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Entziehung der Fahrerlaubnis Gruppe 2 aufgrund einer Epilepsie-Erkrankung

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VG Regensburg, Urteil v. 01.04.2019 – RN 8 K 17.1629 Titel:

Entziehung der Fahrerlaubnis Gruppe 2 aufgrund einer Epilepsie-Erkrankung Normenketten:

StVG § 3 Abs. 1

FeV § 11 Abs. 2 S. 5, Abs. 5, § 46 Abs. 1, Anl. 4 Nr. 6.6 Leitsatz:

Die Begutachtungsleitlinien sind seit der Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung zum 1. Mai 2014 nach Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV die Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von

Kraftfahrzeugen (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

Epilepsie, Keine Fahreignung für Gruppe 2 trotz langjähriger Anfallsfreiheit bei Einnahme von Antiepileptika, Keine Ungleichbehandlung gegenüber Verkehrsteilnehmern, die keine Antiepileptika einnehmen,

Fahrerlaubnis, Begutachtungsleitlinien, Ärztliches Gutachten Fundstelle:

BeckRS 2019, 32299  

Tenor

I. Soweit der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand 1

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund einer Epilepsie-Erkrankung durch das Landratsamts (LRA) D.

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Der 1979 geborene Kläger war zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, A, B, BE, C, CE, C1, C1E, L und T. Mit Schreiben vom 4. August 2016 bat der Markt H., bei dem der Kläger beschäftig ist, die Fahrerlaubnisbehörde beim LRA D.um Überprüfung der Fahrtauglichkeit des Klägers. Bei einer

arbeitsmedizinischen Untersuchung sei die Beurteilung „Geeignet unter bestimmten Voraussetzungen: zu G 25 Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten (14.06.2016): bedingt geeignet ohne Stress“ festgestellt worden. Laut Rücksprache mit der Ärztin vom arbeitsmedizinischen Dienst sei von dieser eine Überprüfung der Fahrtauglichkeit vorgeschlagen worden. Auf Anfrage des LRA D.vom 4. August 2016 bei der

Arbeitsmedizinerin, aus welchem Grund eine Überprüfung der Kraftfahreignung für erforderlich gehalten werde, erklärte die Ärztin zunächst telefonisch, dass von ihr eine ärztliche Diagnose nicht gestellt werden könne. Das vom LRA D.übersandte Formblatt schickte sie deshalb mit dem Hinweis zurück, dass ihr keine Gründe bekannt seien, die eine Überprüfung der Fahreignung aus gesundheitlichen Ursachen erfordern würden. Die Gemeinde H. übermittelte dem LRA D.per E-Mail vom 18. August 2016 zwei E-Mails der Arbeitsmedizinerin vom 11. Mai 2016 und 10. Juli 2016, aus denen hervorgeht, dass der Kläger von einem Dr. B. ein vorübergehendes Fahrverbot bekommen habe, und er jetzt trainieren müsse, dann ginge es wieder.

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Mit Schreiben des LRA D.vom 25. August 2016 wurde die Klinik A. GmbH, Dr. B., gebeten mitzuteilen, aus welchem Grund ein Fahrverbot ausgesprochen worden sei und ob beim Kläger eine Erkrankung vorliege,

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die sich auf die Fahreignung auswirke. Mit Schreiben vom 7. September 2016 teilte die Klinik A. GmbH mit, dass sich im Laufe der Untersuchung des Klägers am 10. Februar 2016 negative Ergebnisse gezeigt hätten, die auf Aufmerksamkeitsdefizite hindeuteten. Aus diesem Grund sei die Empfehlung ausgesprochen worden, vorübergehend kein Kfz zu führen. Ein Fahrverbot sei nicht ausgesprochen worden. Der Kläger habe sich auch einsichtig gezeigt und nach seinen Angaben auf das Autofahren verzichtet. Nach mehreren Teilnahmen am neurokognitiven Training hätten die Defizite sich deutlich verbessert, so dass der Kläger nach Einschätzung der Klinik wieder fahrtauglich sei. Allerdings solle er vermeiden unter Stress zu fahren, da er stressanfällig sei. Laut einem Aktenvermerk des LRA D.vom 22. September 2016 habe eine

amtsinterne Rücksprache beim Gesundheitsamt ergeben, dass aufgrund der vorliegenden Hinweise der Verdacht bestehe, dass der Kläger an einer Erkrankung (z.B. ADHS) leide, die in den meisten Fällen die Einnahme von Medikamenten (z.B. Ritalin) erfordere, die dem Betäubungsmittelgesetz unterlägen, weshalb vom Gesundheitsamt eine weitergehende Untersuchung empfohlen worden sei. Mit Schreiben vom 22.

September 2016 forderte das LRA D.den Kläger unter Berufung auf den geschilderten Sachverhalt auf, bis 22. November 2016 ein ärztliches Gutachten (gestützt auf § 11 Abs. 2 i.V.m. Anlage 4 Nr. 7 FeV) eines Arztes bei einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Begutachtungsstelle zu folgender Fragestellung beizubringen:

„- Liegt bei Herrn D. eine Erkrankung vor, die nach der Anlage 4 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) die Fahreignung in Frage stellt? Wenn ja: ist Herr D. in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe1 / 2 vollständig gerecht zu werden? Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, regelmäßige / überwachte Medikamenteneinnahme [Hinweis auf - ggf. selbstindizierte -Unter- oder Überdosierung] usw.) vor? Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden? Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde

vorzulegen; wenn ja, warum? Ist eine fachliche einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten [Nach-]Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?“

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2016 legte der Kläger dem LRA D.das Ärztliche Gutachten der B.A.D Gesundheitsvorsorge und S. GmbH vom 1. Dezember 2016 vor. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine Erkrankung vorliege, die nach Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stelle. Der Kläger sei derzeit nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 gerecht zu werden. Die Fahreignung für die Gruppe 2 sei nach Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV wieder gegeben bei fünf Jahren Anfallsfreiheit ohne Therapie. Zwar bestehe beim Kläger eine 25-jährige Anfallsfreiheit. Er nehme aber derzeit noch hochdosierte Antiepileptika ein. Die Fahreignung für die Gruppe 1 sei nach den Vorgaben der Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV nur dann gegeben, wenn kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven mehr bestehe. Voraussetzung dafür sei ein Nachweis einer einjährigen Anfallsfreiheit. Laut vorgelegter fachärztlicher Bestätigung von Dr. B. sei der Kläger mehr als 27 Jahre anfallsfrei. Um die Anfallsfreiheit zu gewährleisten, nehme der Kläger Antiepilektika ein. Aufgrund der Medikamenteneinnahme sei im Rahmen der Begutachtung die psychomentale Leistungsfähigkeit überprüft worden. Der Kläger habe dabei unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Da die Möglichkeit der

Kompensation nicht ausgeschlossen werden könne, wäre der Kläger nach Durchführung einer positiven Fahrverhaltensbeobachtung in der Lage, Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 zu führen. Eine Nachuntersuchung sei dann nach drei Jahren erforderlich. Die im weiteren Verfahren durchgeführte Fahreignungsbegutachtung (verkehrspsychologische Fahrverhaltensbeobachtung) kommt mit Gutachten vom 16. Januar 2017 zu dem Ergebnis, dass der Kläger „trotz der festgestellten Leistungsbeschränkung (vgl. Gutachten vom 24.11.2016) ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 / 2 sicher führen [kann] (Überprüfung des Kompensationsvermögens in einer psychologischen Fahrverhaltensbeobachtung)“. Auf telefonische Rückfrage vom 23. Januar 2017 erklärte der Gutachter laut einem handschriftlichen Vermerk (Bl. 53 der Behördenakte), dass der Kläger nur bei den psychologischen Leistungstest für die Gruppe 2 geeignet sei, nicht aber medizinisch.

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Nach entsprechender Anhörung entzog das LRA D.dem Kläger mit Bescheid vom 21. Februar 2017 die Fahrerlaubnis der Gruppe 2 (Klassen C1, C1E, C und CE) (Ziffer 1). Der Kläger wurde verpflichtet, seinen Führerschein dem LRA D.zurückzugeben. Ein neuer Führerschein für die Klassen A, A1, AM, B, BE, L und T wird dem Kläger auf eigene Kosten ausgestellt (Ziffer 2). Sollte der Führerschein nicht spätestens

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innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids abgeliefert werden, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 3). In Ziffer 4 wurde die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 und 2 angeordnet. Der Kläger wurde zur Kostentragung verpflichtet (Ziffer 5) und es wurde eine Gebühr in Höhe von 150,- EUR festgesetzt (Ziffer 6). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass beim Kläger die Fahreignung bezüglich der Gruppe 2 nicht bestehe, da die Tatbestandsvoraussetzungen der Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV für ein ausnahmsweises Vorliegen der Fahreignung (kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven, z.B. fünf Jahre anfallsfrei ohne Therapie) nicht erfüllt seien. Eine Möglichkeit vom Ausspruch dieser Rechtsfolge abzusehen eröffne die Rechtsordnung bei feststehendem Verlust der

Fahreignung jedenfalls so lange nicht, als es nicht zumindest als möglich erscheine, dass der Kläger wieder fahrgeeignet geworden sein könnte. Dies sei derzeit beim Kläger nicht der Fall. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.

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Am 1. März 2017 hat der Kläger seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde abgegeben. Ein Ersatzdokument für die Gruppe 1 wurde ihm ausgestellt.

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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 21. März 2017 hat der Kläger gegen den Bescheid des LRA D.vom 21. Februar 2017 Widerspruch erheben lassen. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurde eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. med. H.R. B. vom 14. Juni 2017 vorgelegt, wonach der Kläger sich dort seit seiner Kindheit in fachärztlicher Mitbetreuung befinde. Anlass seien kindliche Anfälle gewesen. Die letzten Anfallsereignisse seien glaubhaft vor 27 Jahren berichtet worden. Nach medizinischer Einschätzung gelte das Leiden als ausgeheilt. Die Medikation habe der Patient vorsichtshalber rein prophylaktisch weitergenommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2017 blieb der Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Februar 2017 erfolglos. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Feststellungen des Gutachters stünden insbesondere im Einklang mit der Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV sowie der Nr. 3.9.6 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Es werde keine Veranlassung gesehen, von den Feststellungen der Begutachtungsstelle abzuweichen. Dass der Kläger die Medikation nur rein vorsorglich einnehme, erscheine nicht nachvollziehbar. Sollte das Leiden, wie in der ärztlichen Stellungnahme von Dr. B. ausgeführt, ausgeheilt sein, wäre die weitere Einnahme hochdosierter

Antiepileptika wohl nicht mehr erforderlich. Sollte diese dagegen nur rein prophylaktisch sein, so habe der Kläger mit den rechtlichen Konsequenzen zu rechnen.

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Mit Schreiben vom 11. September 2017 hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten vorliegende Klage erheben lassen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger von seiner kindlichen Krankheit geheilt sei und die Wahrscheinlichkeit, einen epileptischen Anfall im Straßenverkehr zu erleiden, nicht höher eingeschätzt werden könne als dies bei gesunden Straßenverkehrsteilnehmern oder bei solchen der Fall sei, bei denen nach den gesetzlichen Vorschriften eine Teilnahmefähigkeit vermutet werde. Die Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung und der

Begutachtungsleitlinien führten deshalb zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung des Klägers. Die Fünfjahresfrist für eine Anfallsfreiheit sei mehr oder weniger willkürlich gewählt. Die 27-jährige Anfallsfreiheit des Klägers bestätige für die Zukunft sowohl die Zuverlässigkeit des Patienten, dauerhaft seine Medikamente einzunehmen, als auch den Wegfall jeglicher Wahrscheinlichkeit eines Neuanfalles.

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Die Kläger beantragt zuletzt,

den Bescheid des LRA D.vom 21. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2017 in den Ziffern 1, 2, 5 und 6 aufzuheben.

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Für den Beklagten beantragt das LRA D.die Klage abzuweisen.

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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 1. April 2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I.

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Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der ursprünglich auch begehrten Aufhebung der Ziffer 3 des Bescheids des LRA D.vom 21. Februar 2017 für erledigt erklärt wurde, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

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Die Einstellung des Verfahrens ist unanfechtbar.

II.

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Soweit die Klage im Übrigen aufrechterhalten wurde, ist sie zulässig, aber unbegründet.

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Der Bescheid des LRA D.vom 21. Februar 2017 ist in den noch angegriffenen Ziffern rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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1. Die Entziehung der Fahrerlaubnis der Gruppe 2 (Fahrerlaubnisklassen C1, C1E, C und CE) in Ziffer 1 des Bescheids ist rechtmäßig.

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a) Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann der Fall, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Ein Ermessen besteht dabei nicht.

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b) Hinsichtlich Epilepsie wird in Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV ausgeführt, dass eine Fahreignung für die Fahrerlaubnisklassen der Gruppe 2, zu denen auch die Fahrerlaubnisklassen C1, C1E, C und CE gehören, für die der Kläger zuletzt eine Fahrerlaubnis besaß, bei Epilepsie „ausnahmsweise“ dann besteht, „wenn kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven mehr besteht, z.B. fünf Jahre anfallsfrei ohne Therapie“. Die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen Heft M 115, Stand: 28.12.2016, im Folgenden: Begutachtungsleitlinien) führen hierzu unter Nr. 3.9.6 aus, dass generell gelte, dass die Fahreignung für die Gruppe 2 nur dann erteilt werden dürfe, wenn der Betroffene keine Antiepileptika einnimmt. Die Kraftfahreignung bestehe im Ausnahmefall bei mindestens fünfjähriger Anfallsfreiheit ohne medikamentöse Therapie. In der weiteren Begründung wird hierzu insbesondere angegeben, dass die alleinige Angabe einer anfallsfreien Periode nicht per sei ausreichend sei, es sollten fachärztliche Kontrolluntersuchungen vorliegen, um den Krankheitsverlauf und das Rezidivrisiko fundiert beurteilen zu könne. Zu beachten sei auch, dass die antiepileptische Medikation im Einzelfall negative Einflüsse auf die Fahrtüchtigkeit haben kann. Die Voraussetzungen zum Führen von Fahrzeugen der Gruppe 2 seien insgesamt strenger aufgrund des höheren Risikos anfallbedingter Unfälle sowie der möglichen Unfallschwere.

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c) Vorliegend steht aufgrund des vorgelegten ärztlichen Gutachtens vom 1. Dezember 2016 fest, dass der Kläger aufgrund seiner Epilepsie-Erkrankung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 nicht geeignet ist. Beim Kläger liegt damit ein Mangel nach Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV vor, der die Fahreignung insoweit ausschließt.

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Dass sich der Gutachter bei der Beurteilung der Fahreignung des Klägers an den Vorgaben in der Anlage 4 zur FeV und an den Begutachtungsleitlinien orientiert, ist nicht zu beanstanden. Zwar kommt den

Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung keine rechtsnormative Qualität zu (vgl. BayVGH, B. v.

17.12.2015 - 11 ZB 15.2200 -, juris), allerdings sind die Begutachtungsleitlinien seit der Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung zum 1. Mai 2014 nach Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV die Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Durch die Neueinführung der Anlage 4a zur FeV

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sollte klargestellt werden, dass Untersuchungen und Gutachten auf Basis der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung zu erfolgen haben (vgl. BRat-Drs. 78/14 v. 26.2.2014, S. 66). Die Begutachtungsleitlinien geben auf der Grundlage eines entsprechenden verkehrsmedizinischen Erfahrungswissens den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse wieder. Bei der Würdigung eines Gutachtens durch die

Fahrerlaubnisbehörde ist daher zu prüfen, ob es in Übereinstimmung mit den Begutachtungsleitlinien erstellt wurde.

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Das vorgelegte ärztliche Gutachten vom 1. Dezember 2016 legt entsprechend der dargestellten Vorgaben nach der Anlage 4 zur FeV und den Begutachtungsleitlinien verständlich und nachvollziehbar dar, dass der Kläger zum Führen von Fahrzeugen der Gruppe 2 nicht geeignet ist. Im Gutachten wird unterschieden zwischen den Erläuterungen der Eignungsbedenken (Ziffer II des Gutachtens) und der

verkehrsmedizinischen Untersuchung (Ziffer III des Gutachtens). Das Gutachten enthält eine umfassende Darstellung der verkehrsmedizinischen Befunde, des ärztlichen Untersuchungsgesprächs sowie des psycho-physischen Leistungstests. Nach Angabe des Klägers habe er in der Wachstumsphase zwei- bis dreimal pro Woche Anfälle gehabt. Nach der Pubertät seien die Anfälle abgeklungen, er habe seit 25 Jahren keinen Krampfanfall mehr gehabt. Er nehme regelmäßig und gewissenhaft seine Medikamente, Orfiril 600 mg 2-0-0 (Antiepileptika), ein. Die entnommene Blutprobe ergab einen Wert von 118 mg/l Valproinsäure (dem Wirkstoff von Orfiril) im Blut. Weiter führt das Gutachten aus, dass ein psychometrischer Test durchgeführt wurde, da der Kläger Antiepileptika einnehme. Bei der Bewertung der Befunde kommt das Gutachten anschließend nachvollziehbar und schlüssig zum Ergebnis, dass beim Kläger aufgrund der dargestellten Vorgaben die Fahreignung für die Gruppe 2 nicht gegeben sei, da er derzeit noch hochdosiert Antiepileptika einnehme.

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d) Die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgelegte fachärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes des Klägers vom 14. Juni 2017 vermag die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des ärztlichen Gutachtens vom 1. Dezember 2016 nicht zu erschüttern. Unabhängig davon, dass diese fachärztliche Stellungnahme keine Aussage zur Fahreignung des Klägers trifft und dies mangels verkehrsmedizinischer Qualifikation des behandelnden Arztes auch nicht könnte, ist der behandelnde Arzt wegen des bei ihm anzunehmenden Interessenkonflikts nach § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV in aller Regel nicht dazu berufen, sich zur Frage der Fahreignung einer Person zu äußern (vgl. BayVGH, B. v. 5.7.2012 - 11 CS 12.1321 -, Rn. 26, juris).

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e) Eine Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber gesunden Verkehrsteilnehmern oder solchen, bei denen nach den gesetzlichen Vorschriften eine Teilnahmefähigkeit vermutet wird, vermag das Gericht durch die Anwendung der Begutachtungsleitlinien nicht zu erkennen. Der Kläger ist gerade nicht mit

Verkehrsteilnehmern vergleichbar, die keine entsprechenden Medikamente mehr einnehmen. Zwar wird in der fachärztlichen Stellungnahme vom 14. Juni 2016 ausgeführt, die Medikation habe der Kläger

vorsichtshalber rein prophylaktisch weitergenommen. Allerdings erscheint es dem Gericht unwahrscheinlich, dass ein Arzt ein verschreibungspflichtiges Medikament, wie das vom Kläger eingenommene Orfiril, ohne medizinische Notwendigkeit verordnet. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger hierzu auch an, dass der Arzt ihm derzeit anrate, das Medikament, wenn auch in geringerer Dosierung (600 mg, einmal täglich), weiter zu nehmen. Dies steht im Einklang mit den Ausführungen im ärztlichen Gutachten vom 1. Dezember 2016, wonach der Kläger Antiepileptika einnehme, um die Anfallsfreiheit zu gewährleisten (vgl. S. 11 des Gutachtens). Der Kläger ist damit gerade nicht mit an Epilepsie leidenden Verkehrsteilnehmern

vergleichbar, die keine Medikamente (mehr) einnehmen, um die Anfallsfreiheit zu gewährleisten.

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Damit steht fest, dass der Kläger nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV i.V.m. Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV derzeit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 ist. Die Fahrerlaubnis der Klassen C1, C1E, C und CE war deshalb zwingend zu entziehen; Billigkeitserwägungen können keine Rolle spielen.

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2. Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig, ist auch die darauf aufbauende Anordnung, den zugehörenden Führerschein abzuliefern (vgl. Ziffer 2 des Bescheids vom 21. Februar 2017) nicht zu

beanstanden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis und nach § 3

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Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern. Da dem Kläger die Fahrerlaubnis für die Gruppe 1 verbleibt, wird ihm auf eigene Kosten ein neuer Führerschein für die Klassen A, A1, AM, B, BE, L und T ausgestellt.

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3. Die rechtmäßige Auferlegung der Verwaltungskosten beruht auf § 6a StVG i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt, die angesetzte Gebühr von 150,00 Euro ergibt sich aus der Gebühren-Nr. 206 GebTSt (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 1 GebOSt).

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Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die

Entscheidung im Kostenpunkt war gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

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