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Archiv "NS-ZEIT: Sensibilisiert?" (01.06.1989)

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NS-ZEIT

Zu dem Beitrag „Vergangen- heits,bewältigung` in der Nußscha- le" in Heft 13/1989 und zu der Serie

„Medizin im Nationalsozialismus":

Noch viel lernen

Der intolerante Mei- nungsstreit um die Veröffent- lichungen der Serie aus unse- rer Geschichte — NS-Zeit — Ärzte — belegt den beidersei- tigen Fanatismus; ich erlebte ihn damals als Gymnasiast;

kann ihn im demokratischen Gemeinwesen derzeit noch als gelassener Zuschauer ver- folgen. Und ich frage mich immer wieder, was die unauf-

Prügelknabe

Die „Vergangenheitsbe- wältigung in der Nußschale"

war notwendig! Doch, gestat- ten Sie mir bitte diese Mei- nung, gehen Sie nicht mit so großen Emotionen an die an die Redaktion eingehenden Leserbriefe heran. Eigentlich haben Sie alle Betrachtungs- weisen zum Thema Medizin im Nationalsozialismus hin- reichend erörtert, doch sollte man bedenken, daß die Tem- peramente der Leser sehr un- terschiedlich sind, so daß sie auch zu sehr differenten Aus- legungen kommen werden.

Die Leser, die mit dem DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT äußerst kritisch um- gehen, sollte man nicht ver- dammen. Sie schreiben sicher nur aus großer Sorge, daß eventuell in anderer Form fa- schistische Tendenzen wieder auftreten. Ohne Grund sind ja diese Sorgen nicht, wenn man mit ansehen muß, zu welchen Greueltaten Ärzte auch jetzt noch in totalitären Staaten bereit sind. Auch in unserem Land entwickelt sich ein radikaleres politisches Klima, was zu großer Sorge Anlaß gibt. Die veröffentlich- ten Leserbriefe sind in klarer Sprache geschrieben und las- sen eindeutig die Meinung des Autors erkennen.

Daß das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT für Leser- briefe mit antifaschistischer

hörlich wiederholten Ankla- gen und Schuldzuweisungen sollen, die dann irgendwo Rechtfertigungen auslösen, die dann erst recht zu fanati- schem Dreinschlagen zu be- rechtigen scheinen. Von an- deren Völkern, zumal von den Franzosen — Stichwort Napoleon — sollten wir noch viel lernen.

Ich bedanke mich für die in Rede stehende Artikelse- rie, welche mehreren Stand- und Gesichtspunkten veröf- fentlichten Ausdruck ver- leiht.. .

Dr. med. Wolfgang Gar- mann, Oberstdorfer Straße 8, 8972 Sonthofen/Allgäu

Tendenz der Adressat ist, ist eigentlich völlig klar. Mit ei- nem Alt-Nazi, der nichts aus der Vergangenheit gelernt hat, kann man und möchte man keine Kontakte aufneh- men. Verstehen Sie sich also ruhig als Prügelknabe, wenn es auch schwer fällt. Lob zu erheischen ist wohltuender, als Schelte zu empfangen, aber die Ihnen zufallende schwere Aufgabe der Aufklä- rung eines Teils deutscher Vergangenheit verlangt auch ein großes Maß an Verständ- nis für die unterschiedlich- sten Reaktionen der Le- ser .. .

Dr. Wolfgang Tacke, Kir- chenweg 17 c, 2280 Wester- land/Sylt

Sensibilisiert?

Der Versuch des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES, die nationalsozialistische Ver- gangenheit der deutschen Arzteschaft aufzuarbeiten —

„bewältigen" werden wir die- se beispiellose historische Phase niemals —, verdient un- eingeschränkte Zustimmung, wenn es sich auch nur um kleine Mosaiksteine eines aus heutiger Sicht — fast — unbe- greiflichen Bildes handeln kann.

Auch die vielfältigen Stim- men aus dem Leserkreis tra- gen hierzu bei, selbst wenn sie vereinzelt „die Grenzen des

PRES' - Zusammensetzung: 1 Tablette PRES 5 mg enthält 5 mg, 1 Tablette PRES 10 mg enthält 10 mg, 1 Tablette PRES 20 mg enthält 20 mg Enalaprilhydrogenmaleat. Indikationen:

Bluthochdruck, allein oder in Kombination mit einem Diureti- kum; als Zusatzmedikation bei Patienten mit Herzinsuffi- zienz, die nicht ausreichend auf Herzglykoside und/oder Diuretika ansprechen. Einstellung bei Herzinsuffizienz _unter strenger klinischer Überwachung in einer kardiologischen Ab- teilung im Krankenhaus. Kontraindikationen: Überempfind- lichkeit gegen Enalaprilhydrogenmaleat; angioneurotisches Ödem bei hereditärem C 1-Inhibitor-Mangel; beidseitige Nie- renarterienstenose, Nierenarterienstenose einer Einzelniere, Zustand nach Nierentransplantation; primäre Lebererkran- kung; Aortenstenose, Mitralstenose, hypertrophe Kardio- myopathie mit Ausflußbehinderung ; Schwangerschaft, Still- zeit, Kinder; primärer Hyperaldosteronismus. Sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung bei gestörter Immunreaktion oder Kollagenkrankheiten; bei schweren Nierenfunktionsstörun- gen und Diuretikavorbehandlung ; Flüssigkeits- und Elektro- lytverluste vor Therapiebeginn ausgleichen. Nebenwirkun- gen: Warnhinweise: Lebensbedrohliche Blutdruckabfälle bei vorangegangener Diuretikatherapie bei Salz- und Flüssig- keitsverlusten, bei reninabhängigem schwerem Hochdruck und bei Herzinsuffizienz möglich. Bestehende Nierenfunk- tionsstörung kann verstärkt werden und bis zum Nieren- versagen führen. Regelmäßige Laborkontrollen notwendig!

Vor Therapiebeginn Ermittlung der Nierenfunktion bei jedem Patienten erforderlich. In Einzelfällen Angioödem mit Glottis- ödem möglich (ärztliche Notfallmaßnahmen!). Schwindel, Kopfschmerz, seltener Müdigkeit, Schwächegefühl, Hypoto- nie. Verstärkung einer bestehenden Nierenfunktionsstörung, Übelkeit, Diarrhoe, Exantheme, Muskelkrämpfe, trockener Husten, Brennen der Mundschleimhaut, Synkopen. In Einzel- fällen vorübergehende Geschmacksveränderungen, schwere Hautreaktionen. Senkungen von Hämoglobin, Hämatokrit, der Thrombozyten sowie Erhöhungen der Leberenzyme wur- den beobachtet, ebenso in sehr seltenen Fällen eine Verände- rung des Blutbildes (Leukopenie, Anämie, Panzytopenie) und Leberfunktionsstörungen mit sekundärer Cholestase; Pro- teinurie und Hyperkaliämie, besonders bei Nierenerkrankun- gen. Veränderungen der Laborwerte von klinischem Belange traten unter PRES selten auf; ein ursächlicher Zusammen- hang wurde nicht festgestellt. Individuell kann die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt sein, besonders bei Behandlungs- beginn, Präparatewechsel sowie im Zusammenwirken mit Alkohol.

Boehringer Ingelheim KG, 6507 Ingelheim am Rhein.

Hinweis: Bitte beachten Sie die ausführlichen Angaben in der Packungsbeilage. Packungen (Stand März 1988): A.V. P.

PRES 5 mg: 30 Tabletten (N 1) DM 55,10, 50 Tabletten (N 2) DM 86,20, 100 Tabletten (N 3) DM 161,45; PRES 10 mg:

30 Tabletten (N 1) DM 63,10, 50 Tabletten (N 2) DM 99,00, 100 Tabletten (N 3) DM 186,15; PRES 20 mg: 30 Tabletten (N 1) DM 72,15, 50 Tabletten (N 2) DM 113,30, 100 Tabletten (N 3) DM 213,40; Klinikpackungen.

PRES' plus- Zusammensetzung: 1 Tablette PRES plus (mit Bruchrille) enthält 10 mg Enalaprilhydrogenmaleat, 25 mg Hydrochlorothiazid. Indikationen: Hypertonie, wenn ein Kombinationspräparat angezeigt ist. Ein Kombinationspräpa- rat sollte nicht zur Ersteinstellung verwendet werden. Kon- traindikationen: Überempfindlichkeit gegen Enalapril, Thia- ziddiuretika, Sulfonamide. Niereninsuffizienz (Serumkreatinin

> 1,8 mg %), Glomerulonephritis, Nierenarterienstenose beidseits oder bei Einzelniere oder nach Nierentransplanta- tion. Mitral-, Aortenstenose oder andere kardiale Ausflußbe- hinderungen, therapierefraktäre dekompensierte Herzinsuffi- zienz. Schwere Leberfunktionsstörungen. Primärer Hyper- aldosteronismus. Therapieresistente Hypokaliämie. Angio- ödem. Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder. Bei Autoimmun- oder Kollagenkrankheit sowie Einnahme von Immunsuppres- siva oder Antimetaboliten Nutzen-Risiko-Abwägung erforder- lich. Nebenwirkungen: Schwindel, Kopfschmerz, Müdig- keit, trockener Husten, Muskelkrämpfe oder -schwäche, Schwächegefühl, Impotenz, Parästhesien, Herzklopfen und Beschwerden im Brustkorb wurden berichtet. Gelegentlich sind vorübergehende gastrointestinale Störungen einschließ- lich Brennen der Mundschleimhaut und Mundtrockenheit, selten Änderung der Geschmacksempfindung, in Ausnahme- fällen Leberfunktionsstörung mit sekundärer Cholestase, Cholecystitis und Pankreatitis möglich. Überempfindlich- keitsreaktionen sind meist verbunden mit Jucken und Haut- rötung ; selten können Photosensibilität, Urtikaria oder schwere Hautreaktionen auftreten. Laborveränderungen von klinischem Belang wie Störungen des Elektrolyt- und Wasser- haushaltes, Blutbildveränderungen (Leukopenie, Anämie, Panzytopenie), besonders bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, mit Kollagenkrankheit oder Behandlung mit lmmunsuppressiva oder Allopurinol (Blutbildkontrollen durchführen), Anstiege von Leberenzymen, Harnstoff oder Kreatinin wurden selten beobachtet. Diuretikabedingten Stö- rungen (Kalium) wirkt die Enalapril-Komponente entgegen.

Bei Vorbehandlung mit Diuretika, bei Salz- und Flüssigkeits- verlusten, renovaskulärer Hypertonie oder Herzinsuffizienz kann es zu einem akuten Blutdruckabfall kommen. Daher sollen Diuretika für 2 -3 Tage vor Therapiebeginn abgesetzt oder ihre Dosis stark reduziert werden. Sorgfältige Nutzen- Risiko-Abwägung ist notwendig, gegebenenfalls Volumen- ausgleich vor Behandlungsbeginn. Bei Patienten mit Nieren- erkrankungen müssen regelmäßig entsprechende Laborkon- trollen durchgeführt werden, da eine Nierenfunktionsstörung eintreten kann. Bei Auftreten eines Angioödems am Gesicht, an den Extremitäten, den Lippen, der Zunge, der Glottis und/

oder Larynx muß PRES plus abgesetzt und der Patient sorg- fältig beobachtet werden. Besteht Atemwegsbeteiligung, sind erforderlichenfalls Notfallmaßnahmen einzuleiten. Es wird empfohlen, umgehend subkutan Epinephrinlösung 1:1000 (0,3-0,5 ml) zu verabreichen. PRES plus ist abzuset- zen bei therapieresistenter Entgleisung des Elektrolythaus- haltes, orthostatischen Beschwerden, Uberempfindlichkeits- reaktionen, starken gastrointestinalen Beschwerden, zentral- nervösen Störungen, Pankreatitis, Blutbildveränderungen, bei akuter Cholezystitis, Vaskulitis und Verschlimmerung einer bestehenden Myopie.

Boehringer Ingelheim KG, 6507 Ingelheim am Rhein.

Hinweis: Bitte beachten Sie die ausführlichen Angaben in der Packungsbeilage.

Packungen (Stand Januar 1989): A.V. P. 30 Tabletten (N 1) DM 66,45; 50 Tabletten (N 2) DM 104,20; 100 Tabletten (N 3) DM 196,00.

A-1636 (8) Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989

Boehringer Ingelheim

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Erträglichen" erreichen. Zu versuchen, die atmosphäri- schen Vorbedingungen für ei- ne kaum noch nachvollzieh- bare Situation freizulegen und ihre Entwicklung zu er- klären, bedeutet nicht, sie verstehen oder gar entschul- digen zu wollen!

Von einer objektiven Auf- arbeitung der Ereignisse ist ihre moralische Bewertung strikt zu trennen: Hier gibt es nichts zu beschönigen. Mögen auch die aktiv verbrecherisch tätig gewesenen Ärzte eine kleine Minderheit dargestellt haben, die überwiegende Mehrheit der deutschen Ärz- teschaft hat die Ereignisse zu- mindest schweigend toleriert, wenn vielleicht vereinzelt auch mit innerer Ablehnung.

Daraus stellt sich die Fra- ge für Gegenwart und Zu- kunft: Hat die belastete Ver- gangenheit zu einer Sensibili- sierung der Ärzteschaft und darüber hinaus der gesamten deutschen öffentlichen Be- wußtseinslage geführt? So er- schreckend es klingt, man muß dies fast bezweifeln!

So sollte man zum Beispiel meinen, die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens in allen seinen Formen werde nach dieser Vergangenheit als ein unumstößliches mora- lisches Prinzip von allen Sei- ten uneingeschränkt aner- kannt. Wenn man aber sieht, wie „salopp" im Zusammen- hang mit der Diskussion um den § 218 über den Wert des werdenden Lebens diskutiert wird, dieses Leben zur Dispo- sition gestellt wird, weil es momentan als „lästig" emp- funden wird, lassen sich für den moralisch Sensibilisierten verwandte Grundströmungen erkennen; Leben wird einer subjektiven Bewertung unter- zogen! Am anderen Lebens- bereich ist es nicht anders:

Die Motivation für die „Eu- thanasie" Geisteskranker und Behinderter im Dritten Reich ist so weit nicht entfernt von einer Motivation, mit der in erstaunlicher Unbefangenheit heute der Alters-Euthanasie das Wort geredet wird.

Man möge mich nicht miß- verstehen: Ich bin weit davon

entfernt, mit dieser Feststel- lung die Verbrechen der NS- Zeit mit diesen heutigen Ten- denzen auf eine Stufe zu stel- len; ich meine nur, daß wir aus den vergangenen Ge- schehnissen — noch — nicht ge- nügend die erforderlichen moralischen Konsequenzen gezogen, keine neue „radika- le" ärztliche Ethik entwickelt haben — vielleicht weil eine neue, jüngere Generation in unbefangenem moralischen Selbstvertrauen glaubt, derar- tigen Anfechtungen gegen- über immun zu sein?

Prof. Dr. med. habil. H.

W. Opderbecke, Juvenellstra- ße 70, 8500 Nürnberg 90 SOZIALSTAAT

Zu dem Beitrag „Solidarität und Subsidiarität — Ersatzreligio- nen des Sozialstaats" von Prof. Dr.

med. Horst Baier in Heft 17/1989:

Nicht wundern

Der Beitrag hat in begrü- ßenswerter Offenheit und nüchtern die sozialpolitischen Verhältnisse und Hintergrün- de unserer „Anspruchsgesell- schaft" analysiert. Zu ergän- zen wäre allerdings: Der „Ge- nerationenvertrag" unserer staatlichen Rentenversiche- rung ist vor allem insofern äu- ßerst fragwürdig, als sie mit- tels des „Umlageverfahrens"

finanziert wird. Versiche- rungsmathematisch ist dieses

— im Gegensatz zum „Kapital- deckungsverfahren" — als ab- solut unsolide und „pseudo- sozial" zu bezeichnen.

Es funktioniert nur, wenn und solange

die demographische tannenbaumförmige Alters- pyramide eines Versicherten- kollektivs gegeben ist,

> die Verhältnisse von Wirtschaft und Arbeitsmarkt stabil sind.

Reduzierungen der not- wendig breiten Basis besagter Pyramide durch zum Beispiel starke Kriegsverluste an Menschen junger Jahrgänge oder infolge massiver Gebur- tenrückgänge machen den.

Generationenvertrag zur de- mographischen Illusion.

Vor derartigen Risiken so- ziologischer, politischer und wirtschaftlicher Art hätten verantwortungsbewußte Poli- tiker und Konzeptoren von Rentenversorgungseinrich- tungen nicht die Augen ver- schließen dürfen wie seiner- zeit in den 50er Jahren im Bundesarbeitsministerium und den übrigen beteiligten Regierungsressorts.

Da auch in der Folgezeit trotz dieser Risiken . . . in Bonn die Etats für diverse so- ziale Wohltaten erweitert wurden, darf sich niemand über die nun erkennbar kom- menden Probleme und Miß- stände unseres staatlichen Rentensystems, das Versagen des „solidarischen Genera- tionsvertrags" und den Be- darf ausreichender Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt be- klagen oder wundern.

Dr. med. Hans-Joachim Tepe, Finkengrund 7, 3118 Bad Bevensen-Medingen

Lastenumverteilung

In seinem Aufsatz zeich- net Prof. Dr. Baier ein düste- res Bild des bundesdeutschen Sozialstaates. Die scheinbar empirische Betrachtung und historische Analyse ist jedoch verknüpft mit einem Höchst- maß unterschwellig-subjekti- ver Interpretation. Daraus re- sultierende Aussagen und Folgerungen sind von sozialer Wirklichkeit wie auch Not- wendigkeit weit entfernt.

Kann man wirklich von

„maßlosen Ansprüchen" der Bürger und von einer staat- lich garantierten „totalen Da- seinsvorsorge" ausgehen?

Entscheidend ist hier der bei der Bewertung angelegte Maßstab. Vergleicht man die Ansprüche der Bürger mit ei- nem rein marktwirtschaftlich orientierten System wie den USA, so mögen sie überhöht erscheinen. Ist es aber aus humanistischer Sicht geurteilt zuviel, nach einem Leben ge- leisteter Arbeit Anspruch auf angemessene Versorgung und Sicherung zu erheben, ohne sich in ständigem Kampf ums Überleben, gar

einem „struggle for life" nach Darwinscher Manier, bewäh- ren zu müssen? Den Sozial- staat in diesem Zusammen- hang als eine „Schöpfung der Bürokraten" zu bezeichnen, gar ein „Inschachhalten der Bevölkerung" und „Unter- drückung spontaner Lebens- neigungen" . . . zu beobach- ten, ist unhistorisch und rea- litätsfern. Die nicht zuletzt unter dem Druck der Arbei- terbewegung entstandene So- zialgesetzgebung erwuchs aus der Einsicht in soziale Not- wendigkeiten, nicht aus büro- kratischem Kalkül.

Geradezu absurd mutet die negative Interpretation der Gewißheit einer sozialen Sicherung an. Gerade sie ist es doch, die Vertrauen in die Zukunft stärkt. Die nach- wuchshemmende Zukunfts- angst ist . . . größtenteils aber in vielfältigen anderen Bedro- hungen begründet.

Es wird die unmenschliche

„legalisierte Kindstötung", ei- ne zumindest nicht unum- strittene Interpretation gera- de der Sozialindikation des

§ 218, beklagt, andererseits bezeichnet der Verfasser selbst den Menschen als ver- dinglichte „Ressource" und spricht von „Aufzucht" von Kindern. Diese Wortwahl steht im Widerspruch zu vor- her erhobenen moralischen Ansprüchen.

Unverständlich auch ist der mehrfach hergestellte Zu- sammenhang mit dem „völ- kisch-rassischen Machtstaat"

des Nationalsozialismus, der eine in Methode und Inhalt unvereinbare Gegensätzlich- keit darstellt. Solidarität und eine „Sozialmoral der Spar- samkeit" sind keine leeren Formeln, sondern ideelle Werte, die den praktischen Anforderungen unserer Zeit entsprechen. Der Genera- tionsvertrag ist volkswirt- schaftliche Realität, nach der jahrzehntelang gehaushaltet wurde. Dementsprechend dienen eventuelle Gewinn- einbußen der Arzneimittelin- dustrie nicht den Zielen ein- zelner Politiker, sondern der sozialen Sicherung aller Westdeutschen. Ein Gefühl A-1638 (10) Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989

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