Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 23½½½½8. Juni 2001 AA1505
S E I T E E I N S
Nichtraucherschutz
Welch ein Zufall!
D
rei Tage vor der abschließenden Beratung im Deutschen Bundes- tag zum Nichtraucherschutz am Ar- beitsplatz hatte die Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Prof. Dr. Dag- mar Schipanski, an die Abgeordneten appelliert, der Änderung der Arbeits- stättenverordnung zuzustimmen. Sie sollten sich nicht von der „einflussrei- chen Lobby der Tabakindustrie unter Druck setzen lassen“, fügte sie hinzu.Auf den ersten Blick scheint dieser Zusatz entbehrlich. Denn bei der ent- scheidenden Abstimmung im Parla- ment am 31. Mai sprach sich die deut- liche Mehrheit der Abgeordneten für den Gruppenantrag der interfraktio- nellen Nichtraucherschutzinitiative aus. Bereits im Februar hatten die be- ratenden Ausschüsse ein positives
Votum abgegeben; 192 Abgeordnete hatten den Antrag unterzeichnet.
Dieser sieht Änderungen der Ar- beitsstättenverordnung vor. Kern- stück ist die Einfügung eines Para- graphen, der den Schutz der nicht- rauchenden Beschäftigten sichert, den anderen jedoch nicht generell das Rauchen am Arbeitsplatz ver- bietet. Vielmehr ist der Arbeitgeber aufgefordert, „die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nichtrauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Ge- sundheitsgefahren durch Tabak- rauch geschützt sind“. Er kann bei- spielsweise Belüftungsanlagen oder Raucherräume einrichten.
Dass sich die Abgeordneten für eine solche Lösung beim Nichtrau-
cherschutz entscheiden, war – nach dem langen Ringen im Bundestag und politischen Scheitern eines (strikten) Nichtraucherschutzgeset- zes in zwei Wahlperioden – zu er- warten. Doch möglicherweise war der Appell von Schipanski gar nicht so abwegig. Denn just am Vorabend der Abstimmung lud der Tabakkon- zern Philip Morris zu seinem parla- mentarischen Abend in die Reichs- tagskuppel.
Das Stelldichein der Bundestags- abgeordneten hat dem Antrag zum Nichtraucherschutz offensichtlich nicht geschadet. Hinter den Berli- ner Kulissen war allerdings zu hören: „Die Speisen- und Geträn- keauswahl von Philip Morris war exzellent!“ Dr. med. Eva A. Richter
Krankenhäuser
Marktanpassung D
as neue, mehr leistungsbezogeneEntgeltsystem auf der Basis diagnosebezogener Fallpauschalen (DRGs nach australischem Muster) zwingt die Krankenhäuser, ihre Ko- stenstrukturen bereits im Vorfeld zu ändern, die Leistungspalette im Hin- blick auf Effizienz, Rentabilität und die notwendige Bedarfsdeckung zu durchforsten und rasch zu ändern.
Experten prognostizieren, dass be- reits kurz- und mittelfristig zehn bis 20 Prozent der Krankenhäuser allein infolge der Umstellung des Abrech- nungs- und Finanzierungssystems aus dem Krankenhausmarkt aus- scheiden werden – vor allem kleine- re, nicht mehr bedarfsnotwendige Häuser. Der Konzentrationsprozess dürfte sich beschleunigen, die schon von jeher mehr auf Wettbewerb und Leistungsorientierung ausgerichte- ten erwerbswirtschaftlichen Kran- kenhäuser und private Klinikketten
werden in Zukunft begünstigt wer- den, so die Prognosen. Lange bevor der Runde Tisch zur Gesundheitsre- form besetzt wurde, spekulierten die Krankenhäuser und deren Verbände über mögliche Reformalternativen und vor allem über Gelegenheiten, sich am Markt zu behaupten und zum Dienstleistungs- und Gesund- heitszentrum zu expandieren. Aller- dings hat die Deutsche Kranken- hausgesellschaft eine Reformoption verworfen, die von der CDU/CSU und den Liberalen früher favorisiert wurde: nämlich die Umstellung des GKV-Leistungskatalogs auf einen Grund- und Standard-Leistungska- talog und frei zuwählbare, direkt zu finanzierende Wahlleistungen. Je- denfalls sei die letzte Interventions- stufe und die Notfallinstanz Kran- kenhaus im gegliederten System un- tauglich dafür, die Leistungen in Grund-,Wahl- und Komfortleistun-
gen zu splitten – wie dies beispiels- weise im Bereich des Zahnersatzes möglich ist. Allenfalls kann das Krankenhaus in begrenztem Um- fang wie bisher die Wahlleistungen Arzt und Unterkunft offerieren – bei entsprechender Vergütung und Ko- stenerstattung an die Träger. Völlig ungeeignet sind die Krankenhäuser, deren Investitionskosten über Steu- ergelder (Länder) finanziert wer- den, individuelle Gesundheitslei- stungen (IGEL-Leistungen) anzu- bieten und diese mit erheblichen Quersubventionen zulasten der Kran- kenkassen und der (privat versicher- ten) Kranken zu finanzieren. Dies käme weder den Kostendämpfungs- bestrebungen zugute, noch wäre dies mit der Länderkompetenz und Auf- sicht über die Bedarfsplanung, die Standortfestlegung noch mit verfas- sungsrechtlichen Grundsätzen ver- einbar. Dr. rer. pol. Harald Clade