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Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Verdachts der Schizophrenie

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Academic year: 2022

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VGH München, Beschluss v. 19.11.2018 – 11 CS 18.1271 Titel:

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Verdachts der Schizophrenie Normenketten:

VwGO § 80 Abs. 5, § 146 FeV § 11 Abs. 2

Anlage 4 zur FeV Nr. 7 Leitsatz:

Bereits der unausgeräumte Verdacht einer schizophrenen Psychose kann es rechtfertigen, zum Schutz des Straßenverkehrs die Fahrerlaubnis zu entziehen. (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Verdachts der Schizophrenie, mögliche Nachbesserung eines ärztlichen Gutachtens im Widerspruchsverfahren, Führerschein, paranoide Schizophrenie, Qualifikation, Kraftfahrzeug, Interessenabwägung, Begutachtungsstelle

Vorinstanz:

VG München, Beschluss vom 15.05.2018 – M 6 S 18.421 Fundstelle:

BeckRS 2018, 30666  

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E.

2

Polizeilichen Mitteilungen vom 29. Mai und 16. Juni 2017 zufolge hatte der Antragsteller seit 2014 mehrfach Anzeige mit abstrusen Behauptungen erstattet, für die sich keine tatsächlichen Hinweise finden ließen und die bei den Polizeibeamten den Eindruck erweckten, er fühle sich verfolgt und leide an einer psychischen Erkrankung, die seine Fahreignung beeinträchtigen könnte.

3

Nach Aufforderung durch die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Neuburg-Schrobenhausen, ein psychiatrisches Eignungsgutachten beizubringen, legte der Antragsteller ein von einer Ärztin einer anerkannten Begutachtungsstelle ohne Facharztausbildung gefertigtes Gutachten vom 30. Oktober 2017 vor, wonach bei ihm ein Beziehungswahn (Verfolgungswahn), Wahnwahrnehmungen oder optische Halluzinationen vorlägen, so dass entsprechend den ICD-10-Kriterien die Diagnose einer Schizophrenie gestellt werden könnte. Eine weitergehende psychiatrische Abklärung sei erforderlich.

Differentialdiagnostisch komme eine anhaltende wahnhafte Störung in Betracht, bei der Wahnvorstellungen das auffälligste oder einzige klinische Charakteristikum seien. Im Ergebnis sei („wohl“) von einer

unbehandelten akuten paranoiden Schizophrenie, differentialdiagnostisch wahnhaften Störung auszugehen, die nach Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stelle. Er sei derzeit nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 vollständig gerecht zu werden.

(2)

Eine ausreichende Adhärenz liege nicht vor. Auf die ergänzende Stellungnahme vom 21. Dezember 2017 wird Bezug genommen.

4

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2017 teilten die Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass sie das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme für nicht schlüssig hielten, und zeigten die Bereitschaft des Antragstellers an, sich von einem Facharzt für Psychiatrie untersuchen zu lassen. Er habe aber erst einen Termin am 5. Februar 2018 erhalten.

5

Mit Bescheid vom 2. Januar 2018 entzog ihm das Landratsamt die Fahrerlaubnis und forderte ihn auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb von einer Woche nach Zustellung des Bescheids, abzuliefern. Des Weiteren ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an und drohte bezüglich der Abgabepflicht ein Zwangsgeld an. Zur Begründung ist ausgeführt, es bestünden keine Zweifel an den sachkundigen ärztlichen Feststellungen, nach denen dem Antragsteller die Fahreignung fehle. Deshalb sei die Entziehung der Fahrerlaubnis im öffentlichen Interesse ohne Verzögerungen durch den

Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen.

6

Am 26. Januar 2018 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen, über den noch nicht entschieden ist, und bei Gericht beantragen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Nummer 1 und 2 des Entziehungsbescheids wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei wegen der formelhaften Begründung bereits formell, aber auch materiell rechtswidrig. Schon die Abfassung des Gutachtens lasse auf mangelnde Sorgfalt schließen. Ihm liege ein falscher Sachverhalt zugrunde, denn die Polizei habe vor Ort keine Spuren gesichert und auch keine Fotos des Antragstellers ausgewertet. Hierzu habe das Landratsamt nicht ermittelt. Die vom Antragsteller zur Anzeige gebrachten Sachverhalte lägen nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung. Soweit im Gutachten festgehalten sei, dass soziale Kontakte nicht angegeben worden seien, so sei auch nicht danach gefragt worden. Ebenso wenig seien gutachterliche Feststellungen zur Adhärenz getroffen worden. Weiter ergebe sich aus dem Gutachten oder der ergänzenden Stellungnahme, die weitgehend Passagen aus dem Gutachten wiedergebe, keine abschließende Diagnose. Die diesbezüglichen Feststellungen seien widersprüchlich und unzureichend bzw. fehlten. Vor diesem Hintergrund sei der Vorwurf mangelnder Krankheitseinsicht nicht nachvollziehbar.

7

Nach dem Arztbrief eines Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 8. März 2018 handelt es sich bei der Erkrankung des Antragstellers nicht um das akute Stadium einer schizophrenen Psychose mit Wahrnehmungen, Halluzinationen und weiteren kognitiven und emotionalen Störungen, sondern um eine beziehungswahnhafte Symptomatik mit Beeinträchtigungswahn ohne Hinweise für

Halluzinationen, Wahrnehmungen oder Ausbreitung des Wahns ohne typisches Wahnsystem, ohne Zeichen einer Gefährdung des sozialen Verhaltens im Sinne von aggressivem oder psychotischem Agieren oder Reagieren. Die Untersuchung habe keine deutlichen Einbußen in der Kognition oder im Sozialverhalten ergeben, sodass die Voraussetzung zum Führen von Fahrzeugen der Gruppe 1 ohne Gefährdung an Menschen und Sachen vorliege.

8

Zu einer weiteren Begutachtung durch einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation war der Antragsteller nicht bereit.

9

Am 19. April 2018 teilte die Gutachterin dem Verwaltungsgericht telefonisch mit, eine abschließende Beurteilung sei nicht an ihrer fehlenden Facharztausbildung, sondern daran gescheitert, dass im Rahmen der Begutachtung der Fahreignung nicht mehrere Sitzungen möglich seien. Hinsichtlich der Diagnose habe es sich um einen Grenzfall gehandelt. Zu der negativen Beurteilung der Fahreignung sei sie gekommen, weil nicht auszuschließen sei, dass ein weiterer Wahn hinzukomme, der zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führe.

10

(3)

Mit Beschluss vom 15. Mai 2018 gab das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes statt, soweit dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, B und BE entzogen worden ist (Gruppe 1), und lehnte den Antrag im Übrigen ab. In den Gründen wird ausgeführt, dass die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genüge.

Das besondere Interesse am Sofortvollzug ergebe sich im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts maßgeblich gewesen seien. Die

Erfolgsaussichten des Widerspruchs seien als offen anzusehen und im Rahmen einer Interessenabwägung dessen aufschiebende Wirkung im tenorierten Umfang wiederherzustellen. Derzeit stehe nicht fest, dass der Antragsteller aufgrund einer psychischen Störung, insbesondere einer schizophrenen Psychose im Sinne von Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV, ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Allerdings erscheine es auch nicht ausgeschlossen, dass sich die fehlende Fahreignung im Widerspruchsverfahren erweisen werde. Das ärztliche Gutachten vom 30. Oktober 2017 beantworte die Frage, ob der Antragsteller an einer Erkrankung gemäß Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV leide, nicht eindeutig. Hierüber hätten auch die ergänzende Stellungnahme und ein Telefonat mit der Gutachterin keinen Aufschluss verschaffen können. Die Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens rührten nicht primär daher, dass die Differentialdiagnose „paranoide Schizophrenie DD anhaltende wahnhafte Störung“ gestellt worden sei, sondern daher, dass nicht klar werde, ob die gestellten Diagnosen zumindest alternativ als gesichert gelten könnten, und nicht näher dargelegt werde, ob und ggf. aus welchen Gründen die gutachterliche Schlussfolgerung einer fehlenden Fahreignung für die Gruppen 1 und 2 auch für den Fall gelte, dass der Antragsteller an einer anhaltenden wahnhaften Störung leide. Allein die telefonische Mitteilung, dass ein weiterer Wahn nicht ausgeschlossen werden könne, genüge nicht. Weiter fehlten nachvollziehbare Darlegungen, warum die Gutachterin von einer schizophrenen Psychose ausgehe. Zudem hätte sie einen Konsiliararzt mit einschlägiger

fachärztlicher Qualifikation hinzuziehen müssen. Allerdings erscheine eine Nachbesserung des Gutachtens im laufenden Widerspruchsverfahren ggf. unter Verwertung des vorgelegten Arztbriefes nicht

ausgeschlossen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der vom Antragsteller konsultierte Facharzt keine verkehrsmedizinische Qualifikation habe und deshalb dessen Fahreignung nicht beurteilen könne. Gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens lasse sich nicht einwenden, dass die Gutachterin von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei, was sich im Übrigen durch eine Nachfrage bei der Polizei klären lasse. Im Rahmen einer Interessenabwägung bei offenem Verfahrensausgang falle zugunsten des Antragstellers ins Gewicht, dass er im Straßenverkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei, dass schizophrene Psychosen für die Verkehrsdelinquenz keine herausragende Bedeutung hätten, dass es nach der Einschätzung des Facharztes keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des sozialen Verhaltens und kognitive Einbußen gebe und dieser eine Behandlung der beziehungswahnhaften Symptomatik zwar für erwägenswert, aber nicht für zwingend erforderlich gehalten habe. Andererseits könne sich letztere auf die Fahreignung auswirken. Deutliche Einbußen in der Kognition oder im Sozialverhalten und eine Entwicklung hin zu einer schizophrenen Psychose seien nicht ausgeschlossen. Angesichts dieser ambivalenten

Situation sei es in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

sachgerecht, die Interessenabwägung in Anlehnung an die Wertung des Verordnungsgebers in Nr. 7.6.1 bis 7.6.3 der Anlage 4 zur FeV vorzunehmen. Danach könne, solange kein akuter Schub einer schizophrenen Psychose vorliege, unter gewissen Voraussetzungen die Teilnahme am Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 verantwortet werden, während die Fahreignung für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 nur unter besonders günstigen Umständen bejaht werden dürfe. Demgemäß könne der Antragsteller nicht die Rückgabe seines Führerscheins beanspruchen, jedoch die Neuausstellung eines Führerscheins, aus dem sich der aktuelle Umfang seiner Fahrerlaubnis ergebe.

11

Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, beantragt der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs auch insoweit wiederherzustellen, als ihm die Fahrerlaubnisklassen C1 und C1E entzogen und die Abgabe des Führerscheins verfügt worden seien. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die formellen Anforderungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben seien. In der Begründung werde nur Bezug auf die von der Begutachtungsstelle festgestellte Erkrankung genommen. Eine eigene Abwägung erfolge nicht. Ferner sei das Verwaltungsgericht aufgrund des Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme nicht davon überzeugt gewesen, dass das Fehlen der Fahreignung des Antragstellers wegen einer psychischen Störung, insbesondere einer schizophrenen Psychose, feststehe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Fahrerlaubnisbehörde trotz der Mängel des Gutachtens die Fahrerlaubnis entzogen und nicht etwa auf eine weitere Begutachtung gedrängt habe. Der

(4)

Antragsteller sei seiner Mitwirkungslast nachgekommen und habe insbesondere auf eine Nachbesserung des Gutachtens hingewirkt. Letztendlich stelle sich die Sachlage so dar, als ob kein Gutachten eingeholt worden wäre. Vor dem Hintergrund, dass eine eindeutige Begutachtung noch nicht stattgefunden habe, überwiege das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. In der Entziehung der Möglichkeit, von der Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E Gebrauch zu machen, liege ungeachtet ihrer konkreten

Verwendung ein Eingriff in die Rechtsposition des Antragstellers. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass bei ihm bisher keinerlei Leistungsmängel oder Ausfallerscheinungen festgestellt worden seien. Er wirke auch aktiv an der Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit und sei nach wie vor in Behandlung.

12

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

13

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

14

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des

Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausreichend begründet ist und eine Interessenabwägung bei offenem Ausgang des

Widerspruchsverfahrens ein überwiegendes Vollzugsinteresse hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnisklassen C1 und C1E ergibt.

15

An den Inhalt der schriftlichen Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2016 - 11 CS 16.1467 - juris Rn. 13; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019,

§ 80 Rn. 55, 46). Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische

Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2013 - 11 CS 13.785 - juris Rn. 7; B.v. 5.9.2008 - 11 CS 08.1890 - juris Rn. 18). Dem hat das Landratsamt genügt, indem es den sofortigen Ausschluss des Antragstellers vom Straßenverkehr ausgehend von der konkreten gutachterlichen Diagnosen und Feststellung fehlender Fahreignung im Interesse der Verkehrssicherheit und des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer für erforderlich erklärte.

Unschädlich ist, dass die gegebene Begründung auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur

Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Fahrerlaubnisentzugs verwendet werden könnte (BayVGH, B.v. 10.3.2008 - 11 CS 07.3453 - juris Rn. 16; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl.

2018, § 80 Rn. 85). Ob das ärztliche Gutachten tatsächlich eine ausreichende Grundlage für das Vorliegen der diagnostizierten Erkrankungen und das Fehlen der Fahreignung ist, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakts, nicht der ausreichenden Begründung (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 80 Rn. 246).

16

Ebenfalls zutreffend ist das Verwaltungsgericht von einem derzeit unausgeräumten Verdacht einer die Fahreignung für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 im allgemeinen ausschließenden schizophrenen Psychose ausgegangen, auch wenn es das ärztliche Gutachten für eine unzureichende Grundlage zur Entziehung der Fahrerlaubnis hielt, weil keine gesicherte Diagnose gestellt, sondern wohl nur ein Verdacht ausgesprochen wurde und die tatsächlichen Feststellungen unzureichend sind. Entgegen der Auffassung des Antragstellers stellt sich die Sachlage hiermit aber nicht so dar, als ob gar kein ärztliches Gutachten vorläge. Unter Berücksichtigung, dass auch der den Antragsteller behandelnde Facharzt bei ihm eine wahnhafte psychische Störung (beziehungswahnhafte Symptomatik mit Beeinträchtigungswahn) diagnostiziert hat, sich aber aus dem Arztbrief nicht nachvollziehbar ergibt, aus welchem Grund Wahnwahrnehmungen oder optische Halluzinationen, insbesondere die Beobachtungen des Antragstellers in seiner Wohnung betreffend, sicher auszuschließen sind, vermag die an den Kriterien der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) gemessene ärztliche

(5)

Einschätzung der Gutachterin zumindest Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung zu begründen, die eine weitere Aufklärung rechtfertigen und erfordern; zumal der behandelnde Arzt wegen des bei ihm

anzunehmenden Interessenkonflikts nach § 11 Abs. 2 Satz 5 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), regelmäßig nicht dazu berufen ist, sich zur Frage der Fahreignung seines Patienten zu äußern (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2012 - 11 CS 12.1321 - juris Rn. 26). Auch darf ein vorgelegtes Gutachten nach ständiger Rechtsprechung unabhängig davon, ob die Beibringungsanordnung zu Recht erfolgte oder der Gutachter den vorgegebenen Rahmen seines

Untersuchungsauftrags eingehalten hat, in vollem Umfang verwertet werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2018 - 11 CS 17.2192 - juris Rn. 14 ff.; U.v. 8.8.2016 - 11 B 16.595 - juris Rn. 24 f. jeweils m.w.N.).

17

Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3202), und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV handelt sich um eine gebundene Entscheidung, deren Aufhebung der Antragsteller im Rahmen einer in der Hauptsache zu erhebenden Anfechtungsklage nur dann beanspruchen kann (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), wenn sie im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung rechtswidrig ist.

Sollte sich im Widerspruchsverfahren der Verdacht einer schizophrenen Psychose oder einer anderen, nicht in die Anlage 4 zur FeV (vgl. Vorbemerkung 1 zur Anlage 4 zur FeV) aufgenommenen, aber die

Fahreignung ausschließenden psychischen Erkrankung aufgrund geeigneter Aufklärungsmaßnahmen erhärten oder der Antragsteller bei der weiteren Klärung nicht ausreichend mitwirken, ist die

Widerspruchsbehörde ungeachtet des unzureichenden Gutachtens vom 30. Oktober 2017 nicht darin gehindert, den Widerspruch zurückzuweisen.

18

Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht bei seiner

Interessenabwägung aus den in dem angegriffenen Beschluss im einzelnen dargelegten Gründen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung der

Fahrerlaubnisklassen C1 und C1E gemessen an dem vergleichbaren, der Entscheidung des Senats vom 22. Oktober 2007 (11 CS 07.2170 - juris Rn. 27 ff.; vgl. auch B.v. 3.9.2015 - 11 CS 15.1505 - juris Rn. 14 ff.) zugrunde liegenden Fall einer rechtlichen Überprüfung standhält.

19

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweise. Die

Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

20

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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