S C H W E I Z E R Z E I T S C H R I F T F Ü R O B S T- U N D W E I N B A U 2 0 / 1 5
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K U R Z - I N F O
Hervorragendes Traubengut
Die andauernde Schönwetterlage erlaubte den Winzern, mit der Ernte bis zur optimalen Lesereife zu warten. Die Traubenquali- tät wird mit Superlativen bedacht. Selbst der Kirschessigfliege (KEF) war es diese Saison zu trocken und zu heiss. Sie wurde ih- rem Gattungsnamen Drosophilagerecht. Er bedeutet feuchtig- keitsliebend und feucht war es diesen Sommer definitiv nicht.
Die frühe Lese hat wohl dazu beigetragen, dass die KEF nicht da- zu kam, Eier in die Trauben abzulegen. Ausserdem sind die Bee- renhäute etwas dicker als 2014. Nur in Dornfelder Parzellen wur- de über KEF-Befall und Schäden berichtet. Es gibt Betriebe, die kleine Erträge verzeichnen. Einige von ihnen sind von der nega- tiven Wirkung des Pflanzenschutzmittels «Moon Privilege» be- troffen.
Auffälligkeiten beim Jahrgang 2015
Die Äpfelsäurewerte sind vom 25. August bis 15. September 2015 um den Faktor zwei bis drei zurückgegangen (Tab.). So drasti- sche Abnahmen werden sonst nur in trocken-heissen Weinbau- gebieten beobachtet, aber beide Bedingungen waren 2015 auch bei uns erfüllt. Als Beispiel soll der Weinbau auf der griechischen Insel Santorini dienen: Die Traubensäfte dort weisen keine Äp- felsäure auf. Woher kommt das?
Sobald die Traube unter Trocken- und Hitzestress gerät, beginnt sie aus Äpfelsäure Energie zu gewinnen. Dieser Mechanismus heisst Gluconeogenese; dabei wird die Äpfelsäure aus dem Zitronensäurezyklus in einer Art «Kurzschluss» in Pyruvat um- gewandelt und daraus via «rückwärts laufende Glykolyse»
Glucose gebildet. Deutlich wird dieses Phänomen bei Solaris (in der Tabelle unterstichen), bei dem die Äpfelsäure ganz abgebaut wurde. Wenn also der biologische Säureabbau (BSA) nicht in Gang kommt, unbedingt die Äpfelsäure messen! Es kann sein, dass nur wenig oder gar keine mehr vorhanden ist.
BSA nie stoppen!
Ein BSA darf zur Säureregulierung nicht unterbrochen werden, denn daraus resultieren Fehlaromen wie «laktisch», «Joghurt»
und «Sauerkrautwasser». Es gilt die Regel: Wenn ein «partieller BSA» angestrebt wird, dann muss ein Teil des Weins stabilisiert werden, der Rest muss den kompletten BSA durchlaufen.
Weitere positive Aspekte
Trotz reifer Trauben, hoher Zuckergehalte und zum Teil tiefen Äpfelsäurewerten liegen die pH-Werte unter 3.4, d.h. im «grü- nen Bereich». Die unerwünschten Milchsäurebakterien (Pedio- coccen und Lactobacillen) werden also kaum zur Gefahr und es ergeben sich demzufolge nicht die gleichen schwierigen Bedin- gungen wie 2003. Und noch eine positive Meldung: Aufgrund der tiefen pH-Werte entfaltet die schweflige Säure eine bessere Wirkung in Saft, Most und Wein. Jürg Gafner, Agroscope ■
Traubenreifemessungen vom 25. August und 15. September 2015, Stäfa und Wädenswil.
(Daten: Spezialanalytik Agroscope, Wädenswil) 25. August / 15. September
Rebsorte °Oechsle pH-Werte Titrierbare Weinsäure Äpfelsäure Formol Glukose Fruktose
Ges.säure g/L g/L g/L g/L g/L g/L
Müller-Thurgau 67.3 / 83.3 3.11 / 3.31 10.1 / 5.9 6.4 / 4.1 4.3 / 1.9 6.9 / 7.4 78.9 / 102.8 80.2 / 108.7 Räuschling 61.2 / 83.0 3.06 / 3.27 13.9 / 8.1 7.9 / 5.6 6.3 / 3.0 19.6 / 19.3 60.7 / 95.3 62.8 / 100.3 Chardonnay 66.8 / 93.0 2.98 / 3.22 15.3 / 8.6 8.2 / 5.7 7.8 / 2.8 17.4 / 17.1 72.7 / 108.1 66.8 / 111.0 Pinot gris 69.8 / 97.6 2.85 / 2.98 12.6 /8.4 9.2 / 6.8 3.6 / 1.4 14.6 / 12.5 76.9 / 114.9 75.4 / 120.8 Pinot blanc 67.7 / 92.6 2.78 / 2.97 16.6 / 10.0 9.3 / 7.4 7.2 /2.5 15.4 / 15.8 70.1 / 103.6 68.3 / 110.3 Solaris 94.2 / 114.6 2.92 / 3.11 10.9 / 7.9 9.1 / 7.3 2.0 / 0.1 10.1 / 11.5 100.2 / 108.9 112.6 / 145.7 Blauburgunder 69.2 / 93.8 2.91 / 3.13 15.9 /8.4 8.3 / 4.9 7.9 / 3.6 12.1 / 13.3 75.6 / 117.8 72.6 / 116.2 Regent 76.5 / 85.3 2.95 / 3.06 18.5 / 9.0 11.1 / 5.7 7.3 / 3.6 7.6 / 7.1 86.9 / 101.1 88.7 / 104.2
Die reifen Trauben auf Santorini enthalten keine Äpfelsäure mehr. Man beachte das handgeflochtene Rebenholz, eine Massnahme zur Verhinderung von Sonnenbrand und zur best- möglichen Wasserversorgung (meist Tau).
Arbeiten im Keller