POLITIK AKTUELL
EBM-Reform
KBV-Länderausschuß
billigt das neue Konzept
Die Weichen für die EBM-Reform sind gestellt. Vorstand und Länderausschuß der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben sich jetzt auf die wesentlichen Strukturen der neuen Gebührenordnung verständigt. Danach soll es künftig für die typischen Bera- tungs- und Untersuchungsleistungen eine arztgruppenspezifische Ordinationsgebühr geben
— ergänzt durch sogenannte Therapiemodule und Konsultationszuschläge. Ferner sieht das Konzept die Bildung von ablaufbezogenen Leistungskomplexen vor. Nach wie vor sollen aber die mit Abstand meisten Leistungen einzeln vergütet werden. Im folgenden Beitrag erläutert Dr. med. Lothar Wittek, das für die Weiterentwicklung der Gebührenordnung zu- ständige Vorstandsmitglied der KBV, Ausgangspunkt, Aufbau und Ziele der Reform.
V
iele Kolleginnen und Kolle- gen können die Worte„EBM-Reform" nicht mehr hören. Das ist verständlich, denn seit nunmehr knapp zwei Jah- ren arbeitet der Vorstand der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung an einer Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). Es gibt viele Gründe, warum sich diese Arbeit so lange hinzieht; ich will sie hier nicht alle wiederholen. Aber es gibt keinen Grund, die Reformar- beit abzubrechen oder weiter hin- auszuzögern. Die Notwendigkeit ei- ner grundlegenden Überarbeitung der „Mutter" der Gebührenordnun- gen für Primär- und Ersatzkassen ist unverändert groß.
Antwort auf neue Rahmenbedingungen Im nächsten Jahr wird es einen allenfalls minimalen Anstieg der Grundlohnsumme geben, der ge- mindert wird durch gesetzliche Ein- griffe in die Arbeitslosenhilfe. Dies wird die Einnahmen der Kranken- kassen, aus denen sich unsere Ho- norare speisen, empfindlich treffen.
Sollten tatsächlich Rückzahlungen aus unserer Gesamtvergütung not- wendig werden, weil der Bundesge- sundheitsminister die Grundlohn- summe in diesem Jahr zu optimi- stisch eingeschätzt hat, dann gibt es
für die Kassenärzte sogar eine reale Nullrunde. Bei steigenden Kosten bedeutet dies aber sinkender Um- satz und — diesen Wert verdoppelnd
— sinkenden Gewinn. Sind Sie dar- auf vorbereitet?
Die KBV ist deshalb mehr denn je in der Pflicht, entsprechen- de Rahmenbedingungen für die kassenärztliche Tätigkeit zu schaf- fen; Rahmenbedingungen, die die
Hausärzliche Grundvergütung Ordinationsgebühr
Therapiemodul
Konsultationszuschlag Prävention
Einzelleistungen
Diagnostik
Einzelleistungen
Therapie
Ablaufbezogene Leistungskomplexe
kassenärztliche Arbeit unter den gegebenen Umständen so weit wie möglich erleichtern. Auch insofern hat sich an der Notwendigkeit einer Reform der Gebührenordnung nichts geändert.
Die Gesamtvergütung unter- liegt auch über das Jahr 1996 hinaus der Begrenzung durch die Einnah- meentwicklung, gleich was sonst an Neuerungen eingeführt werden sollte. Bei einem pauschalierten Gesamthonorar kann es aber keine reine Einzelleistungsvergütung ge- ben. Es kann notwendigerweise nur versucht werden, den knappen Ku- chen möglichst gerecht zu verteilen.
Schließlich verlangen auch Er- kenntnisse aus der Wirtschaft und die berechtigte Forderung der Kas- senärzte nach Abbau der Bürokra- tie (und damit der Kosten in ihren Praxen und denen in ihrer Kas- senärztlichen Vereinigung) nach neuen Honorierungsformen.
Komplexgebühren aus eigenem Interesse Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht nicht um eine Pauschalierung. In diesem Punkt hat die Vertreterversamm- lung der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung eine klare Linie beibe- halten, so widersprüchlich ihre Be- schlüsse im übrigen teilweise sein Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994 (19) A-3403
Ordinationsgebühr
GOP 1L I
mögen. Vielmehr geht es um die Bildung von Komplexgebühren.
Dazu sind wir einerseits durch das Gesundheitsstrukturgesetz ver- pflichtet. Andererseits sollten wir aus eigenem Interesse zu diesem Hilfsmittel greifen.
Die Ergebnisse der Budgetie- rungen im Labor zeigen nämlich, daß dieses Instrument eine durch- aus positive Wirkung entfaltet: Der Punktwert für die budgetierten 0 I- und 0 II-Leistungen ist erstmals seit vielen Jahren wieder deutlich gestiegen. In Bayern beispielsweise überwiegen die Vorteile durch den Anstieg der Punktwerte ganz ein- deutig gegenüber den Streichungen.
Ordinationsgebühr für Beratung und Untersuchungen
Eine zweite Leitlinie der Ar- beit des KBV-Vorstandes besteht darin, den jeweiligen Leistungen die ihnen gemäße Abrechnungs- form zuzuweisen: Nicht alles eignet sich für Zusammenfassungen, nicht alles eignet sich für die Einzellei- stungsvergütung. Diese Grundüber- legungen haben im KBV-Vorstand und im Länderausschuß eine deutli- che Mehrheit gefunden. Kernstück der angestrebten Reform ist des-
Therapiemodul
GOP 200Ablaufbezogene Leistungskomplexe
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halb die sinnvolle Zusammenfas- sung der Grundleistungen.
Nach der Vorgabe der Vertre- terversammlung soll dies fachgrup- penspezifisch erfolgen und lei- stungsbezogen sein. Deshalb legte der KBV-Vorstand dem Länderaus- schuß ein Modell vor, das auf einer sogenannten Ordinationsgebühr basiert und um Therapiemodule und Konsultationszuschläge ergänzt wird.
Die Grundüberlegung der Ordi- nationsgebühr besteht darin, dieje- nigen Leistungen zusammenzufas- sen, die das Spektrum der jeweili- gen Arztgruppen typisch abbilden.
Mit anderen Worten: Das Ordinati- onshonorar umfaßt alle Leistungen, die von den Ärzten dieser Fach- gruppe zu einem bestimmten Pro- zentsatz in allen Behandlungsfällen erbracht werden. In Fachgruppen mit einem sehr breiten Leistungs- spektrum — etwa bei den Internisten
— ist der Anteil dieser typischen Lei- stungen relativ niedrig, in Fach- gruppen mit einem homogenen Spektrum, wie zum Beispiel bei den Augenärzten, ist er hingegen recht hoch.
Die auf diese Weise gefunde- nen Leistungen werden nun aufge- teilt auf einen Beratungs- und Un- tersuchungskomplex sowie ein The- rapiemodul. Erbringt der Arzt eine
Basiskomplex
Beratungen + Untersuchungen VerwaltungskostenzuschlagGOP
7ggf. Alterszuschlag
Nr z.B. 200 - 2021
(arztgruppenspezifisch)Arzthelferinnengebühr
z. B. typischer Operationsablauf oder bestimmte augenärztliche
oder HNO-Untersuchungen
Leistung des betreffenden Lei- stungskomplexes, erhält er das für dieses Modul festgelegte Komplex- honorar. Es ist je nach Fachgruppe unterschiedlich hoch, denn jede Fachgruppe soll einen individuel- len, auf die jeweilige Leistungsbrei- te zugeschnittenen Umfang erhal- ten. Die in dem betreffenden Mo- dul enthaltenen Leistungen sind da- mit für das entsprechende Quartal vergütet, auch für den Fall, daß eine dieser Leistungen ein weiteres Mal bei dem betreffenden Patienten er- bracht wird.
Ablaufbezogene Leistungskomplexe
Mit ablaufbezogenen Lei- stungskomplexen will die KBV ei- nem von Fachärzten häufig geäußerten Wunsch nach Zusam- menfassung von Leistungen nach- kommen, die in der Regel immer gemeinsam erbracht werden. Sol- che typischen Diagnose- und Thera- pieabläufe gibt es, und diese sollen nach medizinischen Kriterien zu- sammengefaßt und komplex vergü- tet werden.
Ein Paradebeispiel in doppelter Hinsicht sind die ambulanten Ope- rationen. Auf der einen Seite lassen sich dort ganz besonders leicht die Leistungsgruppen zusammenfassen, auf der anderen Seite zeigt sich aber die noch zu lösende Schwierigkeit, daß mehrere verschiedene Arzt- gruppen an der Erbringung einer ambulanten Operation beteiligt sind, so daß die Komplexgebühr aufge- teilt werden müßte — eine durchaus lösbare Aufgabenstellung. Die Bil- dung ablaufbezogener Leistungs- komplexe ist jedoch keine vorrangi- ge Reformaufgabe. Sie wird den- noch angegangen; die Prioritäten lie- gen aber derzeit eindeutig auf den zuvor skizzierten Reformschritten.
Vergütung nach Einzelleistung bleibt Der weitaus größte Teil aller Leistungen wird weiterhin nach Einzelleistung honoriert — das sind rund 90 Prozent. Diese Leistungen A-3404 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994
Prävention
❑Einzellstg. Diagnostik III Ordinationsgebühr
❑Einzellstg. Therapie
❑Therapiemodul Ablaufbez. Leistungskomplexe
II Konsultationsgebühr 0 hausärztl. Grundvergütung
Grafiken/Quelle: KV Bayerns
Honorarstruktur nach der EBM-Reform: Honoraranteile ausgewählter Arztgruppen (fiktive modellhafte Darstellung)
Allg./Prakt. Ärzte
Intern. fachärztl.
Intern. hausärztl.
Kinderärzte
Gynäkologen
Nervenärzte
Hautärzte
Augenärzte POLITIK
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der Diagnostik und Therapie wer- den in aller Regel vom Arzt per- sönlich erbracht und bieten auch nur wenig Möglichkeiten der Ra- tionalisierung. Vereinfachung soll aber auch hier das Ziel sein, Über- flüssiges soll entfallen. Diejenigen Leistungen jedoch, die rationalisie- rungsfähig sind, sollen einer Men- genabstaffelung unterworfen wer- den. Dies betrifft vor allem Lei- stungen, die mit Hilfe medizinisch- technischer Apparate erbracht wer- den.
Für die Abstaffelung wurde ein Modell entwickelt, das sich an den unterschiedlich zusammengesetzten Kostenanteilen einer solchen Lei- stung orientiert und dabei betriebs- wirtschaftliche Kalkulationen zu- grundelegt. Auch das war und ist Auftrag der Vertreterversammlung.
Jede einzelne dieser Leistungen wird betriebswirtschaftlich unter der Fragestellung durchgerechnet, ab welcher Leistungsfrequenz die festen Kosten dieser Leistungser- bringung vom Honorar abgedeckt sind.
Auch diesem Reformvorhaben stimmten sowohl der KBV-Vor- stand als auch der Länderausschuß zu, und zwar jeweils einstimmig.
Noch einmal festzuhalten bleibt in- dessen, daß die Abstaffelung wegen der aufwendigen betriebswirtschaft- lichen Kalkulation, die dahinter- steht, zunächst nur in einer kleinen Anzahl von Leistungen vorgenom- men werden wird.
Prävention und hausärztliche Grundvergütung Unverändert bleibt die Abrech- nung der Präventionsleistungen. Sie erfolgt aus einem gesonderten Ho- norartopf — wie bisher teilweise als Leistungskomplex.
Im EBM regelungsbedürftig ist die hausärztliche Grundvergütung.
Sie ist durch das Gesundheitsstruk- turgesetz vorgesehen und wird der- zeit bereits nach den gesetzlichen Kriterien, die in Verträgen mit den Krankenkassen präzisiert wurden, an die berechtigten Hausärzte aus- gezahlt. Was fehlt, ist allerdings die
nötige Finanzmasse zur angemesse- nen Honorierung dieser Leistung
Fazit: Mit dem vorgestellten Modell glaubt der KBV-Vorstand, den Auftrag der Vertreterver- sammlung vom Mai dieses Jahres erfüllen zu können. Der Auftrag lautete, einen Reformvorschlag mit folgenden Kernelementen vor- zulegen: „Fachgruppenspezifisch auszugestaltende, medizinisch be- gründete Leistungskomplexe; die Abschaffung von Anreizen zur me- dizinisch nicht begründeten Lei- stungsausweitung; Einzelleistungs- vergütung für alle hierfür geeigne- ten besonderen Leistungen sowie eine differenzierte, leistungsge- rechte Neubewertung für alle übri-
gen Leistungen." Soweit möglich, sollten auch betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte bei der EBM-Re- form berücksichtigt werden. Diese Vorgaben sind durch das vorgeleg- te Modell eingehalten.
Das letzte Wort hat nun die Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, die sich Mitte Dezember in Köln mit der Problematik befassen wer- den wird.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Lothar Wittek Vorstandsmitglied der KB V und Vorsitzender KV Bayerns Mühlbaurstraße 16
81677 München
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994 (21) A-3405