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Archiv "Ärzteimage im Fernsehen: Abschied vom „Halbgott in Weiß“" (07.11.2003)

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und drei Viertel der Bevölkerung setzen den Arztberuf an die Spitze der von ihnen am meisten ge- schätzten und geachteten Berufe, weit vor den Pfarrer (38 Prozent), den Hochschulprofessor (33 Prozent) und den Rechtsanwalt (31 Prozent). Das Prestige des Arztberufes ist somit nach wie vor überaus hoch, auch wenn sich statistisch in West- und Ostdeutschland ein Ansehensverlust nachweisen lässt.

(Zum Vergleich: 1966 führte der Arzt- beruf mit 84 Prozent bei den Westdeut- schen. [1]) Auch der ärztlichen Kompe- tenz wird weitgehend vertraut. Aller- dings haben Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach (2) ergeben, dass die Patienten starke Defizite im zwischenmenschlichen Bereich sehen und zum Beispiel kritisieren, dass die Ärzte sich zu wenig Zeit nehmen, oft nur die Symptome behandeln und die

„Seele“ dabei vernachlässigen.

Die Medien spielen eine wichtige Rolle bei der Darstellung von Gesund- heitsfragen und bieten den Ärzten eine breite Präsentationsplattform sowohl im Informations- als auch im Unter- haltungsbereich: Das Spektrum reicht von nonfiktionalen Informations-/Info- tainmentsendungen (Gesundheits- und Boulevardmagazinen, Reportagen, Re- ality-Formaten) bis hin zu Spielfilmen und Fernsehserien im fiktionalen Be- reich. Entsprechend vielfältig ist auch das Arztbild, das in den Medien vermit- telt wird: Im fiktionalen Bereich domi- niert immer noch der Arzt als „Über- mensch“ und „guter Samariter“, auch wenn dieses Stereotyp in jüngster Zeit häufiger gebrochen wird.

Im nonfiktionalen Bereich tritt der Arzt einerseits als „Forscher und Heiler“

auf, wenn er in Medizin- und Ratgeber- sendungen wie „Ratgeber Gesundheit“

(ARD), „Visite“ (NDR) oder „Die Sprechstunde“ (Bayerischer Rundfunk) neue Medizintechniken und Heilmetho- den vorstellt oder sich in der Forschung engagiert. Informations- und Aufklä- rungssendungen dieser Art sind beliebt und erzielen Einschaltquoten von bis zu zwölf Prozent.

Andererseits ist der Arzt auch als

„Interessenvertreter“ und „Geldver- diener“ präsent, der sich in Nachrich- tensendungen und Politmagazinen zu gesundheitspolitischen Themen äußert und in Reportagen zum Beispiel we- gen Fehldiagnosen, Behandlungsfeh- lern und Abrechnungsbetrugs kritisiert wird. Immerhin nehmen Gesundheits- themen in allgemeinen Magazinen und Talkshows einen Anteil von rund 15 Prozent ein (3).

Idealisierung

„Götter in Weiß oder Menschen wie du und ich?“ Unter diesem Titel prä- sentierte Constanze Rossmann, Lud- wig-Maximilians-Universität München, zwei Studien, die den Einfluss des Fern-

sehens auf das Arztbild in der Öffent- lichkeit untersuchen (4). Bisherige Stu- dien kamen nach Rossmann zu wider- sprüchlichen Ergebnissen: „Die einen bestätigten eine starke Idealisierung zum ,Halbgott in Weiß‘, die anderen stellen fest, dass Fern- sehärzte und ihr Verhalten durchaus problematisiert werden. In Bezug auf die potenzielle Wirkung postu- lieren beide Gruppen Ne- gatives: Die Wunderheiler wecken zu hohe Erwartun- gen an die Medizin und stif- ten aufgrund divergieren- der Realitätserfahrungen Unzufriedenheit und Fru- stration, während eine ne- gative Darstellung der Ärz- teschaft das Vertrauen in die Medizin von vornherein untergräbt.“ Die Münchner Studien basieren auf dem

„Kultivierungsansatz“ aus der Kommunikationswissenschaft, wo- nach Menschen einen Großteil ihrer Er- fahrungen aus der Fernsehwelt ziehen und ihre Realität aus den medial vermit- telten Botschaften rekonstruieren. Das Fernsehen beeinflusst dabei als „sekun- däre Sozialisationsinstanz“ langfristig die Weltbilder, Normen und Werte.

Menschen, die viel fernsehen, nehmen daher möglicherweise die Realität eher so wahr, wie sie im Fernsehen darge- stellt wird, wohingegen Wenigseher die Realität besser einschätzen können.

Die inhaltliche Analyse von Arzt- und Krankenhausserien ergab, dass die Ärzte darin idealisiert und stereotypi- siert dargestellt werden. So gibt es deut- lich mehr ledige und kinderlose Fern- sehärzte als in der Realität. Im Hinblick auf Professionalitäts- und Persönlich- keitsmerkmale waren die Mediziner fachlich stets kompetent, verhielten sich ethisch korrekt, einfühlsam, freund- lich, selbstsicher und gelassen und wa- ren zudem attraktiv. Während das Pri- vatleben in Gesprächen eine große Rol- le spielt, werden Aspekte wie Finanz- not, Arbeitsbelastung und Schwei- gepflicht selten thematisiert. Um den Einfluss dieser verzerrten Fernsehwelt zu untersuchen, wurden 157 Patienten eines Krankenhauses kurz nach ihrer Aufnahme und kurz vor der Entlassung T H E M E N D E R Z E I T

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A2928 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003

Ärzteimage im Fernsehen

Abschied vom „Halbgott in Weiß“

Vom „Forscher und Heiler“ bis zum „hilflosen Chaoten“

und „Interessenvertreter“ –

das Spektrum der Arztrollen

im Fernsehen ist groß.

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zu ihrer Einschätzung und Bewertung von Krankenhausärzten und medizini- schem Personal sowie zu ihrem Kon- sum von Krankenhausserien befragt.

Das Ergebnis: Die Serien-Vielseher bewerteten die Ärzte am Anfang ihres Krankenhausaufenthaltes positiver. Er- wartungsgemäß korrigierten sie ihre Be- wertung am Ende des Aufenhalts nach unten und bewerteten das medizinische Personal im Vergleich zum ersten Mess-

zeitpunkt negativer. Patienten, die wenig Krankenhausserien sahen, bewerteten am Ende ihres Krankenhausaufenthalts das medizinische Personal im Vergleich zum ersten Messpunkt positiver. Im Ver- gleich zu Wenigsehern aber bewerteten die Vielseher Ärzte grundsätzlich posi- tiver (siehe „Dr. Stefan Frank hätte sich mehr Zeit genommen . . .“).

Tendenziell kritischer

Die zweite Studie untersuchte den Ein- fluss von nonfiktionalen Sendungen auf die Realitätswahrnehmung und das Arztbild der Zuschauer. Grundsätzlich dominieren in dieser Sparte – im Unter- schied zur Geschlechts- und Altersver- teilung in der Realität – männliche älte- re Ärzte, die als Experten Kompetenz und Erfahrung ausstrahlen sollen. Hier ist das Ergebnis bei den untersuchten Genres jedoch nicht so eindeutig: Vor allem Reality-Formate, wie zum Bei- spiel „Notruf“ (RTL), und Gesund- heitsmagazine vermitteln zwar über- wiegend ein idealisiertes Arztbild. Hin-

gegen betrachten Boulevard- und Life- style-Magazine sowie Reportagen die Ärzte tendenziell kritischer. Dies wird auch in der Einschätzung der Patienten sichtbar: So glauben etwa Rezipienten von Boulevardmagazinen und Reporta- gen eher, dass ungeheilte Krankheiten auf Fehler des Arztes zurückgehen.

Dennoch bewerten auch hier die Viel- seher von Boulevardmagazinen Ärzte grundsätzlich positiver als Personen, die keine medizinischen Fernsehsen- dungen rezipieren. Rossmann vermutet daher, „dass der Einfluss einer negati- ven Darstellung im Fernsehen insge- samt deshalb weniger durchschlägt, weil mehr Genres ein positives Bild lie- fern“. Darüber hinaus seien kritische Stimmen – einhergehend mit den jüng- sten Entwicklungen im Gesundheitswe- sen – möglicherweise auch erst in den letzten Jahren laut geworden.

Für den Kommunikationswissen- schaftler Prof. Dr. phil. Wolfgang Dons- bach ist die Analyse der Medienbericht- erstattung über Ärzte zwar bisher noch ein „weißer Fleck auf der Forschungs- landkarte“ (1). Auf der Grundlage von Daten, die das Medienforschungsinsti- tut „Medien Tenor“ veröffentlicht hat, resümiert er jedoch: „Wenn Ärzte in Nachrichten und Kommentaren in den Print- und Fernsehmedien vorkamen, dann geschah dies ganz überwiegend ohne eindeutige Wertung. Al-

lerdings gab es in den Jahren 1999, 2000 und 2001 jeweils deutlich mehr negative als po- sitive Bewertungen von Ärz- ten in den Medien.“ Zwar sind diese Daten nur begrenzt aus- sagefähig, weil die Berichter- stattung unter anderem von aktuellen Themen und Ereig- nissen der Gesundheitsreform abhängt. Aber: „Man darf auf einen längerfristigen Trend in den nächsten Jahren gespannt sein.“

Auch das Arztbild im fiktionalen Be- reich ist längst nicht mehr ungetrübt.

Das „Sauerbruch-Syndrom“ der frühe- ren Arzt- und Krankenhausserien, eine von charismatischen Arztpersönlich- keiten geprägte medizinische Welt zu zeigen, hat seit den 90er-Jahren zuneh- mend an Anziehungskraft verloren. Die in Deutschland vorherrschende Traditi- on, den Arztfilm mit Elementen des

Heimatfilms zu verbinden – als Proto- typ hierfür steht die „Schwarzwaldkli- nik“ –, erscheint nicht mehr zeitgemäß und spricht überwiegend den weibli- chen Teil der Generation ab 60 Jahren an. So ist das Zuschauerinteresse an Fa- milien- und Arztserien in den letzten Jahren – im Unterschied zu den meisten anderen Sparten – deutlich gesunken (5): 1997 gaben noch 20 Prozent der Be- fragten an, dass sie Familien- und Arzt- serien „sehr gern“ sehen; 2002 sind dies nur noch 14,5 Prozent, darunter fünfmal so viel weibliche wie männliche Zu- schauer. Das Meinungsforschungsinsti- tut Allensbach führt den Abwärtstrend vor allem auf einen Interessenwandel in Ostdeutschland zurück. Dort lagen die- se Sendungen in der Publikumsgunst noch bis vor wenigen Jahren weit höher als im Westen, was sich rapide geändert hat (Grafik, [6]).

Parallel zum Zuschauerschwund ist seit Mitte der 90er-Jahre eine Auffri- schung des Genres zu beobachten.

Neue Elemente kommen vor allem durch das Reality-TV und durch doku- mentarische Einflüsse hinzu. Diese sol- len ein jüngeres (auch männliches), Action und Spannung bevorzugendes Publikum ansprechen, das an medizini- schen Behandlungsmethoden und mo- derner Technik interessiert ist. Ein wei- terer Trend sind Arzt-Comedys, wie die

kürzlich gestartete Krankenhausserie

„Scrubs – Die Anfänger“ (Pro 7), in der drei junge Ärzte in ihrem ersten Klinik- jahr auftreten und statt als Halbgötter in Weiß eher als „hilflose Chaoten in Blau-Grün“ agieren.

Neuere Serienproduktionen orien- tieren sich darüber hinaus häufig an US-amerikanischen Vorbildern. Stilbil- dend war hier die Krankenhausserie

„Emergency Room“ – ER (Pro 7, 1994).

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A2930 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003

Grafik Familienserien und Arztserien

„Sendungen dieser Art sehe ich sehr gern“

Deutsche Bevölkerung (in Prozent) –

1997 1998 1999 2000 2001 2002

Quelle: Allensbacher Archiv, Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen (AWA)

Ost

West

18 18

17

16 14 13,8

17,1 24

21 20 19

18 Stilistische Merkmale von „Emergency Room“

sind eine temporeiche Dramaturgie, schnelle Schnitte, Einsatz von Handkameras und Video- clip-Ästhetik, die realitätsnah den hektischen klinischen Alltag widerspiegeln sollen.

Foto:KirchMedia

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as Krankenhaus wirkt perfekt. Es gibt eine Eingangspforte mit einer kleinen Cafeteria, eine Intensiv- station, einen Operationssaal und meh- rere Krankenzimmer. Doch Patienten scheint es keine zu geben. Alle Betten sind leer. Nur im OP geht es hektisch zu.

Dort wird die 55-jährige Hotelange- stellte Hella Schnei-

der an einer Lidfehl- stellung operiert. Eine Operation, die in der Leipziger Sachsenkli- nik eher unüblich ist.

Die Ärzte waren nur deshalb bereit, den Makel zu beseitigen, weil ein Schönheits- chirurg beim Lifting wegen eines Kreis- laufkollapses der Pa- tientin zum Abbruch der OP gezwungen worden war. Die er- fahrenen Mediziner der Sachsenklinik tref- fen zwar sofort alle er-

forderlichen Vorsichtsmaßnahmen. Doch es kommt zu einem zweiten Kreis- laufkollaps, und die Patientin fällt ins Koma.

Diese dramatische Operation wird mehrmals wiederholt. Zum Glück geht es der Patientin nach jedem Versuch aber wieder gut, es handelt sich nämlich nicht um eine reale, sondern um eine fiktive Szene: den Dreharbeiten zur 209. Folge der Arztserie des Mittel- deutschen Rundfunks „In aller Freund- schaft“, die zurzeit jeden Dienstagabend um 21.05 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird. Nachdem die Szene im „Kasten“

ist, geht es in der Intensivstation gleich weiter. Zuvor sind jedoch zahlreiche Vorbereitungen zu treffen. Immer wie- der werden die Schauspieler geschminkt und frisiert, sie laufen ihren Text repetie-

rend über die Gänge, die Techniker be- reiten die Kameras, Monitore und den Ton vor. Jetzt kommt auch die „echte“

Anästhesie- und Intensivkrankenschwe- ster, Lydia Schubert, zum Einsatz. Sie schließt die Patientin an alle erforderli- chen Schläuche und Geräte an, damit die Szene möglichst realistisch wirkt. Schu-

bert ist fest angestellt bei der Filmpro- duktionsgesellschaft Saxonia Media und ist regelmäßig am Set dabei. Zwar ist sie sich dessen bewusst, dass die Authentizi- tät der Dramaturgie oft geopfert werden muss, doch bemüht sie sich um eine mög- lichst realitätsnahe Darstellung. „Ich be- rate unter anderem die Masken- und Kostümbildner. Es wäre beispielsweise peinlich, wenn die Kleidung im OP keine grüne Farbe hätte.“ Sie erklärt außer- dem den Schauspielern und dem Regis- seur die verschiedenen Krankheiten, zeigt den Schauspielern, wie man eine Wunde näht, und bereitet den Opera- tionssaal vor.

Im Gegensatz zu einigen anderen Arztserien wie zum Beispiel „alpha- team – die Lebensretter im OP“ (SAT 1) würden bei „In aller Freundschaft“ kei- T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003 AA2931

Sie basiert auf dem 1970 erschienenen Buch „Five Cases“ von Michael Crich- ton, in dem der Schriftsteller seine Er- fahrungen als Assistenzarzt verarbeitet hat. Die Serie zeigt in extremer zeitli- cher Raffung dramatische Ereignisse aus 24 Stunden in einer Notaufnahme- station in Chicago. Die Ärzte sind nicht überhöht, sondern realistisch gezeich- net. Sie machen auch Fehler und haben menschliche Schwächen. Ebenso glaub- würdig werden Krankheitsbilder und Patienten dargestellt. Die Mischung aus Melodram und „Reality Show“ war in- ternational sehr erfolgreich und hat sich zur „Kultserie“ entwickelt. Inzwischen gibt es Begleitbücher und mehrere Fan- Websites zur Serie (8). In Deutschland macht die Krankenhausserie „Alpha- team“ stilistische Anleihen bei ER.

Stärker in der Kritik

Es zeichnet sich ab, dass das immer noch überaus hohe Ansehen des Arztberufs in der Bevölkerung allmählich weiter sin- ken wird. Die Ambivalenz der vermittel- ten Arztbilder im Fernsehen trägt mit dazu bei. Darüber hinaus ist mit dem In- ternet ein neues Massenmedium verfüg- bar, das durch die wachsende Menge an Gesundheitsinformation das Informa- tionsmonopol der Ärzte infrage stellt und den Patienten als „eigenverantwort- lichen Experten in eigener Sache“

stärkt. Es scheint die Beziehung von Arzt und Patient nachhaltig zu beein- flussen und auch alte Rollenklischees zu verändern. So ergab eine Befragung von Nutzern eines Internet-Patienteninfor- mationsangebots, dass knapp 15 Prozent der Nutzer ihre Einstellung zum Thema oder auch zu ihren behandelnden Ärz- ten durch die Online-Information geän- dert haben. Hierfür standen Aussagen wie „Ich glaube nicht alles, was mein Arzt sagt“, „Ich bin kritischer gewor- den“ und „Ich werde mir einen anderen Arzt suchen“ (3). Prof. Brinkmann hätte bei diesen Patienten wohl kein leichtes Spiel mehr. Heike E. Krüger-Brand

Zusatzinformationen zum Artikel im Internet unter www.aerzteblatt.de/plus4503.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Lite- raturverzeichnis im Internet unter www.aerzteblatt.de/

lit4503.

Arztserie

Tägliche Dramen im OP

Die Drehbuchschreiber von „In aller Freundschaft“

bemühen sich um Authentizität und Glaubwürdigkeit.

Vor dem Dreh jeder Szene werden die Schauspieler von Masken- bildnern geschminkt und frisiert.

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ne blutigen Operationsszenen gezeigt.

„Wichtiger sind uns die sorgenvollen Mienen der Ärzte“, sagte Produzent Oliver Vogel. Er weiß, dass das Arztbild in der Serie sehr viel positiver ist als in der Realität. „Das macht aber auch Sinn“, begründet er die dramaturgi- schen Freiheiten der Drehbuchautoren.

Schließlich sei der normale Kranken-

hausalltag zu langweilig als Drehbuch- vorlage, und außerdem würden „viele Patienten gar nicht mehr zum Arzt ge- hen, wenn wir die Wirklichkeit abbilden würden.“ So gesehen könne man die Arztserien geradezu als vertrauensbil- dende Maßnahmen betrachten. Den- noch seien die Ärzte der Serie keines- wegs „Halbgötter in Weiß“. Sie seien zwar durchweg sympathisch, kompetent und einfühlsam. Es unterliefen ihnen aber auch Fehler, und nicht alle Patien- ten könnten geheilt entlassen werden.

Anregungen aus der Ärzteschaft

Damit die Handlung nicht nur am Set nachvollziehbar und einigermaßen glaubwürdig wirkt, müssen vor allem die Drehbücher stimmen. Und zu deren Überprüfung hat Saxonia Media eigens einen Arzt eingestellt. Er sichtet sämtli- che Drehbücher nicht nur auf medizini- sche Richtigkeit hin, sondern hat auch sonst vielerlei zu beachten. „So hat er uns immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass es in den Krankenhäusern eine Hierarchie gibt, die es einzuhalten gilt. Ein AiPler duzt sich nicht mit dem Chefarzt“, erläutert der Produzent. Ein

weiteres Problem sei auch die medizini- sche Fachsprache. So hätten verschiede- ne Ärzte darauf hingewiesen, dass sie untereinander nicht von Grippe und Schnupfen, sondern immer von Influen- za und Rhinitis sprechen würden. Doch wenn die Ärzte in einer Fernsehserie, die sich an ein breites Publikum richtet, im ärztlichen Fachjargon sprechen, werden sie von Laien nicht verstanden. „Hier müssen wir uns dramaturgisch etwas ein- fallen lassen. So erklärt beispielsweise der Arzt der Schwesternschülerin die Krankheiten in einer auch für Patienten verständlichen Sprache.“

Neben dem hauptamtlichen bei Sa- xonia Media beschäftigten Arzt wird das Filmteam auch von mehreren Ärz- ten aus Leipziger Krankenhäusern be- raten. Und außerdem erhält es zahlrei- che Zuschriften mit Kritik und Verbes- serungsvorschlägen aus der Ärzte- schaft. „Wir nehmen sie alle ernst und überprüfen sie“, sagte Vogel. Anregun- gen für neue Geschichten kommen ebenfalls nicht selten von Medizinern.

So hatte ein Arzt entgegen dem Willen der Eltern bei einem Kind eine Herz- operation durchgeführt und war an- schließend verklagt worden. Daraus hätten die Drehbuchautoren dann eine Geschichte gemacht.

Doch bei aller Nähe zur Medizin, die pri- vaten Probleme und Nöte von Patienten und Klinikpersonal stehen letztendlich immer im Vordergrund. In einem Großteil der Handlung geht es um das tur- bulente Privatleben der Ärzte. Doch auch dies soll dem Zuschau- er möglichst wirklich- keitsnah erscheinen. Im Studio 1 der Produk- tionsfirma wurden die

Wohnungen der Hauptdarsteller auf- gebaut – mit funktionierenden Kühl- schränken, gut bestückten Küchenrega- len und realistisch wirkenden Schlaf- zimmern. Die Innenaufnahmen werden durch zahlreiche Außendrehs aus Leip- zig ergänzt.

Dass sich das Bemühen um Realitäts- nähe lohnt, hat auch die Münchener Drehbuchberatung „The Dox“ erkannt.

„Wenn der Autor seine Hausaufgaben gemacht hat, dann sind die Geschichten einfach besser“, lautet das Rezept der Agentur. Doch nicht bei allen Arztseri- en ist dieses Bemühen um Glaubwür- digkeit erkennbar. So sei beispielsweise die im ARD-Vorabendprogramm aus- gestrahlte Serie „St. Angela“ eher „be- triebsblind“. Das jedenfalls ist die An- sicht von Dr. med. Daniel Rühmkorf, der für „The Dox“ tätig ist. Zu erklären sei dies mit der Zielgruppe dieser Vor- abendserie, die ein vorwiegend jugendli- ches Publikum ansprechen soll. Prota- gonisten können daher, so Rühmkorf, auch nicht Ärzte sein, sondern Schwe- sternschüler und -schülerinnen. „Dass die Ärzte willkürlich in die Dienstpläne des Pflegepersonals eingreifen, scheint die Zuschauer nicht zu stören.“

Musik und Ton

Die Patientin Hella Schneider wird übrigens gerettet. Die Ärzte diagnosti- zierten eine Analgetikaallergie. Ob Hel- la Schneider auch ihr privates Glück mit Hoteldirektor Hans Altmühl findet, er- fährt der Zuschauer ebenfalls in Folge 209 („Um jeden Preis?“), die im Januar

ausgestrahlt wird. Bis dahin muss noch die Filmmusik komponiert und einge- spielt werden, die Szenen geschnitten und teilweise nachsynchronisiert und die Farben nachbearbeitet werden. Bei dieser Arbeit sind der Regisseur und Krankenschwester Lydia Schubert noch einmal gefragt. So müssen beispielswei- se auch die Geräusche in einem Opera- tionssaal stimmen. Gisela Klinkhammer T H E M E N D E R Z E I T

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A2932 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003

Damit Operationsszenen möglichst authen- tisch wirken, werden die Schauspieler von einer Krankenschwester beraten.

Mit großem technischen Aufwand werden die Krankenhaus- szenen gedreht.

Fotos (3):MDR/Krajewski

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