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Streit um Entziehung der Fahrerlaubnis

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Academic year: 2022

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VG München, Urteil v. 15.03.2017 – M 6 K 16.4214 Titel:

Streit um Entziehung der Fahrerlaubnis Normenketten:

FeV § 11 Abs. 7, § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 10 VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

StPO § 111a ZPO § 711 Leitsatz:

Die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs verlangt danach, einen Fahrerlaubnisinhaber, der sich als fahrungeeignet erwiesen hat, so lange von der aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeugs auszuschließen, bis er den positiven Nachweis der Wiedererlangung seiner Fahreignung erbracht hat. Es ist demgegenüber nicht hinzunehmen, einem Fahrerlaubnisinhaber bis zum Abschluss des Nachweises seiner einjährigen Abstinenz und nachfolgend noch für die Zeitdauer zur Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens seine Fahrerlaubnis zu belassen und ihm damit eine weitere Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu ermöglichen, wenn er selbst seine

Fahrungeeignetheit zuvor unter Beweis gestellt hat. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, fahrungeeignete Kraftfahrzeugführer vom öffentlichen Straßenverkehr bis zum Nachweis ihrer Fahreignung auszuschließen

Schlagworte:

Entziehung der Fahrerlaubnis, Klasse B und Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, Gelegentlicher Konsum von Khat im Heimatland, Äthiopien, „Verfahrensrechtliche, Einjahresfrist“ noch nicht abgelaufen, Angeblicher Drogenverzicht über mindestens sechs Monate, Anwendung der Beurteilungskriterien durch Fahrerlaubnisbehörde

Rechtsmittelinstanz:

VGH München, Urteil vom 22.08.2017 – 11 BV 17.891  

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand 1

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S und seiner Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung.

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Am … November 2015 reiste der Kläger auf dem Luftweg aus Äthiopien kommend mit 270 Gramm Khat im Reisegepäck in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein.

3

Im Rahmen einer vom Landratsamt München als Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten deswegen geforderten ärztlichen Fahreignungsbegutachtung gab der Kläger am … Mai 2016 gegenüber der Begutachtungsstelle … GmbH … an, zuletzt im Oktober 2015 im Urlaub in Äthiopien Khat konsumiert zu

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haben. Auf die Frage, wie dort der Gebrauch (von Khat) sei, antwortete er: „Das ist dort normal, wie wenn in Deutschland die Erwachsenen Kaffee oder schwarzen Tee trinken, das ist keine Droge“. Die … GmbH kam in dem Gutachten zum Ergebnis, dass der Kläger kein Khat mehr einnehme. Er habe gelegentlich Khat eingenommen im Zeitraum bis Oktober 2015 und nur bei Aufenthalten in seinem Heimatland Äthiopien (vgl.

insbesondere auf den Seiten 4 und 8 des Gutachtens vom …7.2016 - Versandtag; Bl. 52 der Behördenakte).

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Daraufhin entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger mit Bescheid vom 8. September 2016 die

Fahrerlaubnis aller Klassen und die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn zur Abgabe seines Führerscheins und des Fahrgastbeförderungsscheins binnen 7 Tagen nach

Zustellung des Bescheids auf (Nr. 2), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,-- EUR an (Nr. 3) und ordnete in Nr. 4 des Bescheids die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an. Nr. 5 des Bescheids enthält Festsetzungen zu den Kosten des

Verwaltungsverfahrens.

5

Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 FeV begründete die Behörde mit der

Fahrungeeignetheit des Klägers nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV wegen des eingeräumten Konsums von Khat, das bzw. dessen Wirkstoff Cathinon in Deutschland schon seit mehreren Jahren dem

Betäubungsmittelgesetz unterliege.

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Dieser Bescheid wurde dem Kläger am … September 2016 und seinem damaligen Bevollmächtigten am 15.

September 2016 zugestellt.

7

Mit Schriftsatz vom 15. September 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München per Telefax eingegangen am selben Tag, erhob die Bevollmächtigte des Klägers für diesen Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 8. September 2016 aufzuheben und beantragte außerdem, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung des sofortigen Entzugs der Fahrerlaubnis aller Klassen und der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sowie gegen die Aufforderung, den Führerschein und den

Fahrgastbeförderungsschein abzugeben, anzuordnen bzw. wiederherzustellen (M 6 S. 16.4216).

8

Der Kläger sei äthiopischer Staatsangehöriger und lebe seit Jahren in Deutschland. Er bestreite seinen Lebensunterhalt als …fahrer. Selbst wenn er den mehrfachen Konsum von Khat bis Oktober 2015 eingeräumt haben würde, so habe sich dies lediglich auf Äthiopien bezogen, wo deutsche Gesetze nicht gelten würden. Ein solcher Vortrag wäre auch nur verwertbar, wenn eine ordnungsgemäße Belehrung stattgefunden hätte. Angesichts des nachgewiesenen Nichtkonsums in Deutschland und der aus einem Entzug entstehenden wirtschaftlichen Katastrophe für den Kläger und seine Familie überwiege das private Interesse am Fortbestand der Fahrerlaubnis gegenüber einem öffentlichen Interesse. Seit dem letzten Konsum im Oktober 2015 sei der Kläger ordnungsgemäß in der Personenbeförderung tätig gewesen.

9

Mit weiterem Schriftsatz vom 26. September 2016 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers, diesem für das Klage- und Antragsverfahren Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung zu bewilligen.

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Der Beklagte legte mit Schriftsatz vom 26. September 2016 seine Akte vor und beantragte, die Klage abzuweisen.

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Der Kläger könne nicht als …fahrer arbeiten, weil er lediglich eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit Mietwagen besitze. An seiner Angabe, bis Oktober 2015 in Äthiopien Khat konsumiert zu haben, müsse er sich festhalten lassen. Bereits der einmalige Konsum schließe unabhängig vom Ort der Einnahme regelmäßig die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus.

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Die Bevollmächtigte des Klägers legte im weiteren Verlauf zwei Endbefunde des … Labor … … vom … Oktober 2016 und vom … November 2016 jeweils an „Hausarzt M. L.“ mit jeweils einem im Urin negativen Untersuchungsergebnis auf Amphetamine vor (Schriftsätze vom …10.2016 und …11.2016). Außerdem führte sie mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2016 ergänzend insbesondere noch aus, dass sich aus dem Untersuchungsbericht vom … Oktober 2016 die „vollständige Drogenfreiheit“ des Klägers über mindestens ein Jahr seit Oktober 2015 ergebe, er aber tatsächlich den Urlaub 2014 gemeint habe. Es habe sich um ein sprachliches Missverständnis gehandelt.

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Am 18. November 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

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Das Gericht lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren mit Beschluss vom 21. November 2016 ab.

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Mit Beschluss ebenfalls vom 21. November 2016 lehnte das Gericht im Verfahren M 6 S. 16.4216 den diesbezüglichen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Nr. I. des Beschlusses) und den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (Nr. II; Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers in Nr. III; Streitwertfestsetzung:

Nr. IV.) ab.

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Der Bescheid vom 8. September 2016 stelle sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig dar. Die Fahrerlaubnisbehörde habe dem Kläger zutreffend nach § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen und nach § 48 Abs. 10 FeV die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Mietwagen) entzogen, weil er sich wegen des Konsums von Khat „zuletzt im Oktober 2015“ in Äthiopien als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Der Kläger habe den Konsum im Rahmen der

Begutachtung bei der … GmbH selbst eingestanden. Aus dem Gutachten seien keinerlei

Verständigungsschwierigkeiten zwischen Kläger und Gutachter ersichtlich. Ein Urlaub im Oktober 2014 hingegen sei jedenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Im Rahmen der Begutachtung habe es auch keiner Belehrung hinsichtlich zu machender Angaben bedurft. Vielmehr sei ein Fahrerlaubnisinhaber im Verfahren zur Überprüfung seiner Fahreignung zur Mitwirkung und zur Angabe zutreffender Tatsachen verpflichtet. Bei Khat als Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes komme es auch lediglich auf eine mindestens einmalige Einnahme an, unabhängig von einer Teilnahme am Straßenverkehr oder dem Ort der Einnahme (hier angeblich ausschließlich in Äthiopien). Die vorgelegten Befunde über Urinuntersuchungen vom … Oktober 2016 und … November 2016 seien für das vorliegende Verfahren hinsichtlich der

Anfechtungsklage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlich unerheblich. Aus den Befunden ergebe sich keinerlei Nachweis einer aktuell bestehenden „vollständigen Drogenfreiheit“ des Klägers. Daher müssten die persönlichen - auch beruflichen - Interessen des Klägers hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten.

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Auf die Beschwerde des Klägers hin hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9.

Januar 2017 (11 CS 16.2561) den Beschluss des Verwaltungsgerichts München im Verfahren M 6 S.

16.4216 in den Ziffern II. und III. auf und stellte die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 8. September 2016 wieder her bzw. ordnete diese an.

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Die Erfolgsaussichten der Klage seien offen und die Interessenabwägung falle zu Gunsten des Klägers aus.

Dies wurde hinsichtlich der offenen Erfolgsaussichten wie folgt begründet (RdNrn. 10 ff. in juris): Nach Nr.

9.1 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) einnimmt. Steht die Einnahme von

Betäubungsmitteln fest, muss die Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere

Aufklärungsmaßnahmen entzogen werden. Hier steht nach dem ärztlichen Gutachten vom … Juli 2016 fest, dass der Antragsteller zuletzt im Oktober 2015 in seinem Heimatland Khat konsumiert hat, das die unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Wirkstoffe Cathinon und Cathin enthält. An seinen Angaben gegenüber dem Gutachter muss sich der Antragsteller festhalten lassen, denn es ist nicht ersichtlich, dass er die Fragen bei der Begutachtung falsch verstanden haben könnte. Er hat auch bei seiner Vorsprache am … Juli 2016 und in dem Schreiben seines früheren Prozessbevollmächtigten vom … Juli 2016 den Konsum im

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Oktober 2015 nicht bestritten. Ein Recht zur Aussageverweigerung und eine dahingehende Belehrungspflicht existiert im Sicherheitsrecht nicht. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist ein

Fahrerlaubnisinhaber demgegenüber verpflichtet, an der Aufklärung von Fahreignungsbedenken mitzuwirken.

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Im Entziehungsverfahren ist jedoch auch zu prüfen, ob der Fahrerlaubnisinhaber die Fahreignung wiedererlangt haben könnte. Nach Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung

(Begutachtungsleitlinien - Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, gültig ab 1.5.2014, zuletzt geändert durch Erlass des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 3.3.2016 [VkBl 2016, 185]) können bei dem Konsum von Drogen die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn der Nachweis geführt wird, dass kein Konsum mehr besteht.

Dies ist bei einem Drogenkonsumenten nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV regelmäßig dann der Fall, wenn eine Abstinenz von einem Jahr und ein motivational gefestigter Verhaltens- und Einstellungswandel nachgewiesen werden. Wird eine einjährige Abstinenz nachgewiesen, hat die Behörde der Frage nachzugehen, ob die Kraftfahreignung wieder hergestellt ist (st. Rspr., vgl.

BayVGH, B.v. 1.7.2015 - 11 CS 15.1151 - juris Rn.13 m.w.N.). Zutreffend haben das Landratsamt und das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Antragsteller bei Erlass des Entziehungsbescheids am 8.

September 2016 eine einjährige Abstinenz weder nachgewiesen noch glaubhaft behauptet hat, da er selbst angegeben hat, im Oktober 2015 zuletzt Khat konsumiert zu haben.

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Bei einer Drogengefährdung ohne Anzeichen einer fortgeschrittenen Drogenproblematik, die zu einem ausreichend nachvollziehbaren Einsichtsprozess und zu einem dauerhaften Drogenverzicht geführt hat, kann aber nach dem Kriterium D 3.4 N Nr. 1 der für die Begutachtungsstellen entwickelten

Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP]/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM], 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132]

als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 190) die Fahreignung auch schon nach einem

Drogenverzicht von sechs Monaten wiederhergestellt sein (vgl. SächsOVG, B.v. 28.10.2015 - 3 B 289/15 - juris Rn. 6; Uhle in Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Auflage 2016, § 4 Rn. 233f.).

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Gemessen daran sind die Erfolgsaussichten der Klage als offen anzusehen. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls kommt es hier in Betracht, dass die Behörde auch schon vor Ablauf des einjährigen Abstinenzzeitraums weitere Aufklärungsmaßnahmen hätte ergreifen und eine medizinisch- psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV hätte anordnen müssen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsteller glaubhaft angegeben hat, Khat nur gelegentlich in seinem Heimatland konsumiert zu haben, da dies dort legal sei und den sozialen Gepflogenheiten entspreche.

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Im Rahmen seiner Interessenabwägung führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof noch aus (RdNrn. 16 f. in juris):

23

Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller als Fahrer eines Kleinbusses mit seiner Fahrerlaubnis und seinem Fahrgastbeförderungsschein den Lebensunterhalt für seine Familie erwirtschaftet, erscheint es auch glaubhaft, dass der Vorfall zu einem Einstellungswandel geführt hat und er in Zukunft kein Khat mehr konsumieren wird. Seine Abstinenz hat er durch Vorlage von zwei weiteren negativen Urinuntersuchungen im Oktober und November 2016 auch unter Beweis gestellt. Dass diese Untersuchungen nur auf

Amphetamine beschränkt waren, mindert deren Beweiswert nicht, denn Cathinon sowie Cathin gehören zu den Amphetaminen (vgl. Patzak a.a.O. Rn. 338 ff.) und es besteht kein Verdacht auf den Konsum anderer Drogen.

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Unter Berücksichtigung der für und gegen den Antragsteller sprechenden Umstände erscheint es daher zu verantworten, ihn weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, bis abschließend geklärt ist, ob im Verwaltungsverfahren in Anlehnung an das Kriterium D 3.4 N Nr. 1 der Beurteilungskriterien

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ausnahmsweise schon vor Ablauf des wie ohnehin nur knapp unterschrittenen einjährigen

Abstinenzzeitraums entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV weitere Ermittlungen erforderlich gewesen wären.

25

Der Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 25. Januar 2017 mit, dass er an dem streitgegenständlichen Bescheid vom 8. September 2016 festhalte. Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2017 verzichtete er auf mündliche Verhandlung.

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Die Bevollmächtigte des Klägers verzichtete für diesen mit Schriftsatz vom 8. Februar 2017 ebenfalls auf mündliche Verhandlung.

27

Nach Anhörung der Beteiligten übertrug der Einzelrichter den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13. Februar 2017 zurück auf die Kammer.

28

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 6 S. 16.4216, auf die Sachverhaltsdarstellungen jeweils unter Gründe I. im Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 21.

November 2016 (M 6 S. 16.4216) und im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9.

Januar 2017 (11 CS 16.2561) sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe 29

1. Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.

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2. Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei wegen der unmittelbaren Erhebung der Anfechtungsklage der des Erlasses bzw. der Zustellung des angefochtenen Bescheids vom 8. September 2016 am 13. September 2016 (Zustellung an den Kläger) bzw. 15. September 2016

(Zustellung an den damaligen Bevollmächtigten des Klägers).

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Daher ist bereits an dieser Stelle festzustellen, dass die negativen Urinuntersuchungen vom Oktober 2016 (Untersuchungsbericht … Labor … … vom …10.2016) und November 2016 (Untersuchungsbericht … Labor … … vom …11.2016; mit unzutreffendem Geburtsdatum des Klägers), die von der Bevollmächtigten des Klägers im Rahmen des Antragsverfahrens M 6 S. 16.4216 vorgelegt wurden (Schriftsätze vom

…10.2016 und …11.2016), bei der gerichtlichen Überprüfung des streitgegenständlichen Bescheids außer Betracht zu bleiben haben. Aus den Befundberichten, die anscheinend an den Hausarzt des Klägers gesandt wurden, von dem anzunehmen ist, dass er auch die Urinproben des Klägers entgegengenommen hat, ist auch nicht ersichtlich, dass die gesamte diesbezügliche Vorgehens- und Verfahrensweise auch nur ansatzweise den CTU-Kriterien entsprochen hätte, insbesondere dem Erfordernis einer unvorhersehbaren kurzfristigen Einbestellung zu einer Urinabgabe unter Aufsicht (vgl. Beurteilungskriterien - Kriterium D 3.4 N Nr. 3). Im Übrigen vermögen Urinscreenings die Drogenfreiheit nur für längstens einige Tage nachzuweisen und nicht, wie die Klagepartei vorbringt, für Monate oder Jahre.

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2.1 Die Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen nach § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - und der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nach § 48 Abs. 10 FeV in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist nach Auffassung der erkennenden Kammer rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat -

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auch zur Überzeugung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - durch die Einnahme von Khat zuletzt im Oktober 2015 seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verloren, Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV. Zur näheren Begründung wird zunächst auf die rechtlichen Ausführungen unter Gründe II. im Beschluss vom 21. November 2016 (M 6 S. 16.4216) verwiesen.

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Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

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2.1.1 Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Behörde vom Kläger nicht statt deren sofortiger Entziehung zunächst unter Heranziehung der Beurteilungskriterien ein medizinisch- psychologisches Gutachten gefordert hat. Die erkennende Kammer ist, anders als der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 9. Januar 2017, hinsichtlich „der für die

Begutachtungsstellen entwickelten Beurteilungskriterien“ (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2017, juris Rn. 12) der Auffassung, dass eine Fahrerlaubnisbehörde diese - wie die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung - zweifellos heranziehen kann und sollte, um bei vorgelegten Gutachten zu überprüfen, ob die Anforderungen des § 11 Abs. 5 FeV mit der Anlage 4a (Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten) eingehalten worden sind, insbesondere ob ein Gutachten in

allgemeinverständlicher Sprache abgefasst sowie nachvollziehbar und nachprüfbar ist (Nr. 2. a) der Anlage 4a zur FeV).

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Anhand der Beurteilungskriterien muss nämlich nachvollziehbar sein, ob sich aus den erhobenen Befunden in schlüssiger Weise die gutachterlichen Bewertungen ableiten lassen. Um dies zu prüfen kann eine Fahrerlaubnisbehörde in den Beurteilungskriterien selbstverständlich auch den Inhalt der Hypothesen und Kriterien nachlesen, auf die sich das Gutachten entscheidungserheblich gestützt haben will. Würde z.B. in einem medizinisch-psychologischen Gutachten einerseits eine Abhängigkeit von Amphetamin nach den einschlägigen Kriterien z.B. der ICD-10 diagnostiziert, andererseits aber trotz Vorliegens dieser Diagnose die Hypothese D 3 (Drogengefährdung ohne Anzeichen einer fortgeschrittenen Drogenproblematik) statt der Hypothese D 1 (Drogenabhängigkeit) herangezogen, so würde es an der erforderlichen Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens fehlen.

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Die erkennende Kammer ist jedoch nicht der Auffassung, dass es einer Fahrerlaubnisbehörde obliegt, anhand der Beurteilungskriterien eine quasi vorweggenommene gutachterliche Einschätzung zu treffen, indem sie, wie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im o.g. Beschluss gefordert, anhand der Beurteilungskriterien prüft, ob sich aus einem vorliegenden Sachverhalt, der Gegenstand eines

Entziehungsverfahrens ist, Anhaltspunkte für die eine oder andere Hypothese (z.B. D1 oder D3) ergeben.

Dagegen spricht schon, dass eine Fahrerlaubnisbehörde in der Regel nicht mit in dieser Hinsicht qualifiziertem Fachpersonal ausgestattet sein wird.

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Die Verfasser der Beurteilungskriterien selbst erklären eindeutig, dass diese sich primär an die am Begutachtungsprozess beteiligten Psychologen, Ärzte und Naturwissenschaftler sowie die im Bereich der Rehabilitation Tätigen richten. Deutlich wird dies anhand einiger der Kriterien selbst.

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So lautet das Kriterium D 3.2 K Nr. 4: „Es gibt keine Hinweise auf eine aktuell bestehende mangelnde Abstinenzfähigkeit (im Drogenscreening im Rahmen der Begutachtung wurde z.B. kein Konsum von Drogen nachgewiesen)“. Eine solche Feststellung wäre einer Fahrerlaubnisbehörde im Vorfeld einer Begutachtung schlicht nicht möglich, sie setzt nämlich das Vorliegen eines zeitlich ausreichend langen (Drogen-)

Abstinenznachweises voraus.

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Das Kriterium D 3.2 K Nr. 5 lautet: „In der medizinischen Untersuchung sind keine Befunde zu erheben, die erkennen lassen, dass der Klient trotz der Führerscheinproblematik bis in die jüngere Vergangenheit Drogen konsumiert hat (…)“. Hier ist offensichtlich die medizinische Untersuchung im Rahmen der medizinisch-psychologischen Begutachtung gemeint. Eine Fahrerlaubnisbehörde könnte auch insoweit in deren Vorfeld keine Feststellungen treffen.

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42

Es ist also von einer Fahrerlaubnisbehörde nicht zu verlangen, die Beurteilungskriterien anhand eines konkreten Einzelfalls durchzuarbeiten, um erst dann die Entscheidung treffen zu können, ob eine Fahrerlaubnis bei an sich gegebenem Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Abs. 7 FeV (zwingend) zu entziehen ist, oder ob statt dessen quasi schon Anhaltspunkte gegeben sein könnten, dass eine medizinisch-psychologische Untersuchung mit einem für den Betreffenden positiven Ergebnis enden könnte. Solches würde die Fahrerlaubnisbehörde nicht nur fachlich überfordern, es ist nach Auffassung der erkennenden Kammer auch gar nicht im Sinne des Gesetz- bzw. Normgebers.

43

2.1.2 Wäre man jedoch - wie die erkennende Kammer eben nicht - der Auffassung, eine

Fahrerlaubnisbehörde müsste sehr wohl anhand der Beurteilungskriterien prüfen, ob im Einzelfall sogleich eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 7 FeV auszusprechen oder aber zunächst eine

Begutachtung anzuordnen ist, so müsste diese Prüfung aber so umfassend wie möglich erfolgen und dürfte sich nicht auf isolierte einzelne Kriterien beschränken. Bei einer Gesamtschau in diesem Sinne bliebe vorliegend kein Zweifel, dass dem Kläger unmittelbar nach § 11 Abs. 7 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen war, anstatt erst quasi-gutachterliche Überlegungen anzustellen, ob zunächst eine Begutachtung

anzuordnen ist.

44

Für den vorliegenden Fall hätte dann nämlich unter Annahme der Hypothese D 3 („Es liegt eine Drogengefährdung ohne Anzeichen einer fortgeschrittenen Drogenproblematik vor. Ein ausreichend nachvollziehbarer Einsichtsprozess hat zu einem dauerhaften Drogenverzicht geführt.“) zumindest Folgendes Berücksichtigung finden müsste:

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Das Kriterium D 3.1 K Nr. 3 („Der Klient hat gelegentlich … Amphetamine … konsumiert. Der Konsum hat aber zu keinen problematischen Erlebnissen geführt…) könnte wohl bejaht werden. Der Kläger hat den gelegentlichen Konsum von Khat in Äthiopien eingeräumt ohne von negativen Erlebnissen hierbei zu berichten.

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Außerdem könnte man wohl ein nachvollziehbares Konsummotiv (D 3.1 K Nr. 5) abhängig von einem bestimmten sozialen Umfeld (D 3.1 K Nr. 6) unterstellen, wenn man - wie der Bayerische

Verwaltungsgerichtshof - davon ausgehen würde, dass der Konsum von Khat in Äthiopien legal sei und den sozialen Gepflogenheiten entspreche (vgl. B.v. 9.1.2017, juris Rn. 13).

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Allerdings gab es noch keine Kontrollen im Sinne des Kriteriums D 3.2 K Nr. 1, mittels derer Drogenfreiheit nachgewiesen worden wäre. Die - ohnehin erst nach Klageerhebung vorgenommenen -

Urinuntersuchungen auf Veranlassung des Klägers selbst könnten jedenfalls nicht als Abstinenznachweise angesehen werden. Hierzu könnte man allerdings - so aber nicht die erkennende Kammer - die Auffassung vertreten, dass die Behörde vor einer Entziehung eben solche Kontrollen hätte anordnen müssen.

Sinngemäß das Gleiche würde wohl hinsichtlich der oben bereits dargestellten Kriterien D 3.2 K Nr. 4 (Drogenscreening) und Nr. 5 (medizinische Untersuchung) gelten können.

48

Bezüglich der Kriterien für eine angemessene Problembewältigung wiederum ist festzustellen, dass der Kläger im Rahmen des ärztlichen Gutachtens bei der … GmbH durchaus eine Tendenz zur Verharmlosung des Drogenkonsums gezeigt hat, indem er den Konsum von Khat bagatellisierend mit dem von Kaffee oder Tee gleichsetzte (Kriterium D 3.3 K Nr. 2). Dass die Auswirkungen von Khat bzw. dessen Inhaltsstoffen auf die menschliche psychische und physische Gesundheit keineswegs so unproblematisch sind, wie der Kläger hier glauben machen möchte, ergibt sich bereits daraus, dass es der Gesetzgeber auf

wissenschaftlicher Grundlage in den Kreis der Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittel aufgenommen hat.

49

Daher würde nach Auffassung der erkennenden Kammer insgesamt das alleinige Abstellen auf die seit Oktober 2015 verstrichene Zeit für das Kriterium D 3.4 N Nr. 1 (Die Dauer des Drogenverzichts beträgt zum

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Begutachtungszeitpunkt bereits sechs Monate) zu kurz greifen, zumal wiederum das Kriterium D 3.4 N Nr. 3 fordert: „Der Drogenverzicht wird durch die Ergebnisse geeigneter polytoxikologischer Urin- oder

Haaranalysen bestätigt, die den Kriterien der Hypothese CTU entsprechen“. Denn das Kriterium D 3.4 N an sich setzt schon voraus, dass es bereits einen drogenfreien Zeitraum gibt, der „ausreichend lang und zudem nachvollziehbar dokumentiert“ sein muss. Solches ist bis zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt nicht der Fall gewesen.

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2.1.3 Weiter ist die erkennende Kammer - selbständig tragend - der Auffassung, dass dem Kläger die Fahrerlaubnis zu entziehen war und er die Wiedererlangung seiner Fahreignung erst im

Neuerteilungsverfahren nachweisen kann. Ob hierfür dann eine sechsmonatige, eine einjährige oder eine längere nachgewiesene Abstinenz von Khat / Amphetamin erforderlich sein wird, bleibt der zu

beauftragenden Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Prüfung überlassen.

51

Auch unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist (vgl. grundlegend BayVGH, U.v. 9.5.2005, Az. 11 CS 04.2526 - juris; B.v. 22.9.2015, Az. 11 CS 15.1447 - juris) kommt man zu diesem Ergebnis. Dem Kläger wäre zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom 8. September 2016 hinsichtlich des letzten Konsums von Khat im Oktober 2015 die Fahrerlaubnis zwingend wegen Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV nach § 11 Abs. 7 FeV zu entziehen gewesen (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2017, juris Rn. 11 a.E.).

52

Die Kammer teilt die Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im aktuellen Beschluss vom 9.

Januar 2017 nicht, vorliegend käme es sogar in Betracht, dass die Behörde auch schon vor Ablauf des einjährigen Abstinenzzeitraums weitere Aufklärungsmaßnahmen hätte ergreifen und eine medizinisch- psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV anordnen müssen (juris Rn. 13). Dieser Auffassung nach müsste im vorliegenden gerichtlichen Verfahren abschließend geklärt werden, ob im Verwaltungsverfahren in Anlehnung an das Kriterium D 3.4 N Nr. 1 der Beurteilungskriterien

„ausnahmsweise schon vor Ablauf des wie ohnehin nur knapp unterschrittenen einjährigen

Abstinenzzeitraums“ entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV weitere Ermittlungen erforderlich gewesen wären (juris Rn. 17).

53

Nachdem aber die erkennende Kammer seit einiger Zeit der Rechtsprechung des Bayerischen

Verwaltungsgerichtshofs zur sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist nicht mehr folgt (U.v. 6.6.2016 - M 6 K 15.4693; U.v. 20.7.2016 - M 6 K 16.1742; B.v. 19.9.2016 - M 6 S. 16.2656; B.v. 2.11.2016 - M 6 S. 16.3333;

B.v. 17.11.2016 - M 6 S. 16.3838), vermag sie erst recht nicht einer sich andeutenden

„verfahrensrechtlichen Halbjahresfrist“ zu folgen.

54

Die Anwendung dieser - in zeitlicher Hinsicht dann noch verschärften - Rechtsprechung hätte zur Folge, dass eine Fahrerlaubnisbehörde allein wegen des Verstreichens einer Frist von einem Jahr oder sogar nur sechs Monaten seit dem Beginn einer plausibel behaupteten Abstinenz bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entziehung einer Fahrerlaubnis nicht mehr auf die Ungeeignetheit des Betreffenden schließen dürfte.

Dies hält die erkennende Kammer nicht für überzeugend Denn die Sicherheit des öffentlichen

Straßenverkehrs verlangt danach, einen Fahrerlaubnisinhaber, der sich als fahrungeeignet erwiesen hat, so lange von der aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeugs

auszuschließen, bis er den positiven Nachweis der Wiedererlangung seiner Fahreignung erbracht hat. Es ist demgegenüber nicht hinzunehmen, einem Fahrerlaubnisinhaber bis zum Abschluss des Nachweises seiner einjährigen Abstinenz und nachfolgend noch für die Zeitdauer zur Erstellung eines medizinisch-

psychologischen Gutachtens seine Fahrerlaubnis zu belassen und ihm damit eine weitere Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu ermöglichen, wenn er selbst seine Fahrungeeignetheit zuvor unter Beweis gestellt hat. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, fahrungeeignete Kraftfahrzeugführer vom öffentlichen Straßenverkehr bis zum Nachweis ihrer Fahreignung auszuschließen. Es ist der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs seit dem Beschluss vom 9. Mai 2005 zwar zuzugestehen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen

Einjahresfrist“, die seit Beginn der behaupteten Abstinenz verstrichen sein muss, seine Fahreignung

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möglicherweise faktisch wiedererlangt haben kann. Damit er zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr wieder zugelassen werden kann, ist jedoch der abschließende positive Nachweis seiner Fahreignung zwingend zu fordern, nachdem das Fahrerlaubnisrecht ein Rechtsinstitut etwa einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bis zum Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, vergleichbar etwa § 111a Strafprozessordnung - StPO -, nicht kennt. Es ist auch kein rechtlich durchgreifendes Argument dafür ersichtlich, warum ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ - innerhalb derer er ohnehin fahrungeeignet weiter am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat - bis zum Abschluss des Fahreignungsüberprüfungsverfahrens nach Nachweis seiner einjährigen Abstinenz und abgeschlossener medizinisch-psychologischer Begutachtung besser gestellt werden sollte als ein

Fahrerlaubnisbewerber, dem - z.B. nach vorheriger Entziehung der Fahrerlaubnis innerhalb der sog.

„verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ bei ansonsten gleicher Sachlage - erst dann eine Fahrerlaubnis neu erteilt werden kann, wenn er den positiven Nachweis seiner Fahreignung erbracht hat. Letztlich hängt es oft von Zufälligkeiten, wie insbesondere auch der Arbeitsbelastung der zuständigen Fahrerlaubnisbehörden, oder auch dem eigenen Verhalten des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers ab, ob eine

Fahrerlaubnisbehörde oder ggf. die Widerspruchsbehörde innerhalb der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ eine entsprechende Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. ggf. zur

Zurückweisung eines dagegen gerichteten Widerspruchs erlassen kann oder nicht. Das kann z.B. davon abhängen, ob der Betroffene mit Rechtsbehelfen den Eintritt der Rechtskraft ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtlicher Entscheidungen und damit deren Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörden verzögert.

Solches kann und darf jedoch nicht zulasten der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs gehen (in diesem Sinne auch: VGH BW, B.v. 7.4.2014 - 10 S. 404.14, wonach im Rahmen eines

Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens ohne Beachtung einer „verfahrensrechtlichen“ Jahresfrist bzw.

sonstiger starrer zeitlicher Vorgaben grundsätzlich vom Fortbestand einer zuvor festgestellten oder feststellbaren Fahrungeeignetheit auszugehen ist, solange der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung nicht erbracht worden ist [vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 - 11 CS 15.145]).

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Die Problematik der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ besteht eben darin, dass

Fahrerlaubnisinhaber trotz feststehenden Verlustes ihrer Fahreignung weiterhin - wenn auch u.U. unter

„Überwachung“ durch ein Drogenscreening - mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfen, bis letztlich erst nach erheblicher Zeit ein medizinisch-psychologisches Gutachten eine Aussage zur Fahreignung trifft, auf der die Fahrerlaubnisbehörde ihr weiteres Vorgehen aufbauen kann.

Kommt dann ggf. noch die Problematik der Rüge unzureichender und damit nicht (sogleich) verwertbarer Gutachten hinzu, verschärft sich die Lage im Hinblick auf die Zeitdauer bis zur Klärung der Frage der Fahreignung nochmals, insbesondere wenn es um harte Drogen mit womöglich starkem Suchtpotential gehen sollte, denen ein Betreffender u.U. trotz Drogenscreenings nicht zu widerstehen vermag. Zudem kommt es immer wieder zu Problemen schon beim Nachweis der Drogenabstinenz, etwa weil der Betroffene nicht erreichbar, krank, im Ausland oder sonst verhindert war, zum Screening-Termin zu erscheinen.

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Vor diesem Hintergrund ist der Wille des Gesetzgebers absolut nachvollziehbar, solche

Fahrerlaubnisinhaber von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gänzlich auszuschließen, bis sie die Wiedererlangung ihrer Fahreignung unter Beweis gestellt haben. Dann würden auch Verzögerungen des Verfahrens gleich welcher Art (z.B. bei der Erbringung der Abstinenznachweise wegen

Nichtwahrnehmung kurzfristig angesetzter Screeningtermine aufgrund Nichterreichbarkeit [z.B. der Akku des Mobiltelefons sei leer gewesen] oder angeblicher Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit, u.U. mit bloßer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes) zu ihren Lasten gehen und in manchen Fällen wäre wohl auch eine höhere Kooperationsbereitschaft der Betreffenden zu erwarten als es in vielen Fällen, die der Kammer schon zur Entscheidung vorgelegen haben, der Fall war.

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Zu berücksichtigen ist zudem, dass die nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vorzunehmende Prüfung einer eventuellen Wiedererlangung der Fahreignung etwa auch durch die

Behauptung mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit, angeblicher Überlastung von Labors und Begutachtungsstellen, durch Einwendungen und Rechtsbehelfe gegen Gutachtensanordnungen, Einwendungen gegen angeblich falsche (positive) Testergebnisse und zahlreiche andere Maßnahmen

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verzögert und behindert werden kann, ohne dass die Fahrerlaubnisbehörde dies ohne Weiteres zum Anlass für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nehmen darf. All das führt u.U. dazu, dass Personen, obwohl sie sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, jahrelang weiter am Straßenverkehr teilnehmen können, ohne einen hinreichenden Beleg für die Wiedererlangung ihrer Fahreignung erbracht zu haben, um am Ende womöglich noch zu argumentieren, der anlassgebende Vorfall sei mittlerweile so lange her, dass es unverhältnismäßig sei, die Fahreignung überhaupt noch in Frage zu stellen.

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Keine dieser Verhaltensweisen und Maßnahmen ist in Fällen zu beobachten, in denen es dem Betroffenen darum zu tun ist, die Wiedererlangung seiner verlorenen Fahreignung nach Entzug der Fahrerlaubnis im Neuerteilungsverfahren nachzuweisen.

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2.2 Da somit die Entziehung der Fahrerlaubnisse der gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein und den Fahrgastbeförderungsschein abzuliefern. Diese - im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte -

Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV.

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2.3 Rechtliche Bedenken gegen die in Nr. 3 des Bescheids enthaltene Zwangsgeldandrohung oder die in Nr. 5 des Bescheids enthaltenen Festsetzungen zu den Kosten des Verwaltungsverfahrens wurden weder vorgetragen, noch sind solche sonst - zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt - ersichtlich.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

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5. Im Hinblick auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Januar 2017 (11 CS 16.2561) war die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

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