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Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen Alkoholabhängigkeit

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Academic year: 2022

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VG Bayreuth, Beschluss v. 28.04.2017 – B 1 S 17.281 Titel:

Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen Alkoholabhängigkeit Normenketten:

VwGO § 79 Abs. 1, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3, Abs. 5 S. 1, § 88, § 117 Abs. 5, § 122 Abs. 1 LKrO Art. 37 Abs. 1 S. 2

StVG § 3 Abs. 1 S. 1 FeV § 13 S. 1, § 46 Abs. 1

UnterbrG Art. 1 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2 Leitsätze:

1 Nach den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung soll die sichere Diagnose einer Alkoholabhängigkeit nur gestellt werden, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der in jenem Abschnitt aufgeführten, in Anlehnung an ICD-10 formulierten sechs Kriterien gleichzeitig vorhanden waren. (redaktioneller Leitsatz)

2 Da den Leitlinien keine rechtsnormative Qualität zukommt, steht der Umstand, dass ein Entlassungsbericht sich nicht streng an dieser Sollvorgabe orientiert, der Annahme, dass der Antragsteller alkoholabhängig ist, nicht zwingend entgegen. (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

aufschiebende Wirkung, Fahrerlaubnis, Vollziehung, Fahrerlaubnisbehörde, Alkoholabhängigkeit, Fahreignung, Anordnung, Entziehung, Diagnose

Rechtsmittelinstanz:

VGH München, Beschluss vom 10.07.2017 – 11 CS 17.1057  

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 6.250 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Dem Antragsteller wurde am 24.08.1984 die Fahrerlaubnis der Klasse 1b und am 24.02.1987 die Fahrerlaubnis der Klasse 3 erteilt.

2

Nach Mitteilung der Polizeiinspektion … vom 22.01.2017 wurde der Antragsteller am 21.01.2017 vorläufig in der Bezirksklinik …, Fachkrankenhaus für Psychiatrie, untergebracht. Der Antragsteller war nach dem Polizeibericht wegen einer Ehekrise völlig ausgerastet, hatte seine Ehefrau mehrfach bedroht und Selbstmordabsichten geäußert. Im Zeitpunkt der Unterbringung hätten das Verhalten und das Erscheinungsbild des Antragstellers auf einen massiven Alkoholkonsum hingewiesen und dafür gesprochen, dass er psychisch krank oder infolge Alkoholsucht psychisch gestört sei und dadurch in erheblichen Maß die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie sich selbst gefährdet habe. Ein Atemalkoholtest habe eine Atemalkoholkonzentration von 0,46 mg/l ergeben. Der Antragsteller sei

anschließend freiwillig im Bezirkskrankenhaus geblieben. Er wurde am 30.01.2017 auf eigenen Wunsch und entgegen ärztlichem Rat entlassen. Im Arztbericht der Bezirksklinik … vom 27.01.2017 wurden depressive Episode F 32.2, Alkoholentzug F 10.3 und Alkoholabhängigkeit F 10.2 diagnostiziert und absolute Abstinenz und Anbindung an eine ambulante Selbsthilfegruppe und Suchtberatungsstelle empfohlen.

3

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Das Landratsamt … hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 21.02.2017 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an.

4

Mit Bescheid vom 03.03.2017 entzog das Landratsamt … dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen 1b und 3 (Ziffer 1), verpflichtete ihn den Führerschein innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung des

Bescheides abzugeben (Ziffer 2) und drohte für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung die Einziehung des Führerscheins durch die Polizei an. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden müsse, wenn deren Inhaber sich als ungeeignet zum Führen von

Kraftfahrzeugen erweise. Ungeeignet sei insbesondere, wer aufgrund körperlicher oder geistiger Mängel ein Kraftfahrzeug nicht sicher führen könne. Beim Antragsteller sei bekannt geworden, dass er an

Alkoholabhängigkeit leide. Diese Diagnose sei von einer Fachklinik für Psychiatrie nach ICD-10 gestellt worden und gelte damit als gesichert. Die Anordnung eines weiteren Gutachtens sei deshalb unterblieben.

Sei die Voraussetzung zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Abhängigkeit nicht gegeben, so könne sie nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt werde, dass dauerhafte Abstinenz bestehe. Dies setze eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung mit anschließender einjähriger nachgewiesener Abstinenz nach vorangegangener Entgiftung voraus.

5

Weiter werden die Anordnung des Sofortvollzuges und des Verwaltungszwangs begründet.

6

Mit Schriftsatz vom 08.03.2017 legten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und beantragten mit Schriftsatz vom 06.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 10.04.2017,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landkreises … - Landratsamt …, Fahrerlaubnisbehörde - vom 03.03.2017 hinsichtlich der angeordneten Entziehung der Fahrerlaubnis und Entziehung des Führerscheins wiederherzustellen.

7

Der Antragsgegner habe ohne nähere Überprüfung der Diagnose der Bezirksklinik … Alkoholabhängigkeit F 10.2 als für 100-prozentig gesichert erachtet. Gegen diese Diagnose bestünden allerdings erhebliche Bedenken. Zur Diagnose des Abhängigkeitssyndroms müssten nach der ICD-10 drei oder mehr der entsprechenden Kriterien gemeinsam erfüllt sein. Bereits nach eigener Prüfung unter Einbeziehung der Einlassungen des Antragstellers ergäben sich erhebliche Bedenken. Der Antragsteller habe glaubhaft darlegen können, dass er wohl kontrollieren könne, wann er trinke, wann er mit dem Trinken aufhöre und wieviel Alkohol er konsumiere. Es bestehe kein Abstinenzverlust. Der Antragsteller gehe einer geregelten Arbeit nach und sei auf seiner Arbeitsstelle nie alkoholisiert angetroffen worden und sei auch nie

alkoholisiert mit seinem Kfz gefahren. Damit könnten bereits die Punkte Kontrollverlust und Abstinenzverlust nicht bejaht werden. Es sei zu bestreiten, dass die Stationsärztin in der Bezirksklinik … innerhalb von 5 Tagen habe herausfinden können, dass eine Toleranzbildung vorhanden sei; ebenso wenig gebe es Hinweise, dass Entzugserscheinungen aufgetreten seien. Es gebe auch keine Hinweise, dass der Antragsteller sich aus dem Sozialleben zurückgezogen habe. Bei diesem Sachverhalt hätte der

Antragsgegner vor Entziehung der Fahrerlaubnis ein umfassendes Sachverständigengutachten einholen müssen. Aus der arbeitsmedizinischen Stellungnahme von Frau Dr. … ergebe sich, dass der Antragsteller im Rahmen der betriebsärztlichen Überprüfung seit mehr als 10 Jahren unauffällig gewesen sei. Die Laborwerte vom Januar 2017 seien bezüglich einer Alkoholabhängigkeit unauffällig gewesen. Die Betriebsärztin gehe eher von einem depressiven Erschöpfungszustand als von einer Alkoholabhängigkeit aus. Der Antragsteller habe sich dennoch über die Möglichkeiten der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe bei der Diakonie … erkundigt und sich mit einem Facharzt für Psychotherapie und Psychiatrie in Verbindung gesetzt.

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Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt worden. Da der Antragsteller noch nie alkoholbedingte Straftaten begangen habe, hätte es auch genügt, Auflagen anzuordnen, z.B. spontane Überprüfungen auf Alkoholkonsum.

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Die sofortige Vollziehbarkeit sei nicht ausreichend begründet worden. So sei die - bestrittene -

Alkoholabhängigkeit bereits als Grund für die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst herangezogen worden.

Es werde nicht dargelegt, warum die Ungeeignetheit des Antragstellers gleichzeitig das besondere

öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnis begründen solle. Im Übrigen fahre der Antragsteller seit 30 Jahren mit einem Kfz beanstandungslos und unfallfrei. Sollte eine Alkoholabhängigkeit bestehen, was die Hausärztin bestreite, so entwickle sich diese nicht von heute auf morgen, sondern über einen längeren Zeitraum. Da der Antragsteller nie auffällig geworden sei, scheine er dieses Problem im Griff zu haben. Es gebe damit keinen Anlass, die Fahrerlaubnis sofort zu entziehen.

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Der Antragsgegner legte die Behördenakten vor und beantragte mit Schriftsatz vom 24.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht am 27.04.2017, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.

11

Beim Landratsamt sei aufgrund des Vorfalls am 21.01.2017 der Verdacht entstanden, dass eine Suchterkrankung vorliege. Die Tochter des Antragstellers - die als Krankenschwesternschülerin über medizinische Grundkenntnisse verfüge - habe von einem ständig steigenden täglichen Alkoholkonsum berichtet. Das Erscheinungsbild, das Verhalten des Antragstellers und die Umstände am 21.01.2017 hätten nach Angaben der Polizeibeamten auf einen massiven Alkoholkonsum und/oder eine psychische Störung infolge Alkoholsucht hingedeutet. Nach dem daraufhin beigezogenen Arztbrief der Bezirksklinik … bestehe beim Antragsteller eine depressive Episode, Alkoholentzug und Alkoholabhängigkeit. Damit sei dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen. Dem stünden die Einlassungen des Antragstellers nicht entgegen. Der Umstand, dass er bislang noch nie ordnungsrechtlich in Erscheinung getreten sei, sei nicht erheblich. Der Verlust der Fahreignung sei nicht davon abhängig, ob zwischen dem Alkoholkonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen bisher getrennt worden sei. Die Bezirksklinik … sei eine Einrichtung, die über einen hohen Grad an Spezialisierung bei der Betreuung von Suchtkranken und psychisch kranken Personen verfüge. Sie habe sich während der neun -nicht wie behauptet fünf - Tage, die der Antragsteller in stationärer Behandlung gewesen sei, umfassend mit der psychischen Verfassung und den

Lebensgewohnheiten des Antragstellers befassen können. Ihrer Diagnose komme daher ein hoher Grad an Verlässlichkeit zu. Bei Alkoholabhängigkeit fehle die Fahreignung; dies könne nicht durch die vom

Antragsteller gemachten Angebote kompensiert werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei ausreichend begründet worden. Bei einer gebundenen Entscheidung erübrige es sich, private, soziale oder finanzielle Aspekte zu untersuchen.

12

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, den Vortrag der Beteiligten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).

II.

13

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 03.03.2017, mit dem ihm die Fahrerlaubnis der Klassen 1b und 3 entzogen wurde. Der Antrag ist bereits unzulässig und hat auch in der Sache keinen Erfolg. Der

angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

14

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren

Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da ein Rechtsbehelf des Antragstellers nach summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg hat. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Klage.

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15

Der Antrag ist unzulässig. Der von einem Rechtsanwalt gestellte Antrag richtet sich ausdrücklich gegen den Landkreis …, vertreten durch das Landratsamt … Richtiger Antragsgegner wäre aber der …, da den Landkreisen gemäß Art. 4, 6 und 7 der Landkreisordnung für den … (LKrO) die Erfüllung der auf das Kreisgebiet beschränkten öffentlichen Aufgaben (im eigenen und übertragenen Wirkungskreis) zusteht, die über die Zuständigkeit oder das Leistungsvermögen der kreisangehörigen Gemeinden hinausgehen, soweit es sich nicht um Staatsaufgaben handelt. Der Vollzug des StVG und der darauf beruhenden FeV ist jedoch eine Staatsaufgabe und damit zwar dem Landratsamt als untere Staatsbehörde (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO) zugewiesen, nicht jedoch dem Landkreis. Nach § 79 Abs. 1 VwGO genügt zwar zur Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Im vorliegenden Fall genügt dies aber nicht zur Klarstellung, ob Antragsgegner der Freistaat Bayern oder der Landkreis … sein soll, da das Landratsamt sowohl Staatsals auch Kreisbehörde sein kann und somit noch keine hinreichend konkrete Bezeichnung des Antragsgegners vorliegt (abgesehen davon, dass das Landratsamt hier ausdrücklich als Vertreter des Landkreises bezeichnet wird).

16

Nach den §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Fassung des Antrags gebunden. Gebunden ist es grundsätzlich nur an das erkennbare Rechtsschutzziel, so wie es sich aufgrund des gesamten Vorbringens darstellt. Nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes als Auslegungshilfe ist im Zweifel zugunsten des Rechtsschutzsuchenden anzunehmen, dass er den in der Sache „richtigen“ Antrag stellen will. Allerdings ist bei einem - wie hier - von einem Rechtsanwalt gestellten Antrag ein strengerer Maßstab anzulegen. Eine Umdeutung ist in solchen Fällen nur ausnahmsweise möglich, da bei einem Rechtskundigen davon auszugehen ist, dass er über den Antrag in der Form bzw.

der Fassung entschieden haben will, in der er von ihm formuliert worden ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v.

29.08.2014 - 4 CE 14.1502 - und B.v. 24.03.1997 - 1 CS 96.2915 -). Eine derartige Ausnahme ist hier nicht anzunehmen. Letztlich ist eine großzügige Auslegung im Interesse der Gewährung effektiven

Rechtsschutzes auch nicht geboten, weil der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg hat.

17

In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen im Wesentlichen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist zur Sache sowie zum

Antragsvorbringen noch Folgendes auszuführen: Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV (nachfolgend: Anlage 4) vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

18

Ein Mangel im Sinne der Anlage 4 stellt insbesondere Alkoholabhängigkeit dar. In Ziffer 8.3 der Anlage 4 ist festgelegt, dass bei Alkoholabhängigkeit die Fahreignung fehlt. Damit ist die Fahrerlaubnis bei einer bestehenden Alkoholabhängigkeit zwingend zu entziehen. Steht diese Diagnose mit ausreichender Sicherheit fest, so bedarf es keiner weiteren Aufklärungsmaßnahmen oder Untersuchungen, insbesondere ist die bei bloßem Verdacht auf eine bestehende Alkoholabhängigkeit erforderliche Anordnung, ein ärztliches Gutachten gemäß § 13 Satz 1 FeV beizubringen, nicht mehr erforderlich.

19

Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller wurde aufgrund seines unter Alkoholeinfluss gezeigten Verhaltens am 21.01.2017 nach Art. 1 Abs. 1, 10 Abs. 2 UnterbrG in die Bezirksklinik … wegen Selbst- und/oder Fremdgefährlichkeit untergebracht. Dabei wurde eine Atem-alkoholkonzentration von 0,46 mg/l festgestellt.

Im Arztbrief der Bezirksklinik … vom 27.01.2017 wird ausdrücklich die Diagnose „Alkoholabhängigkeit F 10.2“ gestellt.

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Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit des Arztberichts zu zweifeln. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehrs-, Bau-und Wohnungswesen und beim

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Bundesministerium für Gesundheit (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, Bremerhaven 2009) in Abschnitt 3.11.2 vorsehen, dass die sichere Diagnose einer

Alkoholabhängigkeit nur gestellt werden sollte, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der in jenem Abschnitt aufgeführten, in Anlehnung an ICD-10 formulierten sechs Kriterien gleichzeitig vorhanden waren. Dem Arztbrief ist nicht zu entnehmen, welche dieser drei Kriterien beim Antragsteller festgestellt wurden. Da den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung keine rechtsnormative Qualität zukommt, steht der Umstand, dass der Entlassungsbericht kein Fahreignungsgutachten ist und sich daher nicht streng an dieser Sollvorgabe orientiert, der Annahme, dass der Antragsteller alkoholabhängig ist, indes nicht zwingend entgegen. Die für die Entziehung der Fahrerlaubnis erforderliche Erkenntnis, dass ein

Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist, kann vielmehr grundsätzlich auf jedem rechtskonformen Weg gewonnen werden (vgl. z.B. BayVGH, B.v.

3.7.2013 - 11 CS 13.1149 B.v. 4.4.2006 - 11 CS 05.2439 - und B. v. 8.8.2005 - 11 CS 05.631).

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Für die Richtigkeit der gestellten Diagnose spricht auch, dass - entgegen der Darstellung des Antragstellers - in dem Arztbrief ausdrücklich „Alkoholentzug F 10.3“ diagnostiziert wird und die Tochter des Antragstellers gegenüber der Polizei erklärt hat, dass ihr Vater sich immer mehr dem Alkohol hingebe und deshalb oft äußerst aggressiv reagiere.

22

Diese Diagnosen wurden der Fahrerlaubnisbehörde auf ihre Nachfrage hin ausdrücklich als richtig bestätigt.

Bei diesem Sachverhalt durfte die Fahrerlaubnisbehörde von der Richtigkeit der gestellten Diagnose ausgehen und den Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen einstufen.

23

Auch im gerichtlichen Verfahren ist das Vorbringen des Antragstellers nicht geeignet, die gestellte Diagnose zu widerlegen.

24

Soweit er bezweifelt, dass innerhalb seines Aufenthalts in der Bezirksklinik Rehau eine Dosissteigerung als Indiz für Alkoholabhängigkeit festgestellt werden konnte, ist darauf hinzuweisen, dass allein eine Angabe über die Trinkgewohnheiten und den regelmäßigen Alkoholkonsum ausreichend ist, um sowohl eine Dosissteigerung als auch eine Alkoholtoleranz feststellen zu können. Umfangreiche und/oder langwierige Beobachtungen oder Untersuchungen sind dafür nicht erforderlich.

25

Die Diagnose „Alkoholabhängigkeit“ setzt weder zwingend Kontrollverlust noch den Verlust sozialer Kontakte, Auffälligkeiten oder Trunkenheit während der Arbeit voraus. Diese Umstände können zwar auf Alkoholabhängigkeit hindeuten. Umgekehrt kann Alkoholabhängigkeit auch dann bestehen, wenn diese Auffälligkeiten nicht vorliegen oder festgestellt wurden, wie sich aus den ICDKriterien eindeutig ergibt. Auch dass der Antragsteller bei betriebsärztlichen Untersuchungen unauffällig gewesen sein soll, widerlegt - die Richtigkeit seiner Behauptung unterstellt - die Diagnose schon deshalb nicht, weil bei betriebsärztlichen Untersuchungen die Frage einer Alkoholabhängigkeit regelmäßig nicht gezielt geprüft wird. Der

Einschätzung der Betriebsärztin oder des Hausarztes kommt deshalb nur eine geringe Aussagekraft zu. Da eine bereits kurzfristige Alkoholabstinenz dazu führt, dass die Leberwerte in einen unauffälligen Bereich zurückfallen, besitzen auch unauffällige Leberwerte im Januar 2017 keine Aussagekraft.

26

Angesichts der äußerst geringen Kontrolldichte kann auch dem Umstand, dass der Antragsteller noch nie im Straßenverkehr auffällig geworden ist, keine Bedeutung zugemessen werden.

27

Letztlich würden aber angesichts des Gewichts, das der klaren Diagnose der Bezirksklinik … und den zur Unterbringung führenden Umständen zukommt, bei der vom Gericht vorzunehmenden eigenständigen Interessenabwägung etwaige Unklarheiten nur dazu führen können, dass diese im Hauptsacheverfahren zu klären wären, der Antrag aber dennoch ohne Erfolg bleiben müsste.

28

Der angefochtene Bescheid weist auch keine sonstigen Fehler auf. Nach dem klaren Wortlaut der §§ 3 Abs.

1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich

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deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. An diese gesetzliche Regelung ist die Fahrerlaubnisbehörde gebunden. Für Ermessenserwägungen oder Auflagen, wie der Antragsteller meint, lässt die gesetzliche Regelung im Interesse der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer keinen Raum.

29

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach allem rechtlich nicht zu beanstanden.

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Die Fahrerlaubnisbehörde hat bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung den formalen

Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 VwGO in ausreichendem Umfang Rechnung getragen. Es wurde dargelegt, dass das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung eines

Rechtsbehelfs gegenüber den Belangen der Verkehrssicherheit zurückzustehen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer

Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (vgl.

etwa BayVGH B.v. 10.10.2011 - 11 CS 11.1963; B.v. 11.5.2011 - 11 CS 10.68; B.v. 24.8.2010 - 11 CS 10.1139; B.v. 19.7.2010 - 11 CS 10.540; B.v. 25.5.2010 - 11 CS 10.22 - juris). Es liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner weiteren Ausführungen, dass einer Person, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, nicht gestattet werden kann, bis zum Eintritt der Rechtskraft des

Fahrerlaubnisentziehungsbescheides ein Kraftfahrzeug zu führen und am Straßenverkehr teilzunehmen.

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Nach allem ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die

Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5, 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. BayVGH, B.v.

11.12.2013 - 10 C 13.829 - BayVBl 2014, 350).

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