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Archiv "Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen: Alle sind in der Pflicht" (29.09.1995)

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Am Rande der Konzertierten Aktion: Seehofer und Vilmar, sichtbar

gut gelaunt Foto: Marc Darchinger

POLI

idersprüchlich oder zumin- dest dissonant waren die Feststellungen von Bun- desgesundheitsminister Horst Seehofer vor Beginn des Ge- sundheitskonzerts in Weiß in Bonn.

Knapp eine Woche vor Beginn der Konzertierten Aktion sagte Seehofer im Bundestag anläßlich der Haus- haltsdebatte: „Trotz alarmierender Ausgabenentwicklung sind Beitrags- erhöhungen in der gesetzli-

chen Krankenversicherung bis auf weiteres, zumindest zu Jahresbeginn 1996, so gut wie ausgeschlossen."

Höhere Ausgaben, die mit Sicherheit zu erwarten sind, könnten die Kranken- kassen aus ihren Rückla- gen der letzten Jahre be- zahlen. In Krankenkassen- kreisen ist von thesaurier- ten Rücklagen von 19 Mil- liarden DM die Rede, ein Julius-Turm, der nach Mei- nung des Geschäftsführers der Ersatzkassenverbände, Dr. med. Eckart Fiedler, nicht ausreicht, um das ho- he Defizit allein des ersten

Halbjahres 1995 zu verkraften. Daß eine Finanzierungslücke im Jahr 1995 wahrscheinlich ist (nach dem Rekord- defizit von 1992 in Höhe von rund 11 Milliarden DM), darauf deuten die statistischen Gesamtergebnisse der Ausgabenentwicklung im ersten Halbjahr 1995 in der Krankenversi- cherung hin. Danach wiesen die

AKTUELL

Krankenkassen im ersten Halbjahr 1995 ein Gesamtdefizit von rund 5,4 Milliarden DM auf. Davon entfielen 4,2 Milliarden DM auf die Kranken- kassen in den alten und rund 1,2 Milli- arden DM in den neuen Ländern.

Die Leistungsausgaben der Krankenkassen stiegen in den alten Ländern gegenüber dem ersten Halb- jahr 1994 um 6,4 Prozent — bei einem Anstieg der Grundlohnsumme von

0,7 Prozent. In den neuen Ländern betrug der Ausgabenzuwachs 12,5 Prozent und der Zuwachs der bei- tragspflichtigen Einnahmen 1,8 Pro- zent.

Die Hälfte des aktuellen Defizits ist allerdings allein von der Bonner Regierungskoalition und der SPD- Opposition zu verantworten, die 1989

im parteienübergreifenden Beschluß das Rentenreformgesetz durchsetz- ten.

Weit über der B eitragsstabilitäts- marke und dem für das Wachstum der Krankenhausbudgets maßgeblichen Grundlohnanstieg lagen die Ausga- ben im Krankenhausbereich. Hier ist allerdings ebenfalls der Gesetzgeber für einen großen Teil der Grund- lohnüberschreitung verantwortlich („Löcher im Deckel"). Allein der Sektor ärztliche und zahnärztliche Behandlung, aber auch die Verwal- tungsausgaben der Krankenkassen liegen weitgehend im amtlichen Lot der Grundlohnentwicklung.

Zweistellige Zuwachsraten bei den Ausgaben im ersten Halbjahr 1995 verzeichnen die Sektoren Arz- neimittel, wiewohl die Ausgaben für Arzneimittel und Zahnersatz heute noch knapp unter den Werten des er- sten Halbjahres 1992 liegen.

Auch nach der Bonner Runde bleibt es ungewiß, ob es in einem ge- meinsamen Kraftakt der Leistungser- bringer gelingen wird, die Ausgaben der Krankenkassen in Schach und Proportion zu halten. Einige wichtige Streitpunkte sind in Bonn nicht ge- klärt oder ausgeklammert worden. So gehen die Krankenkassen denn auch davon aus, daß die Beitragsfront nach oben tendiert.

Auch wird jetzt schon in Exper- tenkreisen darüber spekuliert, ob die zum Teil konkreten Empfehlungen die Bindungskraft entwickeln wer- den, die ihnen in der Vergangenheit oftmals gefehlt hat. Bei früheren Runden der Konzertierten Aktion wurden ebenfalls mehr oder weniger Disziplin versprechende Vereinba- rungen formuliert, bindende Wirkung entfalteten diese jedoch nicht.

Der politische Druck ist um so größer, als zumindest die Koalition ihr Versprechen einhalten will, die Bud- getierung am 31. Dezember 1995 zu beenden. Die Konzertierte Aktion hat für alle Leistungsbereiche, mit Ausnahme der Arzneimittel, Emp- fehlungen beschlossen, die strikt die Beachtung der Grundlohnsummen- orientierung postulieren.

Die Konzertierte Aktion stimm- te einer Bundesempfehlung zur „an- gemessenen Veränderung der Ge- samtvergütung für die vertragsärztli-

Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen

Alle sind in der Pflicht

Die jüngste Plenarsitzung der Konzertierten Aktion hat alle Leistungserbringer im Ge- sundheitswesen darauf eingeschworen, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) im Jahr 1996 nicht stärker steigen zu lassen als die beitragspflichtigen Ein- nahmen (strikte Bindung der Ausgaben an die Entwicklung der Grundlohnsumme der Kas- sen). Der Anstieg der für die Einnahmenentwicklung maßgebenden Grundlohnsumme dürfte bei weniger als drei Prozent in West- und Ostdeutschland liegen. Bundesgesund- heitsminister Horst Seehofer hat Krankenkassen und Leistungserbringer wegen der „alar- mierenden" Ausgabenentwicklung in die Pflicht genommen, mit verbindlichen Empfeh- lungen zur Ausgabendisziplin beizutragen. Dies sei die „Nagelprobe" dafür, ob der Selbst- verwaltung mit der Gesundheitsstrukturreform Vorfahrt eingeräumt werden kann.

A-2536 (26) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 39, 29. September 1995

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POLITIK

che Versorgung" für den Zeitraum von 1996 bis zum 30. Juni 1997 zu. Ziel der Empfehlung ist es, die ab Januar 1996 wirksam werdende EBM-Re- form durch Rahmenbedingungen ab- zusichern, insbesondere durch die zu- sätzliche Bereitstellung von 600 Mil- lionen DM zur Finanzierung der hausärztlichen Grundvergütung.

Vertragsärzte

Grundsätzlich sollen sich die Ge- samtvergütungen um die durch- schnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder der Krankenkassen er- höhen. Basis für die Anpassung ist da- bei die Gesamtvergütung von 1995 — unter Einbeziehung von Änderun- gen, die sich durch das 4. Änderungs- gesetz zum SGB V noch 1995 ergeben können.

Um die ab Beginn des Jahres 1996 neu in den EBM aufgenomme- nen Leistungen (z.B. Streß-Echokar- diographie und otoakustische Emis- sionen, Lithotripsie von Harnsteinen u.a.) und den dadurch zusätzlich ein- tretenden Leistungsbedarf zu finan- zieren, sollen sich die Gesamtvergü- tungen um zusätzlich 0,55 Prozent er- höhen. Zusätzlich sollen die Gesamt- vergütungen um 0,45 Prozent erhöht werden, um eine angemessene Vergü- tung der ambulant durchführbaren Operationen zu gewährleisten und Strukturverzerrrungen ambulant/sta- tionär dadurch zu vermeiden.

Für den Fall, daß die hausärztli- che Grundvergütung nicht noch im Jahr 1995 durch eine SGB V-Ände- rung angehoben werden kann, sollen die Gesamtvergütungen 1996 um weitere zwei Prozent angehoben wer- den — zur Finanzierung der für die hausärztliche Vergütung notwendi- gen Summe und zur Anhebung der Vergütung für die Vertragsärzte in den neuen Ländern um 240 Millionen DM. Letztere Regelung soll für jene KVen gelten, in denen im zweiten Halbjahr 1995 der Anstieg der Arz- neimittelausgaben gegenüber dem ersten Halbjahr 1995 deutlich ge- senkt wird. Die Gesamtvergütungen für die vertragszahnärztliche Versor- gung im Jahr 1996 sollen ebenfalls im Limit des Fortschritts der Grund-

AKTUELL

lohnsumme bleiben. Kunststoff-Fül- lungen sollen durch Neubewertung im Bewertungsmaßstab in einer „ver- tretbaren Größenordnung" verein- bart werden. Weitere präventive Maßnahmen sollen in der Gruppen- und in der Individualprophylaxe aus- gebaut werden.

Hier soll vor allem die Mengen- komponente gezügelt werden, zumal die Steigerung der Preise an die Grundlohnentwicklung gebunden war. Die Budgetierung bei Heilmit- teln besteht auch nach 1995 fort. Den Vertragspartnern wird für 1996 emp- fohlen, keine jahresdurchschnittli- chen Preisveränderungen vorzuse- hen, die über der vorausgeschätzten Entwicklung der Grundlohnsumme liegen. In geänderten Heil- und Hilfs- mittelrichtlinien soll der Bundesaus- schuß der Ärzte und Krankenkassen die Verordnungsfähigkeit von Heil- und Hilfsmitteln konkretisieren (In- dikationskataloge, Wieder- und Fol- geverordnungen).

Vorgeschlagen wurden getrennte Budgets für Arznei- und Verbandmit- tel einerseits sowie Heilmittel ande- rerseits. Konsequenzen aus Budget- überschreitungen sollen nur dann ge- zogen werden, wenn die saldierten Ausgabenbegrenzungen für beide Bereiche überschritten wurden. Eine bedarfsgerechte Ausweitung der Be- handlungskapazitäten für Ergo- und Logopädie werden als notwendig er- achtet. Die Datentransparenz im Be- reich der Heil- und Hilfsmittel sollen ebenfalls wie im Arzneimittelbereich verbessert, aktualisiert und stärker differenziert werden. Die notwendi- gen Angaben sollen von den Kran- kenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen schneller zur Verfü- gung gestellt werden.

Für den Arzneimittelbereich ha- ben die Krankenkassen erneut ver- sprochen, den KVen für die Pharma- kotherapieberatung geeignete Daten der Apothekenabrechnung zur Verfü- gung zu stellen. Ab 1997 sollen arznei- mittelgruppenbezogene Richtgrößen eingeführt werden. Konsequent fort- geführt werden soll die Ermittlung von indikations- beziehungsweise stoffgruppenbezogenen Richtgrößen.

Der Grundsatz „Beratung vor Re- greß" soll im Prüfungswesen stärker beachtet werden.

Die hohen Ausgabensteige- rungsraten im Bereich der Notfallret- tung und des Krankentransports und das erneute zweistellige Ausgaben- wachstum im ersten Halbjahr 1995 soll drastisch zurückgefahren werden.

Die Ausgaben der GKV für Ret- tungsdienst und Fahrkosten sollen maximal bis zum Limit des Grund- lohnanstiegs steigen dürfen.

Eine Kurbedürftigkeit soll be- darfsgerechter und differenzierter festgestellt werden. Der Medizinische Dienst soll den Ärzten konkrete Ent- scheidungshilfen an die Hand geben.

Die Begutachtungsanleitungen und Vordrucke sollen überarbeitet wer- den. Medizinische Kriterien für die Anschlußheilbehandlung müßten sorgfältiger als bisher beachtet wer- den. Regelmäßig soll der MDK der Kassen vor der Genehmigung von Vorsorge- und Rehamaßnahmen ein- geschaltet werden. Die Krankenkas- sen sollten sich bei der Bewilligung sehr zurückhalten.

Stationärer Sektor

Der in § 6 der novellierten Bun- despflegesatzverordnung '95 veran- kerte Grundsatz der Beitragssatzsta- bilität soll sowohl im Hinblick auf das einzelne Krankenhaus als auch für die gesamten Ausgaben der Kassen für die Krankenhausbehandlung beachtet werden. Im Bereich der Fallpauscha- len und Sonderentgelte sollen sich die Punktwerterhöhungen an der Grund- lohnentwicklung orientieren. Bei der Umstellung des Pauschalsystems auf die leistungsorientierten Entgeltfor- men müsse der Mengenausweitung entgegengesteuert werden.

Die Konzertierte Aktion drängt darauf, daß der Komplex der Instand- haltungsinvestitionen der Kranken- häuser nach zweieinhalb gesetzgebe- rischem Handlungsbedarf per Gesetz unverzüglich geklärt wird. Die Kran- kenhäuser reklamieren einen Investi- tionsrückstau in diesem Bereich von mehr als zwei Milliarden DM. Zudem soll das Mischsystem von Pauschal- und Pflegesätzen und Leistungsent- gelten nach der Umstellungsphase möglichst zügig auf flächendeckende leistungsbezogene Vergütungen um- gestellt werden. Dr. Harald Clade Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 39, 29. September 1995 (27) A-2537

Referenzen

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