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Sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis der Klasse B

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VG Augsburg, Beschluss v. 11.01.2017 – Au 7 S 16.1592 Titel:

Sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis der Klasse B Normenketten:

VwGO § 80 Abs. 5 StVG § 3 Abs. 1

FeV § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 46 Abs. 1, Abs. 3 Anlage 4 FeV Nr. 9.2.2

Leitsatz:

Bei einem festgestellten THC-Wert, der mit einmaligem Konsum nicht zu erreichen wäre, und dem Auffinden von Haschisch, Haschisch-Samen, Hasch-Cookies sowie zahlreichen Rauschgift- Utensilien ist die Behauptung eines Erstkonsums ohne weitere Darlegung als reine

Schutzbehauptung anzusehen. (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

Fahrerlaubnis, Konsum, Zwangsgeld, Vollziehung, aufschiebende Wirkung, Fahreignung, Erstkonsum  

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der 1988 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse B.

2

1. Die Polizeiinspektion ... teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. Juni 2016 u. a. mit, dass der Antragsteller am 30. Mai 2016, 17:15 Uhr, ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt habe. Im polizeilichen, vom Antragsteller unterschriebenen „Protokoll und Antrag zur Feststellung von Drogen im Blut“ vom 30. Mai 2016 ist u. a. vermerkt, dass der Antragsteller angegeben habe, vor vier Tagen einen Joint geraucht zu haben („vor 4 Tagen 1nen Joint“). Im polizeilichen Bericht, Drogen im Straßenverkehr, wird unter Punkt 16 - letzter BtM-Konsum laut eigenen Angaben - ausgeführt: „26.05.2016, 05:30 Uhr, 1nen Joint“. Im ärztlichen Bericht vom 30. Mai 2016 wird angegeben, dass der Antragsteller nur italienisch spreche.

3

Die Blutuntersuchung durch das Institut der Rechtsmedizin des Universitätsklinikums ... vom 10. Juni 2016 erbrachte den Nachweis von Cannabisprodukten. Dabei wurden folgende Substanzen quantitativ erfasst:

4

THC 3,3 ng/ml 5

THC-COOH 34,2 ng/ml

(2)

[11]-OH-THC 0,7 ng/ml.

7

Die Fahrt unter Cannabiseinfluss vom 30. Mai 2016 wurde mit Bußgeldbescheid vom 13. Juli 2016, rechtskräftig seit 2. August 2016, geahndet.

8

Unter dem 1. August 2016 teilte die Polizeiinspektion ... der Antragsgegnerin ergänzend mit, dass der Antragsteller anlässlich der Verkehrskontrolle vom 30. Mai 2016 angegeben habe, zu Hause noch eine Kleinigkeit Marihuana zu besitzen. Bei freiwilliger Wohnungs-Nachschau sei im Wohnzimmer eine Kleinmenge Haschisch, DVT mit Samen, ein Hasch-Cookie sowie zahlreiche RG Utensilien aufgefunden und sichergestellt worden.

9

2. Nach Anhörung wurde dem Antragsteller mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2016 die Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S entzogen (Nummer 1). ). Er wurde verpflichtet, seinen

Führerschein unverzüglich, spätestens drei Tage nach Zustellung des Bescheides, bei der Antragsgegnerin abzuliefern (Nummer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 dieses Bescheides wurde angeordnet (Nummer 3). Für den Fall der Nichtbeachtung der Ziffer 2 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nummer 6).

10

Der Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Antragstellers laut Postzustellungsurkunde am 21. Oktober 2016 zugestellt.

11

Am 27. Oktober 2016 lieferte der Antragsteller seinen Führerschein bei der Antragsgegnerin ab.

12

3. Am 11. November 2016 ließ der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2016 aufzuheben.

13

Die Klage wird bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 16.1590 geführt.

14

Gleichzeitig ließ der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen und beantragte, 15

die sofortige Vollziehung der Verfügung der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2016 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

16

Der Antragsgegnerin aufzugeben, den vom Antragsteller abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder an den Antragsteller zurückzugeben.

17

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsgegnerin den Nachweis, dass es sich beim Antragsteller um einen gelegentlichen Cannabiskonsumenten handle, nicht erbracht habe. Der Antragsteller habe ausschließlich am 30. Mai 2016 Cannabis konsumiert, nicht vorher und nicht nachher.

Der Antragsteller, ein italienischer Staatsbürger, spreche ausschließlich italienisch. Seine deutschen Sprachkenntnisse seien so schlecht, dass ein Austausch im Rahmen einer Polizeikontrolle ausgeschlossen sei. Bei der Kontrolle sei ein Beamter anwesend gewesen, der über rudimentäre italienische

Sprachkenntnisse verfügt habe, so dass ein Austausch zwar über das weitere Procedere, nicht jedoch in der Sache möglich gewesen sei. Der Antragsteller bestreite ausdrücklich, jemals angegeben zu haben, vor vier Tagen einen Joint geraucht zu haben. Er könne sich nicht erklären, wie es in dem polizeilichen Bericht zu der entsprechenden Notiz gekommen sei.

18

(3)

Auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers könne auch nicht aufgrund der angeblich bei der Wohnungsnachschau aufgefundenen Dinge geschlossen werden. Die Sachen seien nach Kenntnis der Antragstellerseite nicht untersucht worden, so dass es lediglich eine Vermutung sein dürfte, dass es sich um Haschisch, THC-haltige Samen und eine Hasch-Cookie gehandelt habe. Auch die anderen Utensilien seien nicht näher spezifiziert worden. In der Wohnung des Antragstellers wohne auch dessen Freundin und es halte sich dort regelmäßig Besuch auf. Eine Zuordnung der Gegenstände sei nicht vorgenommen worden.

19

Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht zulässig. Die Güterabwägung sei hier lediglich formelhaft erfolgt. Der Antragsteller sei in einem Restaurant angestellt und aufgrund seiner Arbeitszeiten auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Ohne Fahrerlaubnis drohe der Verlust seines Arbeitsplatzes. Ein

unzureichendes Trennungsvermögen liege hier nicht vor, da es sich ausschließlich um einen Verstoß handle. Dessen Ahndung habe sich der Antragsteller zur Warnung dienen lassen.

20

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 5. Dezember 2016, 21

den Antrag abzulehnen.

22

Es fehle an einem substantiierten Vortrag zum einmaligen Konsum. Der weitere Vortrag, dass es sich bei der im polizeilichen Protokoll dokumentierten und vom Antragsteller unterschriebenen Angabe, vor ungefähr vier Tagen sei der letzte Joint geraucht worden, um ein sprachliches Missverständnis gehandelt habe, stelle eine Schutzbehauptung dar. Eine solche Aussage könne auch von Personen mit rudimentären

Sprachkenntnissen, die der Polizeibeamte nach den Ausführungen in der Klageschrift nur gehabt haben solle, richtig übersetzt werden. Ebenso habe auch die vorangegangene Frage vom Antragsteller richtig verstanden werden können. Außerdem sei in dem vom Antragsteller unterschriebenen Protokoll die lateinische Ziffer „4“ verwendet worden, welche in allen westlichen Sprachen identisch sei. Auch sei der gelegentliche Cannabiskonsum bis zum Erlass des Bescheides am 19. Oktober 2016 nicht bestritten worden. In der anwaltlichen Stellungnahme vom 31. August 2016 sei nur vorgetragen worden, dass der Antragsteller „seit dem Vorfall“ keinen weiteren Cannabiskonsum mehr gehabt habe.

23

Hinsichtlich der Wohnungsdurchsuchung sei festzuhalten, dass diese laut Mitteilung der Polizei

durchgeführt worden sei, nachdem der Antragsteller selbst angegeben habe, noch Marihuana zu Hause zu haben. Auch hier sei die Verständigung offenbar möglich gewesen.

24

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2016 vertiefte die Antragstellerseite ihre Ausführungen, dass ein gelegentlicher Cannabiskonsum nicht nachgewiesen sei.

25

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

26

Der Antrag ist teilweise unzulässig. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet.

27

Der Antrag zielt nach seinem Wortlaut und bei sachgerechter Auslegung darauf, die aufschiebende Wirkung der Klage nur im Hinblick auf die Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 19. Oktober 2016, deren sofortige Vollziehbarkeit die Antragsgegnerin angeordnet hat, wiederherzustellen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs.

5 Satz 1 2. Alternative VwGO). Dagegen wird mit dem vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, entgegen der Ansicht der Antragsgegnerseite, nicht bezweckt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage auch gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Nummer 6 des Bescheids (Zwangsgeldandrohung, vgl.

Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz/BayVwZVG), angeordnet wird (vgl.

§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 1. Alternative VwGO), da ein solcher Antrag angesichts der bereits vor Antragstellung erfolgten Ablieferung des Führerscheins ins Leere ginge.

(4)

1. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin aufzugeben, den abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder an den Antragsteller herauszugeben. Für diesen Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Denn für den Fall, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgreich wäre, ist nichts dafür vorgetragen und ersichtlich, dass die Antragsgegnerin nicht von sich aus die Konsequenzen hieraus ziehen und dem Antragsteller seinen Führerschein zurückgeben würde (vgl.

BayVGH, B.v. 12.3.2007 - 11 CS 06.2028 - juris).

29

2. Soweit der Antrag zulässig ist, hat er aber in der Sache keinen Erfolg.

30

a) An der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs bestehen keine vernünftigen Zweifel.

31

Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs (II. 3., S. 3/4 des Bescheids vom 19.10.2016) entspricht offenkundig den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzustellen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage zusätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).

Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch. Ein solcher Fall lag hier aus der Sicht der Antragsgegnerin vor. Die Behörde hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine inhaltliche Überprüfung der Begründung der Behörde, sondern es wird eine eigenständige gerichtliche Interessenabwägung durchgeführt (BayVGH, B.v. 16.12.2015 - 11 CS 15.2377 - juris; B.v. 8.9.2015 - 11 CS 15.1634 - juris Rn. 6 m. w. N.).

32

b) Das Gericht hat bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO eine über die Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs hinausgehende, eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, zu bewerten. Ausschlaggebend im Rahmen der Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wieder hergestellt werden soll, hier also der Klage vom 11. November 2016. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass das Rechtsmittel mit Sicherheit Erfolg haben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen.

33

c) Aufgrund der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung ist davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird, weil der

streitgegenständliche Bescheid vom 19. Oktober 2016 rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

34

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (st. Rspr., vgl. zuletzt BVerwG, U. v.

23.10.2014 - 3 C 3/13 - DAR 2014, 711, juris). Damit ist hier auf den Zugang des Bescheids vom 19.

Oktober 2016 - dies war der 21. Oktober 2016 - abzustellen.

35

Rechtsgrundlage der mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2016 verfügten Entziehung der Fahrerlaubnis sind § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach ist die Fahrerlaubnis zu

(5)

entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).

36

Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die

Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. Von einer mangelnden Eignung ist u. a. auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-

Verordnung vorliegen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis und fehlender Trennung zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs die Fahreignung zu verneinen.

37

Die Behörde ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller gelegentlich Cannabis

konsumiert (nachfolgend unter aa) und gegen das Trennungsgebot verstoßen hat (nachfolgend unter bb), so dass die Fahreignung nicht vorliegt.

38

aa) Gelegentlicher Cannabis-Konsum liegt nach ständiger Rechtsprechung bereits dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, U.v.

23.10.2014 - 3 C 3/13 - juris, Rn. 16 ff.; siehe auch BayVGH, B.v. 21.7.2014 - 11 CS 14.988; B.v.

13.12.2010 - 11 CS 10.2873, beide juris).

39

Soweit der Antragsteller vorträgt, der bei ihm festgestellte Cannabiskonsum am 30. Mai 2016 sei ein einmaliger Vorgang gewesen und es handele sich deshalb nicht um einen gelegentlichen Konsum, kann dem nicht gefolgt werden. Ein einmaliger Konsum kann nur dann angenommen werden, wenn der

Betreffende erstmals im Rahmen eines gleichsam experimentellen sog. Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurück liegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann. Im Hinblick darauf, dass die Kombination von erstmaligem Cannabiskonsum, anschließender Verkehrsteilnahme unter Einwirkung des erstmalig konsumierten Stoffs und schließlich der Feststellung dieses Umstands bei einer polizeilichen Verkehrskontrolle sehr selten auftreten dürfte, bedarf es neben einer ausdrücklichen Behauptung des Probierkonsums noch substantiierter Darlegungen - unter genauer Schilderung der konkreten Einzelumstände des Konsums - dazu, dass bzw. warum es zu dem erstmaligen Konsum gekommen ist (ständige Rechtsprechung, siehe z. B. BayVGH, B.v. 25.1.2016 - 11 CS 15.2480 - juris Rn. 14, 15; VGH BW, B.v. 22.7.2016 - 10 S 738/16 - juris Rn. 7; OVG NW, B.v. 12.3.2012 - 16 B 1294/11 - DAR 2012, 275, juris Rn. 5 ff.).

40

Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Antragstellers nicht.

41

Zu den Umständen, warum er sich gerade am Montag, den 30. Mai 2016 dazu entschlossen haben will, erstmals Cannabis zu konsumieren bzw. auszuprobieren, hat der Antragsteller überhaupt nichts vorgetragen. Vielmehr beschränkt sich sein Vortrag insbesondere auf Ausführungen dazu, dass bzw.

warum es sich bei den Angaben in dem von ihm unterschriebenen polizeilichen Protokoll vom 30. Mai 2016, er habe vier Tage vor der Drogenfahrt einen Joint konsumiert („vor 4 Tagen 1nen Joint“, vgl. Bl. 16 der Behördenakte), um ein sprachliches Missverständnis handeln soll und er eine derartige Aussage nie gemacht habe. Ein solcher Vortrag ist jedoch nicht dazu geeignet, glaubhaft zu machen, dass der

Drogenfahrt vom 30. Mai 2016, um ca. 17:15 Uhr, ein erstmaliger Probierkonsum von Cannabis vorausging.

42

Abgesehen davon, dass von einem erstmaligen Probierkonsum bereits deswegen nicht auszugehen ist, weil substantiierte Angaben hierzu vollständig fehlen, kann der Antragsteller auch nicht mit seiner Behauptung durchdringen, dass die Angabe im polizeilichen Protokoll („Protokoll und Antrag zur Feststellung von Drogen im Blut“, Bl. 16 der Behördenakte), er habe nach eigener Aussage vier Tage vor dem 30. Mai 2016

Cannabis konsumiert, unrichtig sei.

(6)

Gegen die von der Antragstellerseite geltend gemachten sprachlichen Missverständnisse spricht, dass in demselben Protokoll auch die Angabe, die nur vom Antragsteller selbst stammen kann, enthalten ist, dass seine letzte Nahrungsaufnahme aus zwei Tellern Nudeln am 29. Mai 2016 gegen 24 Uhr bestanden habe (vgl. Bl. 16 der Behördenakte). Dass der Antragsteller auch diese Aussage nicht oder nicht mit dem

protokollierten Inhalt gemacht hat, hat die Antragstellerseite selbst nicht geltend gemacht. Die Aussage über Zeitpunkt und Art der Nahrungsaufnahme ebenso wie die Aussage des Antragstellers, dass sich in seiner Wohnung noch eine Kleinigkeit Marihuana befinde (polizeiliche Mitteilung vom 1.8.2016, Bl. 34 der Behördenakte) zeigen jedoch, dass eine Verständigung zwischen dem Antragsteller und der Polizei bzw.

einem Polizeibeamten, der italienische Sprachkenntnisse besitzt, möglich war, was wiederum dafür spricht, dass auch eine Verständigung über die Frage zum letzten Drogenkonsum möglich war. Auch die im polizeilichen Bericht, erstellt am 30. Mai 2016, 18:10 Uhr, noch detaillierter enthaltene Angabe zum letzten Drogenkonsum, nämlich dass dieser um 5:30 Uhr am 26. Mai 2016 stattgefunden haben soll (s. Bl. 20 der Behördenakte), stellt ein Indiz dafür dar, dass der Antragsteller entsprechende Aussagen getätigt hat.

44

Gegen einen erstmaligen Probierkonsum, der auch noch im Rahmen einer polizeilichen Verkehrskontrolle sogleich entdeckt worden sein soll, spricht zudem, dass dieser Umstand nicht bereits im

Anhörungsverfahren gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht wurde. Vielmehr hat der anwaltlich vertretene Antragsteller, auch nach Akteneinsicht, hier nur vortragen lassen, dass er seit dem Vorfall keinerlei weitern Konsum von Cannabis gehabt habe. Ein fehlerhaftes polizeiliches Protokoll hinsichtlich seiner Angaben zum Cannabiskonsum oder den Umstand eines erstmaligen Probierkonsums von Cannabis hat er dagegen nicht geltend gemacht (vgl. Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragstellers vom

31.8.2016, Bl. 42/43 der Behördenakte).

45

Damit spricht eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten einen Cannabiskonsum am 26. Mai 2016 angegeben hat und das polizeiliche Protokoll bzw.

der polizeiliche Bericht vom 30. Mai 2016 insoweit nicht zu beanstanden sind. Der Antragsteller muss sich auch an seiner Aussage, dass er am 26. Mai 2016 Cannabis konsumiert hat, festhalten lassen, denn Anhaltspunkte dafür, warum er einen solchen Sachverhalt einräumen sollte, wenn es sich so nicht zugetragen hätte, sind nicht ersichtlich.

46

Ein Cannabiskonsum am 26. Mai 2016, also vier Tage vor der Drogenfahrt vom 30. Mai 2016, belegt aber einen zumindest zweimaligen und damit gelegentlichen Cannabiskonsum. Denn der festgestellte Wert des psychoaktiven Wirkstoffes THC in Höhe von 3,3 ng/ml in der am 30. Mai 2016 um 17:55 Uhr entnommenen Blutprobe (s. Gutachten des Universitätsklinikums ... vom 10.6.2016, Bl. 13/14 der Behördenakte) kann wegen des wissenschaftlich belegten raschen Abbauverhaltens von THC bei einmaligem oder seltenem Konsum nicht auf dem Cannabiskonsum vom 26. Mai 2016 beruhen, sondern belegt einen weiteren, wenige Stunden vor der Blutentnahme stattgefundenen Cannabiskonsum. Nach Veröffentlichung von

Sticht/Käferstein sinkt der THC-Spiegel bereits 12 Stunden nach Rausch-Ende auf Werte, die sich zwischen 0,02 und 0,07 ng/ml bewegen. Eine Studie von Huestis/Henninfield/Cohn gelangt zu dem Ergebnis, dass 12 Stunden nach dem Ende der THC-Aufnahme mit Konzentrationen von 0,9 ng/ml zu rechnen sei. Bei einer an der Universität Maastricht durchgeführten Untersuchung ergab sich, dass der THC-Spiegel bereits nach sechs Stunden bei 19 von 20 Versuchspersonen unter 1 ng/ml abgesunken war. Lediglich ein Proband wies noch eine Konzentration von 1,4 ng/ml auf.

47

Vor diesem Hintergrund ist das Gericht bei einer THC-Konzentration von 3,3 ng/ml davon überzeugt, dass entweder - zusätzlich zum Konsum am 26. Mai 2016 - ein sehr zeitnaher Konsum von wenigen Stunden vor der Fahrt gegeben ist oder sonst ein gehäufter Konsum vorliegen muss (vgl. BayVGH, B. v. 23.5.2016 - 11 CS 16.690 - NJW 2016, 2601; B. v. 18.4.2016 - 11 ZB 16.285 - NJW 2016, 1974; B. v. 16.12.2015 - 11 CS 15.2377 - juris m. w. N.).

48

Gegen den behaupteten erstmaligen Konsum am 30. Mai 2016 sprechen zudem die in der Wohnung des Antragstellers an diesem Tag aufgefundene Kleinmenge Haschisch, Haschisch-Samen, Hasch-Cookie

(7)

sowie zahlreiche Rauschgift-Utensilien. Aus der polizeilichen Mitteilung vom 1. August 2016 (vgl. Bl. 34 der Behördenakte), die auch der Bevollmächtigten des Antragstellers übermittelt wurde (vgl. Bl. 35 der

Behördenakte), ergibt sich, dass der Antragsteller selbst am 30. Mai 2016 anlässlich der Verkehrskontrolle angegeben hat, in seiner Wohnung eine „Kleinigkeit Marihuana“ zu besitzen, was zur freiwilligen

Wohnungs-Nachschau mit dem o.g. Fund geführt hat. Im Übrigen hat das Gericht keine Zweifel daran, dass Polizeibeamte in der Lage sind, Haschisch, Haschisch-Samen oder Haschisch-Cookies sowie Rauschgift- Utensilien als solche zu erkennen.

49

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Behauptung des Antragstellers, der Drogenfahrt vom 30.

Mai 2016 sei ein lediglich einmaliger Cannabiskonsum (sog Probierkonsum) vorausgegangen, nicht glaubhaft, sondern als Schutzbehauptung zu werten ist.

50

bb) Der Antragsteller hat auch nicht im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt.

51

Fehlendes Trennvermögen und damit eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs setzt bereits ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml ein (vgl. BVerwG, U. v. 23.10.2014 - 3 C 3.13 - juris m. w. N.). Indem der Antragsteller am 30. Mai 2016 mit einer THC-Konzentration von 3,3 ng/ml, also einem Wert deutlich über der Signifikanzschwelle, mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, hat er belegt, dass er den Konsum von Cannabis und das Fahren nicht trennen kann. In dieser fehlenden Trennung liegt - sofern es sich, wie hier, um einen gelegentlichen Cannabiskonsumenten handelt - ein die Fahreignung ausschließender charakterlich-sittlicher Mangel. Er ist darin zu sehen, dass der Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht

auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines

Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (vgl. BVerwG, U. v. 23.10.2014 - 3 C 3/13 - juris Rn. 30 unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378

<2379 f.>; BayVGH, B.v. 23.5.2016 - 11 CS 16.690 - juris; offengelassen nunmehr: BayVGH, B.v. 29.8.2016 - 11 CS 16.1460 - juris Rn. 16 ff.; B. v. 14.9.2016 - 11 CS 16.1467 - juris Rn. 15 ff.; B. v. 27.10.2016 - 11 CS 16.1388 - juris Rn. 6 ff.).

52

In den o.g. Entscheidungen vom 29. August 2016, 14. September 2016 und 27. Oktober 2016 lässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof offen, „ob bereits bei einer einzelnen Fahrt unter Cannabiseinfluss von Ungeeignetheit nach § 11 Abs. 7 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen werden kann oder ob nicht entsprechend dem Vorgehen bei fahrerlaubnisrechtlichem Alkoholmissbrauch, der nach Nr.

8.1 der Anlage 4 zur FeV zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen führt und bei dem nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV erst bei der zweiten Zuwiderhandlung die Beibringung eines medizinisch- psychologischen Gutachtens anzuordnen ist, auch bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten bei der ersten Zuwiderhandlung zunächst ein Fahreignungsgutachten im Ermessenswege nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV angeordnet werden kann und erst bei der zweiten Zuwiderhandlung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV zwingend ein Fahreignungsgutachten angeordnet werden muss“.

53

Er führt hierzu weiter wie folgt aus:

54

„Bei der Prüfung dieser (vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 23.10.2014 - 3 C 3.13 - nicht erörterten) Frage wird einerseits zu berücksichtigen sein, dass die Vorschriften der §§ 13 und 14 FeV sehr ähnlich strukturiert sind. Darüber hinaus hat der Verordnungsgeber bei der Änderung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV und des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV im Jahr 2008 die Vorschriften hinsichtlich Alkohol- und Cannabiskonsums nach der Verordnungsbegründung ausdrücklich angleichen wollen, da ihm aus Aspekten der Verkehrssicherheit eine Gleichbehandlung geboten erschien (BR-Drs. 302/08, S. 57 f. und 62 f.). Auch bliebe für § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV keinerlei Anwendungsbereich, wenn der erstmalige Verstoß gegen das Trennungsgebot bei gelegentlichem Cannabiskonsum nach § 11 Abs. 7 FeV zur sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis führt. Andererseits wird zu bedenken sein, ob eine Ungleichbehandlung eines fehlenden Trennungsvermögens bei Alkohol- und Cannabiskonsum angesichts der unterschiedlichen Wirkungsweisen

(8)

psychologischen Untersuchung im Ermessenswege nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV diesen Unterschieden ausreichend Rechnung getragen wird.“ (BayVGH, B.v. 29.8. 2016 - 11 CS 16.1460 -juris Rn. 17) 55

Gegen die vorstehend skizzierte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist

anzumerken, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht vorschnell auf eine Interessenabwägung bei offener Erfolgsaussicht

ausgewichen werden solle, sondern primär eine Rechtmäßigkeitsprüfung durchzuführen sei (vgl. BVerfG, B.

v. 14.9.2016 - 1 BvR 1335/13 - juris; VG Würzburg, B. v. 9. 11.2016 - W 6 S 16.1093 - juris Rn. 33). Das Gericht geht im Rahmen dieses Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes davon aus, dass die Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde, die Fahrt des Antragstellers unter Cannabiseinfluss (3,3 ng/ml THC) am 30. Mai 2016, als Verstoß gegen das Trennungsgebot (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV) zu werten, auch wenn es sich um die erste aktenkundige Ordnungswidrigkeit dieser Art handelt, keinen ernstlichen Zweifeln unterliegt.

56

So ist im Hinblick auf die Motivation des Verordnungsgebers, die Vorschriften hinsichtlich Alkohol- und Cannabiskonsums anzugleichen, entsprechend den Ausführungen des Bayerischen

Verwaltungsgerichtshofs zu berücksichtigen, dass eine Ungleichbehandlung bzgl. des fehlenden

Trennungsvermögens bei Alkohol- und Cannabiskonsum angesichts der unterschiedlichen Wirkungsweisen der Substanzen gerechtfertigt ist. Denn für die unterschiedliche Regelung des Umgangs mit Cannabis im Vergleich zum Alkohol bestehen wegen der unterschiedlichen Wirkungsweisen, aber auch wegen des unterschiedlichen Wissens über die Auswirkungen der Drogen auf die Fahreignung und wegen der

Unterschiede der sozialen Kontrolle des Konsums gewichtige sachliche Gründe (vgl. BVerfG, B. v. 9.3.1994 - 2 BvL 43/92 - BVerfGE 90, 145; VG Würzburg, B. v. 9.11.2016 - W 6 S 16.1093 - juris Rn. 33).

57

Die in den Anlagen I bis III des Betäubungsmittelgesetzes erwähnten Stoffe und Zubereitungen sind vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen von Abhängigkeit wegen des (typischen) Ausmaßes der

missbräuchlichen Verwendung oder wegen ihrer Toxizität gefährlich und schlecht kontrollierbar. Dem Konsumenten ist es nur sehr eingeschränkt möglich, den Verlauf und die Intensität der Wirkung solcher Substanzen zu steuern (vgl. VG Würzburg, B. v. 9.11.2016 - W 6 S 16.1093 - juris Rn. 11). Allein die Tatsache, dass es sich bei Alkohol um ein legal zu erwerbendes Rauschmittel handelt, führt dazu, dass in der Bevölkerung ein ausgeprägtes Bewusstsein über dessen Wirkungsweise herrscht. Die Angabe der Inhaltstoffe, insbesondere über den Alkoholgehalt findet sich für den Konsumenten einsehbar schon auf der Verpackung des betreffenden Lebensmittels, so dass er grundsätzlich darüber informiert ist, wie viel von welchem Inhalt- bzw. Wirkstoff, insbesondere Alkohol, er zu sich nimmt. Bei den in den Anlagen I bis III des Betäubungsmittelgesetzes erwähnten Stoffen und Zubereitungen, ist dies hingegen nicht der Fall. Der Konsument kann nicht verlässlich wissen, wie viel von welchem Wirkstoff in dem vom ihm konsumierten Produkt enthalten ist. Ein Bewusstsein des Einzelnen darüber, könnte höchstens durch den wiederholten Konsum entwickelt werden und selbst dann bleibt unklar wie viel Wirkstoff genau in dem jeweils aktuell konsumierten Produkt enthalten ist. Dem Alkoholkonsument muss im Gegensatz zum Cannabiskonsument also allgemein zugutegehalten werden, dass ein verantwortlicher Umgang mit dem Rauschmittel allein deshalb möglich ist, weil Wirkstoff und -weise des aktuell konsumierten Produkts hinreichend bekannt sind.

Des Weiteren verläuft auch der Abbau von Alkohol und Cannabis grundlegend anders (vgl. VG Würzburg, B. v. 9.11.2016 - W 6 S 16.1093 - juris Rn. 11).

58

Die jeweilige Wirkungsweise von Cannabis und Alkohol kann in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit und auf die Gefahr der Verkehrsteilnahme unter Substanzeinfluss sowie auf das Abbauverhalten also nicht

gleichgesetzt werden (vgl. VG Würzburg, B. v. 9.11.2016 - W 6 S 16.1093 - juris Rn. 33).

59

Zwischen §§ 13 und 14 FeV liegen darüber hinaus auch deutliche, vom Verordnungsgeber gewollte Unterschiede. Mit der Einfügung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV sollte ausdrücklich auch der Fallgestaltung Rechnung getragen werden, dass neben einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG (Alkohol) eine

(9)

weitere Verkehrszuwiderhandlung unter Einfluss berauschender Mittel (§ 24a Abs. 2 StVG) begangen wird (vgl. VG Würzburg, B. v. 9.11.2016 - W 6 S 16.1093 - juris Rn. 11).

60

Darüber hinaus vermag auch das angeführte systematische Argument wonach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV bei einer Fortführung der ständigen Rechtsprechung leerliefe, nicht zu überzeugen. §§ 11 bis 14 FeV beziehen sich ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung im zweiten Kapitel des zweiten Abschnitts der Verordnung in der Hauptsache auf die Erteilung der Fahrerlaubnis. Über den Verweis in § 46 Abs. 3 FeV finden sie entsprechende Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist. Der originäre

Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ist grundsätzlich nicht betroffen, so dass die Norm in keinem Fall leer liefe. Im Rahmen der Verweisung über § 46 Abs. 3 FeV ist der Argumentation des Senats

zuzugeben, dass § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV in Bezug auf die ständige Rechtsprechung zum

Trennungsvermögen bei gelegentlichem Cannabiskonsum leerläuft und eine entsprechende Anwendung der Regelung diesbezüglich nicht in Betracht kommt. Die gleiche systematische Erwägung träfe aber auch auf den Konsum von harten Drogen zu (vgl. VG Würzburg, B. v. 9.11.2016 - W 6 S 16.1093 - Rn. 33, juris).

61

Im Übrigen lassen weder die Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, noch die o.g. Entscheidung des

Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2014 (Az.: 3 C 3.13) Spielraum für die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angeregte Handhabe. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV besteht die Eignung eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten zum Führen eines Kraftfahrzeugs nur dann, wenn eine Trennung zwischen Konsum und Fahren vorliegt. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist (vgl. BVerwG, U. v. 23.10.2014 - 3 C 3/13 - juris). Eine zur Annahme mangelnder Fahreignung führende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs ist nach mittlerweile einhelliger Rechtsprechung bereits ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml anzunehmen (vgl.

BVerwG - 3 C 3/13 - Rn. 41, juris). Am Trennungsvermögen fehlt es also gerade aufgrund der

feststehenden Drogenfahrt des Antragstellers; eine weitere Aufklärung wäre erst und nur bei einer - hier nicht - substantiierten Behauptung eines einmaligen Konsums erforderlich gewesen. Der Normgeber verfolgt mit der Regelung in Nr. 9.2.2 das Ziel, Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs durch Cannabiskonsumenten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so weit wie möglich auszuschließen (OVG Bremen, B. v. 25.2.2016 - 1 B 9/16 - Blutalkohol 53, 275 [2016]; BVerwG, U. v.

23.10.2014 - 3 C 3.13 - Buchholz 442.10, § 3 StVG Nr. 16) (vgl.VG Würzburg, B. v. 9.11.2016 - W 6 S 16.1093 - juris Rn. 33). Für eine Auslegung dahingehend, dass für den Entzug der Fahrerlaubnis der mehrmalige Verstoß gegen das Trennungsgebot erforderlich ist, lassen sich keine Anhaltspunkte finden.

62

Für eine, von der bei Alkoholkonsum angewandten abweichenden Praxis bei Cannabiskonsum, spricht auch die unterschiedliche Formulierung der Nrn. 8.1 und 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV. Nr. 8.1. der Anlage 4 zur FeV bestimmt, dass eine Eignung nicht besteht, wenn Alkoholmissbrauch vorliegt. Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne liegt dann vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Hier ist dem Wortlaut gemäß bereits bei der Krankheit bzw. dem Mangel das Trennungsvermögen zu überprüfen. Anders stellt es sich beim gelegentlichen Cannabiskonsum dar. Auf der Stufe der Krankheit bzw. des Mangels genügt allein das Konsumverhalten, wohingegen die Eignung dann nicht besteht, wenn gegen das Trennungsgebot verstoßen wird.

63

Hierzu führt das VG Würzburg in seinem o.g. Beschluss vom 9. November 2016 wie folgt aus:

64

„Die Regelung in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV steht systematisch im Zusammenhang mit den weiteren Regelungen unter Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV und nicht mit den Regelungen zum Alkohol unter Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV. Stehen die Voraussetzungen einer Fallgestaltung der Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV fest, bedarf es gerade keiner weiteren Aufklärungsmaßnahmen nach § 14 FeV. Diese eindeutige Festlegung des Verordnungsgebers in der Anlage 4 zur FeV verbietet eine erweiternde Auslegung des § 14 FeV, die diesen

(10)

Alkohol und Cannabis dem Gesetz- und Verordnungsgeber vorbehalten“.

65

Nach allem geht das Gericht davon aus, dass sich der Antragsteller, der als gelegentlicher Cannabiskonsument einzustufen ist, durch die Fahrt unter Cannabiseinfluss am 30. Mai 2016 als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat mit der Folge, dass ihm die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen war (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 7 FeV sowie Anlage 4 Nr. 9.2.2 zur FeV). Ein Ermessen stand der Antragsgegnerin bei dieser Entscheidung nicht zu.

66

cc) Der Antragsteller hatte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids seine Fahreignung auch nicht wiedererlangt.

67

Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten ist dazu zwar keine einjährige Abstinenz nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV erforderlich, aber es muss eine motivational gefestigte Änderung des Konsumverhaltens eingetreten sein. Hierzu führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem o.g. Beschluss vom 14.

September 2016 (Az. 11 CS 16.1467, juris Rn. 24) wie folgt aus:

68

„Im Übrigen weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass sowohl Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV als auch Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Begutachtungsleitlinien - Berichte der

Bundesanstalt für Straßenwesen, gültig ab 1.5.2014, zuletzt geändert durch Erlass des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 3.3.2016 [VkBl 2016, 185]) das Erfordernis einer einjährigen Abstinenz nur nach Entgiftung und Entwöhnung vorsehen, die wiederum bei gelegentlichem

Cannabiskonsum nicht erforderlich ist. Auch die mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27. Januar 2014 (VkBl 2014, 132) als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführte 3. Auflage von „Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung - Beurteilungskriterien“

(Beurteilungskriterien - Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP)/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM), 2013) verlangt zwar bei überwundener Drogenabhängigkeit nach einer Entwöhnungstherapie oder vergleichbarer Problembewältigung eine Abstinenz von einem Jahr nach Beendigung der Entwöhnungsbehandlung (Kriterium D 1.3 N Nr. 4). Auch bei einer fortgeschrittenen Drogenproblematik, die sich im missbräuchlichen Konsum von Suchtstoffen, in einem polyvalenten Konsummuster oder auch im Konsum hoch suchtpotenter Drogen gezeigt hat, ist in der Regel eine mindestens einjährige Drogenabstinenz nach Abschluss spezifisch suchttherapeutischer Maßnahmen und einer Aufarbeitung der persönlichen Ursachen für den Drogenmissbrauch bei einer Drogenberatungsstelle oder innerhalb einer psychotherapeutischen Maßnahme erforderlich (Kriterium D 2.4 N Nr. 4). Allerdings kann die nachzuweisende Abstinenzdauer bei besonders günstig gelagerten Umständen auf ein halbes Jahr verkürzt werden (Kriterien D 1.3 N Nr. 5 und D 2.4 N Nr. 5). Bei einer Drogengefährdung ohne Anzeichen einer fortgeschrittenen Drogenproblematik beträgt die Mindestdauer des durch die Ergebnisse geeigneter polytoxikologischer Urin- oder Haaranalysen bestätigten Drogenverzichts ohnehin lediglich sechs Monate (Kriterium D 3.4 N Nrn. 1 und 3), sofern nicht über Jahre regelmäßiger Cannabiskonsum (Kriterium D 3.4 N Nr. 2) oder ein Rückfall nach Zeiten von längerem Drogenverzicht (Kriterium D 3.4 N Nr.

4) vorliegt.

69

Der streitgegenständliche Bescheid ist ca. viereinhalb Monate nach der Drogenfahrt erlassen bzw. dem Antragsteller zugestellt worden, so dass der Antragsteller die erforderliche Mindestabstinenzzeit von sechs Monaten zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt haben konnte.

70

dd) Die normative Wertung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV entfaltet Bindungswirkung, solange keine Umstände des Einzelfalls vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände im Sinne der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV sind nicht ersichtlich, so dass die fehlende Kraftfahreignung des Antragstellers gemäß § 11 Abs. 7 FeV feststeht, ohne dass es der Einholung eines Gutachtens bedarf.

71

(11)

d) Selbst wenn hier von einer Beurteilung der Erfolgsaussichten als offen auszugehen wäre - was nach Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht der Fall ist -, würde dies nicht ausreichen, um dem streitgegenständlichen Antrag zum Erfolg zu verhelfen. Die von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen führt hier zu dem Ergebnis, dass dem öffentliche Interesse daran, die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr weiterhin zu unterbinden, ein größeres Gewicht einzuräumen ist, als dem Interesse des Antragstellers, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Es entspricht der Pflicht des Staates zum Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben im Straßenverkehr (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), nur solche Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, deren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG, § 11 Abs. 1, § 46 Abs. 1 FeV). Daher erscheint es nicht verantwortbar, den Antragsteller - dessen Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr unter deutlichem Cannabiseinfluss zweifelsfrei feststeht - unter Belassung eines gültigen Führerscheins am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, zumal er auch bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung den behaupteten Drogenverzicht z. B. durch geeignete polytoxikologische Haaranalysen, die einen mehrmonatigen Drogenverzicht belegen können, nicht glaubhaft gemacht hat.

72

Die privaten und beruflichen Interessen können keine ausschlaggebende Rolle zugunsten des

Antragstellers spielen. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung für den Antragsteller verbundenen Nachteile in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit und seine private Lebensführung müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit sowie im Hinblick auf das überwiegende Interesse der Verkehrssicherheit

hingenommen werden (VGH BW, B.v. 22.7.2016 - 10 S 738/16 - VRS 130, Nr. 70 [2016]; OVG Bremen, B.v. 25.2.2016 - 1 B 9.16 - ZfSch 2016, 598). Eventuelle persönliche oder berufliche Auswirkungen sind typisch und waren dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschrift bekannt.

73

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

74

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG sowie den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14). Der sich aufgrund der Fahrerlaubnisklasse B ergebende Streitwert von 5.000,-- EUR ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.

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