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Archiv "Sexueller Kindesmissbrauch: Die Opferzahlen sind unverändert hoch" (09.05.2014)

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A 822 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 19

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9. Mai 2014

E

rneut macht die Odenwald- schule negative Schlagzeilen, nachdem bekannt wurde, dass ein – inzwischen entlassener – Lehrer im Besitz von Kinderpornografie war.

Einer der größten Missbrauchs- skandale wurde dort vor vier Jahren bekannt: Seit den 60er Jahren hat- ten Lehrer an der Schule mindes- tens 130 Schüler sexuell miss- braucht. Und auch der Fall Sebasti- an Edathys, dessen politische Kar- riere beendet scheint, weil er im In- ternet Fotos nackter Kinder gekauft hatte, zeigt, wie wichtig es ist, ge- nau hinzuschauen und nichts zu verharmlosen.

Wenig ermutigende Bilanz Es ist die Aufgabe des Unabhän - gigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung mit dem Finger auf solche Fälle zu zeigen. Das macht Johannes-Wilhelm Rörig, wie seine Vorgängerin Dr. Christine Bergmann, zusammen mit vielfälti- gen Aktivitäten seit Bekanntwer- den der Missbrauchsskandale 2010.

Und doch ist die Bilanz wenig er- mutigend: Sexueller Kindesmiss- brauch ist nicht rückläufig, und die Fallzahlen sind weiterhin hoch: Die polizeiliche Kriminalstatistik listet gegenwärtig etwa 12 500 entspre-

chende Strafverfahren auf; die Dun- kelziffer wird von Experten viel hö- her geschätzt. Darauf wies der Missbrauchsbeauftragte bei der Vorstellung seiner Agenda für die nächsten fünf Jahre vor der Presse in Berlin hin. Rörig forderte des- halb: „Das gesellschaftliche und politische Engagement muss deut- lich gesteigert werden.“

Zudem gebe es immer noch kei- ne ausreichende Infrastruktur für die Beratung von Betroffenen, kriti- sierte der Missbrauchsbeauftragte weiter. Insbesondere fehlten spe- zielle Beratungsstellen für von se- xueller Gewalt betroffene Jungen, Migranten und Menschen mit Be- hinderungen. Das Beratungsnetz müsse „dichter geknüpft“ werden.

Rörig will noch 2014 eine Studie über die konkreten Beratungsange- bote in den einzelnen Bundeslän- dern in Auftrag geben.

„Hilfen und Beratung müssen noch leichter zugänglich werden“, forderte Rörig. Ein großer Schritt in diese Richtung wurde im Juni 2013 mit dem Online-Portal www.hilfe portal-missbrauch.de gemacht, wo Betroffene, Angehörige und Fach- kräfte gezielt Beratungsangebote, Therapieplätze und Rechtsberatung bekommen können. In die Adress- datenbank haben sich mehr als 630

Ärzte und Psychotherapeuten sowie 103 Klinikambulanzen, die über Er- fahrung in der Therapie von Trau- matisierten verfügen, eingetragen.

Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung und die Bundespsychothera- peutenkammer hatten mehrfach da- zu aufgerufen. Ein Eintrag ist wei- terhin möglich unter www.datener fassung.hilfeportal-missbrauch.de.

Die Bundesländer forderte Rörig erneut auf, ihrer Verantwortung be- züglich des „Fonds sexueller Miss- brauch“ nachzukommen: „Die vom Runden Tisch beschlossenen 100 Millionen Euro sind bis heute nicht zustande gekommen.“ Zusätzlich zu den vom Bund eingezahlten 50 Millionen Euro habe einzig Meck- lenburg-Vorpommern seinen Anteil eingezahlt und Bayern die Einzah- lung zugesagt. „Die restlichen 14 Länder stehen in der Pflicht“, so Rörig. Aus dem Fonds können Be- troffene Sachleistungen für Hilfe und Beratung abrufen.

Auf Rörigs Agenda steht auch die Einrichtung eines Betroffenen- rates. „Betroffenen wurde lange kein Gehör geschenkt – das wollen wir ändern“, sagte er. Noch in 2014 sollen Betroffene ein Forum erhal- ten. Der Rat soll eigene Informati- ons- und Mitwirkungsrechte haben.

Kompetenzbereich Schule Außerdem soll künftig die Präventi- on an Schulen einen festen Platz ein- nehmen. „Schulen können Tatort sein, sollen aber Kompetenzbereiche werden“, sagte Rörig. In allen Schu- len sollen Fachkräfte in den kom- menden Jahren fortgebildet und El- tern besser informiert werden. Die Kinder sollen eine altersangemessene Aufklärung über Missbrauch erhal- ten, eingebettet in Gewaltprävention und begleitet von moderner Sexual- pädagogik. Dringend notwendig ist Rörig zufolge auch die Vermittlung von Medienkompetenz, gerade we- gen des zunehmenden Cyber-Groom - ings, also des gezielten Ansprechens von Heranwachsenden im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexuel-

ler Kontakte.

Petra Bühring

SEXUELLER KINDESMISSBRAUCH

Die Opferzahlen sind unverändert hoch

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung fordert deutlich mehr gesellschaftliches Engagement. Auf seiner Agenda stehen die Prävention an Schulen und die Einrichtung eines Betroffenenrates.

Wer unbefugt Bil- der von nackten Kinder macht und verbreitet, soll künftig bestraft werden. Die Ver- schärfung der Straf- rechtsnormen zur Kinderpornografie ist ein zentraler Punkt in einem Ge-

setzentwurf des Bundesjustizminis-

ters zur Neurege- lung des Sexual- strafrechts.

Foto: dpa

Das „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ hat die kostenfreie Rufnummer: 0800 22 55 53 0

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