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er 26. Deutsche Krankenhaustag am 19. November in Düsseldorf stand im Zeichen der neuen Her- ausforderungen, die im nächsten Jahr auf die Krankenhäuser zukommen. Vor allem wird zum 1. Januar die Vergütung nach diagnosebasierten Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups = DRG) für alle Akutkrankenhäuser verpflichtend eingeführt. Diejenigen, die die Umstel- lung auf das neue Abrechnungssystem vor Ort umsetzen müssen, wären damit für das Jahr 2004 bereits mehr als ausge- lastet, betonte der neu gewählte Präsi- dent der Deutschen Krankenhausge- sellschaft (DKG), Wolfgang Pföhler.Doch damit nicht genug: Die Kliniken müssen neben der Entgeltumstellung auch die Folgen des neuen Arbeitszeit- gesetzes tragen und einen Pauschalab- zug in Höhe von bis zu einem Prozent als Anschubfinanzierung für die Inte- grierte Versorgung wettmachen. Hinzu kommt – mal wieder – das Problem, dass die Personalkosten stärker steigen als die Budgets.
Pföhler sprach von einer „Kumulati- on“ der Ereignisse und „einer Situation, wie wir sie bisher nicht gekannt haben“.
Der sich noch verschärfende Wettbe- werb werde zu deutlich mehr Kranken- hausschließungen führen. Dies müsse die Politik aber endlich auch offen zuge- ben, sagte der Kongresspräsident in Richtung Dr. Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheits- ministerium, und Annette Widmann- Mauz, gesundheitspolitischer Spreche- rin der CDU-Bundestagsfraktion. Auch wenn dieser Appell verpuffte: In zwei Punkten signalisierten die beiden Politi- ker Bereitschaft, Anregungen der Kran- kenhausträger aufzugreifen. So könnten die Regeln für die Anschubfinanzierung der Integrierten Versorgung konkreti- siert und eine Bestimmung im neuen Ar- beitszeitgesetz gelockert werden.
An der vom Bundeswirtschaftsmini- sterium auf den Weg gebrachten Ände- rung des Arbeitszeitgesetzes stört die Krankenhäuser besonders, dass die zulässigen Höchstarbeitszeiten noch en- ger gesteckt wurden, als es die Luxem- burger Richter verlangen. Anstatt die im europäischen Rahmen mögliche Flexibi- lität in der Arbeitszeitgestaltung zuzulas- sen, habe Minister Wolfgang Clement in letzter Minute noch weitere Restriktio- nen eingeführt, kritisierte Pföhler.
Zusätzlich zu der nach europäischem Recht vorgeschriebenen wöchentlichen
Höchstarbeitszeit von 48 Stunden defi- niert das Gesetz auch eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden. Auf dieser Basis seien weder eine vernünfti- ge Dienstplangestaltung noch flexible Arbeitszeitmodelle zu realisieren, meint die DKG. Einzig ein 3-Schicht-Modell, inklusive einer Personalaufstockung um 61 000 Arbeitskräfte, erfülle die Anfor- derungen. Dafür fehlten aber sowohl das Geld als auch Ärzte und Pfleger.
Dass sich die Tarifparteien, wie vom Ministerium gewünscht, auf flexiblere Arbeitszeitregelungen einigen könnten, glaubt Pföhler nicht. Dies hätten die Ver- handlungen über Öffnungsklauseln im bisherigen Arbeitszeitgesetz gezeigt. Be- merkenswert sei aber, dass der Marbur-
ger Bund verhandlungsbereit sei und ei- ne tägliche Arbeitszeit von bis zu 13 Stunden für die Ärzte mittragen würde.
Ein Argument, das auch die beiden ein- flussreichen Politiker überzeugte: Wenn sich Arbeitgeber und Ärzte einig seien, sehe sie sehr gute Chancen, dass das Ge- setz im Vermittlungsausschuss (wo es derzeit im Paket mit anderen Arbeits- marktreformen verhandelt wird) noch geändert werde, sagte Widmann-Mauz.
Schröder nickte zustimmend.
Auf die Unterstützung des Staatsse- kretärs kann die DKG auch bei bereits absehbaren Umsetzungsproblemen hof- fen, die die Anschubfinanzierung für die Integrierte Versorgung betreffen. Offen- bar gibt es Krankenkassen, die davon ausgehen, dass sie ab dem 1. Januar 2004 alle Krankenhausrechnungen pauschal um ein Prozent kürzen dürfen. Andere versuchen dem Vernehmen nach, mit ei- nem einzigen Modellprojekt zur Inte- grierten Versorgung bundesweit die Gelder „abzugreifen“. Schröder ver- deutlichte, dass dies nicht die Absicht des Gesetzes sei. Die Bundesregierung werde gegebenenfalls eingreifen.
Die DKG fordert Transparenz bei der Anschubfinanzierung. Der Budgetabzug der Krankenhäuser und die Kürzung der Gesamtvergütung bei den Kassenärzten müsse nach objektiven Kriterien gehand- habt werden. Nur wenn die Krankenkas- sen Integrationsverträge und deren Ko- sten offen legen, sollen sie an das Geld kommen. Nicht ausgeschöpfte Mittel müssten zurückerstattet werden. Und:
Im Gesetz sei von einer Anschubfinan- zierung von bis zu einem Prozent der Budgets die Rede. Alles andere sei Wunschdenken. Pföhler bestätigte, dass es noch in diesem Jahr ein Spitzenge- spräch dazu geben werde, wie die An- schubfinanzierung umgesetzt werden solle. Er spüre hier einen besonderen Druck aus den Krankenhäusern.
Dass die neue Regelung besonders für kleine Krankenhäuser ein Problem wer- de, davon ist Eugen Münch, Vorstands- vorsitzender der Rhön-Klinikum AG, überzeugt:Er könne sich nicht vorstellen, wie kleine Krankenhäuser zu einem Ver- tragsabschluss zur Integrierten Versor- gung kommen sollen. Aufwand und Er- trag ständen für die Krankenkassen in keinem Verhältnis. Münch: „Das wird ein Hauen und Stechen.“ Jens Flintrop P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4828. November 2003 AA3137