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Archiv "30. Deutscher Hausärztetag: „Die Zukunft liegt nicht im KV-System“" (28.09.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 39⏐⏐28. September 2007 A2617

P O L I T I K

M

an muss sich nicht alles ge- fallen lassen. Das lehrt ein Blick auf die Homepage der Lan- desvertretung des Saarlands beim Bund in Berlin. Das „älteste neue Bundesland“ ist gerade 50 Jahre alt geworden; am 1. Januar 1957 wurde es in die Bundesrepublik Deutschland rückgegliedert, wie es so schön auf Verwaltungsdeutsch heißt. Rund ein Jahr zuvor hatte die saarländische Bevölkerung ihren Kopf durchgesetzt und mehrheit- lich das Ende des französischen Protektorats verlangt.

Vielleicht hatte der Deutsche Hausärzteverband (BDA) auch des- halb die saarländische Vertretung ausgewählt, um den 30. Deutschen Hausärztetag zu feiern. Im An- schluss an den ersten Arbeitstag der Delegierten kamen fast 400 Gäste dorthin, um den Reden zu lauschen, unter anderem der von Bundesge- sundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), sich am Buffet zu bedienen und nebenbei Politik zu machen.

„Das Selbstbewusstsein und die Streitbarkeit der Hausärzte sind ge- wachsen“, hatte Rainer Kötzle zu-

vor in seiner Abschiedsrede vor den Delegierten festgestellt. „Die Zeiten, in denen sich Hausärzte ohnmächtig von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) über den Tisch ziehen las- sen, müssen vorbei sein.“ Der Bun- desvorsitzende kandidierte nach drei Jahren im Amt aus persönlichen

Gründen nicht mehr. Ihm fehlte die Zeit für seine Hausarztpraxis.

Vehement forderte Kötzle seine Kolleginnen und Kollegen auf, geschlossen für ein Hausarztstär- kungsgesetz einzutreten (Kasten unten) und ebenso geschlossen hin- ter den Forderungen ihres Verbands zu stehen. Unter anderem stellte er klar, was die Hausärzte im Rahmen der neuen Gebührenordnung für Vertragsärzte als Mininum erwarte- ten: „25 Euro pro Patient und Monat sind nicht zu viel und die Untergren- ze unseres Angebots.“

Zugleich warnte Kötzle davor, die Hausärzte noch lange auf besse- re Arbeitsbedingungen warten zu lassen: „Wenn weder ein Hausarzt- stärkungsgesetz noch eine Honorar- verbesserung kommen, dann sage ich voraus, dass die Befürworter des Ausstiegs ganz erhebliche Unter- stützung bekommen werden.“

Ein Schulterklopfen, aber keine wirkliche Förderung

Unterstützung bekam in Berlin zu- mindest ein Befürworter des Aus- stiegs der Hausärzte aus dem KV- System: Dr. med. Wolfgang Hoppen- thaller, der Vorsitzende des bayeri- schen Landesverbands. Er wurde mit 85 von 120 Stimmen zum ersten stellvertretenden Vorsitzenden ge- wählt. Hoppenthaller hatte sich zu- vor klar gegen das jetzige System po- sitioniert. Er wirft „weiten Teilen der Politik“ vor, die Hausärzte im Grun- de abschaffen zu wollen. Auf jeden Fall werde viel zu wenig getan, um ihre Situation zu verbessern, kriti- sierte Hoppenthaller: „Wir bekom- men immer ein Schulterklopfen, aber nicht eine wirkliche Förderung.“

Zum neuen Bundesvorsitzenden wählten die Delegierten Ulrich Weigeldt. Er hatte dieses Amt vor Kötzle inne und gab es 2004 auf, um

30. DEUTSCHER HAUSÄRZTETAG

„Die Zukunft liegt nicht im KV-System“

Die Hausärzte haben gewählt: Ulrich Weigeldt ist ihr Bundesvorsitzender,

Dr. med. Wolfgang Hoppenthaller sein Stellvertreter. Er will den Systemausstieg wagen – Weigeldt hingegen hält sich noch bedeckt.

STÄRKUNG PER GESETZ

Auf Antrag der bayerischen Staatsregierung hat der Bundesrat am 21. September über den Entwurf eines Hausarztstärkungsgesetzes beraten. Nun prüfen die zuständigen Ausschüsse den Vorschlag.

Darin wird unter anderem vorgeschlagen, dass die Hausärzte „ihre vertraglichen Angelegenheiten selbst und eigenverantwortlich“ in den Kassenärztlichen Vereinigun- gen regeln. Diesen soll der Abschluss von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung untersagt werden. Zudem verlangt die bayerische Staatsregierung, dass für die neue Gebührenordnung der Vertragsärzte ein bundeseinheitlicher Orientierungspunktwert für die hausärztliche und einer für die fachärztliche Versorgung vorgesehen wird. Ein ent- sprechender Vorstoß für ein Hausarztstärkungsgesetz war im Sommer während der Gesundheitsministerkonferenz der Länder allerdings gescheitert.

Ernste Mienen trotz des guten Wahlergebnisses:

Ulrich Weigeldt und Wolfgang Hoppen- thaller, daneben Rainer Kötzle (von links) vor der Presse

Fotos:Georg J.Lopata

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A2618 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 39⏐⏐28. September 2007 in den Vorstand der Kassenärztli-

chen Bundesvereinigung (KBV) zu wechseln. Von diesem Posten trat er im Sommer nach einem Misstrauens- votum der Vertreterversammlung zurück.

Gegen Weigeldt kandidierte Dr.

Heinz Jarmatz, Vorsitzender des niedersächsischen Landesverbands.

Er hatte für eine gewisse Kooperati- on mit den KVen plädiert und dafür, eine neue Kultur des Umgangs zu suchen. Denn noch verteilten die KVen das meiste Honorar. Der von ihm vorgeschlagene Kurs ist jedoch nicht mehrheitsfähig im BDA: Wei- geldt erhielt 83 Stimmen, Jarmatz nur 37.

„Die hausärztliche Identität nicht abschwatzen lassen“

Als zweiten Stellvertreter wählten die Delegierten Diplom-Mediziner Andreas Petri, den Vorsitzenden des Landesverbands Sachsen-Anhalt, als dritten Stellvertreter Dr. med.

Berthold Dietsche, BDA-Vorsitzen- der in Baden-Württemberg. Petri hatte zuvor gefordert, die Transpa- renz im Verband zu erhöhen (Kas- ten rechts). Außerdem plädierte er dafür, die Eigenständigkeit der Landesverbände zu respektieren:

„Der Bundesverband ist für die Lan- desverbände da, nicht umgekehrt.“

Der frisch gewählte Bundesvorsit- zende Weigeldt sprach sich dafür aus, die Diskussion über einen Sys- temausstieg zuzulassen und die Ent- wicklung in den einzelnen Landes- verbänden zu verfolgen. Er glaubt offensichtlich nicht mehr daran, dass sich innerhalb der vorhandenen KV- Strukturen genug für die Hausärzte erreichen lässt. Es sei schon nicht leicht, sich dort „die hausärztliche Identität nicht abschwatzen zu las- sen“. Deshalb ist Weigeldt über- zeugt, „dass eine hausärztliche Inter-

essenvertretung nur durch diesen Verband möglich ist.“

Doch den Ausstieg aus dem KV- System propagiert er deshalb nicht ausdrücklich. Man werde allerdings

„nicht erwarten können, dass wir uns KV-Interessen unterordnen“, stellte er klar. Wie Kötzle und Hop- penthaller findet es Weigeldt inak- zeptabel, dass die KVen in Kon- kurrenz zu Verbänden Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung ab- schließen dürfen. Die Politik habe diese Konstellation geschaffen, sie solle sie jetzt auch rückgängig ma- chen, forderte er.

Für seinen Vorgänger Kötzle be- finden sich die Hausärzte sowieso in einer Zwischenphase. Der Haus- arzt-/Hausapotheker-Vertrag mit der Barmer Ersatzkasse sowie einzelne Abkommen zur hausarztzentrierten Versorgung auf Landesebene beleg- ten, dass der BDA „exzellent“ darauf vorbereitet sei, Verträge nach § 73 b

SGB V abzuschließen. Gleichwohl werde man „noch eine Zeitlang die Diskussion darüber führen müs- sen, wo es Sinn macht, mit einer KV zu kooperieren und in welcher Weise“, räumte Kötzle ein. Aber er ist überzeugt: „Die Zukunft der Hausärzte liegt nicht im KV- System.“

Kötzle geht es wie vielen BDA- Mitgliedern viel zu langsam mit Re- formen, die den Beruf lukrativ und damit attraktiv machen könnten.

Selbst das von Bayern geforderte Hausarztstärkungsgesetz reicht ih- rer Meinung nicht weit genug. „Die

Krankenkassen müssen verpflichtet werden, einen Zeitrahmen für Haus- arztverträge einzuhalten. Es muss eine Schlichtungsstelle geben, die bei unzumutbaren Angeboten der Krankenkassen angerufen werden kann. Und es muss die Förderung der Allgemeinmedizin insgesamt beinhalten“, verlangte Kötzle.

Ungemütlich wird es angesichts des anhaltenden Ärgers im BDA über die Kassenärztlichen Vereini- gungen für die Hausärzte bleiben, die dort ein Vorstandsamt übernom- men haben. Das belegte mancher Einwurf während der Delegierten- versammlung ebenso wie Äußerun- gen Weigeldts. Er bezeichnete es zwar als falsch, alle Drähte zu Lan- desärztekammern oder KVen zu kappen. Doch an die Verbandsmit- glieder, die als KV-Vorstände arbei- ten, richtete er eine klare Ansage:

Der Verband erwarte von ihnen, dass sie dort „das maximal Mögli- che für Hausärzte herausholen“. I Sabine Rieser

MEHR TRANSPARENZ

„Der neue Vorstand soll bis zur nächsten Delegierten- versammlung Regeln aufstellen, die Abhängigkeiten und Nebeneinkünfte der Bundesverbandsspitze aufzeigen.“

Das haben die Delegierten beschlossen. Ein Antrag auf Vorstandsüberweisung fand keine Mehrheit.

Hintergrund des Anliegens aus dem Landesverband Nordrhein: Seit einigen Wochen werden gezielt Hinweise gestreut, die Verbandsspitze könne finanziell von der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft (mit deren Hilfe die Hausarztverträge des Verbands abgewickelt werden) und dem Institut für hausärztliche Fortbildung profitieren.

Rainer Kötzle ging in seiner Rede indirekt auf den An- trag ein. „Überall wird hocheffiziente Arbeit mit einem klei- nen Personalbestand geleistet, manchmal über jedes ver- nünftige Maß an Belastung hinaus“, sagte er. Verbesse- rungen seien immer möglich, aber „verletzende und unsachliche Kritik sind unseren Mitarbeitern gegenüber nicht angebracht. Und da schließe ich den Hauptgeschäfts- führer ausdrücklich mit ein.“

Zuhören, nachfra- gen, abstimmen:

Die Delegierten fassten sich kurz – öffentlich. Ausführ- licher diskutierten sie zuvor hinter ver- schlossenen Türen.

Rachegefühle wegen schlechter Erfahrungen bei der KBV? Nein, behauptet Weigeldt:

Dafür müsse man seinen Job vorher geliebt haben, „und das kann ich wirk- lich nicht sagen“.

Referenzen

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