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Archiv "Jugoslawien: Selbstbeteiligung wird kräftig erhöht" (18.07.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Jugoslawien:

Selbstbeteiligung wird kräftig erhöht

Im Zuge der volkswirtschaft- lichen Reformen, mit denen Jugo- slawien seine Inflationsrate senken (und damit beim Internationalen Währungsfonds weitere Kredite lok- ker machen) will, sollen im Gesund- heitswesen bemerkenswert drasti- sche Erhöhungen der Selbstbeteili- gung der Patienten eingeführt wer- den. Dabei zeichnet sich ab, daß selbst im sozialistischen Staat Jugo- slawien für den Normalbürger Krankheit in Zukunft mit empfind- lichen Einkommenseinbußen ver- bunden sein wird. Über diese Ent- wicklungen informierten sich Ver- treter der Ärzteschaften der deutschsprachigen Länder anläßlich ihres diesjährigen Konsultativtref- fens, das in Kärnten stattfand, bei einem Besuch im benachbarten Slo- wenien. Der Ärztliche Direktor des Krankenhauses Windischgraz (heu- te: Slovenj Gradec) und weitere Vertreter der Gesundheitsregion Ravne erläuterten die Situation.

Dabei wurde zunächst deutlich, daß das jugoslawische Gesundheits- system mit seiner sogenannten

„Selbstverwaltung" durch Anbieter und Verbraucher mit kaum vorstell- baren administrativen Schwerfällig- keiten fertigwerden muß. Diese

„Selbstverwaltung" kennt drei ad- ministrative Ebenen: Gemeinde, Gesundheitsregion, Teilrepublik.

Alle wesentlichen Entscheidungen müssen von paritätisch (Anbieter und Verbraucher) besetzten Gre- mien getroffen werden, deren Mit- glieder nicht auf Dauer gewählt, sondern für den jeweiligen Verhand- lungsgegenstand von den beiden Sei- ten „delegiert" werden. In Win- dischgraz gibt es ein 400-Betten- Krankenhaus, das eine der neun Ge- sundheitsregionen der Republik Slo- wenien mit etwa 130 000 Einwoh- nern versorgt; seine Mitarbeiter ha- ben allein über 30 solcher „Delega- tionen" zu besetzen.

Für die staatliche Pflichtkran- kenversicherung zahlen die Werktä- tigen — je nach der Wirtschaftskraft

ihrer Region — 9,5 bis 11,5 Prozent ihres Einkommens als Beitrag. In den gemeinsam besetzten Gremien der „Selbstverwaltung" werden für jedes Jahr die Leistungen, die zum Beispiel ein Krankenhaus erbringen soll, als Plansoll vereinbart. Sollte dieses Plansoll überschritten wer- den, so erhält das Krankenhaus für

„überplanmäßige" Leistungen ganz einfach keine Bezahlung. Man ließ offen durchblicken, daß man dann eben ein bißchen „zaubern" müsse.

Allerdings sind in den jeweiligen Gesundheitsetats für solche Fälle auch Rücklagen für Ausgleichszah- lungen einkalkuliert.

Für Ambulatorien ein Drittel der Ausgaben

Im Etat der Region Ravne sind 88 Prozent der Ausgaben für direkte Aufwendungen für den Gesund- heitsschutz vorgesehen. Das Kran- kenhaus stellt mit 40,1 Prozent der Ausgaben den größten Faktor dar.

Der ambulante Sektor hat allerdings mit 33 Prozent (21,6 Prozent für die allgemeinärztliche und 11,4 Prozent für die fachärztliche Versorgung) ei- nen nicht viel kleineren Anteil. Die verordneten Arzneimittel stehen mit 7,9 Prozent, die zahnärztliche Ver- sorgung mit 7,1 Prozent im Etat.

Der tägliche Pflegesatz im Kran- kenhaus errechnet sich aus einem Gebührenverzeichnis, das den häu- fig vorkommenden medizinischen Leistungen einen bestimmten Punktwert beimißt Als Beispiel wurde die Appendektomie erläu- tert, die mit 39,78 Punkten bewertet ist. Aus dem derzeitigen Punktwert ergibt sich eine Gebühr von etwa 73 DM. Dazu kommen die täglichen

„Hotel"-Kosten von 18,80 DM, von denen der Patient bisher 2,85 DM selbst bezahlen mußte.

Bemerkenswert erschienen die Personalkosten des Krankenhauses Windischgraz, die für 1987 mit nur 43 Prozent der Gesamtaufwendun- gen angegeben wurden. Dies läßt sich zum Teil erklären mit einer früheren Vorschrift, nach der die Gesundheitsberufe prinzipiell um zehn Prozent niedriger als der Durchschnitt der anderen Werktäti-

gen bezahlt werden sollten. Diese Vorschrift ist aber vor einiger Zeit aufgehoben worden. Das Grundge- halt eines praktischen Arztes wurde auf etwa 1000 DM monatlich bezif- fert (durch Überstunden und Son- derleistungen kann es sich beträcht- lich erhöhen). Das Durchschnitts- einkommen aller Werktätigen in Slowenien beläuft sich zur Zeit auf 385 DM im Monat. — Alle diese An- gaben beruhen auf dem am 25. Juni 1988 gültigen Umrechnungskurs von 1239 Dinar gleich 1 DM. Der Kurs ändert sich aber sehr schnell, ebenso wie die Inflationsrate. Diese sollte von 120 Prozent im Jahr 1987 in die- sem Jahr auf 95 Prozent gesenkt werden; im Juni 1988 waren aber be- reits 70 Prozent erreicht.

Angesichts dieses Einkommens- niveaus muß man die ab Juli 1988 eingeführten neuen Selbstbeteili- gungen als erstaunlich bezeichnen.

Bei einer Erstuntersuchung durch einen praktischen Arzt (im Ambula- torium) muß der Patient 3,25 DM selbst tragen. Ebenfalls 3,25 DM ko- stet die Selbstbeteiligung für jedes verordnete Medikament. Die erste Untersuchung durch einen Facharzt kostet 6,50 DM, ein Hausbesuch 8,14 DM. Bei einem Krankenhaus- aufenthalt soll der Patient in den er- sten 15 Tagen für die „Hotel"-Ko- sten täglich 6,50 DM dazulegen, fer- ner 16,20 DM als einmaligen Anteil an den Kosten der medizinischen Leistungen. Es wurde allerdings be- tont, daß etwa 40 Prozent aller Pa- tienten von dieser Selbstbeteiligung ausgenommen werden; dies sind vor allem Kinder, Einkommensschwa- che, Rentner und chronisch Kranke Aus den in Windischgraz vorge- tragenen Zahlen ergibt sich eine er- staunliche Tatsache: Wenn man ein- mal einen unkomplizierten Kran- kenhausaufenthalt von zehn Tagen berechnet, der vielleicht mit den entsprechenden Konsultationen und Verordnungen im Ambulatorium verbunden ist, dann stellt sich her- aus, daß ein slowenischer Durch- schnittsverdiener leicht ein Viertel seines Monatseinkommens zahlen muß — und dies, wohlgemerkt, nur unter dem Stichwort „Selbstbeteili- gung", zusätzlich zu seinem pflicht- mäßigen Versicherungsbeitrag! gb A-2068 (34) Dt. Ärztebl. 85, Heft 28/29, 18. Juli 1988

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