Prozent. Im gesamten Kollektiv konnte bei 26,1 Prozent (47 von 180 Säuglingen beziehungsweise Klein- kindern) eine Infektion nachgewiesen werden.

Die Infektionsprävalenz variierte zwischen 8,9 Prozent in der Gruppe der circa Einjährigen (U6) bis zu 36,4 Prozent in der Gruppe der etwa Zwei- jährigen (U7) und 31,9 Prozent in der Gruppe der circa Vierjährigen (U8) (Grafik 2). Die Ergebnisse legen nahe, dass die Infektion hauptsächlich in den ersten zwei Lebensjahren erwor- ben wird (39). Zur näheren Bestim- mung des Alters bei Keimakquisition und der Dynamik der Infektion im Kindesalter sind allerdings Längs- schnittuntersuchungen erforderlich.

Solche Studien wurden inzwischen von uns initiiert.

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A988 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 15½½13. April 2001

Grafik 2

Häufigkeit einer H.-pylori-Infektion bei türki- schen Kindern, bei denen eine Vorsorgeuntersu- chung nach U6, U7 oder U8 durchgeführt wurde, mittels Premier Platinum HpSA Enzyme Immuno- assay für den Nachweis von Helicobacter pylori im Stuhl (HpSA).

(4)

Auswirkungen auf Beschwerden

Es fand sich in unseren Studien kein Hinweis darauf, dass die Infektion mit H. pylori typische Magen-Darm-Be- schwerden bei den Kindern verursacht.

Kinder mit einer nachgewiesenen H.-py- lori-Infektion hatten nicht häufiger Be- schwerden innerhalb der letzten drei Monate als nichtinfizierte Kinder. Dies traf sowohl auf die Einzelsymptome Oberbauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall als auch auf den aus allen drei Symptomen als integratives Maß gebil- deten Wert zu (5).

Bemerkenswerterweise hatten mit H.

pylori infizierte Kinder aufgrund der anamnestischen Angaben der Eltern so- gar weniger oft Durchfall als nichtinfi- zierte Kinder. Die wenigen anderen bis- her vorliegenden Studien bei Kindern konnten ebenfalls keinen Zusammen- hang zwischen H.-pylori-Infektion und Beschwerden beziehungsweise H.-pylo- ri-Eradikationstherapie und Besserung von abdominalen Beschwerden zeigen (11, 15, 28). Auch findet sich einer Über- sichtsarbeit zufolge bisher wenig Evi- denz für einen Zusammenhang mit chro- nisch rezidivierenden Bauchschmerzen (so genannten Nabelkoliken) (30).

Ausblick und weiterer Forschungsbedarf

Die vorliegenden Studien haben wesent- liche Aspekte der Epidemiologie der H.- pylori-Infektion und der Auswirkungen auf Beschwerden klären können. Insge- samt scheint die Infektionsprävalenz bei einem Großteil der Kinder deutscher Nationalität sehr niedrig zu sein. In die- ser speziellen Gruppe dürften die assozi- ierten Folgeerkrankungen im Erwachse- nenalter entsprechend seltener auftre- ten. Anders sieht es bei deutschen Kin- dern von Spätaussiedlern und bei aus- ländischen Kindern aus. Diese zeigen zwar eine wesentlich geringere Durch- seuchung als es bei den Eltern der Fall ist, was eventuell bereits auf verbesserte sozioökonomische und hygienische Le- bensbedingungen hinweisen könnte, sie sind aber doch in einem Maße betrof- fen, dass die Erarbeitung von präventi- ven Strategien zur Vermeidung der In-

fektion und der damit zusammenhän- genden Folgeerkrankungen in diesen Gruppen Erfolg versprechend scheint.

Allerdings sind nicht alle H.-pylori-In- fektionen gleich, da manche Stämme un- terschiedliche Virulenzfaktoren aufwei- sen. Eine Einbeziehung der bekannten Virulenzmarker (zum Beispiel CagA) wäre deshalb hilfreich, um auf diese Wei- se die Wertigkeit einer Infektion entspre- chend differenziert beurteilen zu kön- nen. Mittlerweile gibt es aber auch Hin- weise, dass neben den bekannten klini- schen Folgeerkrankungen der Infektion eventuell auch günstige Eigenschaften für den jeweiligen Träger resultieren könnten. Beispielsweise weisen Träger einer H.-pylori-Infektion nach oraler Cholera-Impfung eine signifikant höhere Dichte an IgA-sezernierenden Zellen in der Antrummukosa und auch höhere sy- stemische IgA-Spiegel auf als nichtinfi- zierte Personen (31). Ferner wurde be- richtet, dass H. pylori in vitro antibakteri- ell wirksame Peptide sezerniert, gegen die H. pylori selbst resistent ist (35).

Durch diese Mechanismen könnten mit H. pylori infizierte Personen über eine bessere Schleimhautausstattung und über einen wirkungsvolleren Schutz ge- gen andere exogene Keime verfügen als nichtinfizierte Personen. Dies könnte auch den in unseren Studien gefundenen inversen Zusammenhang mit Durchfall- erkrankungen erklären. Auch über einen Zusammenhang der weltweit zu beob- achtenden Zunahme des Adenokarzi- noms des Ösophagus und der fallenden H.-pylori-Prävalenz wird spekuliert (4).

Hierzu sind dringend weitere Analysen notwendig. 17 Jahre nach Wiederent- deckung und erstmaliger Kultur des Kei- mes durch Warren und Marshall (43) ist zwar ein erhebliches Wissen in Bezug auf die H.-pylori-Infektion vorhanden, ganz entscheidende Fragen sind aber noch of- fen und bedürfen der Klärung. Hierzu gehören beispielsweise Möglichkeiten einer Prävention von H.-pylori-assoziier- ten Folgeerkrankungen wie beispielswei- se des Magenkarzinoms. Momentan sind noch keine Maßnahmen zur Infektions- prävention definiert, und die Einführung einer Impfung gegen H. pylori ist eben- falls nicht abzusehen. Andererseits er- scheint auch die weitere Abklärung mög- licher positiver Eigenschaften einer H.- pylori-Besiedlung unbedingt angezeigt,

da sie für die Behandlung der H.-pylori- Infektion und entsprechende Präventi- onsstrategien von Bedeutung sein könn- ten.

Danksagung – Wir danken allen Mitwirkenden des Ge- sundheitsamts Ulm und den beteiligten Kinderärzten der Region. Unser besonderer Dank gilt aber den Kindern und deren Eltern, die durch ihre Beteiligung an diesen Studien einen ganz wesentlichen Beitrag zum besseren Verständ- nis der Epidemiologie und der Auswirkungen der H.-pylori- Infektion geleistet haben.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 986–989 [Heft 15]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Dietrich Rothenbacher, MPH Abteilung Epidemiologie

Deutsches Zentrum für Alternsforschung an der Ruprecht-Karls-Universität Bergheimer Straße 20, 69115 Heidelberg E-Mail: rothenbacher@dzfa.uni-heidelberg.de M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 15½½13. April 2001 AA989

Meist gelingt es mit einfachen „Bord- mitteln“, einen passageren Schluckauf zu durchbrechen. Gelegentlich jedoch erweist sich ein Schluckauf, hervorge- rufen durch eine spastische Kontrakti- on des Zwerchfells, als therapierefrak- tär, wenn gängige Medikamente wie do- paminerge Blocker oder Antagonisten nicht mehr greifen.

Die Autoren berichten über drei Pa- tienten, bei denen ein bereits mehrere Tage währender Schluckauf mit Nefo- pam (AJAN) durchbrochen werden konnte. Nach intravenöser Gabe von 10 mg verschwand der Schluckauf inner- halb von einer Minute. Zur Rezidivpro- phylaxe erhielten die Patienten weitere 10 mg Nefopam intravenös viermal täg- lich für zwei Tage plus dreimal 200 mg

Carbamazepin. w

Bilotta F, Rosa G: Nefopam for Severe Hiccups. N Engl J Med 2000; 334: 1973–1974.

Dr. F. Bilotta, University of Rome La Sapienza, 00196 Rome, Italien.

Nefopam bei schwerem Schluckauf

Referiert

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