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Archiv "Aus russischer Sicht: Aufklärung" (07.10.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen FORUM

Aufklärung

Arno Reinfrank hat also das Buch

„Russischer Arzt" von N. Amosov gelesen. Welche Zeitverschwen- dung! Von einigen Passagen war er beeindruckt, besonders von Amosovs Schilderung, daß sich amerikanische Ärzte nach einem operativen Eingriff das Honorar teilten. Der Autor erwartet Mitge- fühl und mancher Leser wohl auch Aufklärung. Zu letzterer kann ver- holfen werden.

Prof. Nikolaj M. Amosov, über den angeblich mehr „nicht zu erfah- ren" ist, hat schon mehrere Bü- cher in deutschen Übersetzungen untergebracht, in der Bundesre- publik bei Droemer, Stalling und Kindler (obwohl der Autor auf die- se Devisen-Einnahmen gar nicht so dringend angewiesen ist, denn mit seinem hohen Rang genießt er die Einkaufsmöglichkeiten und sonstigen Privilegien der oberen Nomenklatura). In den Klappen- texten hätte Herr R. Angaben zur Biographie Amosovs finden kön- nen. Amosov, Jahrgang 1913, ist Ingenieur, Kybernetiker und Medi- ziner. Er ist Ordinarius für Thorax- chirurgie am Ärztlichen Fortbil- dungsinstitut in Kiew, Leiter der Abteilung für biologische Kyber- netik der Akademie der Wissen- schaften der Ukrainischen SSR und war Leiter der Klinik für kar- diovaskuläre Chirurgie am Kiewer - Institut für Tuberkulose und Tho- raxchirurgie. Im Juni 1983 erfüllte sich sein Lebenswunsch: Seine In- stitutsabteilung wurde in ein selb- ständiges Forschungsinstitut für kardiovaskuläre Chirurgie umge- wandelt, dessen Direktor natürlich Amosov ist. Er ist Ordentliches Mitglied der Akademie der Wis- senschaften der Ukrainischen SSR und Korrespondierendes Mit-

glied der Akademie der Medizini- schen Wissenschaften der UdSSR, Träger des Leninordens. Sein Mo- natsgehalt schätze ich auf 2500 Rubel, zuzüglich Einnahmen aus Tantiemen und Redaktionstätig- keit (Ende 1981 verdienten die An- gestellten des sowjetischen Ge- sundheitsdienstes, einschließlich der Ärzte, im Unionsdurchschnitt 128,5 Rubel monatlich). Seine Ti- tel, Ämter, Eigenschaften und die Tatsache, daß Amosov im Westen veröffentlichen darf, weisen ihn als streng linientreuen Kommuni- sten aus. Trotzdem ist er ein gebil- deter, anregender Gesprächspart- ner, wenn auch sehr von sich ein- genommen.

In der Sowjetunion läuft seit Jah- ren eine — dringend notwendige — Kampagne zur Stärkung der ärztli- chen Ethik („Deontologie"). Sie wurde durch die Bemühungen An- dropovs, die in allen Lebensberei- chen und auf allen Ebenen vor- handene Korruption zu bekämp- fen, noch intensiviert. Theoretisch sind die Leistungen des sowjeti- schen Gesundheitsdienstes für die Bürger kostenfrei, jedenfalls die meisten. In praxi aber muß jeder Patient bezahlen, immer und al- len: Dem Krankenhaus-Verwalter für einen nicht zu fernen Opera- tionstermin; dem Chefarzt dafür, daß er selber und nicht der letzte Assistent operiert (500 bis 3000 Rubel); dem Assistenten für zwei statt nur eine Visite am Tag; der Schwester für den Wechsel der Bettwäsche usw. usf. (Den Sek- tionsgehilfen bezahlt für Wa- schen, Rasieren und Einkleiden dann die Witwe). Amosov vertritt in seinen Büchern, die ja nicht für deutsche Leser geschrieben sind, sondern der Erziehung sowjeti- scher Mediziner dienen sollen, den offiziellen Standpunkt, die

heile sozialistische Welt, die hohe und doch so verlogene Ethik. Da- bei weiß er ebenso wie seine so- wjetischen Leser, daß er eine Scheinwelt malt und daß die Reali- tät ganz anders aussieht.

Seinen demonstrativen Abscheu vor den amerikanischen Ärzten muß man also dialektisch sehen.

Er war sicherlich echt, aber nicht so, wie ihn der Leser R. auffaßt.

Nein, Amosov war empört dar- über, daß sich die Ärzte ein Hono- rar teilen mußten! In der Sowjet- union wäre jeder der beteiligten Ärzte, danach der Anästhesist, dann die OP-Schwester, usw. mit offener Hand an den Patienten herangetreten. Wie konnte sich das reiche Amerika nur so bla- mieren!

Das ist die Moral von der Amosov- Geschichte. Aber Ihr Leser wird's wohl nicht glauben.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. H. Müller-Dietz Freie Universität Berlin Osteuropa-Institut Abteilung Medizin Ihnestraße 53 1000 Berlin 33

Ex officio

Anscheinend sind die in der Bun- desrepublik erschienenen deut- schen Übersetzungen der Bücher von Prof. N. Amosoff nicht allzu bekannt. In der UdSSR dagegen wissen alle Medizinstudenten und Ärzte, daß Akademiker Prof. N.

Amosoff das darstellt, was im so- wjetischen pseudowissenschaftli- chen Jargon als „Koryphäe der so- wjetischen Wissenschaft" be- zeichnet wird. Er ist Ingenieur und Arzt, Konstrukteur der sowjeti- schen Herz-Lungen-Maschine, Thoraxchirurg, Schriftsteller und natürlich auch Parteigenosse. Ein Mann also, der schon ex officio verpflichtet ist, sowjetische Pro- paganda zu betreiben. Allerdings würde auf die im D. Ä. zitierten Zeilen nicht ein einziges russi- sches Bäuerlein hereinfallen,

Aus russischer Sicht

Zu dem „Post scriptum" von Arno Reinfrank in Heft 29/1983

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 40 vom 7. Oktober 1983 105

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•Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

denn dazu ist die Propaganda doch zu plump. Das Bäuerlein weiß nämlich ganz genau, daß in der UdSSR, obwohl die Kranken- versorgung angeblich kostenlos

ist, der Genosse Doktor für die Hausvisite, die poliklinische Visite und für die Operation bezahlt wer- den muß. Er weiß auch, daß der große Chirurg gar nicht zum Skal- pell greift, bevor er nicht seine tau- send Rubel oder mehr erhalten hat (Durchschnittsmonatsgehalt eines Sowjetbürgers etwa 150 Rubel).

Zudem ist das Bäuerlein auch da- von informiert, daß auf der Sta- tion die Oberschwester und die Schwester, der Krankenpfleger und die Pflegerin ebenfalls bezahlt sein wollen.

Über dieses für das Gesundheits- wesen der UdSSR so brisante The- ma ist in der sowjetischen Presse schon häufig geschrieben wor- den, „gewissenlose" Ärzte sind vor Gericht gestellt worden, und für einen Obolus von einigen Ru- beln sind Ärzte hinter schwedi- sche Gardinen geraten. Die viele Tausende verdienende Professur ist immer straflos ausgegangen.

„Timeo Danaos ac dona ferentes!"

zu deutsch: „Fürchte dich sogar vor dem ‚schlichten' russischen Arzt!"

Prof. Dr. B. Press Bennigsenstraße 22 1000 Berlin 41

DR. FLEISS' BLÜTENLESE —

Rechte Anatomie

Meine Innereien erweisen sich als gefährlich. Ein Rönt- genologe entdeckte, nein deckte auf, daß mein Herz rechts liegt.

Motivierungen

Hohe feste Frauenbrüste wa- ren für Renoir ebenso wich- tig wie soziale Mißstände für Zola.

Dreiundsiebzig nordhessische Ärz- te, Ärztinnen und Ehefrauen kletter- ten aus der Linienmaschine der Royal-Nepal-Airlines in Kathmandu;

etwas erschöpft, denn die meisten hatten noch Stunden vor der Abfahrt die letzten Patienten in ihrer Praxis versorgt. Doch die Ungeduld, mög- lichst schnell auszuchecken, rührte den Zollbeamten nicht im gering- sten, er las in Ruhe die Zeitung. Öst- liches Denken, wie es ein Nepal- Goldschmied ausdrückte, „Zeit ist das Unwichtigste im Leben", hatte noch keinen Zugang zu unseren ar- men, abgehetzten Seelen.

Eine völlig andere Welt

„Sie kommen in eine völlig andere Welt auf jedem Gebiet" hatte mir ein befreundeter Fachkollege, Dr. Felix Brand, prophezeit, der seit Jahren augenärztliche Entwicklungshilfe in Nepal auf eigene Kosten und Initiati- ve betreibt und dabei Geld und Zeit opfert. Daß wir eben in eine andere Welt kommen, erfuhren wir auf Schritt und Tritt, und uns erschien der Andrang vor dem Dakschin-Kali- Tempel, wo Tieropfer dargebracht werden, um Gesundheit für Seele und Körper zu erlangen — recht blu- tig übrigens —, wesentlich größer zu sein als der Andrang zur Poliklinik und zum Krankenhaus in Kathman- du. Jedoch ist das naiv-heitere Hei- dentum der Nepalesen nicht düster und schaurig, im Gegenteil, nirgend- wo auf der Welt werden so viele fröhliche, religiöse Feste gefeiert

wie in Nepal. Hier liegt wohl der Schlüssel zum Verständnis der zahl- reichen Tempelstädte von Hindus und Buddhisten, die in ihren Heilig- tümern die andere Religion nicht nur tolerieren, sondern sogar einbe- ziehen; wir fanden zahlreiche Bei- spiele, wo Buddha neben Hindugöt- tern selig lächelnd thronte.

Mit Interesse hat der Berichterstat- ter, der zugleich Reiseleiter war, festgestellt, daß das kulturelle Ange- bot für den Großteil der Kollegen einfach zuviel war. Mit schlichten Worten: wir alle, die wir vom frühen Morgen bis zum späten Abend tätig sind, waren überfordert, und es hat sich bei dieser Reise, die von Ärzten für Ärzte im gleichen Einzugsgebiet organisiert war, bewährt, daß wir eben nach der Reise eine Nachlese durchgeführt haben. Man sollte das als Vorteil verbuchen, denn meines Wissens wird ja bei den sonst sehr sorgfältig ausgearbeiteten Gruppen- reisen, die auf dem Markt angeboten werden, das „Nachhineinarbeiten"

versäumt.

Unsere schöne Führerin mit ihren tibetisch-mongolischen Gesichtszü- gen kannte die überdrehten Europä- er und hatte Verständnis für die Fo- tobesessenen, deren Bilder uns al- lerdings später sehr nützlich waren.

Motive gab es in Fülle: Die Vielfalt der Götter und Tempel, die Paläste, Pagoden, Kultbilder und heilige Stätten, und die Geschichten, Sagen und Legenden darüber ließen uns BLICK ÜBER DIE GRENZEN

Zwischen Buddha und Shiva

Impressionen einer Ärzte-Studienreise nach Nepal und Indien

Eberhard Wagner

Nepal und Indien waren die Ziele einer Ärztegruppe aus Nordhessen, die vor junger Zeit Gelegenheit hatte, unvergeßliche Eindrücke aus dieser so sehr gegensätzlichen Welt zu sammeln. Gegensätze, die sich in unvorstellbarer Pracht, aber auch in furchtbarem Elend spiegeln.

Und fast ebenso unvorstellbar: Die Gelassenheit der Menschen, denen das Gefühl sozialer Gerechtigkeit nicht aufkommt.

Amosov

7. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A 106 Heft 40 vom

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