Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 15|
13. April 2012 A 735RANDNOTIZ
Reinhold Schlitt
Was haben ärztliche Arznei- und Heilmittelverordnungen mit der Ab- schaffung der Wehrpflicht zu tun?
Nix, werden Sie sagen. Falsch.
Der Bundestag hat die Wehr- pflicht zum 1. Januar 2012 abge- schafft. Weil es keine Wehrpflicht mehr gibt, gibt es auch keine Zivil- dienstleistenden mehr. „Zivis“ waren Menschen, die den Dienst an der Waffe nicht mit ihrem Gewissen ver- einbaren konnten und deswegen ei- nen Ersatzdienst leisteten. Wurden sie krank und bedurften der medika-
mentösen oder Heilmitteltherapie, verordnete man das Entsprechende zulasten des Bundesamtes für den Zivildienst, das sozusagen „Dienst- herr“ der Zivis war.
Zivis gibt es nicht mehr. Aber noch immer werden Verordnungen zulasten des längst nicht mehr exis- tenten Bundesamtes für den Zivil- dienst ausgestellt, wie die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung dieser Tage mitteilte. Haben da vielleicht ei- nige junge Männer den Lauf der Dinge verschlafen und wissen nicht, dass es sie nicht mehr gibt, zumin- dest nicht in der Funktion als Zivi?
Falls solch ein schlafmütziger Zeitgenosse in Ihrer Praxis auf- taucht: Sagen Sie ihm, dass alles gut sei und er nach Hause gehen könne. Und werfen Sie Ihre alten Verordnungsvordrucke für das Bun- desamt für den Zivildienst auf den Müll. Ihre Mühe wird sich lohnen.
Die Behörde gibt es zwar nicht mehr, aber dennoch werden alle (Ex)Zivi-Verordnungen postwendend an Apotheken und Physiotherapeu- ten zurückgeschickt. Und die wollen dann vom Arzt eine neue Verordnung mit dem aktuellen Kostenträger ha- ben. Oder Geld. Wenn man keinen zuständigen Kostenträger findet, könnten am Ende sogar Sie selbst dran sein.
Bloß kein Zivi-Rezept!
Eine Ärztekammer kann es einem Arzt nicht uneingeschränkt ver - bieten, einem sterbewilligen Patien- ten todbringende Medikamente zu überlassen. Das geht aus einem ak- tuellen Urteil des Verwaltungsge- richts Berlin hervor.
Im vorliegenden Fall hatte die Ärztekammer Berlin einem Arzt, der in Berlin tätig und zum damali- gen Zeitpunkt zweiter Vorsitzender des Vereins Dignitate (heute: Digni- tas Deutschland) war, 2007 unter- sagt, Personen tödliche Substanzen für deren beabsichtigten Suizid zu überlassen. Dagegen klagte der Arzt. Das Verwaltungsgericht hielt das ausnahmslose berufsrechtliche Verbot, ärztliche Beihilfe zum Sui- zid durch Überlassen von Medika- menten zu begehen, im konkreten Fall für zu weitgehend und hat es deshalb aufgehoben. Gemessen am verfassungsrechtlichen Maßstab der Freiheit der Berufsausübung und der Gewissensfreiheit des Arz- tes habe kein uneingeschränktes STERBEHILFE
Berliner Urteil zeigt Grenzen des Berufsrechts
Verbot des ärztlich assistierten Sui- zids ausgesprochen werden dürfen.
Wegen der grundsätzlichen Be - deutung wurde die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Ber- lin-Brandenburg zugelassen.
Erst 2011 hatte der Deutsche Ärztetag in Kiel eine Neufassung der (Muster-)Berufsordnung be- schlossen, die erstmals ausdrück- lich das über das Strafrecht hinaus- gehende Verbot einer ärztlichen Beihilfe zu Selbsttötungen festlegt.
In dem Berliner Urteil konnte diese Neufassung aber noch nicht berück- sichtigt werden, da es sich auf einen Fall von 2007 bezieht. Darauf ver- wies der Präsident der Bundesärzte- kammer (BÄK), Dr. med. Frank Ul- rich Montgomery. Aus seiner Sicht wird das Urteil überinterpretiert.
Der BÄK-Präsident hofft, dass „wir letztendlich von höchster Instanz, also vom Bundesverfassungsge- richt, die Frage beantwortet bekom- men, inwieweit Berufsrecht über Strafrecht hinausgehen darf“. Kli
Gesundheitspolitiker der CDU/CSU- Bundestagsfraktion haben Kranken- kassen und Pharmaunternehmen aufgefordert, bei den Preisverhand- lungen für neue Arzneimittel kon- struktiver zusammenzuarbeiten. „Die teilweise frontal-kon-
frontative Gegen- überstellung der je- weiligen Interessen sollte einem partnerschaft- lichen gegenseitigen Ver- ständnis weichen“, heißt es in der überarbeiteten Fas- sung eines Positionspapiers der Ar- beitsgruppe (AG) Gesundheit. Soll- ten die Partner ihre Spielräume nicht nutzen, seien gesetzliche Maßnahmen zu diskutieren, so die AG Gesundheit.
Klärungsbedarf sehen die Uni- onspolitiker auch bei der Frage, welche europäischen Referenzlän- der in welcher Weise für die Preis- ARZNEIMITTELPREISE
Union will konstruktivere Verhandlungen
verhandlungen herangezogen wer- den sollen. In diesem Punkt hatten sich die Pharmaindustrie und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen nicht einigen kön- nen, so dass schließlich Anfang
März die Schiedsstelle eine Auswahl von 15 Staaten
festlegte.
Außerdem bekräftigt die AG Gesund-
heit ihre Positi- on, die zwischen
Krankenkassen und Industrie ausgehandelten Ra- batte geheim zu halten. Sie greift damit eine Forderung der Industrie auf. Die Grünen-Politikerin Birgitt Bender bezeichnete das als „bloßen Klientilismus“. Mit der Geheimhal- tung der Rabatte entziehe die Union die Auswirkungen ihrer Arznei - mittelpreisreform der öffentlichen
Kontrolle. fos/HK
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