DEUTSCHES
ARZTEBlATT BILDUNG+ ERZIEHUNG
E
rziehung ist weder in der Familie noch im In- ternat eine reine Idylle.Das "Miteinander", mensch- liche Beziehungen und perso- nale Nähe sind jedoch der Nährboden einer jeden Erzie- hung, soll sie Frucht bringen und die Gefahr des reinen Drills vermeiden. Wie die Fa- milie gewissermaßen das er- ste Zuhause eines jungen Menschen ist, so ist das Inter- nat ein "zweites Zuhause", wo man sich wohl fühlt, wo man sein darf, wie man ist.
Wie in einer guten Fami- lie, so soll ein junger Mensch im Internat sich angenommen fühlen. Dort kann man sich aussprechen; da wird nicht gleich alles auf die Goldwaa- ge gelegt. Erzieher/innen im Internat sind Anwälte der Schüler und Schülerinnen, das heißt auch manchmal ge- gen die Schule oder gegen das Elternhaus. Gleichwohl blei- ben Eltern Erst- und Letzt- verantwortliche für die Erzie- hung ihrer Kinder. Zwischen Elternhaus und Internat muß ein Vertrauensverhältnis be- stehen, das auf der Überein- stimmung in den Erziehungs- zielen und weltanschaulichen Voraussetzungen (religiöse Erziehung) und Wertvorstel- lungen gründet.
Das Internat entlastet das Elternhaus nicht nur in den schulischen Belangen, son- dern auch in den Problemen der Entwicklungsjahre. Ner- venaufreibende Störungen in der Beziehung zwischen her-
Die Formel "Miteinander leben lernen" wird so- wohl von konfessionell geprägten wie auch von freien Internatsschulen herausgestellt. Dazu schreibt P. Pranz Voigt OP von der Arbeitsgemein- schaft katholischer Internatserzieher:
Internat als "zweites Zuhause"
anwachsenden Söhnen und Töchtern und den Eltern wer- den, wie die Erfahrung zeigt, durch einen Internatsaufent- halt wesentlich entschärft oder bleiben fast ganz aus.
Im Internat sind zudem die Beziehungen vielfältig.
Die jungen Menschen leben in einer Gruppe Gleicharti- ger. Mit dem Freund, dem Kameraden nebenan kann man sich zwangslos über Schulaufgaben austauschen, gemeinsame Interessen wahr- nehmen oder einfach mal
"palavern". Die Eltern brau-
chen nicht mehr im Alltag der
"Prellbock" für alles Mög-
liehe zu sein. Selbst wenn bei einer Internatsaufnahme das Verhältnis zwischen Sohn oder Tochter und Eltern ge- spannt war, so verliert sich dies mit der Zeit: Internats- schüler und -schülerinnen fahren an den Wochenenden gern nach Hause; die Eltern freuen sich wieder auf das Zusammensein mit ihren Kin- dern. Oft gibt es einen deut- lichen Versöhnungseffekt
Hinzu kommen unter dem Motto "Miteinander leben lernen" zum Beispiel folgen- de Aspekte:
..,.. schulisch einander wei- terhelfen (ohne Entgelt);
Reiten spielt in manchen Inter- natsschulen eine große Rolle; unter Umständen kann man das eigene Pferd mitbringen
..,.. mit Jüngeren und Älte- ren umgehen lernen, Rück- sicht nehmen, Interessen aus- gleichen;
..,.. Toleranz einüben, im Gespräch aufeinander einge- hen;
..,.. jugendgemäße Wohn- kultur entwickeln, Dienste im Hause für die Gemeinschaft übernehmen;
..,.. musische und künstle- rische Fähigkeiten entwik- keln; Feste und Feiern mitge- stalten;
..,.. politische, soziale, öko- logische Probleme wahrneh- men, Formen der tätigen Mit- hilfe erproben;
..,.. eigenes und fremdes Konsumverhalten reflektie- ren, über die eigenen Bedürf- nisse hinaus denken lernen.
Im katholischen Internat gibt es eine weitere Dimen- sion. Hier sind alle - Erzieher und junge Menschen - auf ei- nem gemeinsamen Weg. Das
"Miteinander leben lernen"
muß ergänzt werden um das
"Miteinander glauben ler-
nen". Die Entwicklung des ei- genen Gewissens, eines kla- ren Wertbewußtseins und das Hineinwachsen in einen durch persönliche Entschei- dung getragenen Glauben ge- hören in die umfassende Er- ziehungsaufgabe katholischer Internate.
Auskünfte über kntholische Internate in der Bundesrepu- blik: Zentralstelle Bildung der Deutschen Bischofskonferenz, Kaiserstr. 163, 5300 Bann 1, Tel: 02 28/10 32 48). 0
HERMANN LIETZ-SCHULE SPIEKEROOG
staatl. anerkanntes Gymnasium für Jungen und Mädchen, Klasse 7-13
• offenes und vertrauensvolles Miteinanderleben und -ar- beiten von Schülern und Lehrern
• Entdecken von handwerklichen und kreativen Fähigkeiten
• optimale Schulbedingungen durch kleine Lerngruppen und intensive Betreuung
• durch die klimatischen Bedingungen der Insel besonders geeignet für Haut-, Allergie- und Bronchialkranke
Anfragen richten Sie bitte an den Leiter der
Hermann-Lietz-Schule, Dr. Hartwig Henke, 2941 Spiekeroog, Tel. (04976) 413-414
Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989 (97) A-1709