Generika machen heute mehr als die Hälfte der Verordnungen aus
FRANKFURT/M. Etwa jedes zweite der von den ge- setzlichen Krankenkassen er- statteten Arzneimittel ist in- zwischen ein sogenanntes Nachahmer-Präparat. Der Verordnungsanteil der Gene- rika stieg im vergangenen Jahr von 49,3 auf 51,1 Prozent. Ihr Umsatzanteil im sogenannten GKV-Markt erhöhte sich von 38,7 auf 41,1 Prozent. Das be- richtete kürzlich der Bundes- verband der Pharmazeuti- schen Industrie.
Nach seinen Angaben ist der GKV-Markt 1995 um 6,7 Prozent auf 17,8 Milliarden DM (zu Herstellerabgabeprei- sen) gewachsen. Der Aus- gabenanstieg sei zu 2,6 Pro- zent auf Mehrverordnun- gen zurückzuführen. Preiser- höhungen schlugen mit 0,1 Prozent zu Buche, die soge- nannte Strukturkomponente hingegen mit 3,9 Prozent. Dar- unter versteht man den Thera- piewechsel von einem zum an- deren Präparat beziehungs- weise bei denselben Medika- menten zu einer anderen Dar- reichungsform und Dosis.
Innerhalb der dreißig größten Indikationsgruppen wuchsen die Impfstoffe mit 20,7 Prozent am stärksten.
ACE-Hemmer legten um 16,6 Prozent zu, Lipidsenker um 10,4 Prozent, Psychoana- leptika um 10,1 Prozent. EB
Gesetzentwurf der Grünen gegen ICD-10
BONN. Ein Gesetzent- wurf der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, der Anfang März im Bundestag in erster Lesung beraten wurde, sieht vor, daß die für die Kas- senärzte bestehende Pflicht, Diagnosen auf der Grundla- ge des Katalogs der ICD-10 zu treffen, gestrichen werden soll. Die Anwendung der nach dem Gesundheitsstruk- turgesetz vorgesehenen Re- gelungen führt nach Ansicht
des Bündnis 90/Die Grünen zu „verfälschten und verzerr- ten Diagnoseergebnissen“.
Sie sind nach den Worten der Abgeordneten für das ange- strebte Ziel einer effizien- ten Gesundheitsberichter- stattung und Abrechnungs- kontrolle „ungeeignet“. Auch sei der Schutz der sensiblen Daten gegen Mißbrauch „in keiner Weise“ gewährleistet, heißt es im Entwurf. Gräf
A-1012 (24) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 16, 19. April 1996
P O L I T I K NACHRICHTEN
Aus Bund und Ländern
An den deutschen Hochschulen geben jährlich etwa 70 000 Studierende vorzeitig ihr Studium auf. Die Gründe dafür hat das Hochschul-Informations-System an- hand einer Befragung im Studienjahr 1993/94 näher untersucht. Die wenigsten waren richtiggehend am Studium gescheitert: Nur etwa zehn Prozent der Be- fragten mußten die Hochschule hauptsächlich deshalb verlassen, weil sie dem Leistungsdruck nicht gewachsen waren oder ihre Prüfung nicht bestanden.
Modellprojekt zur Früherkennung von Dickdarmkrebs
MÜNCHEN. Die Kassen- ärztliche Vereinigung Bay- erns und die Arbeitsgemein- schaft der Krankenkassen- verbände in Bayern haben am 1. April 1996 in drei Re- gionen Bayerns ein Pro- gramm zur Früherkennung
des Darmkrebses gestartet.
Die Leitung des Projekts hat die Deutsche Krebsgesell- schaft.
Die spezielle Untersu- chung können Versicherte ab dem 45. Lebensjahr unent- geltlich mit ihrer Versicher- tenkarte einmal jährlich in Anspruch nehmen. Ziel ist es, eine höhere Beteiligung der Versicherten an Maßnahmen zur Früherkennung der kolo- rektalen Karzinome und ihrer Vorstufen zu erreichen.
Das Modellprojekt ist vor- erst auf zwei Jahre befristet.
Die entstehenden Kosten von jährlich 4,5 Millionen DM tragen die Krankenkassen zu- sätzlich zur ärztlichen Ge- samtvergütung. WZ
Konzertierte Aktion für Krebspatienten
TELTOW. Ärztinnen und Ärzte, die Krebskranke be- handeln, über eine optimale Therapie zu beraten und die langfristige Betreuung von symptomfreien Patienten zu verbessern – dazu soll eine Rahmenvereinbarung im Land Brandenburg beitra- gen. Sie wurde vor kurzem zwischen der Kassenärztli- chen Vereinigung, den Kran- kenkassen, der Landeskran- kenhausgesellschaft und der Landesregierung geschlos- sen. Die Vertragspartner re- geln darin Aufgaben, Ziele und Finanzierung von fünf onkologischen Schwerpunk- ten im Land.
Die Onkologischen Zen- tren befinden sich in Cottbus, Potsdam, Frankfurt/Oder, Neuruppin und Schwedt.
Krankenhaus- und niederge- lassene Ärzte arbeiten dort eng zusammen. Sie beraten andere Ärzte, unterstützen den Informationsfluß zwi- schen Krankenhaus, nieder- gelassenen Fachärzten und Hausärzten und erfassen Krankheitsverläufe mit Hilfe eines Nachsorgeregisters. Mit Hilfe der Rahmenvereinba- rung soll die Zukunft der fünf Zentren, ursprünglich ein Modellprojekt, gesichert werden. EX
Votum für
Prozeßgebühren bei Sozialgerichten
KASSEL. Für eine Pro- zeßgebühr bei Sozialgerich- ten tritt der Präsident des Bundessozialgerichts ein, Matthias von Wulffen. In ei- nem Interview mit dpa ver- wies er darauf, daß Sozialge- richtsverfahren mit aufwendi- gen Ermittlungen und häufig mit teuren medizinischen Gutachten verbunden seien.
Die Kosten trage – anders als bei den Strafgerichten – allein der Steuerzahler. Wegen der Kostenfreiheit würden viele Klagen erhoben, die nicht vor ein Gericht gehörten. Mit ei- ner „Schwellengebühr“ von beispielsweise 50 oder 100
DM für ein Verfahren ließe sich die Zahl der Klagen um ein Drittel reduzieren.
Der Grundsatz der Pro- zeßkostenfreiheit dürfe nicht angegriffen werden, betonte der BSG-Präsident. 80 bis 90 Prozent der Klagen gegen Be- scheide der Arbeitsämter, Rententräger oder Versiche- rungen erwiesen sich aber bei gerichtlicher Überprüfung als gegenstandslos. Von Wulffen meinte, daß auch die Gerich- te selbst ihre Effektivität er- höhen müßten. Dies gelte für alle drei Instanzen – auch für das Bundessozialgericht. So erledige zum Beispiel das mit fünf Richtern besetzte höch- ste Sozialgericht in Israel fast dieselbe Zahl an Revisionen wie das Bundessozialgericht, das 46 Richterstellen hat. dpa