S C H W E I Z E R Z E I T S C H R I F T F Ü R O B S T- U N D W E I N B A U 1 8 / 1 5 15 K U R Z - I N F O
Zu beachten beim Jahrgang 2015 Nur gesunde, reife Trauben ergeben ei- nen guten Wein. Das ist sicher richtig, aber selbst unter besten Voraussetzun- gen darf die Weinbereitung nicht unter- schätzt werden. In der letzten SZOW (S. 15/16) habe ich darauf hingewiesen, welche Bedeutung die Hefeselektion bei einem Jahrgang wie 2015 hat, damit die hohe Qualität des Traubenguts erhalten
bleibt. Die Prognose, dass 2015 hohe Zuckergehalte, tiefe Säure- werte und damit hohe pH-Werte zu erwarten sind, hat sich beim aktuellen Wetterverlauf bestätigt. Die pH-Werte im Traubensaft werden bis zur Ernte in vielen Fällen die magische Grenze von 3.4 bis 3.5 überschreiten, das heisst, die Vermehrung unerwünschter Milchsäurebakterien wie Pediococcen (Lindton, biogene Amine, erhöhte Milchsäure, auch D-Lactat) sowie Lactobacillen (Essig- säure bis 5 g/L, biogene Amine, erhöhte Milchsäure, auch D- Lactat, Mannitstich und Mäuselton) wird nicht mehr unterdrückt
Säuremanagement
In jedem Fall kann durch die (erlaubte) Zugabe von Weinsäure (1.5 g/L) in den Traubensaft der pH-Wert um 0.2 bis 0.3 Einhei- ten gesenkt werden; der gleiche Effekt wird erzielt, wenn der Traubensaft mit Lalvin W15 vergoren wird.
Gemäss Wolfgang Renner in «Haidegger Perspektiven»
(3/2010) hat bei der chemischen Ansäuerung Weinsäure die bes- te Wirkung. Weine, bei denen der Traubensaft mit Äpfelsäure oder Milchsäure angesäuert wurde, wurden sensorisch saurer wahrgenommen als Varianten, die mit Weinsäure oder Zitro- nensäure behandelt waren. Ansäuerung mit Milchsäure führt nicht zu einem milch- oder joghurtartigen Aroma. Es wird da- rauf hingewiesen, dass sowohl Zitronensäure als auch Äpfelsäu- re durch Mikroorganismen verändert werden können. Wein- säure fällt in der Kälte als Weinstein aus; Milchsäure ist sowohl mikrobiologisch als auch physikalisch stabil.
Traubenreifemessungen vom 25. August 2015, Stäfa und Wädenswil.
Rebsorte °Oechsle pH- Titrierbare Weinsäure Äpfelsäure Formol Glucose Fructose Wert Ges.säure g/L g/L g /L g/L g/L g/L Müller-Thurgau 67.3 3.11 10.1 6.4 4.3 6.9 78.9 80.2 Räuschling 61.2 3.06 13.9 7.9 6.3 19.6 60.7 62.8 Chardonnay 66.8 2.98 15.3 8.2 7.8 17.4 72.7 66.8 Pinot gris 69.8 2.85 12.6 9.2 3.6 14.6 76.9 75.4 Pinot blanc 67.7 2.78 16.6 9.3 7.2 15.4 70.1 68.3 Solaris 94.2 2.92 10.9 9.1 2.0 10.1 100.2 112.6 Blauburgunder 69.2 2.91 15.9 8.3 7.9 12.1 75.6 72.6 Regent 76.5 2.95 18.5 11.1 7.3 7.6 86.9 88.7
Eine gleichzeitige Beimpfung mit Oenococcus oeniBakte- rien-Starterkulturen und Reinzuchthefen wird 2015 bei Weiss- weinen empfohlen, damit unerwünschte Milchsäurebakterien weniger eine Chance haben. Für eine generelle Empfehlung zur Simultanbeimpfung von Rotweinmaischen fehlt noch die Er- fahrung.
Alkoholische Gärung
Die Zuckergehalte der Trauben werden bis zur Ernte 2015 sicher noch ansteigen. Alle Weinhefen der Art Saccharomyces cerevisiae sind glucophil, das heisst sie verwerten bevorzugt die Glukose und lassen die Fruktose «liegen». Sobald das Fruktose/Glukose- Verhältnis unter 0.1 zu liegen kommt, machen alle herkömmli- chen Trockenreinzuchthefen «schlapp» (Gärstockung). Eine Reinzuchthefe – die 1895C – kommt sogar mit diesen Bedingun- gen zurecht und vergärt den Zucker weiter, selbst unter er- schwerten Bedingungen, wie sie 2015 vorliegen dürften.
Hefenährstoff
Die Formolzahl im Traubensaft darf nicht unter 10 g/L liegen.
Nährstoff (z.B. Fermaid) erst nach dem Hefeeinsatz dazugeben, weil sonst auch unerwünschte Hefen vom Nährstoffzusatz pro- fitieren! Die Hilfen bei der Rehydratisierung der Trockenhefen (z.B. Go Ferm) müssen beim Rehydratisierungsansatz der Hefen hinzugefügt werden. Jürg Gafner, Agroscope ■
Arbeiten im Keller
Mit Pflanzenschutzmitteln behandelte Reben …
… und unbehandelte Weinstöcke (Kontrolle).
(Fotos: Andreas Bühlmann, Agroscope)