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Archiv "Europäischer Kardiologenkongress: Präventionsprogramme und Leitlinien werden nicht genügend umgesetzt" (12.09.2003)

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twa 70 Prozent der Deutschen ha- ben Cholesterinwerte, die über den europäischen Empfehlungen von 5,0 mmol/l (190 mg/dl) liegen, 20 Pro- zent sind adipös und 3,5 Millionen als Typ-2-Diabetiker erkannt. Und obwohl die Fraktion der Nichtraucher europa- weit an Boden gewinnt, ist von diesem gesundheitsbewussten Trend in Deutsch- land wenig zu spüren. Hier rauchen im- mer noch 35 Prozent der Bevölkerung (EU-Durchschnitt: 30 Prozent). Diese aktuellen Daten zur Prävalenz von Risi- kofaktoren, die auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardio- logie (ESC) in Wien vorgestellt worden sind, bestätigen, dass die jahrelangen Bemühungen zur Prävention von Herz- Kreislauf-Erkrankungen weitgehend gescheitert sind.

Dieses Eingeständnis machte auch Prof. Guy de Backer (Universität Gent) mit den Worten: „Wir haben den Kampf gegen die Fast-Food-Industrie verlo- ren“ und „Prävention ist eben nicht so sexy wie die Therapie“. Dabei mangelt es weder an Aufklärungskampagnen für die Bevölkerung noch an Leitlinien und Empfehlungen für die Ärzte: Es man- gelt ausschließlich an ihrer Umsetzung.

Deshalb hatte die ESC dem „therapie- resistenten“ Thema Prävention in Wien einen besonderen Stellenwert einge- räumt – ohne jedoch bisherige Strategi- en zu ändern. Und so wurden wiederum Leitlinien vorgestellt, die die Prä- vention endlich vorantreiben sollen.

Neu daran ist, dass die Leitlinien nicht mehr speziell auf die Vorbeugung von Koronarerkrankungen, sondern von Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt (also auch von Gefäßerkrankungen und Schlaganfall) gerichtet sind. Verschärft wurden die Zielwerte von Risikofakto- ren: So soll der Blutdruck zuverlässig un-

ter 140 zu 90 mm Hg, das Gesamtchole- sterin unter 190 mg/dl und das LDL- Cholesterin unter 115 mg/dl liegen. Mit dem „SCORE-Schema“ liegt nun auch von der ESC ein Algorithmus vor, mit dem jede Person ihre statistische Wahr- scheinlichkeit errechnen kann, aufgrund ihres Gesamtrisikos in den nächsten

zehn Jahren ein kardiovaskuläres Ereig- nis zu erleiden (www.escardio.org). Um die Effektivität der eingeleiteten Maß- nahmen zu überprüfen, kündigte die ESC in Wien gleichzeitig das Projekt

„EuroAction“ an, mit dem die Pra- xistauglichkeit der empfohlenen Prä- ventionsmaßnahmen evaluiert wird.

„Denn“, so de Backer, „die Ärzte sehen Patienten und keine Risikofaktoren.“

Eine Primärpräventionsstrategie aus der Sicht des Gesundheitsökonomen hat Prof. Karl Lauterbach (Köln) in Wien präsentiert. Auf einem Satelliten- symposium, das vom Unternehmen Unilever Bestfoods veranstaltet wor- den war, präsentierte der „Regierungs- berater“ eine Kosten-Nutzen-Analyse

seines Instituts zum Verzehr von Mar- garine mit Phytosterinestern (Becel® pro·activ). Die Modellrechnung ergab, dass sich in Deutschland innerhalb von zehn Jahren 117 000 KHK-Fälle ver- meiden – und für das Gesundheitssy- stem 1,3 Milliarden Euro einsparen – ließen, wenn Risikopersonen ihre Ernährung auf entsprechende Margari- ne-Produkte umstellen würden.

Diese Reduktion wurde mittels einer Metaanalyse von zehn randomisierten, kontrollierten Unilever-Studien quanti- fiziert. Repräsentative Daten über KHK- Risikofaktoren der deutschen Bevölke- rung wurden dem Bundesgesundheits- survey 1998 entnommen. Anschließend wurde mithilfe der Framingham-Ri- siko-Formel für eine geeignete Teilpo- pulation die Wahrscheinlichkeit ge- schätzt, innerhalb von zehn Jahren ein KHK-Ereignis zu entwickeln. Die ge- schätzten Risiken wurden gemäß einem Markov-Modell in eingesparte Kosten aus der Perspektive der Krankenkas- sen umgerechnet. „Dabei wurden jähr- liche KHK-Kosten von durchschnittlich 3 000 Euro pro Fall veranschlagt“, so Lauterbach.

Chronische Herzinsuffizienz

Etwa 14 Millionen Menschen leiden in Europa an chronischer Herzinsuffizi- enz. Ohne Behandlung sterben 75 Pro- zent der Männer und 62 Prozent der Frauen innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose an den Folgen. Obwohl die Überlebensraten damit niedriger sind als bei den meisten Krebserkrankun- gen, betrachten mehr als 70 Prozent der Teilnehmer einer europäischen Umfra- ge die chronische Herzinsuffizienz nicht als „ernsthafte Erkrankung“. Auch bei P O L I T I K

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A2348 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3712. September 2003

Europäischer Kardiologenkongress

Präventionsprogramme und Leitlinien werden nicht genügend umgesetzt

Defizite der Prävention waren zentrales Thema auf dem ESC-Kongress in Wien. Neue Arzneimittelstudien belegen Prognoseverbesserungen bei „add-on“-Therapien.

Medizinreport

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den Ärzten gibt es laut SHAPE (Study group on Heart failure Awareness and Perception in Europe) Defizite: Ob- wohl nachgewiesen wurde, dass mo- derne Arzneimittel die Mortalität und die Progression der Erkrankung deut- lich reduzieren, werden diese Kennt- nisse im Praxisalltag nicht genügend umgesetzt.

Nur 57 Prozent der deutschen Allge- meinmediziner starten die Therapie mit einem ACE-Hemmer; Betablocker und Aldosteronantagonisten kommen noch seltener zum Einsatz (26 respektive fünf Prozent). „Nach dieser Umfrage erhalten Herzinsuffizienz-Patienten kei- ne optimale Behandlung“, kritisierte Prof. Willem Remme (Rotterdam): „Es besteht dringender Handlungsbedarf, zumal die Prävalenz der Herzinsuffizi- enz aufgrund des zunehmenden Be- völkerungsalters und der verbesserten Überlebensrate von Patienten mit Myo- kardinfarkt weiterhin steigt.“

Ob Angiotensin-II-Antagonisten bei chronischer Herzinsuffizienz aufgrund ihres neuen Wirkprinzips – als Alternati- ve zum ACE-Hemmer oder mit ihm kombiniert – zu einer weiteren Morta- litätsreduktion führen, war die Frage- stellung der CHARM-Studie (Cande- sartan in Heart Failure: Assessment of Reduction in Mortality). Die Untersu- chung, die 7 601 Patienten mit sympto- matischer Herzinsuffizienz einschloss, wurde an 618 Orten in 26 Ländern durchgeführt. Nach einer mittleren Be- obachtungszeit von 38 Monaten verrin-

gerte sich die Zahl der Krankenhaus- einweisungen unter Candesartan-The- rapie um 21 Prozent und die kardiovas- kuläre Mortalität um zwölf Prozent.

Einen unerwarteten Effekt hatte die Behandlung auf das Risiko, einen Dia- betes zu entwickeln: Es wurde in der Ve- rumgruppe um 22 Prozent verringert.

„Diese Ergebnisse waren unabhängig davon, ob die Patienten wegen einer Unverträglichkeit keinen ACE-Hem- mer erhielten (Studienarm CHARM- Alternative), ob sie konventionell mit ACE-Hemmern und Betablockern be- handelt wurden (CHARM-Added) oder ob sie eine linksventrikuläre Ejektions- fraktion unter 40 Prozent (CHARM- Preserved) oder darüber hatten“, erläu- terte Prof. Karl Swedberg (Göteburg) und verwies auf die Detail-Ergebnisse der einzelnen Studienarme:

In CHARM-Alternative betrug die Risikoreduktion in der Candesartan- Gruppe 23 Prozent in Bezug auf den primären Endpunkt; in CHARM-Added 15 Prozent. Auch Patienten mit erhalte- ner Ventrikelfunktion (CHARM-Pre- served), die bisher von Studien zur The- rapie der Herzinsuffizienz ausgeschlos- sen waren, profitierten von der Can- desartan-Therapie (Risikoreduktion elf Prozent; Hospitalisierungsrate minus 15 Prozent). Studienleiter Prof. Marc Pfeffer (Boston) kommentierte die Er- gebnisse: „Candesartan kann bei allen Herzinsuffizienz-Patienten eingesetzt werden, unabhängig von Ejektionsfrak- tion, Alter und Geschlecht – und unab-

hängig von der Art der Standardthera- pie.“ Der Nutzen des Sartans war sogar größer, wenn die Patienten mit Beta- blockern und ACE-Hemmern kombi- niert behandelt wurden, als mit einer ACE-Hemmer-Monotherapie. Daher wurde in Wien bereits spekuliert, dass die Leitlinien zur Therapie der stabilen Herzinsuffizienz aufgrund der Ergeb- nisse von CHARM wohl geändert wer- den müssen.

Perindopril wirkt auch bei KHK ohne Begleiterkrankungen

Zuletzt hat die HOPE-Studie (Heart Outcomes Prevention Evaluation) ge- zeigt, dass KHK-Patienten mit Begleit- erkrankung – wie Hypertonie, Diabe- tes oder Niereninsuffizienz – ihre Pro- gnose verbessern, wenn die medika- mentöse Behandlung einen ACE-Hem- mer einschließt. Dass dies auch für KHK-Patienten ohne Begleiterkran- kungen gilt, hat nun die EUROPA- Studie (EURopean trial On reduction of cardiovascular risk with Perindopril in stable coronary Artery disease) mit dem ACE-Hemmer Perindopril (8 mg/Tag) bewiesen. Mit 12 218 Teil- nehmern ist sie die größte Untersu- chung zur Prävention von Patienten mit stabiler KHK.

Obwohl die Probanden eine Stan- dardtherapie mit Substanzen erhielten, für die allein eine Verbesserung der Prognose als gesichert gilt, wirkte sich die „add-on“-Therapie mit Perindopril im Verlauf der Beobachtungszeit (Mit- tel: 4,2 Jahre) positiv auf den primä- ren, kombinierten Studienendpunkt aus (kardiovaskulär bedingter Tod, Myo- kardinfarkt, Herzstillstand). Bei den Teilnehmern der Verumgruppe betrug die Inzidenz acht Prozent, in der Place- bogruppe 9,9 Prozent (relative Risi- koreduktion 20 Prozent). „Um ein kar- diovaskuläres Ereignis zu verhindern, müssen demnach 50 KHK-Patienten vier Jahre lang mit Perindopril behan- delt werden“, resümierte Studienleiter Prof. Kim Fox (London).

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

Candesartan: Atacand®(Astra Zeneca) Blopress®(Takeda) Perindopril: Coversum Cor®(Servier) Tirofiban: Aggrastat® (MSD) P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3712. September 2003 AA2349

Tirofiban bei Herzinfarkt: je früher, je besser

Bei Infarktpatienten, die bereits im Notarztwagen eine Begleittherapie mit dem Thrombozytenaggregationshemmer Tirofiban erhalten, beobachtet man häufi- ger offene Infarktarterien als bei Patienten, die den Glykoprotein-IIb/IIIa-Re- zeptor-Antagonisten erst in der Klinik während der Koronarangioplastie erhal- ten. „Die frühzeitige Infusion von Tirofiban schafft bessere Voraussetzungen für die nachfolgende Reperfusionstherapie“, kommentiert Prof. Arnoud van’t Hof (Zwolle; Niederlande) die Ergebnisse der ON-TIME-Studie (ONgoing Tirofi- ban Infarction Evaluation), an der 507 Infarktpatienten teilnahmen. Die 251 Patienten, die Tirofiban bereits im Notarztwagen erhalten hatten, wiesen in den betroffenen Koronarien nicht nur bessere Durchflussraten, sondern auch weni- ger Thromben auf als die 256 Patienten, die den Wirkstoff erst im Katheterlabor verabreicht bekommen hatten. Tirofiban bindet kompetitiv an den Glykopro- tein-IIb/IIIa-Rezeptor der Thrombozyten und hemmt somit die Bindung von Fi- brinogen an die Blutplättchen-Thrombozyten und damit deren Quervernetzung

(Thrombozytenaggregation). zyl

Referenzen

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