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Archiv "Nicht-kommerzielle Klinische Studien: Eine Frage des Geldes" (20.10.2006)

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A2756 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 42⏐⏐20. Oktober 2006

P O L I T I K

F

rei von Geldsorgen sind For- scher, die an klinischen Studien arbeiten, nie. Obwohl Therapieopti- mierungsstudien bei bereits zugelas- senen Arzneimitteln, Vergleiche von Therapiemethoden oder die Ent- wicklung von Arzneimitteln für Kin- der und Jugendliche sowie für selte- ne Erkrankungen für die Bevölke- rung bedeutsam sind, haben gerade Wissenschaftler, die solche Studien durchführen, mit mangelnden Fi- nanzmitteln zu kämpfen. Nach An- gaben der Koordinierungszentren für Klinische Studien wird kaum die Hälfte der realen studienbedingten Kosten gedeckt. So wächst die Sor- ge, dass die Bereitschaft von Ärztin- nen und Ärzten zur Mitarbeit an nicht-kommerziellen Studien trotz eines steigenden Bedarfs nachlässt.

„Bei vielen Behandlungs- und Diagnoseverfahren, die direkt aus der Wissenschaft kommen, können wir derzeit leider nicht schnell und konsequent genug die erforderli-

chen klinischen Studien durch- führen“, erklärte Prof. Dr. Markus Löffler, Sprecher des Vorstands des bundesweiten Netzwerkes der Ko- ordinierungszentren für Klinische Studien (KKSN), beim 1. KKSN- Symposium vom 13. bis 14. Sep- tember in Leipzig. So würden noch immer wirksame Therapien verspä- tet eingeführt oder unwirksame oder gar schädliche Verfahren zu spät eingestellt.

Nur selten werden nicht-kom- merzielle Projekte von der Pharma- industrie gesponsert, die besonders an Studien zur Entwicklung von Arzneimitteln mit großen potenziel- len Absatzmärkten interessiert ist.

Die nicht-kommerziellen klinischen Studien werden vorwiegend durch das Bundesforschungsministerium (BMBF), die Deutsche Forschungs- gemeinschaft und die Deutsche Krebshilfe gefördert. An sie appel- lierte Löffler, ein unbefristetes För- derprogramm für Einzelstudien im Regelverfahren zu etablieren. Die in den letzten Jahren entstandenen In- frastrukturen sollten ausgebaut und auf den außeruniversitären Bereich ausgeweitet werden.

Die Koordinierungszentren betreuen 543 Studien

Inzwischen gibt es an den deutschen Universitäten zwölf Koordinie- rungszentren für Klinische Studien, (KKS in Berlin, Dresden, Düssel- dorf, Freiburg, Halle, Heidelberg, Köln, Leipzig, Mainz, Marburg, Münster und Tübingen/Ulm); sechs davon mit pädiatrischem Modul.

Assoziiertes Mitglied des Netzwerks ist das Zentrum für Klinische Studi-

en Essen, fester Kooperationspart- ner ist das Studienzentrum der Deut- schen Gesellschaft für Chirurgie.

Die Zentren übernehmen die Stu- dienkonzeption und Biometrie, die Studienkoordination, das Daten- und Qualitätsmanagement, das Monitoring, Nebenwirkungsmeldun- gen sowie die Auswertung und Pu- blikation. Das KKSN betreut 543 Studien (Stand 2005); die meisten davon sind multizentrisch angelegt.

Durch das Netzwerk, interdiszi- plinäre Forschungsschwerpunkte sowie die Kompetenznetze in der Medizin gewinnt die nicht-kom- merzielle Forschung zunehmend an Bedeutung: Während die pharma-

zeutische Industrie von 1998 bis 2002 noch neunzig Prozent der kli- nischen Studien in Deutschland ini- tiierte (Industry Sponsored Trials), stieg in den letzten Jahren die Zahl von wissenschaftsinitiierten Studien (Investigator Initiated Trials) deut- lich. Ursächlich dafür sind nach Ex- pertenmeinung die Förderinitiativen des BMBF, zu denen unter anderen die Gründung der KKS 1998 gehör- te. Universitäten und Medizinische Fachgesellschaften liefern seitdem nicht mehr nur den fachlichen Input zu wissenschaftlichen Studien, son- dern können mithilfe des Netzwer- kes auch die notwendige Infrastruk- tur für Phase-II- und Phase-III-Stu- dien aufbauen. Erfolge sind bereits sichtbar: So konnte beispielsweise kürzlich die „Deutsche Studien- gruppe Tiefenhirnstimulation“ – aufbauend auf dem Kompetenznetz- werk Parkinson – mit einer multi- zentrischen, randomisierten, kon- trollierten Studie nachweisen, dass sich Motorik und Lebensqualität von Morbus-Parkinson-Patienten über die „Tiefe Hirnstimulation”

(Neuromodulation im N. subthala- micus) gegenüber der herkömmli- chen, rein medikamentösen Be- handlung signifikant verbessern las- sen (N Engl J Med 2006; 355).

„In der klinisch-hämatologischen Forschung ist Deutschland sogar weltweit führend“, hob Prof. Dr. med.

Volker Diehl, Köln, langjähriger Lei- ter des Kompentenznetzes Maligne Lymphome, hervor. Als ausschlagge- bend für die Aktivierung der klini- schen Forschung bei malignen Lym- phomen und Leukämien, deren Er- gebnisse die heutigen Behandlungs- standards wesentlich prägen, sieht er die Initiativen des BMBF an. Positiv bewertete Diehl auch erste Verträge mit Krankenkassen, beispielsweise den Vertrag mit den Ersatzkassen zur integrierten Versorgung bei Hodgkin- Lymphomen.

Als ernste Bedrohung für den Forschungsstandort Deutschland bezeichnete Diehl hingegen die No- velle des Arzneimittelgesetzes mit

„ihrer unsinnigen Bürokratie und ei- nem teutonischen Regulierungs- wahn“. Die Forderungen zur Be- richterstattung schwerer Nebenwir- kungen würden immer irrationaler

NICHT-KOMMERZIELLE KLINISCHE STUDIEN

Eine Frage des Geldes

Da der Bedarf an wissenschaftsinitiierten klinischen Studien steigt, schließen Koordinierungszentren geeignete Kooperationsformen mit der Industrie keineswegs aus.

Unabhängigkeit und Kooperation mit der Industrie schließen sich nicht unbedingt aus.

Prof. Dr. Markus Löffler

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 42⏐⏐20. Oktober 2006 A2757

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und bewirkten eine Desensibilisie- rung der Prüfärzte, anstatt ihnen Si- cherheit zu geben, klagte er. Zudem hätten sich durch die Novellierung des Arzneimittelgesetzes die Kosten für Investigator Initiated Trials ex- trem erhöht, sodass klinische For- schung kaum noch aus öffentlichen Mitteln finanziert werden könne.

Negativ sei ferner der zunehmende Konkurrenzkampf zwischen nieder- gelassenen Onkologen und Klini- kern. Wissenschaftsinstitute der Niedergelassenen bergen die Gefahr der Zersiedelung der deutschen Stu- dienlandschaft, warnte Diehl.

Unparteiischer Anwalt nicht-kommerzieller Studien

Obwohl das vom Bundesfor- schungsministerium und der Deut- schen Forschungsgemeinschaft ge- förderte Netzwerk als ein unpartei- ischer Anwalt nicht-kommerzieller Studien gilt, werden 221 Studien des KKSN auch von der Industrie gesponsert. „Unabhängigkeit und Kooperationen mit der Industrie schließen sich nicht unbedingt aus“, betonte Löffler. Oftmals sei nur so der gravierenden Unterfinanzierung der klinischen Studien durch die öf- fentlichen Einrichtungen zu begeg- nen. „Ohne die Industrie wären eini- ge Studien auf dem Gebiet der mali- gnen Lymphome nicht möglich ge- wesen, obwohl wir viel Geld von der Deutschen Krebshilfe erhalten haben“, betonte Diehl. Öffentliche Gelder seien oftmals „nur ein Trop- fen auf den heißen Stein“.

In der Tat sei eine gute Koopera- tion mit der Industrie möglich, meinte auch Dr. med. Christoph Sei- ler, Heidelberg, Ärztlicher Ge- schäftsführer des Studienzentrums der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Notwendig seien aller- dings etablierte Strukturen wie Stu- dienzentren oder Koordinierungs- zentren. Der Kliniker sei als einzel- ner Kooperationspartner nicht ge- eignet. Zu komplex seien mittler- weile die Anforderungen: Sämtliche Rechte und Pflichten müssten ver- traglich geregelt sein. Wie Verträge zwischen Klinikern und Industrie beschaffen sein müssen, um eine Kooperation „auf gleicher Augen- höhe“ zu ermöglichen, weiß Christi-

an von Dewitz. Prinzipiell stünde sogar einer Vollfinanzierung der Forschung an öffenlich-rechtlichen Einrichtungen durch die Industrie nichts im Wege, sagte der Leiter der Geschäftsstelle der Ethikkommissi- on beim Berliner Landesamt für Ge- sundheit und Soziales.

Große Sorgfalt müsse jedoch bei den zu schließenden Verträgen auf- gewendet werden, da entsprechen- de Vertragsklauseln die Forschungs- freiheit möglicherweise gefährden könnten. So seien die Rechte an den Arbeitsergebnissen, Erfindungen und Veröffentlichungen vertraglich exakt zu regeln. Dabei müsse gesi- chert werden, dass die universitären Forscher ihre Ergebnisse ohne in- teressengeleitete Beschränkungen der Industrie publizieren können.

„Ferner ist bei den Verträgen mit der Industrie immer darauf zu ach- ten, dass die Leistungen transparent und im Einzelnen aufgeschlüsselt dargelegt werden“, erklärte von Dewitz. Es müsse ersichtlich sein,

für welchen Posten welcher Betrag angesetzt sei. Ansonsten setze man sich leicht dem Vorwurf der Korruption oder Vorteilsannahme aus. Zuwendungen und Umsatz dürften keinesfalls miteinander ver- knüpft sein.

Genauer Beachtung bedürfen fer- ner die durch die Novelle des Arz- neimittelgesetzes von 2004 weitge- hend geänderten Vorschriften zur Durchführung klinischer Arzneimit- telprüfungen. Diese betreffen vor allem das Verhältnis zwischen fi- nanziellem und arzneimittelrechtli- chem Sponsor. So trägt bei Investi- gator Initiated Trials der Kliniker beziehungsweise seine Universität die Verantwortung für die Veranlas- sung, Finanzierung und Organisati- on der klinischen Prüfung des Arz- neimittels. Dies setzt die genaue Kenntnis der Rechtsvorschriften, die Einbeziehung der genehmigen- den Stellen sowie eine professionel- le Planung der Studie voraus. I Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

DÄ: Wo sehen Sie künftig den Bedarf an nicht-kommerziel- len klinischen Studien?

LLööfffflleerr::Wir sehen einen stark

wachsenden Bedarf an klini- schen Studien mit primärem Er- kenntnisinteresse, bei denen die Industrie nur geringes Engage- ment zeigen wird. Die aktuelle Diskussion zur Erstattungs- fähigkeit von Behandlungsleis- tungen durch die GKV zeigt, dass verstärkt Studien des bes- ten Evidenzgrades verlangt wer- den. Dies gilt für Arzneimittel, Medizinprodukte, physikalische sowie chirurgische Verfahren.

Im Bereich der regenerativen Medizin und der Diagnostik er- warten wir ebenfalls steigenden Studienbedarf, vor allem um den Stellenwert neuer molekularer und genetischer Markerprofile zu ermitteln. Dazu müssen die

Studienzentren weiter ausge- baut werden.

DÄ: Schließt die gewünschte Unabhängigkeit dieser Studi- en eine Kooperation mit der Industrie aus?

LLööfffflleerr:: Nein. Jedenfalls wün-

schen wir das nicht. Zunächst sollte man anerkennen, dass Studien unter industrieller Ver- antwortung im Arzneimittelbe- reich ganz wesentlich zum me- dizinischen Fortschritt beigetra- gen haben. Im nicht-kommerzi- ellen Bereich benötigen wir eine unabhängige Meinungsbildung über die Studienziele, die aktu- ellen Therapiestandards und die Fragestellungen einer Stu- die. Wir wünschen daher eine Kooperation mit der Industrie auf dem Niveau des gegenseiti- gen Respekts.

DÄ: Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit ei- ne Studie nicht als „industrie- verseucht“ gilt?

LLööfffflleerr::Es ist wichtig, ohne Be-

fangenheit zu diskutieren und die bestmögliche Studie zur Beant- wortung der offenen Fragen zu ersinnen und durchzuführen.Vor- aussetzung hierfür ist die geistige und materielle Unabhängigkeit der Studiengruppe. Dies bedeu- tet, dass im Studienleitgremium nur unabhängige Wissenschaftler vertreten sein dürfen, dass die öf- fentliche Finanzierung gesichert sein muss und dass Kooperati- onsvereinbarungen mit der Indus- trie aus „unrestricted grants“ be- stehen müssen, also keine Ein- flussnahme auf Studiendesign, Datenhoheit und Publikationen.

Foto:Universität Leipzig

3 FRAGEN AN…

Prof. Dr. Markus Löffler, Vorstandssprecher des Netzwerkes der Koordinierungszentren für Klinische Studien

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