Kleingruppe - entspanntes Lernen oder Freizeit?
Ganzheitliches Konzept
Freundschaftlich mitein- ander verbunden und doch je- weils durch spezifische Eigen- arten charakterisiert sind die vier bayerischen Landerzie- hungsheime in Neubeuern, Reichersbeuern, Schondorf und Stein an der Traun. Ihre Tradition geht wie bei vielen anderen auf Hermann Lietz zurück: Einheit von Lehrer und Erzieher (damit Unter- richt nicht zur reinen Wis- sensvermittlung wird), Zu- sammenleben von Lehrenden und Lernenden, handwerkli- che und künstlerische Betäti- gung als Gegengewicht zur kopforientierten Schule. Die Wege von Lehrern und Schü- lern trennen sich eben nicht, wie notwendigerweise in der Tagesschule, mittags nach Schulschluß, sondern man kann auch am Nachmittag nur ein paar Türen weiter zum Beispiel seinen Englisch- lehrer aufsuchen und sich Hilfe holen (was übrigens für den Lehrer bedeutet, daß sich sein Dienst nicht in eine feste Arbeitszeit pressen läßt). Die vier bayerischen Landerzie- hungsheime sind staatlich an- erkannt und nehmen eigen- ständig das Abitur ab.
Jeder Schüler und jede Schülerin muß sich aus dem breiten Angebot an klassi- schen oder modernen Hand- werken mindestens ein Fach auswählen und es ähnlich in- tensiv wie den Unterricht be- treiben. Dazu kommt das Le- ben in der Gemeinschaft mit seinen Möglichkeiten des so- zialen Lernens.
Als selbständiges und ebenfalls gleichgewichtiges Angebot gelten die sportli- chen Möglichkeiten, wobei in den vier Einrichtungen unter- schiedliche Schwerpunkte ge- setzt werden: in Schondorf ist es Hockey, in Stein Reiten (wobei auch ein eigenes Pferd mitgebracht werden kann); in Neubeuern steht Tennis im Mittelpunkt, das hier auch als Leistungssport betrieben wer- den kann; für Reichersbeuern ist es wiederum das Reiten,
wobei die Schülerinnen als Pflicht auch die Pferde zu pflegen haben. Als einziges der vier bayerischen Lander- ziehungsheime ist Reichers-
Etwa 500 Jungen und Mädchen bevölkern die Wohn- und Schlafgebäude um den früheren Herrensitz des Fürsten von Hanau, im Bergland Nordhessens zwi- schen Kassel und Marburg, in der dort seit 1953 bestehen- den Jugenddorf-Christopho- russchule Oberurff. Der Kern ist ein staatlich anerkanntes koedukatives Gymnasium (Sprachenfolge: Englisch/La- tein oder Französisch). Fer- ner gibt es eine Realschule.
Zu den Besonderheiten ge- hört, daß im Mentorensystem etwa 100 ältere Schüler für je einen jüngeren Mitverant- wortung übernehmen. In Klasse 9 ist ein Betriebsprak- tikum üblich.
Seit 1976 gibt es ein staat- lich anerkanntes Legasthe- niezentrum, das neben der di- rekten Therapie auch beglei- tende Maßnahmen unter wis- senschaftlicher Anleitung an- bietet; dabei haben Sport, insbesondere Reiten, und handwerkliche Tätigkeiten (Töpfern) eine wichtige Be- deutung. Die betroffenen Jungen und Mädchen werden nach aller Möglichkeit in die Normalklassen, die Wohn- gruppen und die Freizeitakti- vitäten voll integriert. Die Legasthenikerförderung ist
beuern eine reine Mädchen- schule, die anderen drei sind Koedukationsschulen (Schloß Neubeuern, 8201 Neubeuern, Tel: 0 80 35/87 01 30). ❑
auch für Realschüler möglich.
Die Teilnahme am Religions- unterricht ist in Obenirff für jeden Pflicht, denn entspre- chend den Zielen des Schul- trägers soll eine christliche Einstellung vermittelt wer- den. Träger ist das Christliche Jugenddorfwerk Deutsch- lands, mit 100 Einrichtungen für 75 000 Jugendliche das größte freie Bildungs- und Ausbildungswerk der Bun- desrepublik (Jugenddorf Christophorusschule Ober- urff, 3582 Zwesten 2, Tel:
0 56 26/7 51). ❑
Imkerei als freiwillige Arbeits- gemeinschaft
Englische Vorbilder
Bei den engen Beziehun- gen zwischen der Schweiz und Großbritannien, der langjährigen Tradition der britischen Privatschulen und der Entwicklung des schwei- zerischen Tourismus über die Jahrhunderte war es fast un- vermeidlich, daß von Anfang an viele schweizerische Pri- vatschulen von den britischen Erziehungs- und Lernpro- grammen beeinflußt wurden.
Hinzu kamen die politische Neutralität und Weltoffen- heit der Schweiz.
Dies war besonders nach der Gründung des Völker- bundes 1920 der Fall. Die In- ternationale Schule in Genf wurde 1924 als eine der er- sten Schulen gegründet, wel- che die internationale Ver- ständigung besonders beton- te. 1960 kam ebenfalls in Genf eine weitere ausgeprägt multinationale Schule hinzu, das College du Leman. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen weiteren Zuzug in- ternationaler Organisationen (obwohl die Vereinten Natio- nen sich in New York nieder- ließen), Firmen und Körper- schaften. Dadurch entstan- den unter anderem auch Schulen mit amerikanischen Lernprogrammen wie in Lu- gano die American School in Switzerland und die Leysin American School. Aber auch Familien aus Europa, Mittel- ost und Ostasien erkannten die Möglichkeiten, welche die schweizerischen Privatschu- len bieten: Moderne Erzie- hung, gesunde Umgebung, viele Sportarten und ein rei- ches kulturelles Angebot.
Inzwischen gibt es auch schweizerische Privatschulen, an denen man ein in Deutsch- land anerkanntes Abitur ab- legen kann; dies gilt unter an- derem für die Deutsche Schu- le in Genf, das Lyzeum Alpi- num in Zuoz und das Institut auf dem Rosenberg in St.
Gall (Auskünfte: Verband Schweizerische Privatschulen, Postfach 43, CH-1211 Genf
11). ❑
Internat mit Legastheniezentrum
Dt. Ärztebl. 87, Heft 4, 25. Januar 1990 (81) A-245