• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Gesundheitsstrukturgesetz 1993 / Konzertierte Aktion: Breitseiten für Seehofer-Konzept" (03.07.1992)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Gesundheitsstrukturgesetz 1993 / Konzertierte Aktion: Breitseiten für Seehofer-Konzept" (03.07.1992)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

tie II I UM I-111112 11

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

B

undesgesundheitsminister Horst Seehofer gab sich bei der Sondersitzung des Ple- nums der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen (am 16. Juni) kämpferisch, zuweilen „staatsmän- nisch-gelassen": Vor der Plenarver- sammlung der Mitglieder der Kon- zertierten Aktion repetierte und ver- teidigte er in zuweilen schönfärbefi- scher Manier das unter seiner Ägide von der Bonner Koalitions-Arbeits- gruppe ausgearbeitete Eckwerte-Pa- pier „zur Sicherung und zur Struk- turverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung", das unter dem zwar anspruchsvoll klingenden Titel, aber der semantisch fehlgegrif- fenen Bezeichnung „Gesundheits- strukturgesetz 1993" lediglich als ein verschärftes Kostendämpfungsgesetz („Vorschaltgesetz") zur kurzfristigen Stabilisierung der Kassenfinanzen in Kraft gesetzt werden soll.

Dirigistisches Sparpaket

In

Die von Seehofer beschworenen Eckwerte der Koalitionsarbeitsgrup- pe wurden von den meisten Verbän- den als ein dirigistisches Sparpaket zu Lasten aller Beteiligten, vor allem auch der Kranken und Versicherten, apostrophiert. Es ist denn auch das erklärte Ziel von Horst Seehofer, mit allen möglichen zusammengewürfel- ten Maßnahmen im Jahr 1993 min- destens 11 Milliarden DM einzuspa- ren und die Weichen zu stellen, mit diesem „Bremsmanöver" und nur mit rudimentär erkennbaren struktu- rellen Änderungen „zur dauerhaften Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Kranken- versicherung" beitragen zu wollen.

Seehofer gab vor der Bonner Runde denn auch zu, daß das ganze Kon- zept weder ordnungspolitischen Tiefgang noch langfristige Tragfähig- keit habe. Deshalb soll erst noch ei- ne langfristige Konzeption entwik- kelt werden, die auf einem „wissen- schaftlichen Fundament" (Horst Seehofer) aufbaut. Es müsse mit wis- senschaftlichem Sachverstand und mit Schützenhilfe des Sachverständi- genrates erst noch in einem aufwen- digen Gutachten untersucht werden,

„welche Aufgaben vor dem Hinter- grund der demographischen Ent- wicklung und des medizinischen Fortschritts langfristig von der Soli- dargemeinschaft übernommen wer- den können und welche Leistungen wir der Verantwortung des einzelnen übertragen sollten...".

Für die Bonner Koalition sind die Richtpflöcke eingerammt .

Schwerpunkt des Bremsmanövers soll die strikte Anbindung der Aus- gaben der Krankenkassen in den ein- zelnen Leistungsbereichen an das beitragspflichtige Entgelt („Grund- lohnentwicklung") sein. Alle Berei- che — Ärzte, Zahnärzte, Kranken- häuser und sogar die Verwaltungs- kosten der Krankenkassen — sollen sich strikt an der Grundlohnent- wicklung orientieren.

Seehofer will das Ganze nicht als einen „Rückfall in sozialistische Planung" interpretiert wissen. Den Widersachern von der Leistungser- bringerseite redete Seehofer ins Ge- wissen: „Diejenigen, die dies be- haupten, verkennen, daß es zu den Grundlagen einer erfolgreichen Marktwirtschaft gehört, nur diejeni- gen Gelder auszugeben, die in einem bestimmten Zeitraum zur Verfügung stehen. Diese Grundregel kann im Gesundheitswesen nicht weiterhin vernachlässigt werden. Der Automa- tismus, überschießende Ausgaben durch Beitragssatzerhöhungen aus- zugleichen, ist ein wirklich untaugli- ches Konzept. Es sichert nicht, son- dern es ruiniert die Leistungsfähig- keit und den hohen Standard unse- res Gesundheitswesens. Dieser Au- tomatismus muß abgeschafft wer- den..."

Kämpfernatur Seehofer ließ auch in der Bonner Runde deutlich erkennen, was mit dem Hecken- schnittmodell zur Kostendisziplinie- rung eigentlich bezweckt ist. Stur wird auf den Termin der Bundes- tagswahlen im Oktober 1994 ge- schielt und postuliert (Seehofer):

„Steigende Beitragssätze in der ge- setzlichen Krankenversicherung sind für unsere Wirtschaft pures Gift. Sie überfordern Arbeitnehmer und Ar- beitgeber, belasten besonders die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen. Steigende Beitragssät- ze führen automatisch zu einer Re- duzierung der jährlichen Rentenan- passung."

Das ist Klartext! Statt nur an- deutungsweise die demographische Komponente als wesentlichen Ko- stenauftriebsfaktor zu quantifizieren und dabei auch das medizinische Versorgungsniveau („medizinische Orientierungsdaten") gleichgewich- tig neben ökonomischen Notwendig- keiten zu benennen, geht es der Bun- desregierung offenbar vorwiegend darum, die Wirtschaft und die Ar- beitgeber zu schonen, die Nettolohn- steigerungen über die Inflationsrate zu ziehen, um die nettolohnori- entierten Rentenerhöhungen zumin- dest auf eine optisch günstige Marge zu bringen.

Die Spitzenverbände der Lei- stungserbringer im Gesundheitswe- sen — darunter u. a. die Bundesärzte- kammer, die Kassenärztliche Bun- desvereinigung, der Hartmannbund,

Gesundheitsstrukturgesetz 1993 / Konzertierte Aktion

Breitseiten

für Seehofer-Konzept

Ärzteschaft protestiert gegen

Eingriffe in die Selbstverwaltungsautonomie

I Protest der Verbände

Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992 (17) A1-2365

(2)

der NAV-Virchow-Bund, der Mar- burger Bund, der B~ A Berufsyer- band der Praktischen Arzte und Arz- te für Allgemeinmedizin, die Ge- meinschaft der Fachärztlichen Be- rufsverbände, der Chefarztverband, die Deutsche Krankenhausgesell- schaft, die Bundesapothekerkam- mer, die Zahnärzteverbände und -körperschaften, die Pharmazeuti- sche Industrie und die Krankenhaus- direktoren - sehen in dem vorgese- henen Maßnahmenkatalog einen massiven Anschlag auf das geglieder- te, bewährte System der gesundheit- lichen Sicherung, das Kassenarzt- recht und die_gemeinsame Selbstver- waltung der Arzte und Krankenkas-

sen. Die im Seehafer-Katalog veran-

kerten Ersatzvornahmen durch Rechtsverordnungen der Bundesre- gierung höhlten die Rechte der Selbstverwaltung im Gesundheitswe- sen aus, degradierten sie zu Befehls- empfängern des Staates.

Das Eckpunktepapier wird von den Verbänden des Gesundheitswe- sens - im Gegensatz zu den Kran- kenkassenverbänden - als ordnungs- politisch verfehlt, als ausschließlich wirtschaftspolitisch begründet und ideologisch-dogmatisch ausgerichtet abgelehnt. Das Paket, das nicht den Namen einer echten Strukturreform verdiene, greife zwar einzelne, seit langem von den Verbänden gefor- derte Reformansätze auf, könne

I Casus belli

Für die Kassenärztliche Bundes- vereinigung ebenso wie für die Kas- senzahnärztliche Bundesvereinigung ist das Strategierpapier der "casus belli". Namentlich die KBV erklärte vor der Banner Runde, daß sie nur unter der Bedingung zur konstrukti- ven Auseinandersetzung bereit sei, daß einige unverzichtbare Grundbe- dingungen erfüllt werden:

Das als Reformgesetz apostro- phierte Vorhaben müsse die eigentli- chen Kostentriebfedern abstellen und strukturelle Probleme aufgrei- fen, die bislang ausgespart sind:

Schaffung qualitativer Zulassungs- voraussetzungen für die kassenärztli- che Versorgung, eine durchgreifen- de Reform der Krankenhausfinan-

aber insgesamt keinen ausreichen- den Beitrag zur Lösung der auch von den Leistungserbringern anerkann- ten enormen strukturellen Probleme leisten.

Es könne auch nicht hingenom- men werden, daß die Leistungser- bringer allein auf Grund vermuteter oder pauschal behaupteter Wirt- schaftlichkeits- und Rationalisie- rungsreserven diszipliniert werden sollten. Unter Berufung auf die Aus- sagen des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion (Sondergut- achten vom November 1991) weisen die Leistungsträger die Koalitions- parteien darauf hin, daß ein innova- tives, leistungsexpansives Gesund- heitswesen nicht langfristig mit poli- tisch garantierten stabilen Beiträgen zu finanzieren ist, ohne Leistungsab- striche hinzunehmen. Die Politiker werden aufgerufen, die wirklichen Absichten des Koali_tionspaketes of- fenzulegen und der Offentlichkeit zu verdeutlichen. Der Patient und Bei- tragszahler müsse wissen, was kurz- fristig an Belastungen auf ihn zu- kommt und mit welchem bürokrati- schen und bevormundenden Gezerre er künftig in der Arztpraxis und im Krankenhaus rechnen müsse. Für die Leistungserbringer sei es uner- träglich, wenn sie Sparkommissar, Anwalt der Patienten, Schiedsrichter und Oberstaatsanwalt in einer Per- son sein sollten.

zierung und eine Neuordnung der Krankenkassenstrukturen sowie ein zügiger Abbau von Überkapazitäten und Ungleichgewichten in einzelnen Leistungsbereichen.

Für die KBV sind unverzichtba- re Elemente des Kassenarztrechtes und des Versorgungssystems:

... Beibehaltung des gesetzlich garantierten Sicherstellungsauftra- ges der Kassenärztlichen Vereini- gungen, da sich Freiberuflichkeit in Konkurrenz mit staatlichen Einrich- tungen nicht entfalten könne;

... Aufrechterhaltung und Aus- bau der Vertragsfreiheit zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassenverbänden als tätige Praktizierung einer gleich- A1-2366 (18) Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992

berechtigten Partnerschaft. Ableh- nung einer Verlagerung der Macht- positionen zugunsten der Kranken- kassen; Verhinderung einer mono- polartigen Position der Krankenkas- sen gegenüber den Leistungserbrin- gern, insbesondere den Kassenärz- ten und den Krankenhausträgern;

... Aufrechterhaltung der Frei- beruflichkeit der Kassenärzte, die auch innerhalb des geltenden und bewährten Sachleistungssystems der Krankenkassen das persönliche Ver- trauensverhältnis zwischen Patient und Arzt garantiert;

... Freie Arztwahl aller Versi- cherten als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des unverzichtba- ren Vertrauensverhältnisses zwi- schen Arzt und Versicherten.

I Vorleistungen anrechnen!

Das Positionspapier der KBV postuliert:

- Die Wachstumsfaktoren der Ausgaben im Gesundheitswesen müssen sich auch in Zeiten eines ver- schärften Sparkurses an den Not- wendigkeiten einer hoch stehenden medizinischen Versorgung ausrich- ten. Eine stringente Budgetierung der Ausgaben für die ambulante ärztliche Versorgung ist damit un- vereinbar. Bereits seit zehn Jahren hätten die Kassenärzte durch ver- tragliche und Selbstdisziplinierungs- maßnahmen Vorleistungen erbracht wie kaum ein anderer Sektor. Nach- weislich hätten die Ausgabensteige- rungen der Krankenkassen für die ambulante Versorgung jeweils unter- halb der Marge der Grundlohnsum- mensteigerung gelegen. Diese Vor- leistungen müßten anerkannt und bei der Lastenverteilung jetzt ange- rechnet werden.

-Statt die primär- und hausärzt- liche Versorgung durch weitere Pla- fondierungen und Honorardeckelun- gen ins Hintertreffen zu bringen, for- dert die Ärzteschaft eine nachhaltige Verbesserung der Startbedingungen für die hausärztliche Versorgung un- ter Einbeziehung entsprechender Honorarkonditionen vor allem in der belegärztlichen Versorgung, beim ambulanten Operieren und bei der Tageschirurgie.

(3)

Auswirkungen des Honorarergebnisses der Ersatzkassenabrechnung

für das erste Quartal 1992

Vor dem Hintergrund der Abrechnungsergebnisse des er- sten Quartales 1992 haben sich die Kassenärztliche Bundesverei- nigung (KBV) und die Verbände der Ersatzkassen darauf geeinigt, Überschreitungen der vertraglich vereinbarten Zuwachsgrenzen des Gesamthonorares durch eine Quotierung der in der Ersatzkas- sen-Gebührenordnung festgeleg- ten Vergütungssätze im dritten und vierten Quartal 1992 auszu- gleichen. Der vertraglich vorgese- hene Ausgleich durch Honorarbe- grenzung bei Vertragsärzten, die mit ihren Honoraranforderungen fachgruppenspezifische Grenz- werte überschreiten, ließ sich we- gen der zu erwartenden Höhe des auszugleichenden Betrages nicht verwirklichen.

Die Vertragspartner waren sich aber auch darin einig, daß vor Anwendung individualisierter Ausgleichsregelungen die mögli- cherweise einschneidenden Fol- gen des vorgesehenen Gesund-

heitsstrukturgesetzes 1993 auf die Vergütungsregelungen der kas- sen- und vertragsärztlichen Ver- sorgung abgewartet werden müs- sen. Es wird gemeinsam nicht als sinnvoll angesehen, eine mit er- heblichen Honorarauswirkungen für einzelne Vertragsärzte ver- bundene individualisierte Aus- gleichsregelung nur für zwei Quartale anzuwenden und, je nach Ausgang der politischen Be- ratungen eines Gesundheitsstruk- turgesetzes 1993, danach wieder korrigieren oder aufheben zu müssen.

Die Beratungen über geeig- nete Kriterien für fachgruppen- spezifische Grenzwerte und ein darauf basierendes individuali- siertes Ausgleichsmodell werden jedoch fortgesetzt. Die Vertrags- partner werden darüber hinaus die Abrechnungsergebnisse des ersten Quartales 1992 analysieren und dann die Notwendigkeit einer Änderung der Ersatzkassen-Ge- bührenordnung prüfen. KBV - Die KBV hält eine Anhebung

der Vergütungssätze für das ambu- lante Operieren für dringend not- wendig, um ambulante Operationen außerhalb der teuren Infrastruktur der Krankenhäuser zu fördern und das vergleichsweise teure Akutkran- kenhaus von ambulant versorgbaren Fällen zu entlasten.

- Die KBV begrüßt die Absicht der Koalition, die Rechtsgrundlagen für die Großgeräteplanung auf eine für die Selbstverwaltung durchführ- bare Basis zu stellen und die seit vier Jahren bestehende Rechtsunsicher- heit zu beseitigen. Die KBV erkennt die Absicht an, bundeseinheitlich und rechtsverbindlich eine Liste me- dizinisch-technischer Großgeräte aufzustellen und in der Bedarfspla- nung verbindliche Anhaltszahlen per Rechtsverordnung zu erlassen. Not- wendig seien aber Änderungen im Detail: So sollte die Vergabe regio- naler Standorte für Großgeräte dem Großgeräte-Ausschuß vorbehalten werden. Die Zuordnung der Stand- orte an bestimmte antragstellende Ärzte/Krankenhäuser sollte jedoch durch den Landesausschuß der Ärz- te und Krankenkassen einerseits und durch die für die Krankenhauspla- nung zuständige Behörde anderer- seits vorgenommen werden.

- Für die KBV ist es nicht nach- vollziehbar, daß die im SGB V aus- gedecktelten Leistungsbereiche (Prävention; Gesundheitsuntersu- chungen u. a.) nunmehr auch der Budgetierung und Deckelung unter- worfen werden sollen. Zudem sei nicht erkennbar, wie neu eingeführte Leistungen vergütet werden sollen, wenn die Gesamtausgaben des bis- herigen Leistungsvolumens, ohne sie zu berücksichtigen, budgetiert wer- den.

- Als einen Verstoß gegen das Kassenarztrecht und herrschende Rechtsgrundsätze kritisiert die KBV die Absichten, auch in bestehende Verträge einzugreifen. Was für die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, also für die Lohntarifautonomie gelte, dürfe auch in der Honorarpolitik nicht über Bord geworfen werden. Dies müsse der Öffentlichkeit vedeutlicht werden, so die Bundesärztekammer und die KBV.

Die KBV wendet sich gegen Ab- sichten der Koalitionäre, den Budge- tierungsansatz für die kassenärztli- che Gesamtvergütung auf das Basis- jahr 1991 zurückzudatieren und für das Krankenhaus als Ausgangspla- fond das Jahr 1992 (wegen der be- reits abgeschlossenen Pflegesatzver- einbarungen) heranzuziehen.

- Völlig untauglich sei das beab- sichtigte Malus-System. Es dürfe we- der eine Individual- noch eine Sip- penhaftung der Kassenärzte geben dafür, daß der Kassenarzt das ver- traglich vereinbarte Arznei- und/

oder Heil- und Hilfsmittelbudget oh- ne Nachweis der Unwirtschaftlich- keit im Einzelfall überschreitet. Eine solche dirigistische Kontingentie- rung beeinträchtige nicht nur das Arzt-Patienten-Verhältnis, sondern

müsse zu einem Qualitätsverlust in der Arztpraxis führen.

- Die Kassenärzte seien nicht für die relative Intransparenz auf dem GKV-Arzneimittelsektor und bei den Heil- und Hilfsmitteln ver- antwortlich Eine Kollektivhaftung und eine Einzelhaftung des Arztes bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte setze bei Unschuldi- gen an - diese müßten sich deshalb mit allen Mitteln wehren. Falls eine Steuerung über die Arzneimittelge- setzgebung, Negativ- und/oder Preis- vergleichslisten nicht gelinge, müß- ten „Positivlisten" für die gesetzliche Krankenversicherung goutiert wer- den (was die Kassenärztliche Bun- desvereinigung allerdings nur als theoretische, von ihr nicht intendier- te Alternative diskutiert).

Dt. Ärztebi. 89, Heft 27, 3. Juli 1992 (19) A1-2367

(4)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

1 1- ZIME14111; 11.

• Wegen des anhaltenden Zu- gangs zum Medizinstudium und der jährlich um (netto) 3,5 Prozent wachsenden Zahl der neu zugelasse- nen Kassenärzte will sich die KBV einer beabsichtigten Einschränkung des Zulassungsrechtes und der Ein- führung einer Bedarfszulassung nicht widersetzen, allerdings unter der Bedingung: „solange die Politik an ihrer Zielsetzung einer stringen- ten Kostendämpfung festhält".

Gegen eine Zwangsausscheide- grenze für Kassenärzte (ab dem 65.

Lebensjahr) erhebt die KBV verfas- sungsrechtliche Einwände. Es sei ei- ne Zumutung und ein Systembruch im Kassenarztrecht, wenn der Ge- setzgeber das Ende der Freiberuf- lichkeit vorschreiben will (so Dr. Oe- singmann). Zudem sei dies für die 15 000 neu niedergelassenen Kassen- ärzte in den neuen Bundesländern ein kaum noch zu überbietender Af- front. Statt dessen sollten sich Pra- xisinhaber ab einem bestimmten Le- bensalter verpflichten, einen jünge- ren Praxispartner aufzunehmen.

Bei aller Fundamentalkritik ha- ben die Leistungserbringer auch po- sitive Elemente im Koalitionspapier entdeckt: So begrüßen Kassenärzte und Pharmaindustrie, daß künftig ei- ne prozentuale Selbstbeteiligung zum Zuge kommen soll (10 Prozent, höchstens 10 DM und mindestens 3 DM je Mittel). Allerdings gebe es bei einer einheitlichen Zuzahlungsrege- lung kaum noch eine rechtliche Grundlage zur Festsetzung von Fest- betragsgruppen durch den Bundes- ausschuß der Ärzte und Krankenkas- sen. Eine prozentuale Zuzahlung er- höhe die Transparenz der in An- spruch genommenen Arzneimittel- leistungen, könne Steuerungswir- kungen zeigen und beseitige die auch von Gesundheitsminister Seehofer als gesundheits- und ordnungspoli- tisch verfehlt erkannte Regelung des Nebeneinanders von zuzahlungsfrei- en und zuzahlungspflichtigen Arz- neimitteln (gespaltener Arzneimit- telmarkt). Dr. Harald Clade

Das ärztliche Urteil gilt

Ein britisches Obergericht hat ein Urteil gefällt, das den Ärzten des Landes für die Zukunft eine Menge juristischen Ärgers ersparen kann:

Ein Arzt kann nicht gezwungen wer- den — weder von einem Gericht noch von sonst jemandem —, etwas zu tun, was seinem ärztlichen Urteil („clinical judgment") widerspricht.

Dies sogar dann nicht, wenn andere Ärzte oder sogar Gutachter anderer Meinung sind — Hauptsache: Die Entscheidung des Arztes ist offen- sichtlich begründet.

Der Fall, berichtet vom British Medical Journal (304 [1992] 1589):

Ein Säugling war durch einen Sturz im ersten Lebensmonat schwer ge- schädigt: Mikrozephalie, epilepti- sche Anfälle, kortikale Blindheit, zerebrale Lähmung. Er wird naso- gastral ernährt Betreut wird er von Pflegeeltern. Die natürliche Mutter verlangte aber von der Krankenhaus- verwaltung, daß sie, notfalls gericht-

Die Post schlägt kräftig zu

Zum 1. Januar 1993 sollen die Preise im Postzeitungsdienst im Durchschnitt kräftig heraufgesetzt werden. Für die Zeitschriften, die im Deutschen Ärzte-Verlag erscheinen, macht die Preiserhöhung zum 1. Ja- nuar 1993 rund 15 Prozent aus oder, in absoluten Zahlen: Die Postkosten steigen um rund 1,3 Millionen DM.

Ärzte, die dazu verurteilt sind, mit der Erhöhung der Grundlohnsumme als „Kostendeckel" zu leben, können da nur staunen.

Besonders gefährlich wird die Preiserhöhung der Post für kleinere Zeitschriften, vor allem solche, de- ren Betriebsergebnis um Null schwankt Sie geraten durch derart massive Preissteigerungen in Exi- stenznot, zumal die neuen Preise ge- rade kleinere Zeitschriften überpro- portional treffen. Im Deutschen Ärz- te-Verlag steigen die Postkosten für solche kleinen Zeitschriften zwi- schen 21 und 24 Prozent.

Verständlich, wenn der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger

lich, durchsetzen solle, im gegebenen Fall auch künstliche Beatmung ein- zusetzen. Der behandelnde Arzt lehnte dies ab, weil es nach seinem

„clinical judgment" keine Verbesse- rung bringen würde, im Gegenteil Komplikationen zu befürchten seien, zum Beispiel die Gefährdung durch die Aspiration vom Erbrochenem.

Eine untere Instanz hatte der Forde- rung der Mutter nachgegeben, das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf: Ein Arzt, der bona fide im be- sten Interesse seines Kranken han- dele, könne nicht zu einem anderen Verhalten gezwungen werden.

Bisher gab es kein derartiges Ur- teil im Vereinigten Königreich. Da das britische Recht weitgehend auf Präzedenzfällen beruht, hat dieses Urteil gleichsam Gesetzeskraft; nur das Oberhaus könnte es noch aufhe- ben. Die Position der Ärzte ist da- durch sicherlich gestärkt worden; die Kollegen im prozeßwütigen US- Amerika (und wohl nicht nur dort) werden es neidvoll studieren ... bt

Alarm schlägt. Er argumentiert ge- genüber der Öffentlichkeit und der Politik: Der Postzeitungsdienst habe eine zentrale Rolle für die breitgefä- cherte Entwicklung der deutschen Presse gespielt. Dank des Postzei- tungsdienstes sei es zu einer flächen- deckenden Versorgung für jeder- mann und der weltweit einmaligen Pressevielfalt der Bundesrepublik Deutschland gekommen Die Zeit- schriftenverleger argumentieren frei- lich nicht nur kulturpolitisch, sie ma- chen darauf aufmerksam, daß der Postzeitungsdienst auch wirtschaft- lich Sinn macht: Da Presseprodukte im großen Netz der Briefe mitbeför- dert werden, können sich die verbil- ligten Tarife für die Pressebeförde- rung durchaus rechnen.

Postzeitungsdienst — bisher war das eine Sache der Fachleute. Verla- ge und Postmanager haben mitein- ander verhandelt. Es wird Zeit, daß auch die Öffentlichkeit erfährt, wie rabiat die Post zugreift und dabei of- fenbar auch in Kauf nimmt, daß zu- mal kleinere, etwa wissenschaftliche Zeitschriften, die ohnehin hart an der Existenzgrenze wirtschaften, ein- gehen. DÄ

I

Gegen Zwangspensionierung

A1-2368 (20) Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die ärztlichen Ver- treter in der Konzertierten Aktion hatten in eingehenden Vorgesprä- chen Einmütigkeit ihrer Haltung er- arbeitet; das mittlere Bild zeigt die Vertreter

Zu dem Kommentar auf Seite eins: „Zahnärzte sauer auf die Sachverständigen" und dem Bei- trag (beide in Heft 11): „Sachver- ständige ließen noch viele Fragen offen";

Kurt Friede, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Be- triebskrankenkassen, machte in seiner Antwort (Auszüge auf Seite 3236), welche mit der Ärzteseite vorher besprochen war,

Dezember (VdAK/AEV). Gegenüber den Bundes- verbänden der Krankenkassen ein- schließlich der Bundesknappschaft hat die KZBV verbindlich erklärt, die Ver-

schließlich zum heutigen „Bayern- Vertrag" führte. Auf seiten der KV habe man erkannt, daß ihre Aufga- ben sich nicht nur auf die Hono- rarpolitik erstrecken könnten, son-

No- vember 1982 in Bonn gleich ein- gangs mit den Gesetzesvorhaben (die im wesentlichen aus dem Tau- ziehen über den Haushalt resultie- ren) für die gesetzliche Kranken-

Meine Ausführungen zu den viel- schichtigen Zusammenhängen , welche bei der Berechnung der Gesamtvergütung für die ambu- lante ärztliche Versorgung eine Rolle

Trotz der Bemühungen, die Zahl der Studienplätze im Fach Humanmedizin zu erhöhen, bleibt Humanmedizin weiterhin ein „har- tes Numerus-clausus-Fach", und es wird wohl auch