DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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um 125. Mal jährt sich am 17. April 1988 der Ge- burtstag des späteren Sani- tätsrats, praktischen Arztes und Geburtshelfers Dr. med. Her- mann Hartmann, des Gründers (1900 in Leipzig) des „Verban- des der Ärzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen". Aus diesem Anlaß schreibt sein in Hamburg leben- der Sohn, Dr. med. W. Hart- mann, prakt. Arzt, an das„Deutsche Ärzteblatt — Ärzt- liche Mitteilungen" (u. a.):
„10 Jahre ärztlich tätig, er- lebte Hartmann am eigenen Lei- be und durch Gedankenaus- tausch mit seinen Kollegen die Gängelungen .. und Bevormun- dungen der Arzte ,durch den Druck des anfangs gering ge- schätzten Arbeiter- und Kran- kenversicherungsgesetzes vom Juni 1883' (Kuhns). ,. . . die ärztliche Arbeit wurde mit
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parparolen haben Hoch- konjunktur in der Diskus- sion über die Strukturre- form im Gesundheitswesen. In Zeiten des Überflusses müßten die in fast allen Bereichen beste- henden Überkapazitäten abge- baut, stillgelegt oder für einen anderen „sozialen Zweck" ge- nutzt werden, heißt es.Lobenswert ist, daß der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion solchen Forderungen eine „Lückendia- gnose" gegenüber gestellt hat:
So gibt es noch Versorgungseng- pässe in vielen Bereichen der Medizin, so in der Transplanta- tions- und Herzchirurgie, in der psychiatrischen Versorgung, in der Prävention und Rehabilita- tion. Ein Beispiel: Rund 8 000 Patienten in der Bundesrepublik und Berlin-West, die eigentlich bereits 1987 eine Herzoperation benötigt hätten, stehen immer noch auf den Wartelisten der 34 bundesdeutschen Herzzentren.
1987 wurden 29 017 Herzopera- tionen vorgenommen — immer- hin rund 11 Prozent mehr als 1986. Aber: jährlich müßten
Hermann Hartmann
Erinnerung an harte Kämpfe
Geldbeträgen abgegolten, für die die Bezeichnung Honorar denn doch gar zu euphemisch klingt . . . Empört rief er aus:
Ärzte aller deutschen Staaten, organisiert euch! — Fort mit den Dienstmannstaxen!
Schwierige sozialpolitische Kämpfe gegen die Vormacht der durch Industrialisierung im- mer mehr anwachsenden Kran- kenkassen führte Hartmann für die freie kassenunabhängige Be- rufsausübung des Arztes in eige- ner Praxis und für die freie Arzt- wahl der Patienten . . . Aber auch gegen Ablehnung aus den
Medizinische Versorgung
Engpässe
trotz Überfluß
hierzulande rund 38 000 Patien- ten am offenen Herzen operiert werden. Zur Zeit liegt die Ope- rationsfrequenz bei nur 400 Ein- griffen pro eine Million Einwoh- ner; der tatsächliche Bedarf in- des beträgt 600 Operationen je eine Million Einwohner. Zudem ist das Versorgungsnetz noch nicht flächendeckend. Ähnlich unbefriedigend sieht es bei den wichtigsten Organtransplanta- tionen aus, insbesondere bei den Nierentransplantationen.
Eine Binsenweisheit: Höhe- re Transplantationsfrequenz hat eine Menge mit der allseits ge- forderten Lebensqualität der Patienten zu tun, aber auch mit Kostendämpfung. Denn eine Transplantation spart im Ver- gleich zur Dauerdialyse eine Menge Kosten. HC
Reihen der Ärzte im Ärztever- einsbund mußte er kämpfen; die meist älteren Geheimräte und Sanitätsräte des kaiserlichen Deutschlands wollten den erst 37jährigen Arzt, der — des Marxismus verdächtigt!! — eine Strike-Kasse gründen wollte, nicht anerkennen; doch er setzte sich mit seinem starken Willen nach allen Seiten durch, beson- ders im Jahre 1911 „als Beth- mann-Hollweg in seiner Reichs- versicherungsordnung die beruf- liche Freiheit des Ärztestandes in eine völlige Hörigkeit von der Staatsbürokratie umzukehren unternahm. (Hellpach).
Jedoch der Lohn blieb nicht aus. Der Leipziger Verband er- rang sich die Anerkennung als vertragsfähige in wirtschaft- lichen Dingen federführende Vertretung der Arzte und Hart- manns Triumph wurde bestätigt durch das Berliner Abkommen vom 23. Dezember 1913, das zum ersten Male Ärzte und Krankenkassen an einem Ver- handlungstisch zusammenge- führt hatte ... "
Den Übergang des „Leipzi- ger Verbandes" in die „Kassen- ärztliche Vereinigung" erlebte Hermann Hartmann nicht mehr: er starb, mit noch nicht 60 Jahren von einem Schlaganfall betroffen, am 20. Januar 1923.
Die Erinnerung an die ersten Jahrzehnte der gesetz- lichen Krankenversicherung in Deutschland ist von bestürzen- der Aktualität. Uns steht es an, an diese Zeiten zu mahnen:
1949 als „Ärztliche Mitteilun- gen" wiederbegründet, führt das „DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT — ÄRZTLICHE MIT- TEILUNGEN" sowohl die Tra- dition des 1872 gegründeten
„Ärztlichen Vereinsblatts für Deutschland" (seit der Jahres- wende 1929/30 „Deutsches Ärzteblatt") als auch der 1900 in Straßburg gegründeten
„Ärztlichen Mitteilungen" fort, die seit 1905 als „Offizielles Or- gan des Verbandes der Ärzte Deutschlands zur Wahrung ih- rer wirtschaftlichen Interessen"
fungierten. DÄ
Dt. Ärztebl. 85, Heft 15, 14. April 1988 (1) A-977