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Archiv "Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen: Keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts" (06.11.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERICHT

E

rfahrungsaustausch und Dis- kussion von Problemen bei der Tätigkeit der Ethik-Kom- missionen (EK) sowie die Auseinan- dersetzung mit den Richtlinien der

„Good Clinical Practice" waren die Schwerpunkte der 9. Jahrestagung des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen in Köln.

Ein grundlegendes ethisches Problem bei der Forschung ergibt sich aus der Aussage des Hochschul- rates, wonach die primäre Aufgabe von Universitäten Forschung und Lehre ist. Dazu gehört auch die Ver- sorgung der Kranken. Wenn das heißt, daß die

Versorgung von Kranken der Forschung und

_

Lehre dienstbar zu machen ist, dann ist Univer- sitätsforschung ethisch höchst fragwürdig. Bei Forschung mit

Körpermaterial von Patienten, das im Rahmen von Diagnostik und The- rapie entnommen wird, ergibt sich die Schwierigkeit, daß bei retrospek- tiven Studien die Einwilligung des Patienten gar nicht mehr einzuholen ist. Die Patienten nicht zu informie- ren, sei bedenklich und könne zu Wissenschaftsfeindlichkeit führen, andererseits ist das Einholen des Einverständnisses des Patienten nach längerer Zeit für diesen unter Umständen sehr beunruhigend. Des- halb, so ein Vorschlag, sollte der Pa- tient, der zur Behandlung in eine Universitätsklinik geht, darüber auf- geklärt werden, daß die im Verlauf von diagnostischen und therapeuti- schen Eingriffen entnommenen Ma- terialien später wissenschaftlich aus- gewertet werden können.

Ein erhebliches Problem bei Multicenter-Studien (MC) stellt of- fenbar die Anerkennung der Voten anderer EK dar, wie die lebhafte Diskussion über dieses Thema zeig- te. Zur Empfehlung, die Voten der öffentlich rechtlichen EK gegenseitig anzuerkennen, meinten einige Ethik-Kommissionen, man sollte den anderen schon zutrauen, daß sie ein richtiges Votum abgäben, da sich ja alle an die gleichen Verfahrens-

grundsätze hielten, die gleiche Kom- petenz hätten und gleich sorgfältig arbeiteten. Andere waren der An- sicht, daß jede EK überfordert sei, wenn sie überprüfen müßte, ob an einer Vielzahl verschiedener Orte die Versuche ordnungsgemäß vorge- nommen würden. Sie forderten, die lokale EK sollte sich bei MC-Studien die Voten der federführenden Insti- tution ansehen und dann selbst ent- scheiden, ob die notwendigen techni- schen Gegebenheiten vor Ort vor- handen seien, da dies nur die lokale EK beurteilen könne. Und sollte sich herausstellen, daß im Bereich der

Fakultät anfechtbare Versuche statt- finden, dann hätten mit Recht weder die Fakultät noch die Öffentlichkeit Verständnis dafür, daß die eigene EK sich nicht vorher damit befaßt hatte. Das ethische Dilemma der lo- kalen EK beginnt dann, wenn sie zu einem grundlegend anderen Votum kommt als die zuerst angerufene EK.

Dem Vorschlag, bei jeder Kammer einen Pharmakologen einzustellen, der bei MC-Studien die Ordnungs- mäßigkeit überwacht, wurde entge- gengehalten, daß man damit zum Kontrollorgan würde, was dieser Ar- beitskreis ausdrücklich nie wollte.

Vor allem kontrollierte Thera- piestudien bei Krebspatienten und bei AIDS-Kranken bereiten Klini- kern Schwierigkeiten, das Einver- ständnis für eine randomisierte Zu- ordnung zu Therapie-, Plazebo- oder Nicht-Behandlungsgruppe zu erhal- ten. Die Entscheidung orientiere sich dabei nicht am Wohle des Pa- tienten und widerspreche damit ei- nem wichtigen ärztlichen Verhal- tensprinzip, selbst wenn es dem Pa- tienten nicht schade. Als Ausweg aus dieser Situation werde oft prärando- misiert: Man fragt den Patienten nach seiner Zustimmung zu einer be- stimmten Behandlungsform, sagt

ihm aber nicht, daß diese Maßnahme Teil einer Studie ist und daß auch andere Therapien verfügbar wären.

Dieses Vorgehen sei nicht nur ethisch fragwürdig, sondern auch ju- ristisch nicht haltbar, da der Patient nicht voll aufgeklärt war: Ein Aufklä- rungsdefizit mache die Einverständ- niserklärung des Patienten unwirk- sam, und damit sei der Eingriff eine Körperverletzung.

Die EK steht oft vor dem Pro- blem, daß die im Arzneimittelgesetz (AMG) vorgeschriebene Prüfung von Forschungsvorhaben durch die Regierungspräsidenten erst nach der

Beurteilung durch die EK er- folgt, was bedeu- tet, daß diese sich auch mit den rechtlichen Voraussetzun- gen für das vor- gelegte For- schungsvorha- ben befassen müsse. Das sei jedoch eindeutig Auf- gabe der Regierungspräsidenten und sollte vor der Vorlage des Prüfplanes vor die Ethik-Kommissionen- geschehen. Andererseits gebe es zahlreiche Mitteilungen der Regie- rungspräsidenten über klinische Prü- fungen, bei denen keine EK angeru- fen wurde. Offenbar wüßten immer noch nicht alle Ärzte, daß sie ver- pflichtet sind, sich bei biomedizini- schen Versuchen am Menschen und bei Arbeiten mit lebendem menschli- chem embryonalen Gewebe von ei- ner EK beraten zu lassen.

Schriftliche Einwilligung

Laut AMG ist bei klinischen Prüfungen an Kranken die mündli- che Einwilligung in den Versuch in Gegenwart eines Zeugen zulässig.

Nach der Helsinki-Deklaration hat die schriftliche Einwilligung aber den Vorrang, weshalb viele EK die schriftliche Einwilligung bei Patien- ten verlangen, die dazu in der Lage sind. Es wurde auf der Tagung mo- niert, daß bei der Risiko-Nutzen-Ab- wägung häufig Texte benutzt wür- den, die — ganz offensichtlich im Schreibautomaten gespeichert — Leerformeln enthielten. Da aber ge-

Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Ko mmissionen

Keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts

A1 -3734 (34) Dt. Ärztebl. 89, Heft 45, 6. November 1992

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rade diese Abwägung von großer Be- deutung sei, müsse besonderer Wert gelegt werden auf eine individuelle, dem vorgelegten Antrag gemäße Formulierung. Auch die Probanden- information sei oft in Form und In- halt mangelhaft, für den Laien un- verständlich, und fast immer fehle der Hinweis auf das gesetzlich fest- gelegte Recht des Patienten, seine Einwilligung zu widerrufen. Die Un- terlagen sind nicht vollständig ohne die Kopie einer Versicherungsbestä- tigung für die Probanden. Oft liege nur ein Schreiben vor, in dem die Sponsorfirma bestätigt, eine Proban- denversicherung abgeschlossen zu haben. Erforderlich sei aber eine Be- stätigung der Versicherung selbst mit Angabe von Laufzeit und Höhe der Versicherungssumme Eine sol- che Bestätigung anzufordern, gehöre allerdings bei der Uberprüfung des Antrags auch zu den Aufgaben der Regierungspräsidenten. In vielen Antragsunterlagen steht, die Studi- energebnisse dürften nicht ohne Zu- stimmung des Sponsors veröffent- licht werden. Diese Einschränkung sei unzulässig.

Die Regeln der GCP für die kli- nische Prüfung von Arzneimitteln sollen der Standardisierung und Vereinheitlichung der wissenschaft- lichen Forschung in Europa dienen.

Es geht bei der GCP um den Schutz der an der Prüfung teilnehmenden Personen und die Beratung der Ethik-Kommission, um die Verant- wortlichkeit von Prüfer, Sponsor und Monitor, um den Umgang mit Daten, Biometrie und Qualitätssicherung.

Die Formulierungen sind so offen, daß sie für alle EG-Staaten akzepta- bel sind.

Im europäischen Rahmen gibt es ein primäres Gemeinschaftsrecht und ein sekundäres Gemeinschafts- recht, die unterschiedliches Gewicht haben; außerdem ist zu unterschei- den zwischen Richtlinien und Emp- fehlungen. Den Richtlinien entspre- chen im deutschen Recht am ehe- sten die Ausführungsbestimmungen, sie haben verbindlichen Charakter.

Empfehlungen und Stellungnahmen sind dagegen nicht rechtlich bin- dend, sie erhalten jedoch eine gewis- se Verbindlichkeit durch die Loyali- tätspflicht. Es sind offizielle, jedoch

nicht zwingende Verlautbarungen, die in der EG häufig gebraucht wer- den. Die in den GCP-Regeln enthal- tenen Grundsätze widersprechen nicht den vom Arbeitskreis der EK beschlossenen Verfahrensgrundsät- zen, und die Standards der GCP werden heute bereits weitgehend eingehalten. Ein wesentlicher Unter- schied liegt in der Ausführlichkeit:

Es gibt vier Seiten Verfahrensgrund- sätze und 35 Seiten GCP-Regeln. Ei- nige der Empfehlungen des GCP sind in Deutschland in anderen Ge- setzen oder in höchstrichterlichen Entscheidungen enthalten.

Große Sorgen bestehen bei der GCP bezüglich des Monitors. In Deutschland ist der Schutz der Kran- kenakten vor Einblicknahme durch nicht mit der Behandlung betraute Dritte eine Selbstverständlichkeit;

die Berufsordnung für deutsche Ärz- te enthält Anweisungen bezüglich der Schweigepflicht, die den Arzt noch enger bindet als der Daten- schutz. Auch die Möglichkeiten der Entbindung von der Schweigepflicht sind in der Berufsordnung geregelt.

Zu den Verantwortlichkeiten des Sponsors gehört es, „angemessen ausgebildete Monitore und entspre- chend unterstützendes Forschungs- personal einzustellen". Der Monitor hat die Aufgabe, „die Eintragungen in den Prüfbögen mit den Original- befunden zu vergleichen und den Prüfer über Fehler und Auslassun- gen zu informieren". Der Prüfer muß „die Aufsicht des Monitors und die Kontrollmechanismen akzeptie- ren" und „alle Daten für den Spon- sor/Monitor zugänglich machen".

Ohne Entbindung von der Schweige- pflicht durch den Patienten stellt es aber einen eklatanten Verstoß gegen die Schweigepflicht dar, dem Moni- tor Einblick in nicht anonymisierte Originalkrankenakten zu gewähren.

Schutz der Patienten

Daß eine Kontrolle der Daten notwendig ist, läßt sich nach Ansicht der Ethik-Kommissionen nicht be- streiten, da weitergeleitete Daten keineswegs immer der Realität ent- sprechen. Schon eine kleine Menge falscher Daten sei jedoch bei klini- schen Studien nicht akzeptabel. Da-

her könne man Kontrollen nicht ein- fach ablehnen. Es stellt sich also die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, dem Monitor in zulässiger Weise Einblick in Originalkrankenakten zu gewähren.

Eine Möglichkeit besteht darin, daß der Prüfarzt dem Monitor selbst die Krankenakte vorlegt, nachdem alle Blätter, die der Monitor ansieht, anonymisiert wurden. Das erfordert aber nicht nur die Kooperation, son- dern auch einen beträchtlichen Zeit- aufwand des Prüfarztes. Eine zweite Möglichkeit wäre, daß der Monitor den Arzt, der die Krankenakte vor sich liegen hat, gezielt nach den für ihn relevanten Daten fragt. Dieses eher umständliche Vorgehen wird von einer Reihe von Firmen erfolg- reich praktiziert. Immer mehr Prüf- ärzte erklären aber, sie hätten dafür keine Zeit, und übergeben den Mo- nitoren die ganzen Krankenge- schichten zur beliebigen Einsicht.

Dieses Vorgehen ist skandalös, wenn keine Entbindung von der Schweige- pflicht vorliegt, und, selbst wenn sie vorliegt, unbefriedigend mit Blick auf den Schutz der Patienten. In der Regel wird die zweite der genannten Möglichkeiten praktiziert, was sich aber wegen des enormen Zeitauf- wandes künftig nicht durchhalten läßt, wenn bei jeder Forschung ein Monitor eingeschaltet wird. Ebenso inakzeptabel ist die generelle Aufhe- bung der Schweigepflicht durch den Patienten, dessen Zustimmung gar nicht rechtsgültig sein kann, wenn er selber nicht weiß, was in der Akte steht. Das Recht auf Forschung gibt dem Forscher nicht automatisch das Recht auf Krankenakten. Monito- ring und Überprüfung ist notwendig, darf aber nicht das Persönlichkeits- recht des Patienten beeinträchtigen.

Man hat hier bisher keine befriedi- gende Lösung gefunden, und das ganze Außmaß dieser Problematik ist vielen noch gar nicht bewußt.

Darauf aufmerksam zu machen und die Sensibilität der Ärzte dafür zu schärfen, ist eine Aufgabe der Ethik- Kommissionen.

Anschrift der Verfasserin:

Elisabeth Pflanz Moorkamp 60 W-3100 Celle-Boye Dt. Ärztebl. 89, Heft 45, 6. November 1992 (37) A1-3737

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